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Abrechnung gebracht. Zur Deckung verschiedener ausserordentlicher Ausgaben (Trinkwasserversorgung 170000 Fr., neuer Bisse de la Liène 60000 Fr.) hat die Stadt 1901 ein Anleihen von 250000 Fr. aufgenommen, das in 42 Jahren amortisiert sein soll. Gemeinde- und Bürgerrat vereinigen sich alljährlich zu einem gemeinsamen Essen, dessen Kosten durch die Zinsen eines Spezialfonds gedeckt werden und dessen originelles Menu unveränderlich ist. Der Einkauf in das städtische Bürgerrecht kostet a) eine fixe Summe von 800 Fr., wovon 600 Fr. in die Bürgerkasse und 200 Fr. in die Spitalkasse fallen; b) eine Summe von 100 Fr. für jeden männlichen Nachkommen; c) 20. Fr. Stempel- und Siegelgebühr.
Kantonale und lokale Institutionen.
Sitten ist der Amtssitz der weltlichen und geistlichen Behörden des Kantons: Staatsrat, bischöfliche Verwaltung, Domherrenstift, Priesterseminar. Die Verfassung schreibt den Mitgliedern des Staatsrates den Wohnsitz in Sitten vor. Der Grosse Rat versammelt sich hier jährlich mindestens zweimal zur ordentlichen Mai- und Novembersession. Das Kantonsgericht oder Appellationsgericht hält jährlich 3-4 mal Sitzung in Sitten. Sitz des Bezirksgerichtes Sitten und des benachbarten Bezirkes Hérens, für den die Stadt der eigenartigen Grundeigentumsverhältnisse wegen den geschäftlichen Mittelpunkt bildet. In militärischer Hinsicht spielt Sitten seit der eidgenössischen Organisation von 1874, die der Stadt die kantonalen Militärkurse entzog, nur noch eine bescheidene Rolle, indem bloss noch Wiederholungskurse hierher verlegt werden.
Die wichtigsten lokalen Vereine und Gesellschaften sind: die Sektion Sitten der Walliser Gesellschaft zur gegenseitigen Unterstützung in Krankheits- und Todesfällen, die Sektion Sitten des eidgenössischen Turnvereins, die Schützengesellschaft, der Grütliverein, der katholische Arbeiterverein, der hauptsächlich aus Handwerkern und Gewerbetreibenden bestehende Gewerbeverein (Société industrielle des Arts et Métiers), der am St. Eligiustag (1. Dezember) mit grossem Prunk sein Jahresfest feiert. Den ersten Rang nimmt jedoch die landwirtschaftliche Gesellschaft (Société d'Agriculture) ein. Neben dem Armen- und dem Spitalfonds, von denen bereits die Rede war, besitzt Sitten noch je ein Waisenhaus für Knaben und Mädchen. Wohltätigen Zwecken dient der Frauenverein vom h. Vinzenz von Paul. Zum Schluss sei der eigenartigen Sitte gedacht, für Schwerkranke eine Messe lesen zu lassen.
Geschichtlicher Ueberblick.
Als Julius Caesars Unterfeldherren ums Jahr 50 v. Chr. ins Wallis vordrangen, war Sitten bereits der Hauptort der Seduner, des einen der im Rhonethal sitzenden vier keltischen Stämme, die die drei aus der Thalebene aufragenden Hügel deswegen zur Ansiedelung verlockt hatten, weil sie sowohl gegen feindliche Ueberfälle als gegen die Ueberschwemmungen der wilden Rhone und der Sionne hinreichenden Schutz boten. Die vorhistorische Niederlassung muss in dem stillen Thälchen zwischen Valeria und Tourbillon, in dem sich heute die Allerheiligenkapelle erhebt, gestanden haben.
Hier liessen sich dann in der Folge auch die eingedrungenen Eroberer nieder. So berichtet die Chronik des Fredegarius ums Jahr 613, d. h. zu der Zeit, da Sitten endgiltig zum Bischofssitz geworden, dass sich die Stadt an den NW.-Hang des Hügels Valeria anschmiege, von dem sie unmittelbar überragt werde. Der O.-Eingang in das enge Thälchen war durch eine Zinnenmauer gesperrt, in der sich ein Tor, die unter der Hut des Kapitels stehende Porte du Covent, öffnete. Nordwärts markierte die Stadtgrenze die vom Gipfel des Tourbillon gegen W. zur Ebene sich senkende Festungsmauer, von der heute noch Ueberreste vorhanden sind.
Als Stützpunkte zur Verteidigung dienten ihr die Burg Majoria und das ehemalige Schloss der Vitztume, von wo aus eine weitere Mauer quer über den W.-Ausgang des Thälchens zu einem am Fuss von Valeria stehenden festen Turm zog. Bald aber wurde diese Umwallung der wachsenden Stadt zu enge. Sie zog sich allmählig zur Ebene hinab und erreichte den Lauf der Sionne, den sie im 9. Jahrhundert überschritt, um sich bei der Notre Dame du Glarier anzusiedeln. Um diese Zeit entstand vielleicht auch die hier bis 1840 erhalten gebliebene Stadtmauer, deren Existenz im 13. Jahrhundert urkundlich bezeugt ist und die ursprünglich von 4, dann von 5 und später von 8 Toren durchbrochen und durch zahlreiche Türme, von denen heute noch mehrere existieren, verstärkt war.
Eine Gemeindeordnung bestand in Sitten schon vor der Herrschaft des Bischofes Kuno (1179). Im Jahr 1181 sehen wir diesen Bischof mit seinem Meier, Wilhelm von La Tour, ein Uebereinkommen hinsichtlich ihrer beiderseitigen Rechte über die Stadt treffen. Die Versuche der La Tour (Im Thurn), ihre Rechte als Meier auszudehnen, veranlassten 1217 den Bischof Landri und sein Kapitel, die Befugnisse beider Parteien in einem besondern Gemeindebrief genau zu umschreiben, infolge dessen dann die Ortsbürger nach und nach in den Räten festen Boden zu fassen vermochten.
Schon 1224 beteiligten sich neben den Domherren und kirchlichen Ministerialen auch Abgeordnete der Gemeinde an der Genehmigung eines mit dem Grafen von Savoyen geschlossenen Vertrages. Immerhin vermochten die Gemeinden im 13. Jahrhundert neben den bischöflichen Herrschaftsrechten noch nicht kräftig aufzukommen. Das Statut von 1269 richtete einen Rat von 12 durch die Bürger zu wählenden Mitgliedern ein, der unter dem Vorsitz des Vitztums mit der Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten betraut war. Im folgenden Jahrhundert sieht man zwei Bürgermeister (syndics) an der Spitze der Gemeinde.
Als der aus der Gascogne stammende Philippe de Chamberlhac zum Bischof von Sitten bestallt wurde, bestätigte dieser den Gemeinden günstig gesinnte Prälat alle Rechte und Freiheiten sowohl von Sitten, als auch von Leuk und Martinach durch besondere Urkunden (1338 und 1339) und berief 1340 auch einen aus Vertretern sämtlicher unter bischöflicher Hoheit stehenden Gemeinden zusammengesetzten Generalrat ein, aus dem später die Walliser Zehnten sich entwickelten.
Die Geschichte Sittens ist diejenige einer Märtyrerstadt. Geschichtsforscher und Reiseschriftsteller stimmen in der Versicherung überein, dass Sitten unter allen Schweizerstädten sicherlich die von Naturverheerungen und menschlicher Grausamkeit am meisten heimgesuchte darstellt. Sie wurde seit dem Kriege zwischen Rudolf I. und dem deutschen König Arnulph (888) nicht weniger als achtmal belagert, eingenommen und zerstört. Dem von Bischof Tavelli zur Hilfe gerufenen Grafen Amadeus VI. von Savoyen, dem sog. Grünen Grafen, der an der Spitze eines Heeres ins Wallis einrückte, öffnete die Stadt 1352 ihre Tore und ergab sich auf Gnade oder Ungnade. Bald nach Abzug des Grafen machte sich jedoch die Unzufriedenheit mit ¶
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der savoyischen Politik des Bischofes von neuem Luft und brach ein Aufstand der Patrioten aus, so dass schon im folgenden Jahre eine savoyardische Armee wiederum thalaufwärts gegen Sitten zog. Nach einem auf den Höhen um die Morge gelieferten Kampf belagerte der von einem glänzenden Gefolge begleitete Graf nochmals die Stadt, die, auf ihre eigenen schwachen Kräfte angewiesen, mit Sturm genommen und diesmal geplündert und angezündet wurde. Nach dem tragischen Tod von Bischof Witschard Tavelli besetzte das Haus Savoyen 1376 den Bischofssitz von Sitten mit einem seiner eigenen Angehörigen, dem Bischof Eduard von Belley, der durch seine Hast, im Ober Wallis neuen Landbesitz zu erwerben, bald das Misstrauen der noch nicht beruhigten Patrioten hervorrief.
Zweimal wurde er von seinem Sitz verjagt und hissten die Festungen auf Tourbillon, Majoria und Valeria die Mailänder Farben, Savoyen damit zur Fehde herausfordernd. Sogleich sammelte Amadeus VII., der sog. Rote Graf, ein aus Burgundern, Franzosen, Bernern, Freiburgern und Waadtländern rekrutiertes Heer, um vor die aufständische Stadt zu ziehen. Von drei Seiten zugleich angegriffen, wurde Sitten nach wackerer Gegenwehr wiederum genommen und, innerhalb dreissig Jahren zum zweitenmal, den Flammen preisgegeben.
Aber auch diesmal vermochte sich der wieder in sein Amt eingesetzte savoyische Bischof nicht lange zu halten, bis schliesslich ein Vertrag den Lauf der Morge als Grenze zwischen Savoyen und den Ländern des Bischofes bestimmte. Anlässlich des sog. Raronkrieges mischte sich Savoyen neuerdings in die Geschicke des Landes, um die Stadt Sitten 1417 nocheinmal zu plündern und zu verbrennen. Als sich die Walliser zu Beginn der Burgunderkriege mit den Eidgenossen verbündeten, bot sich der Herzogin Jolantha von Savoyen, der Mutter des jungen Grafen Philibert, 1475 der Vorwand, ins Wallis einzufallen.
Sie liess sofort ein Heer von 10000 Savoyarden gegen Sitten marschieren, wo sich die ihrer geringern Stärke bewussten Walliser eingeschlossen hatten. Diesen Umstand benutzten die Savoyarden, um einen Streifzug auf die Terrasse von Savièse zu machen, deren zahlreiche Dörfer zu verbrennen und die Bewohner hinzumorden. Unterdessen kam den Wallisern aber Hilfe aus dem obern Rhonethal, aus Bern und Solothurn, worauf sich auf der Planta bei Sitten eine blutige Schlacht entspann, in der das savoyische Heer vollständig geschlagen wurde und etwa 300 Edelleute, sowie 1000 Soldaten auf der Wahlstatt liess.
Dem mit den Ueberresten seiner Armee gegen das Faucigny fliehenden savoyischen Generalkapitän setzten die Walliser unaufhaltsam nach, auf welchem Zuge sie von Sitten bis zum Genfersee dreizehn feste Burgen brachen. Die Schlacht auf der Planta machte den Einfällen Savoyens auf Walliser Boden ein Ende. Nach den Burgunderkriegen und infolge der Verbündung der Walliser mit den Eidgenossen erfreute sich Sitten endlich einer drei Jahrhunderte dauernden Zeit verhältnismässiger Ruhe.
Zur Zeit des Einmarsches der französischen Okkupationsarmee besetzte eine von Waadtländer und französischen Truppen gedeckte Schaar von 1200 Unter Wallisern am die Stadt Sitten, wo sie einen Freiheitsbaum aufpflanzten, mussten sich aber noch am selben Abend vor 4000 herangerückten Ober Wallisern zurückziehen, wobei ihr Anführer, Kommandant de Bons, in Gefangenschaft geriet. Am 16. Mai kam es an der Morge zwischen einer unterdessen herangerückten Division Waadtländer und Franzosen und den Ober Wallisern zu einem blutigen Treffen, in dessen Folge Sitten sich dem General Lorges ergab.
Die Franzosen nahmen grausame Rache. Sechs Stunden lang sah sich die Stadt der Plünderung preisgegeben: dem Bischof wurde der Hirtenring vom Finger gerissen, der die Messe lesende Pfarrer Gottsponer sah sich ergriffen und vom Altar verdrängt, und den Bürgern von Sitten riss man auf offener Strasse die silbernen Schnallen von den Schuhen. Speicher, Küchen, Keller und Ställe - alles wurde gründlich untersucht und geleert. Zur Wegfuhr der Beute bedurfte es nicht weniger als 25 schwerer Wagen, vor die in der Umgebung aufgegriffene Pferde gespannt wurden.
Während der Walliser Geschichtsforscher Louis Ribordy den Wert aller aus den Privathäusern entwendeten Gegenstände auf 15000 Fr. geschätzt hat, versichert Mallet du Pan, dass General Lorges aus der Plünderung von Sitten 165000 Fr. mit sich nach Frankreich zurückgebracht habe. Dieser gewaltige Unterschied in den Ziffern erklärt sich ungezwungen aus den 150000 Fr. Kriegssteuern, die der Stadt auferlegt worden waren. Auch im Verlauf der innern bürgerlichen Zwistigkeiten zwischen Wallisern selbst ist Sitten oft belagert und genommen worden. 1839 war Sitten der Sitz der Regierung des Unter Wallis, während diejenige des Ober Wallis in Siders sass, bis der Sieg der Unter Walliser bei Saint Léonard im April 1840 diesem Zwiespalt ein Ende machte. Da brach im Mai 1844 die ¶