Karbonschiefern, die den in Chandoline und bei Brämis abgebauten Anthrazit liefern, sowie höher oben aus den dolomitischen
sog. Pontiskalken, denen stellenweise Gips eingelagert ist. Die Mayens de Sion und Mayens de Veisonnaz selbst liegen auf kristallinen
Schiefern.
Der Bezirk Sitten ist namentlich auch durch seine schöne und an Seltenheiten reiche Flora bekannt. Die
unmittelbare Umgebung der Stadt mit den Hügeln von Valeria, Tourbillon, Montorge und Champlan bietet dem Botaniker, namentlich
im Frühjahr, eine reiche Auswahl von Vertretern einer eigenartigen Flora. Von Typen der xerothermen Thalflora nennen wir:
Opuntia vulgaris, Crocus sativus, Amygdalus communis, Punica granatum, Ficus carica, Ephedra Helvetica,ArtemisiaValesiaca, Stachys Germanica etc.
französisch Sion (Kt. Wallis,
Bez. Sitten). Rhonebrücke 490 m, Exerzierplatz 512 m, Valeria 621 m, Tourbillon 655 m; im
Mittel 521 m. Gem. und Stadt, Hauptort des Bezirkes Sitten und des Kantons Wallis.
Lage und Umfang.
Sitten liegt im zentralen Abschnitt des Rhonethales und am rechten Ufer der Rhone, 26 km nö. Martinach
und 50 km wsw. Brig. Die Gemeinde und Stadt wird von der zwischen der Liène und Morge vom Wildhorn herabkommenden Sionne in zum
grossen Teil kanalisiertem und eingedecktem Bett durchflossen. 7° 21' 34" OL. von Greenwich und 46° 14'
3" NBr. Amtssitz des Bistums Sitten, ehemaliger Hauptort der alten Republik Wallis
und des französischen Département du Simplon.
Die Stadt lehnt sich im N. an den Fuss der vom Wildhorn und Sanetsch herabsteigenden Gehänge, die in ihrem tiefern Abschnitt
vollständig mit Weinbergen bestanden sind, sowie im O. an die die Ebene um 100-165 m überragenden Hügel
von Valeria und Tourbillon, die sie vor den das Rhonethal herabfliessenden Luftströmungen schützen, während die das Thal
heraufsteigenden Winde durch den niedrigen Hügel von Corbassières und die mit der Burgruine Montorge gekrönte Höhe im W.
abgelenkt werden.
Dank dieser geschützten Lage zählt Sitten zu den wärmsten Orten des Rhonethales. Die zentrale Lage
und die Fruchtbarkeit der Umgegend haben Sitten schon zu den ältesten Zeiten zu einer der bedeutendsten Siedelungen im Rhonethal
gestempelt. Hier mündet im S. das Val d'Hérens, eine der beträchtlichsten Thalschaften in der S.-Flanke der Walliseralpen,
und das Val de Nendaz aufs Rhonethal aus, während im N. sowohl in den engen Thälern der Morge, Sionne und
Liène als auf den dazwischen sich ausdehnenden Terrassen und Gehängen mehrere der volksreichsten Landgemeinden des
Wallis
liegen.
Die Gemeinde Sitten ist sehr umfangreich. Sie umfasst: in der Ebene den grössten Teil des gleichnamigen Bezirkes, am rechten
Ufer der Rhone den 9 km langen Landstreifen von der Morge zur Liène hinauf bis etwa zur obern Grenze der Weinberge und links
der Rhone den Strich von der Prinze zur Borgne und das Gehänge von Les Agettes bis in eine Höhe von 870 m. Zur Gemeinde gehören
noch die Weiler und Häusergruppen Pont de la Morge, Châteauneuf, Montorge, La Muraz, Molignon und Uvrier-La
Mayaz rechts der Rhone, sowie Chandoline, La Crête, Maregnena, Pont de Bramois und Aproz (zum Teil) links vom Thalfluss.
Gang durch die Stadt und Umgebung.
Der älteste Teil von Sitten liegt in dem engen Thälchen zwischen den felsigen Hügeln von Tourbillon
und Valeria, von wo aus sich die Stadt allmählig zur Thalebene hinabzog und sich auf dem grossen Schuttkegel der Liène zu
beiden Seiten dieses Wildbaches anzusiedeln begann. Bis zur Abtragung der Ringmauer und Türme (1831-1840) wurden die alten
Quartiere durch drei Hauptgassen, die auf die Tore von Conthey, Leuk und das Rhonetor ausmündeten, voneinander
geschieden.
Die Hauptverkehrsader und breiteste Gasse der Stadt ist der sog. Grand Pont, unter dem die Sionne heute in gedecktem Kanal der
ganzen Länge nach durchfliesst und in den im untern Teil der Stadt von W. her die Rue de Lausanne einmündet,
welche durch die Avenue de la Gare mit dem Bahnhof in Verbindung steht. Heute sind die nach dem Abtrag der Porte de Conthey
angelegte Rue de Lausanne und der Grand Pont, der nordwärts zur Kapelle Saint Georges und zur reform. Kirche führt und sich
in die grosse Thalstrasse nach Siders und Leuk fortsetzt, die belebtesten Gassen
der Stadt, in denen sich
die hauptsächlichsten Verkaufsläden angesiedelt haben.
Die Anlage des Bahnhofes und die Unmöglichkeit, sich gegen O. weiter ausdehnen zu können, liessen die Stadt Sitten in der
Richtung nach W. und S. sich entwickeln. Damit ist auch die der Rue de Lausanne parallel laufende Avenue
du Midi entstanden, welche durch die «Sous le Sex» genannte Gegend s. vom Hügel Valeria mit der Thalstrasse in Verbindung gebracht
werden soll. Die Ausführung dieses Projektes würde die Rue de Lausanne zu einer scharfen Grenzlinie zwischen der Altstadt
und den neuen Quartieren machen.
Die Stadt zerfällt in folgende 4 Quartiere:
1) die Citta (Cité) ö. der Sionne, die den ältesten Stadtteil darstellt;
2) Pratifori (Pré de la foire) s. der Rue de Conthey und w. vom untersten Laufstück der Sionne;
3) Claviney, n. der Rue de Conthey, mit Regierungsgebäude, Domkapitel, Kathedrale, bischöflichem Palast,
Priesterseminar, Kantonsschule etc.;
5) Mala Curia, rechts der Sionne gegen die Avenue (oder Promenade) du Nord. Mit der zunehmenden Ausdehnung der Stadt hat aber
diese althergebrachte Einteilung nahezu alle Bedeutung eingebüsst. Von welcher Seite her man sich immer der Stadt Sitten
nähert, zeigt sie sich mit ihren von Kirchen und alten Burgen gekrönten Felshügeln, den Resten der
ehemaligen Stadtmauern, ihren alten und neuen Kirchtürmen und ihrem unregelmässigen Häusergewirr dem Blick schon von weitem.
Sitten ist trotz aller Belagerungen und Naturverheerungen eine der interessantesten Städte der Schweiz geblieben, die sich
ihren originalen altertümlichen Charakter noch wohl zu wahren gewusst hat.
Die in der Ebene gelegene Kathedrale, die ursprünglich den Namen der Notre Dame du Glarier trug, stammt
in ihrer heutigen Gestalt aus dem Ende des 15. Jahrhunderts und ist in einzelnen Teilen erst durch den Kardinal Schinner
vollendet worden. Einzig der Glockenturm, einer der ältesten der Schweiz, ist noch von der im 9. Jahrhundert
erbauten ersten Kirche vorhanden und hat alle spätern Umwandlungen des Gotteshauses überdauert. Er bildet einen hohen viereckigen
Turm, ist im romanischen Stil der Karolingerzeit gehalten, zeigt mit Schiessscharten versehene Krönungsmauern und schliesst
nach oben mit einer Backsteinpyramide ab. Nach Blavignac soll dieser Glockenturm ein Zeitgenosse der Kirche
von Ainay (eines der ältesten Gotteshäuser der Stadt Lyon), der Kirche von Saint Pierre de Clages und des Turmes der Abtei
Saint Maurice sein.
Die Kathedrale selbst ist im gotischen Stil erbaut. Ihr gegenüber steht die an der Stelle eines schon im 8. Jahrhundert
vorhandenen Heiligtums erbaute und ebenfalls von Kardinal Schinner vollendete St. Theodulskirche mit
unvollendetem Glockenturm. Sie wird im Gegensatz zu der Kathedrale eher vom arbeitenden Volk besucht, indem in Sitten, Saint Maurice,
Visp und andern Flecken des Kantons selbst mit Bezug auf den Gottesdienst immer noch eine gewisse Scheidungslinie zwischen
dem alteingesessenen Adel und der grossen Masse des Volkes sich bemerkbar macht. Am Fuss des Hügels
von Valeria befindet sich die sog. Kollegialkirche, die 1806 zum Gebrauch der bis 1847 das Kollegium in Sitten leitenden
Jesuiten erbaut worden ist.
Steigen wir nach Valeria hinauf, so begegnen wir halbwegs noch der 1310 erbauten Allerheiligen-Kapelle, um endlich zu oberst
die Wallfahrtskirche Notre Dame de Valère, die «berühmteste christliche Kirche des Landes», zu finden,
die an der Stelle eines heidnischen Tempels steht und urkundlich zum erstenmal 1168 erwähnt wird, in einzelnen ihrer Teile
aber ein viel höheres Alter (8. oder 9. Jahrhundert) haben muss. Besonders bemerkenswert sind die herrlich geschnitzten
Chorstühle aus den Jahren 1662 und 1664. Mit der Kirche auf Valeria war ein Domherrenstift verbunden, dessen Angehörige
aber seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts nur noch den Chordienst in der Kathedrale versehen. 1818-1870 hatte auch das nunmehr
nach der Stadt verlegte Priesterseminar seinen Sitz auf Valeria. In der Oberstadt bemerken wir die vor
rund 25 Jahren erstellte reformierte Kirche. Eine ehemalige St. Peterskirche, die so lange für die Gläubigen von Salins
bestimmt war, als diese noch keine eigene Pfarrei bildeten, ist 1806 abgetragen worden. Reich ist Sitten auch an bemerkenswerten
Profanbauten der
mehr
verschiedensten Art. An erster Stelle soll hier der stolzen ehemaligen Bischofsburg auf Tourbillon gedacht werden, die 1788 abbrannte
und heute noch in Ruinen liegt (näheres darüber s. beim Artikel Tourbillon). Von hier aus geniessen wir einen prachtvollen
Blick auf das Rhonethal und die dasselbe einfassenden Gehänge und Hochgipfel. Auf einer tiefern Felsstufe
des Hügels von Tourbillon steht das ebenfalls 1788 in Flammen aufgegangene Schloss Majoria (Majorie), dessen Ueberreste heute
in eine Kaserne umgebaut sind.
Das oft verbrannte und wieder aufgebaute Schloss war ursprünglich Sitz der fürstbischöflichen Meier (Majors) und diente
dann von 1372 bis 1788 dem Bischof Witschard (Guichard) Tavelli und seinen Nachfolgern als Residenz. Es
sind auch noch einige Reste einer ehemaligen Festungsmauer vorhanden, die das Schloss Majoria mit dem viereckigen Hundeturm
(Tour des Chiens) verband. Ein anderer Turm der einstigen Stadtmauern, der sog. Hexenturm (Tour des Sorciers) steht tiefer unten
im nördl. Stadtteil.
mehr
Das einzige Herrenhaus der Altstadt, das aus stürmischen Zeiten her noch einige Schätze in die Gegenwart hinübergerettet
hat, ist das Haus Supersaxo an der Rue de Conthev, dessen gegen diese Gasse zu gewendete Fassade samt Turm dem Unverstand der
städtischen Behörden zum Opfer gefallen sind, während es so leicht gewesen wäre, die erwünschte
Strassenverbreiterung durch Rückwärtsverlegung der gegenüber stehenden Häuser zu erreichen. So wird dieses wahre architektonische
Kleinod heute durch eine mehr als banale Fassade maskiert, hinter welcher niemand die Kunstschätze vermuten würde, die
es immer noch birgt.
Der vom Landeshauptmann Georg Supersaxo erbaute Palast legt noch heute Zeugnis ab vom Reichtum seines
Bauherren. Der sehr geräumige und hohe grosse Saal erregt die Bewunderung aller kunstverständigen Besucher. Seine Decke
ist ein Meisterwerk der Schnitzkunst, trägt im Mittelfeld ein die Geburt Christi darstellendes Relief und weist längs den
Wandflächen eine reichverzierte Inschrift auf, die als Jahreszahl der Erbauung 1505 angibt und mit den
Worten schliesst: Georgius Supersaxo hanc domum edidit sibi, dominante Matheo.
Eine der Ecken trägt den Namen des mit der Arbeit betrauten Künstlers: Jakobinus de Halacribis ligni faber haec manu fecit.
An der Hauptstrasse, der Rue du Grand Pont, steht das 1660 erbaute Rathaus, Sitz der städtischen Behörden
und des Bürgerrates, Wahllokal und Versammlungsort des obersten Gerichtshofes und des Grossen Rates des Kantons. Seine interessante
Turmuhr wurde 1667 von Marc Spätt aus St. Gallen
angefertigt. Im Korridor des Erdgeschosses sind römische Inschriften eingemauert.
Hervorzuheben sind ferner noch die prachtvoll geschnitzten Türen mit feingearbeiteten Eisenbeschlägen. Der an der Strasse
nach Brämis gelegene, vor 1763 erbaute Bürgerspital ist ein für seine Zweckbestimmung viel zu umfangreiches Gebäude. Ohne
besonderes Interesse sind das 1631-1643 im N. der Stadt ein Fuss der Weinberge erbaute Kapuzinerkloster und das Domherrenstift.
Gut angelegte, bequeme und geräumige moderne Bauten sind das Regierungsgebäude (ein ehemaliges Ursulinerinnenkloster),
der 1840 der Kathedrale gegenüber erstellte bischöfliche Palast, das 1875 vollendete bischöfliche
Priesterseminar und die seit 1892 nördl. der Planta stehende Kantonsschule. In einigen Seitengassen, wie z. B. der Rue de
Savièse, findet man auch der Beachtung werte Privathäuser.
Die Stadt Sitten war zu lange in ihren Ringmauern eingeengt, um grosse Plätze aufweisen zu können.
Immerhin finden wir im W. einen grossen quadratischen Raum, die sog. Planta oder Place d'Armes, auf welcher die Jahrmärkte
abgehalten werden und an die sich im O. das Regierungsgebäude und der bischöfliche Palast, sowie im N. das seit einigen
Jahren von einer öffentlichen Gartenanlage umgebene Kantonsschulgebäude anreihen. Schattige Alleen sind
die Avenue du Nord, Avenue de la Gare und Avenue de la Planta.
Klimatische Verhältnisse.
Trotz
einer 500 m übersteigenden mittlern Höhenlage erfreuen sich Sitten und das mittlere Wallis
einer höhern Temperatur als
z. B. Genf,
wo zwar die Winter wärmer, die Sommer aber bedeutend kühler sind. In heissen Jahren ist Taubildung
eine in der Umgebung von Sitten nahezu unbekannte Erscheinung. Die Winter sind sonnenreich und zeichnen sich durch wenig
Regen und Schnee aus. Nebel, Rauhfrost und Gewitter treten in Sitten selten auf. Neunmal auf zehn folgen die Gewitterwolken
den beiden das Thal begleitenden Bergketten und vermeiden es, ihren Regen oder Hagel über die Thalmitte
auszuschütten.
Selbst bei Regenwetter ist die in Sitten fallende Regenmenge geringer als diejenige an den beidseitigen Thalgehängen. Die mittlere
Jahrestemperatur von Sitten beträgt 9,6° C. Während im April und Mai die Temperatur nicht mehr unter den Gefrierpunkt
sinkt, kann sie vom Oktober an, wie übrigens auch in Siders und Martinach, unter 0° fallen. Sie kann
im März und Oktober bis auf 20° und vom April bis September bis auf über 25° steigen. Am hat man sogar eine
Temperatur 24,8° C. abgelesen.
Das Maximum kann vom Mai bis in den September hinein 30° übersteigen. Die Tage des frühesten und spätesten
Frostes waren der und der Absolute Extreme: 34,4° am und -17,3° am Unterschied
also 51,7°. Das mittlere Winterminimum beträgt -11,2° C. Während man im Durchschnitt jährlich 89 Regen- oder
Schneetage zählt, beläuft sich die Anzahl der vollständig klaren Tage auf 108. Vorherrschende Luftströmung ist der das
Thal heraufkommende Wind, der der Thalrichtung folgt und in Martinach aus NW., in Sitten aus SW. bläst. Der in Siders nahezu
unbekannte N.-Wind findet in Martinach und Sitten leichten Zugang. Weniger häufig ist der thalauswärts
wehende Wind, der sich besonders des Nachts bemerkbar macht.
Landwirtschaft und Viehzucht, Weinbau.
Ihre Lage im Mittelpunkt des fruchtbarsten Striches des Rhonethales hat der Stadt Sitten einen ausgesprochen agrikolen Charakter
aufgedrückt, den sie sich bis heute zu bewahren wusste. Neben den alten Patriziergeschlechtern beschäftigen sich alle diejenigen
Personen, die es zu einem gewissen Wohlstand gebracht haben, vorzüglich mit dem Anbau der Weinrebe und dem Handel mit deren
Produkten. Daneben steht auch die Viehzucht nebst Milchwirtschaft in Blüte, die ihre Produkte an die in Sitten eingerichtete
Genossenschaftsmolkerei abgeben kann. Die Bürger von Sitten besitzen an den Hängen südl. gegenüber
ihrer Stadt die unter dem Namen der Mayens de Sion bekannten schönen Maiensässe, die sich zu einer beliebten Sommerfrische
entwickelt haben und wie die benachbarten Alpweiden (Alpe de Thyon etc.) mit Vieh bestossen werden. Der ehemalige Grossgrundbesitz
der Patrizier zerstückelt sich immer mehr, indem es die aus dem Goms und den
mehr
übrigen Thalschaften des Ober Wallis
eingewanderten Pächter verstanden haben, sich selbst zu Eigentümern des Bodens emporzuschwingen.
Die heute verbreitetste Weinsorte der Sittener Rebberge ist der Fendant, dem sich Rhein-, Burgunder- und Dôlereben anschliessen.
Alle diese Sorten sind in den verjüngten oder neu angelegten Rebbergen an die Stelle der alten Walliser
Sorten (wie Amigne, Arvigne, Humagne und Muscat) getreten. Einzig der Muscat (Muskateller) wird noch von den Bauern gepflanzt,
die ihn seines geringen Handelswertes wegen für ihren eigenen Bedarf zu verwenden pflegen. 1881 umfassten die Rebberge von
Sitten eine Fläche von 297,81 ha. In einer auf guten Quellen fussenden Studie im Journal de Genève von 1900 schätzt
Oskar Perrolaz den jährlichen Ertrag dieser Weinberge auf 27000 hl im Werte von 1200000 Fr. Der Katasterwert betrug damals 4325854
Fr. Heute umfasst die mit der Rebe bepflanzte Fläche einen etwas grössern Raum, der von der neuesten Statistik vom Jahr 1894 für
den rechtsufrigen Teil auf 300 ha und für den Abschnitt links der Rhone auf 16,73 ha angegeben wird.
Bevölkerungsverhältnisse.
Der Geschichtsforscher Gremaud berichtet, dass Sitten im Jahr 1323 480 Herdstätten und darnach etwa 2160 Einwohner gezählt
habe. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erschien diese Zahl kaum um 200 Ew. grösser. Eine merkbare Zunahme
brachte erst der Bau der Eisenbahn im Rhonethal. Folgendes sind die Ergebnisse der hauptsächlichsten Zählungen im 19. Jahrhundert
für die Stadt Sitten:
Jahr
1816
1850
1860
1870
1880
1888
1900
Ew.
2350
2926
4203
4895
4871
5513
6048.
Die Einzelergebnisse der Zählung von 1900 für die Gemeinde Sitten sind folgende: 1171 Haushaltungen
in 487 Häusern;
ortsanwesende Bevölkerung 6095 Wohnbevölkerung 6048, davon vorübergehend abwesend 55;
2964 Ew. männlichen
und 3084 weiblichen Geschlechts;
1151 Bürger der Wohngemeinde, 3432 Bürger andrer Gemeinden des Wohnkantons, 714 Bürger
andrer Kantone und 751 Ausländer;
5719 Katholiken, 316 Reformierte, 9 Israeliten und 4 Andre: 1481 Ew.
deutscher, 4446 französischer, 120 italienischer und 1 andrer Sprache;
Geburtsort in der Wohngemeinde 2999, in andern Gemeinden
des Wohnkantons 2132, in andern Kantonen 396 und im Ausland 521 Ew. Die Katholiken bilden eine einzige Kirchgemeinde, deren
Pfarrer unter vier vom Domkapitel vorgeschlagenen Kandidaten vom Burgerrat gewählt und damit ebenfalls
Domherr wird.
Sein erster Vikar ist mit den pfarramtlichen Funktionen ausserhalb der eigentlichen Stadt betraut und trägt
den Titel eines «curé hors les murs». Seit etwa 35 Jahren besteht in Sitten
auch eine französische reformierte Pfarrei.
Gesundheitliche Verhältnisse und Wasserversorgung.
Die bis nahezu um die Mitte des 19. Jahrhunderts in ihren Mauern und Gräben eingeengte Stadt Sitten
hat ihre sanitarischen Verhältnisse nur langsam sich entwickeln gesehen. Ueberreste der ehemaligen Stadtmauern hatten im
Innern der neuen Stadt sogar noch bis 1904 sich zu erhalten gewusst. Die Frage der Zuführung von Trinkwasser ist erst 1901 vollkommen
gelöst worden. Vor 1895 bezog die Stadt das nötige Wasser aus den für die Befruchtung der umliegenden
Rebberge erstellten Bewässerungskanälen (bisses). Im
genannten Jahre übernahm dann die Unternehmerfirma Dumont, die
nahe der Mündung der Borgne ein Elektrizitätswerk einrichtete, die Versorgung der Stadt mit dem Wasser des genannten Wildbaches.
Diese Uebereinkunft stand aber nur wenige Jahre in Kraft, indem die städtischen Behörden von 1901 an
die Ausführung eines neuen Projektes selbst an Hand nahmen: Es handelte sich dabei um die Zuführung der Wasser der im Thal
der Sionne in 1200 m Höhe sprudelnden Quellen der Fille und der Fillette, welche Lösung der Frage der Stadt,
selbst bei beträchtlicher Zunahme der Bevölkerung, auf lange Zeit hinaus Trinkwasser in reichlicher Fülle sichert. Während
dieses neue Werk anfänglich während der Sommermonate täglich 400 Liter Wasser pro Kopf der Bevölkerung zu liefern vermochte,
können heute durch eine aus Sandsteinröhren bestehende Leitung bis zu 2000 Minutenliter Wasser in das im
Felsen von Tourbillon in 600 m Höhe angelegte Reservoir geschafft werden.
Diesem Wasser kann mit Bezug auf Frische und Reinheit nichts vorgeworfen werden. Auf die Wasserversorgung folgte eine rationelle
Kanalisation. Weitere sanitarische Vorkehren, die gegenwärtig geplant sind, werden ohne Zweifel die alte, oft schlecht durchlüftete
und trotz des warmen Klimas vielfach noch feuchte Wohnungen aufweisende Stadt binnen wenigen Jahren in
einen gesunden, saubern und sowohl seiner hygienischen Verhältnisse wie des ansprechenden Volkscharakters wegen angenehmen
und gemütlichen Wohnort umgestalten.
Jede Statistik der Nahrungsmittelproduktion scheitert an dem Umstand, dass Sitten infolge des agrikolen Charakters eines
Grossteiles seiner Bevölkerung ebenso gut produziert wie konsumiert. Dem Schlachthaus werden jährlich 700 Stück
Grossvieh, 2500 Kälber, 1000 Schafe und 300 Schweine zugeführt. Doch zeigen selbst diese Zahlen nicht den genauen Verbrauch
an Fleisch an, weil noch zahlreiche Familien den alten Brauch des Schlächtens zu Hause beibehalten haben.
Die Miete von Wohnungen und Grundstücken läuft gewöhnlich vom Martinstag (11. November) an. In einem gut gehaltenen
Hause der Altstadt kommt der Mietpreis einer Wohnung von 4 Zimmern mit aller Zubehör auf jährlich 400-450 Fr. zu stehen,
während eine solche von 5 Zimmern in einer der mit Gas, Wasser und Elektrizität ausgestatteten Villen der neuen Quartiere für
jährlich 600-700 Fr. Miete erhältlich ist. Ein gut gelegenes und komfortabel eingerichtetes möbliertes
Zimmer mit zugehöriger Pension kann für monatlich 110-120 Fr. gefunden werden.
Oeffentliche Werke, Handel und Industrie.
Das 1901-1905 bestehende «Bureau des services industriels» ist jetzt im
städtischen «Bureau technique» aufgegangen. Von öffentlichen Werken verwaltet
die Stadt gegenwärtig einzig die Wasser- und Gasversorgung, denen sich in Bälde auch die von den Werken
an der Liène und der Prinze zu liefernde Versorgung mit elektrischer Energie anschliessen wird. Dabei soll aber kein städtisches
Monopol geschaffen werden, indem neben dem im Bau befindlichen städtischen Werk an der Liène auch das von der
«Société d'électricité» in Aproz an der Prinze zu erstellende Werk zur Stromlieferung zugelassen sein wird. Seit 1903 besteht
in Sitten eine öffentliche Badanstalt. Ferner finden sich hier: zwei Tabak- und Zigarrenfabriken, deren ältere aus der
ehemaligen «Ferme des tabacs de
mehr
la République du Valais» hervorgegangen ist;
zwei Bierbrauereien, deren eine bei Brämis steht;
fünf Kreditinstitute, worunter
die kantonale Hypothekarkasse;
fünf Gasthöfe und zahlreiche Gastwirtschaften.
Von den bedeutenden Jahrmärkten fallen fünf
auf das Frühjahr und sechs auf den Herbst. Es werden dabei durchschnittlich etwa 1000 Stück Grossvieh, 500 Kälber, Schweine,
Schafe etc., sowie etwa 50 Pferde und Maultiere aufgeführt. Jeden Samstag findet ein Wochenmarkt statt. Der Handel beschränkt
sich auf die Ausfuhr einiger Landesprodukte, wie Holz, Felle, Nahrungsmittel etc. Die um 1850 eingeführte Uhrsteinschleiferei
ist wieder in Abgang gekommen. Dagegen stehen die durch den Weinhandel geförderte Fassfabrikation und zwei erst
in neuerer Zeit eingerichtete Möbelfabriken, die ihre Erzeugnisse auch nach auswärts versenden, in Blüte. An Bedeutung
nimmt von Jahr zu Jahr der Versand der Produkte der Weinberge zu: frische Trauben, Weinmost (Sauser), feine Weine in Flaschen
und Fässern. Sitten ist auch ein beliebter Traubenkurort. Kürzlich hat sich eine Gesellschaft zur Ausfuhr
von Honig und feinem Tafelobst gebildet.
Wege und Mittel des Verkehrs.
Eine besondere Transportunternehmung besteht in Sitten nicht. Hauptverkehrswege sind die Simplonbahn, die Strasse des Rhonethals,
die Strasse ins Eringerthal (mit Postwagenkurs Sitten-Vex, der im Sommer bis nach Evolena und Les Haudères geführt wird)
und die Strasse nach Brämis (mit regelmässiger Postwagenverbindung durchs ganze Jahr). Dazu kommen die
nicht fahrbaren Wege über den Sanetsch und den Rawil ins Berner Oberland. Die Station Sitten gibt monatlich etwa 5000 Personenbillets
aus und steht damit bis jetzt je nach den einzelnen Jahren im zweiten oder dritten Rang (nach Saint Maurice und
im gleichen Rang oder nach Martinach) der Walliser Eisenbahnstationen. 1901 war sie mit Bezug auf die Einnahmen nach Brig und
Martinach die dritte, mit Bezug auf die Zahl der beförderten Reisenden die dritte und mit Bezug auf den Güterverkehr
die fünfte der Walliser Bahnstationen.
Der Bahnhof Sitten spediert jährlich durchschnittlich 3 Millionen Liter Wein und zur Zeit der Weinlese
1200000-1700000 Liter Sauser, d. h. ebensoviel wie alle übrigen Walliser Bahnhöfe zusammen. Postbureau zweiter Klasse mit
einem Postverwalter; Telegraph und Telephon. Für den Bau einer Eisenbahn von Sitten über Savièse und den Sanetschpass nach
Saanen ist eine Konzession vorhanden. Diese Bahn soll 46,3
km lang sein, elektrisch betrieben werden,
eine Spurweite von 1 m und eine Maximalsteigung von 8% haben. Sie würde durch die Rue du Grand Pont gehen und am Scheitel
eine Höhe von 2215 m erreichen. Als Stationen sind auf Walliserseite vorgesehen: Sitten Bahnhof, Sitten Stadt, La Muraz, Saint Germain,
Ormona, Granois, Sainte Marguerite, Prabé, Zanfleuron, Sanetsch.
Geistiges Leben; Erziehungs- und Unterrichtswesen.
Als politisches und religiöses Zentrum des Wallis
besitzt Sitten die Mehrzahl der mittlern und höhere Unterrichtsanstalten. Eine
Folge der Autonomie der ehemaligen Republik Wallis
ist, dass heute noch in Sitten eine eigene Rechtsschule besteht, an der
die Advokaten und Richter des Landes ihre juristische Bildung holen. Diese 1807 gestiftete Schule ging schon 1810 mit der
Einverleibung des Wallis
in das französische Kaiserreich ein, trat dann 1824 von neuem ins Leben und hat sich bis 1895 unter der
ausdauernden Leitung von Dr. Cropt, der sich in dem genannten Jahr als über 90 jähriger Greis ins Privatleben
zurückzog, regelmässig entwickelt.
Unter seinen Nachfolgern konnten aber die Kurse teils aus Mangel an Professoren, teils wegen ungenügender Schülerzahl nicht
mehr regelmässig gehalten werden, sodass man sich jedes Jahr von neuem fragt, ob diese veraltete Institution noch aufrecht
erhalten werden solle. Die Kantonsschule (Collège-Lycée) zählte im Schuljahr 1904/05 114 Schüler
(mit Inbegriff der 38 Schüler der Gewerbeabteilung) und 18 Professoren, die in der Mehrzahl dem geistlichen Stande angehören.
Man geht mit dem Gedanken um, die gewerblich-technische Abteilung zu einer selbständigen Industrieschule auszubauen. Die
dem Priesterstand sich zu widmen wünschenden Jünglinge besuchen das bischöfliche Priesterseminar.
Ferner bestehen ein Lehrer- und ein Lehrerinnenseminar für den französisch sprechenden Kantonsteil. Mädchensekundarschule
mit etwa 35 Zöglingen. Sieben französische und zwei deutsche Primarschulklassen für Knaben mit 204, bezw. 54 Schülern;
sieben französische und zwei deutsche Primarschulklassen für Mädchen mit 278, bezw. 52 Schülerinnen. Ferner sind je eine
reformierte Knaben- und Mädchenschule mit 23 Schülern und 29 Schülerinnen vorhanden. Mit Einschluss der Schulen einiger
vor der Stadt gelegenen Ortschaften beläuft sich die Gesamtzahl der Primarschüler in den Gemeindeschulen auf 610 Knaben
und 699 Mädchen. Der Unterricht liegt in den Händen von weltlichen
mehr
und geistlichen Lehrern und Lehrerinnen. Der in Sitten schon seit jeher bestehende Antagonismus zwischen der deutschen und
französischen Sprache hat bald zugunsten dieser oder jener geschwankt und scheint jetzt endgiltig zum Siege des Französischen
führen zu wollen. In der Tat treten die die deutschen Schulen besuchenden Kinder vom dritten oder vierten
Schuljahr an fast alle in die französischen Klassen über. Von wissenschaftlichen, literarischen, künstlerischen etc. Gesellschaften
und Vereinen, die ihren festen Sitz in Sitten haben, seien folgende genannt: die von der Stadt subventionierte Stadtmusik
(Harmonie municipale), ein Liebhaberorchester, der deutsche Männerchor «Harmonie»,
sowie der Rhonesängerbund, der gemischte Zäzilien-Kirchenchor.
Brennpunkt der geistigen Bestrebungen in der Stadt Sitten war lange Zeit der heute in seiner Bedeutung
merklich zurückgegangene Cercle du Casino, dem die Glieder der alten Patrizierfamilien, ferner hauptsächlich Beamte, Advokaten,
Notare, Aerzte etc. angehören. In Sitten erscheinen vier wöchentlich dreimal ausgegebene politische Zeitungen (drei französische
und eine deutsche), sowie eine landwirtschaftliche und eine pädagogische Zeitschrift. Das Bulletin officiel
ist das Amtsblatt der kantonalen und Gemeindebehörden. Im Kantonsschulgebäude befindet sich die Kantonsbibliothek, während
das namentlich durch seine Sammlung von Pannern, Waffen, Altertümern und Gemälden bemerkenswerte kantonale Museum in einem
neuen Gebäude neben der Kirche auf Valeria untergebracht ist. Schon 1788 besass Sitten ein Theater, das
sog. Komödienhaus, das in der Folge umgebaut wurde und am W.-Hang des Hügels von Valeria steht. Es werden hier hauptsächlich
die jährlichen Vorstellungen der Kantonsschüler gegeben und nur ausnahmsweise Veranstaltungen von lokalen Vereinen oder
Wandertruppen organisiert.
Verwaltung.
Die Gemeinde Sitten besitzt zwei getrennte Verwaltungen: die allgemeinen städtischen Behörden und den
Bürgerrat, welch letzterer bis zum Inkrafttreten der Bundesverfassung von 1848 die alleinige Verwaltungsbehörde war. Heute
bestehen beide Institutionen aus der sog. Urgemeinde und einem vollziehenden Rat. Die Ortsgemeinde umfasst alle stimmfähigen
Bürger; sie ernennt den Stadtrat samt dessen Präsidenten und Vizepräsidenten, genehmigt den Voranschlag
und nimmt den Rechenschaftsbericht des Stadtrates entgegen.
Dieser besteht aus 15 Mitgliedern und bildet die vollziehende und Verwaltungsbehörde der Gemeinde. Der Bürgergemeinde steht
die Verwaltung des eine halbe Million
Franken erreichenden Bürgergutes und des Bürgerspitales zu, der über ein Vermögen
von 600000 Fr. verfügt, sowie alle bedürftigen Stadtbürger unentgeltlich und die übrigen Kantonsbürger
gegen eine geringe Entschädigung verpflegt. Der Wert der von beiden Verwaltungen gemeinsam benutzten öffentlichen Gebäude
ist in den gegebenen Ziffern nicht mitinbegriffen.
Die Ortsgemeinde verwaltet den 1905 auf 2699 Fr. angestiegenen Pfarrfonds, den Schulfonds mit 29640 Fr. und den Armenfonds
mit 87302 Fr. Seit 1898 ist sie Eigentümer der Gasfabrik, deren früher wenig günstige Rechnungsergebnisse
sich allmählig verbessern. An produktivem Grundeigentum gehört ihr einzig ein der Rhone entlang ziehender Strich Unterholz.
Die Stadtverwaltung hat seit 1901 eine Trinkwasserversorgung geschaffen, wie sie sich manch grössere Stadt nicht besser
wünschen könnte.
Eine Eigentümlichkeit der sedunensischen Verwaltung bildet der Unterhalt der Bewässerungskanäle (Bisses)
und die Verteilung des befruchtenden Wassers an die Nutzungsberechtigten der Gemeinde. Diese letztere ist Eigentümer folgender
«Bisses»:
1) des Bisse de Champsec für die Ebene links der Rhone;
2) der Bisses d'Uvrier, des Vergers und de Châtroz für die Ebene rechts der Rhone;
3) der Bisses de Clavoz und de Lentine für die Weinberge. Dieser Kanäle wird urkundlich schon im 15. Jahrhundert
gedacht, doch ist es sehr wohl möglich, dass ihre Erstellung noch aus weit älterer Zeit datiert. Infolge der Zuführung
des Quellwassers von La Fille hat die Stadt Sitten in den letzten Jahren noch einen neuen Bisse anlegen
lassen, der das Wasser am Fusse des Rawil fasst und seinen Ueberschuss in das im Sommer oft trockene Bett der Sionne abgibt.
Die Ausgaben der Gemeindeverwaltung belaufen sich durchschnittlich auf jährlich 190000 Fr. An Steuern werden bezogen:
1) Eine Vermögens- und Einkommenssteuer;
2) eine Gewerbesteuer und 3) eine Haushaltungssteuer. Die Stadt Sitten besitzt eine Katastervermessung,
die vom städtischen Baubureau nachgeführt wird. Steueransätze: Feste Haushaltungstaxe Fr. 12.- pro Jahr;
Grundstücke 5,5‰
vom Katasterwert;
Gebäulichkeiten 5,5‰ von zwei Dritteln des Katasterwertes;
Vermögenssteuer 3,66‰;
5,5‰ vom vierfachen
Einkommen;
Immobilien ausserhalb der Gemeinde Sitten 2,3‰;
Maikäfersteuer 0,5‰ vom Wert der Grundstücke (nur
alle 3 Jahre);
Kaminkehrsteuer 0,30 Fr. für ein drittes, 0,50 Fr. für ein zweites und 0,70 Fr. für ein erstes Stockwerk;
Hundetaxe Fr. 4.- pro Jahr (dazu Fr. 8.- kantonale Taxe, zusammen also Fr. 12.- pro Hund).
Ein Existenzminimum wird nicht
in
mehr
Abrechnung gebracht. Zur Deckung verschiedener ausserordentlicher Ausgaben (Trinkwasserversorgung 170000 Fr., neuer Bisse
de la Liène 60000 Fr.) hat die Stadt 1901 ein Anleihen von 250000 Fr. aufgenommen, das in 42 Jahren amortisiert sein soll.
Gemeinde- und Bürgerrat vereinigen sich alljährlich zu einem gemeinsamen Essen, dessen Kosten durch die Zinsen
eines Spezialfonds gedeckt werden und dessen originelles Menu unveränderlich ist. Der Einkauf in das städtische Bürgerrecht
kostet a) eine fixe Summe von 800 Fr., wovon 600 Fr. in die Bürgerkasse und 200 Fr. in die Spitalkasse fallen; b)
eine Summe von 100 Fr. für jeden männlichen Nachkommen;
c) 20. Fr. Stempel- und Siegelgebühr.
Kantonale und lokale Institutionen.
Sitten ist der Amtssitz der weltlichen und geistlichen Behörden des Kantons: Staatsrat, bischöfliche Verwaltung, Domherrenstift,
Priesterseminar. Die Verfassung schreibt den Mitgliedern des Staatsrates den Wohnsitz in Sitten vor. Der Grosse Rat versammelt
sich hier jährlich mindestens zweimal zur ordentlichen Mai- und Novembersession. Das Kantonsgericht
oder Appellationsgericht hält jährlich 3-4 mal Sitzung in Sitten. Sitz des Bezirksgerichtes Sitten und des benachbarten
Bezirkes Hérens, für den die Stadt der eigenartigen Grundeigentumsverhältnisse wegen den geschäftlichen Mittelpunkt bildet.
In militärischer Hinsicht spielt Sitten seit der eidgenössischen Organisation von 1874, die der Stadt die kantonalen Militärkurse
entzog, nur noch eine bescheidene Rolle, indem bloss noch Wiederholungskurse hierher verlegt werden.
Die wichtigsten lokalen Vereine und Gesellschaften sind: die Sektion Sitten der Walliser Gesellschaft zur gegenseitigen Unterstützung
in Krankheits- und Todesfällen, die Sektion Sitten des eidgenössischen Turnvereins, die Schützengesellschaft, der Grütliverein,
der katholische Arbeiterverein, der hauptsächlich aus Handwerkern und Gewerbetreibenden bestehende Gewerbeverein
(Société industrielle des Arts et Métiers), der am St. Eligiustag (1. Dezember) mit grossem Prunk sein Jahresfest feiert. Den ersten
Rang nimmt jedoch die landwirtschaftliche Gesellschaft (Société d'Agriculture) ein. Neben dem Armen- und dem Spitalfonds,
von denen bereits die Rede war, besitzt Sitten noch je ein Waisenhaus für Knaben und Mädchen. Wohltätigen
Zwecken dient der Frauenverein vom h. Vinzenz von Paul. Zum Schluss sei der eigenartigen Sitte gedacht, für Schwerkranke eine
Messe lesen zu lassen.
Geschichtlicher Ueberblick.
Als Julius Caesars Unterfeldherren ums Jahr 50 v. Chr. ins Wallis
vordrangen, war Sitten bereits der Hauptort der Seduner, des
einen der im Rhonethal sitzenden vier keltischen Stämme, die die drei aus der Thalebene aufragenden Hügel deswegen zur Ansiedelung
verlockt hatten, weil sie sowohl gegen feindliche Ueberfälle als gegen die Ueberschwemmungen der wilden Rhone und der Sionne
hinreichenden Schutz boten. Die vorhistorische Niederlassung muss in dem stillen Thälchen zwischen Valeria
und Tourbillon, in dem sich heute die Allerheiligenkapelle erhebt, gestanden haben.
Hier liessen sich dann in der Folge auch die eingedrungenen Eroberer nieder. So berichtet die Chronik des Fredegarius ums
Jahr 613, d. h. zu der Zeit, da Sitten endgiltig zum Bischofssitz geworden, dass sich die Stadt an den NW.-Hang des
Hügels Valeria anschmiege, von dem sie unmittelbar überragt werde. Der
O.-Eingang in das enge Thälchen war durch eine Zinnenmauer
gesperrt, in der sich ein Tor, die unter der Hut des Kapitels stehende Porte du Covent, öffnete. Nordwärts markierte die
Stadtgrenze die vom Gipfel des Tourbillon gegen W. zur Ebene sich senkende Festungsmauer, von der heute
noch Ueberreste vorhanden sind.
Als Stützpunkte zur Verteidigung dienten ihr die Burg Majoria und das ehemalige Schloss der Vitztume, von wo aus eine weitere
Mauer quer über den W.-Ausgang des Thälchens zu einem am Fuss von Valeria stehenden festen Turm zog. Bald aber wurde diese
Umwallung der wachsenden Stadt zu enge. Sie zog sich allmählig zur Ebene hinab und erreichte den Lauf der Sionne, den sie im 9. Jahrhundert
überschritt, um sich bei der Notre Dame du Glarier anzusiedeln. Um diese Zeit entstand vielleicht auch die hier bis 1840 erhalten
gebliebene Stadtmauer, deren Existenz im 13. Jahrhundert urkundlich bezeugt ist und die ursprünglich
von 4, dann von 5 und später von 8 Toren durchbrochen und durch zahlreiche Türme, von denen heute noch mehrere existieren,
verstärkt war.
Eine Gemeindeordnung bestand in Sitten schon vor der Herrschaft des Bischofes Kuno (1179). Im Jahr 1181 sehen wir diesen
Bischof mit seinem Meier, Wilhelm von La Tour, ein Uebereinkommen hinsichtlich ihrer beiderseitigen Rechte über die Stadt
treffen. Die Versuche der La Tour (Im Thurn), ihre Rechte als Meier auszudehnen, veranlassten 1217 den Bischof Landri und sein
Kapitel, die Befugnisse beider Parteien in einem besondern Gemeindebrief genau zu umschreiben, infolge
dessen dann die Ortsbürger nach und nach in den Räten festen Boden zu fassen vermochten.
Schon 1224 beteiligten sich neben den Domherren und kirchlichen Ministerialen auch Abgeordnete der Gemeinde an der Genehmigung
eines mit dem Grafen von Savoyen geschlossenen Vertrages. Immerhin vermochten die Gemeinden im 13. Jahrhundert neben den bischöflichen
Herrschaftsrechten noch nicht kräftig aufzukommen. Das Statut von 1269 richtete einen Rat von 12 durch die Bürger zu wählenden
Mitgliedern ein, der unter dem Vorsitz des Vitztums mit der Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten betraut war. Im folgenden
Jahrhundert sieht man zwei Bürgermeister (syndics) an der Spitze der Gemeinde.
Als der aus der Gascogne stammende Philippe de Chamberlhac zum Bischof von Sitten bestallt wurde, bestätigte
dieser den Gemeinden günstig gesinnte Prälat alle Rechte und Freiheiten sowohl von Sitten, als auch von Leuk und Martinach
durch besondere Urkunden (1338 und 1339) und berief 1340 auch einen aus Vertretern sämtlicher unter bischöflicher Hoheit
stehenden Gemeinden zusammengesetzten Generalrat ein, aus dem später die Walliser Zehnten sich entwickelten.
Die Geschichte Sittens ist diejenige einer Märtyrerstadt. Geschichtsforscher und Reiseschriftsteller stimmen in der Versicherung
überein, dass Sitten unter allen Schweizerstädten sicherlich die von Naturverheerungen und menschlicher Grausamkeit am
meisten heimgesuchte darstellt. Sie wurde seit dem Kriege zwischen Rudolf I. und dem deutschen König
Arnulph (888) nicht weniger als achtmal belagert, eingenommen und zerstört. Dem von Bischof Tavelli zur Hilfe gerufenen Grafen
Amadeus VI. von Savoyen, dem sog. Grünen Grafen, der an der Spitze eines Heeres ins Wallis
einrückte, öffnete die Stadt 1352 ihre
Tore und ergab sich auf Gnade oder Ungnade. Bald nach Abzug des Grafen machte sich jedoch die Unzufriedenheit
mit
mehr
der savoyischen Politik des Bischofes von neuem Luft und brach ein Aufstand der Patrioten aus, so dass schon im folgenden
Jahre eine savoyardische Armee wiederum thalaufwärts gegen Sitten zog. Nach einem auf den Höhen um die Morge gelieferten
Kampf belagerte der von einem glänzenden Gefolge begleitete Graf nochmals die Stadt, die, auf ihre eigenen
schwachen Kräfte angewiesen, mit Sturm genommen und diesmal geplündert und angezündet wurde. Nach dem tragischen Tod von
Bischof Witschard Tavelli besetzte das Haus Savoyen 1376 den Bischofssitz von Sitten mit einem seiner eigenen Angehörigen,
dem Bischof Eduard von Belley, der durch seine Hast, im Ober Wallis
neuen Landbesitz zu erwerben, bald das Misstrauen
der noch nicht beruhigten Patrioten hervorrief.
Zweimal wurde er von seinem Sitz verjagt und hissten die Festungen auf Tourbillon, Majoria und Valeria die Mailänder Farben,
Savoyen damit zur Fehde herausfordernd. Sogleich sammelte Amadeus VII., der sog. Rote Graf, ein aus Burgundern, Franzosen,
Bernern, Freiburgern und Waadtländern rekrutiertes Heer, um vor die aufständische Stadt zu ziehen. Von drei Seiten zugleich
angegriffen, wurde Sitten nach wackerer Gegenwehr wiederum genommen und, innerhalb dreissig Jahren zum zweitenmal, den Flammen
preisgegeben.
Aber auch diesmal vermochte sich der wieder in sein Amt eingesetzte savoyische Bischof nicht lange zu
halten, bis schliesslich ein Vertrag den Lauf der Morge als Grenze zwischen Savoyen und den Ländern des Bischofes bestimmte.
Anlässlich des sog. Raronkrieges mischte sich Savoyen neuerdings in die Geschicke des Landes, um die Stadt Sitten 1417 nocheinmal
zu plündern und zu verbrennen. Als sich die Walliser zu Beginn der Burgunderkriege mit den Eidgenossen
verbündeten, bot sich der Herzogin Jolantha von Savoyen, der Mutter des jungen Grafen Philibert, 1475 der Vorwand, ins Wallis
einzufallen.
Sie liess sofort ein Heer von 10000 Savoyarden gegen Sitten marschieren, wo sich die ihrer geringern Stärke bewussten Walliser
eingeschlossen hatten. Diesen Umstand benutzten die Savoyarden, um einen Streifzug auf die Terrasse von
Savièse zu machen, deren zahlreiche Dörfer zu verbrennen und die Bewohner hinzumorden. Unterdessen kam den Wallisern aber
Hilfe aus dem obern Rhonethal, aus Bern
und Solothurn,
worauf sich auf der Planta bei Sitten eine blutige Schlacht entspann, in der das savoyische
Heer vollständig geschlagen wurde und etwa 300 Edelleute, sowie 1000 Soldaten auf der Wahlstatt
liess.
Dem mit den Ueberresten seiner Armee gegen das Faucigny fliehenden savoyischen Generalkapitän setzten die Walliser unaufhaltsam
nach, auf welchem Zuge sie von Sitten bis zum Genfersee dreizehn feste Burgen brachen. Die Schlacht auf der Planta machte den
Einfällen Savoyens auf Walliser Boden ein Ende. Nach den Burgunderkriegen und infolge der Verbündung der Walliser mit den
Eidgenossen erfreute sich Sitten endlich einer drei Jahrhunderte dauernden Zeit verhältnismässiger Ruhe.
Zur Zeit des Einmarsches der französischen Okkupationsarmee besetzte eine von Waadtländer und französischen Truppen gedeckte
Schaar von 1200 Unter Wallisern am die Stadt Sitten, wo sie einen Freiheitsbaum aufpflanzten,
mussten sich aber noch am selben Abend vor 4000 herangerückten Ober Wallisern zurückziehen, wobei ihr Anführer, Kommandant
de Bons, in Gefangenschaft geriet. Am 16. Mai kam es an der Morge zwischen einer unterdessen herangerückten Division Waadtländer
und Franzosen und den Ober Wallisern zu einem blutigen Treffen, in dessen Folge Sitten sich dem General
Lorges ergab.
Die Franzosen nahmen grausame Rache. Sechs Stunden lang sah sich die Stadt der Plünderung preisgegeben: dem Bischof wurde
der Hirtenring vom Finger gerissen, der die Messe lesende Pfarrer Gottsponer sah sich ergriffen und vom
Altar verdrängt, und den Bürgern von Sitten riss man auf offener Strasse die silbernen Schnallen von den Schuhen. Speicher,
Küchen, Keller und Ställe - alles wurde gründlich untersucht und geleert. Zur Wegfuhr der Beute bedurfte es nicht weniger
als 25 schwerer Wagen, vor die in der Umgebung aufgegriffene Pferde gespannt wurden.
Während der Walliser Geschichtsforscher Louis Ribordy den Wert aller aus den Privathäusern entwendeten Gegenstände auf 15000 Fr.
geschätzt hat, versichert Mallet du Pan, dass General Lorges aus der Plünderung von Sitten 165000 Fr. mit sich nach Frankreich
zurückgebracht habe. Dieser gewaltige Unterschied in den Ziffern erklärt sich ungezwungen aus den 150000
Fr. Kriegssteuern, die der Stadt auferlegt worden waren. Auch im Verlauf der innern bürgerlichen Zwistigkeiten zwischen
Wallisern selbst ist Sitten oft belagert und genommen worden. 1839 war Sitten der Sitz der Regierung des Unter Wallis,
während diejenige
des Ober Wallis
in Siders sass, bis der Sieg der Unter Walliser bei Saint Léonard im April 1840 diesem Zwiespalt
ein Ende machte. Da brach im Mai 1844 die
mehr
Gegenrevolution aus: 8000 Ober Walliser überraschten die Stadt Sitten und veranlassten die liberalen Vertreter im Grossen
Rat zum Rückzug. Damit war der Beitritt des Wallis
zum Sonderbund vorbereitet, welchem dieser Kanton als letzte Stütze diente, bis
Sitten am sich dem Obersten Rilliet ergab.
Neben der Kriegsfurie haben im Laufe der Jahrhunderte auch andere schwere Plagen die unglückliche Stadt
oft heimgesucht. So herrschte 1349, 1616, 1629 und 1639 die Pest. Ferner sah sich die Stadt sozusagen periodisch den Ueberschwemmungen
durch die Hochwasser der Sionne ausgesetzt, die z. B. 1778 die meisten Keller unter Wasser setzten, mehrere Häuser zum
Einsturz brachten und eine solche Masse von Schutt aufschwemmten, dass dessen Forträumen die Stadtverwaltung 60000 alte Taler
kostete.
Ein am ausgebrochener Kaminbrand pflanzte sich mit erschreckender Schnelligkeit fort und zerstörte 126 Wohnhäuser
und etwa 100 andere Gebäulichkeiten, darunter die bischöflichen Schlösser Majoria und Tourbillon samt deren Archiven
und der Porträtsammlung aller Walliser Bischöfe. Das im Schloss Majoria untergebrachte Staatsarchiv konnte durch die eben
in Sitten anwesenden Abgeordneten der Zehnten gerettet werden. Dreihundert Familien sahen sich des Obdaches beraubt. Um der
Not zu steuern, sandten Genf
5557 alte Taler, Neuenburg
25 Louis, Appenzell
15 Louis, Freiburg
200 Louis und Solothurn
100 Louis. Der Staat Wallis
bewilligte
eine Gabe von 1000 Talern. Zum Wiederaufbau der Stadt verausgabte die Bürgergemeinde für Holz und andere Materialien über 100000
Taler, während man zugleich noch beim Fürstabt von Einsiedeln ein Anleihen von 4000 Louis d'or aufnahm, von denen den Bürgern
Vorschüsse geleistet wurden.
«Trotz all dieser Heimsuchungen erstand Sitten immer wieder neu verjüngt aus
seiner Asche; nicht allein wegen seiner günstigen und fruchtbaren Lage, sondern auch, weil es der Sitz des Bischofs und seines
Domkapitels und insbesondere noch, weil die freie Reichsstadt durch ihre Verfassung zu einer andauernden Entwicklung lebensfähig
war. Jeder Bürger war Freiherr. Die Obrigkeit hatte seit undenklichen Zeiten die Befugnis, alle Kriminalurteile,
die in den mehr als 30 Freigerichten des Landes gefällt wurden, als geborne Richter und Freiherren zu durchgehen und zu
bestätigen. Die Regierung ist aristokratisch gewesen. Demzufolge hatte Sitten unter dem Vorsitz eines Bürgermeisters 24 Ratsglieder,
die auf Lebenszeit gewählt waren. An den Platz eines Abgehenden wurde ein gewesener Syndik gewählt.
Dem Zehnengericht sass ein Grosskastlan vor, der alle zwei Jahre neu gewählt wurde. Der Bannerherr und der Zehnenhauptmann,
die im Kriegsrat den Vorsitz hatten, waren lebenslänglich im Amte. Die Milde der Richter in Sitten war sprichwörtlich,
und heute noch lesen wir den Wahlspruch derselben: „Facite judicium et justitiam, Et Dominus dabit pacem in finibus vestris“
ob dem Eingange des altehrwürdigen Rathauses» (F. O. Wolf und Furrer).
Altertümer.
Ein unter dem Namen Pierre des Druides oder Druidenaltar bekannter Felshügel auf Valeria ist ein sog. Schalenstein mit
leicht erkenntlichem Opfertisch und Blutschalen, wie
man einen andern, auch auf dem Mont d'Orge gefunden hat. Ebenfalls auf
Valeria liegt der erratische Bloc Venetz oder das Venetzdenkmal mit der Inschrift I. Venetz 1821 zum Andenken an den
ersten Verfechter der Gletschertheorie. Auf Tourbillon hat man Gräber aus der Steinzeit aufgedeckt. Zwischen
Tourbillon und Valeria sieht man Ueberreste einer Ansiedlung und von Gräbern aus der Bronzezeit.
Gräber aus der Bronzezeit sind ferner auf der Plata und bei Château Neuf gefunden worden. In der Rue de Lausanne deckte man
ein gemeinsam der Bronze- und der Eisenzeit angehörendes Gräberfeld auf. Gräber aus der Hallstattperiode
hinter dem Haus Ambüel und solche aus der La Tènezeit in Clavoz, Château Neuf und auf dem Mont d'Orge. Einzelfunde aus der
Bronze- und der Eisenzeit sind in Sitten häufig gemacht worden, wie man auch zu wiederholten Malen auf Inschriften und Gräber
aus der Römerzeit gestossen ist.
Eine solche Inschrift datiert aus der Zeit des Tiberius, eine andere auf einem Meilenstein aus derjenigen
der Kaiser Volusianus und Gallus; eine dritte erinnert an Campanus und eine vierte an Pontius Asclepiodotus, zwei römische
Statthalter auf Valeria, von denen der letztere im Jahr 377 die zerstörten Tempel wieder aufbauen liess. Anlässlich einer
Restauration in der Wallfahrtskirche auf Valeria kam eine Marmorsäule des ehemaligen römischen Tempels zum Vorschein. Sitten
war schon zum Beginn der Zeit der Germaneneinfälle eine bedeutende Siedelung, namentlich als Sitz der Walliser Bischöfe.
Dies zeigen Germanengräber und Inschriften aus frühchristlicher Zeit.
Verdiente Männer.
Die Geschlechter Ambüel, Kalbermatten, von Riedmatten, Roten, von Platea, de Preux, de Torrenté, de Sepibus,
de Montheolo, de Rivaz, Allet etc. haben der Stadt manchen verdienten Magistraten und dem Lande mehr als einen Bischof geschenkt.
Ferner sind namentlich hervorzuheben: der gegen 1500 gestorbene ausgezeichnete Arzt Kaspar Collinus (Ambüel), Freund Konrad
Gessners und Verfasser einer lateinisch geschriebenen Abhandlung über die Heilbäder des Wallis,
die Josias
Simlers Vallesiae descriptio beigedruckt ist;
Bürgermeister Philippe de Torrenté, Geschichtsforscher und Jurist;
der 1812 gestorbene
Dichter Peter Joseph von Riedmatten;
der 1905 jung gestorbene Dichter Louis de Courten.
Von längere oder kürzere Zeit in
Sitten lebenden Persönlichkeiten von Ruf erwähnen wir den Landeshauptmann Georg Supersaxo, den mächtigen
Gegner des Kardinals Schinner, die zeitgenössischen Geschichtsschreiber Furrer, Louis Ribordy und Domherr Grenat, den Ingenieur
Ignaz Venetz, den Musiker und Naturforscher Ferdinand Otto Wolf (1838-1906), Verfasser einer Reihe von das Wallis
betreffenden Heften
der Europäischen Wanderbilder. Auch Jules Verne, der bekannte französische Schriftsteller (Voyagesextraordinaires),
weilte 1871 einige Monate in dieser Stadt.
Bibliographie:
Gay, Hilaire. Les franchises de Sion (in den Mélanges d'histoire valaisanne). Genève 1891. - Wolf, F. O. Sitten und Umgegend.(Europ. Wanderbilder. 138-140). Zürich
1888. - Monod, Jules. Sion, les Mayens etc. Sion 1903. Vergl. auch die bibliographische Liste
zum Art. Wallis.
(Bistum).Das heutige Bistum Sitten umfasst das Einzugsgebiet der Rhone oberhalb des Genfersees, d. h. den gesamten Kanton Wallis
und vom Kanton Waadt
den dem Rhonethal angehörenden Abschnitt bis zur Eau Froide zwischen Roche und Villeneuve (katholische Pfarreien Bex
und Aigle).
Die Katholiken von schweizerisch Saint Gingolph, die mit denjenigen des französischen Saint Gingolph eine
gemeinsame Pfarrei bilden, deren Kirche links der Morge auf savoyischem Boden steht, sind dem Bischof von Annecy unterstellt.
Die 1906 angeordnete Inventarisation der Kirchengüter in Frankreich musste in der Pfarrei Saint Gingolph aufgeschoben werden,
weil hier Franzosen und Schweizer gleichzeitig Eigentümer derselben sind, was der Geistlichkeit und
den Gläubigen gestattete, einen Teil der Kirchengeräte in die rechts der Morge auf Schweizer Boden stehende Kapelle hinüber
zu retten. Die an der S.-Flanke des Simplonpasses gelegene kleine Pfarrei Gondo gehörte ursprünglich zur Diözese Novara
und wurde unter Papst Pius VII. ums Jahr 1820 dem Bistum Sitten angegliedert.
Zur Zeit der Einführung des Christentums bildete das Wallis
einen Teil der römischen Provinz Rätien. Der Kirchenhistoriker Sebastian
Briguet, Domherr zu Sitten, erzählt in seiner Valesia Christiana, dass nach den Archiven des Klosters Saint Maurice ein Bischof
Oggerius im Jahr 300 vom h. Stuhl nach Octodurum gesandt worden sei. Doch datiert die erste wirklich beglaubigte
Nachricht von einem Bistum Octodurum (Martinach) erst aus dem Jahr 381, in welchem Theodorus episcopus Octodurensis am Konzil
von Aquileia teilnahm.
Eine der ersten Massnahmen dieses Theodorus war die Errichtung eines Tempels in Agaunum (Saint Maurice) zum Andenken an den
Märtyrertod des h. Moritz und seiner Gefährten, den diese hier 302 auf Befehl des Kaisers Maximian
erlitten hatten (vergl. den Art. Saint Maurice). Die in der Gegend niedergelassenen Einsiedler, die sich an den aufstrebenden
Felswänden ihre Hütten erbaut hatten, wurden vom Bischof zu einer christlichen Gemeinde vereinigt. Derart soll die Abtei
Saint Maurice entstanden sein, die jetzt das älteste Kloster nördlich der Alpen darstellt. Da unter Kaiser
Maximian auch die schon im 3. Jahrhundert n. Chr. bestehenden christlichen Kirchen in Sitten zerstört worden waren, übernahm
unter Kaiser Gratian im Jahr 377 der dortige römische Statthalter Pontius Asclepiodotus unter dem Einfluss des Bischofes Theodorus
den Wiederaufbau dieser Tempel.
Dies geht aus einer der im Korridor des Rathauses zu Sitten eingemauerten römischen Inschriften aufs deutlichste hervor.
Der erste historisch beglaubigte Bischof des Wallis
war demnach zugleich der Gründer des Bistumes Sitten und der mächtigen Abtei
Saint Maurice, deren Aebte während des ganzen Mittelalters den Bischöfen von Sitten als gefährliche
Rivalen gegenüberstanden. Theodorus starb um 391, nachdem er 381 am Konzil von Aquileia und 390 an demjenigen von Mailand
teilgenommen hatte.
Unter der Regierung Mark Aurels wurde das Wallis
von Rätien abgetrennt und der Provinz Gallien angegliedert. Damit kamen die ersten
Bischöfe des Wallis
unter die Oberherrschaft des Erzbischofs von Vienne und später unter diejenige des
Bischofes der Tarentaise zu stehen. Der als Nachfolger des Theodorus genannte h. Florentin, der 407 von den Vandalen
getötet worden sein soll, ist von der neuern Forschung von der
Liste der Walliser Bischöfe gestrichen worden. Der Bischofssitz
blieb bis zum Ende des 6. Jahrhunderts in Octodurum, obwohl die Hochwasserverheerungen der Dranse die
Bischöfe öfters nötigten, in Agaunum Zuflucht zu suchen.
Den verheerenden Naturgewalten, wie Ueberschwemmungen und Bergstürzen, reihten sich feindliche Einfälle und auch bürgerliche
Zwistigkeiten an, indem z. B. die Mönche von Agaunum im Jahr 565 den Bischof Agricola samt seinen Geistlichen
und Anhängern zu töten suchten. Man sieht darin ein Beispiel jener im Mittelalter häufigen Kämpfe der auf ihre Freiheiten
und Vorrechte eifersüchtigen Klöster gegen die Bischöfe, die jene unter ihre Gewalt zu bringen trachteten. Um vor den Einfällen
der raubend und sengend über den Grossen St. Bernhard ziehenden Longobarden sicherer zu sein, verlegte
dann der h. Heliodorus im Jahr 585 seinen Bischofssitz von Octodurum (Martinach) nach Sedunum (Sitten).
Trotzdem sehen wir aber in der Folge zahlreiche Bischöfe sich zugleich noch den Titel eines Abtes von Agaunum (Saint Maurice)
beilegen, wie z. B. Vultcharius (753), den h. Althaeus, der 780 vom Papst eine Exemtionsbulle zugunsten
dieses Klosters auswirkte, Abdalong (um 825), Heimenius (830) und Haymon II., Sohn Humberts von Savoyen, dem der Papst Leo
IX. im Jahr 1049 zusammen mit den Bischöfen von Lyon, Besançon und Genf in Saint Maurice einen feierlichen Besuch abstattete.
Dem Tod Karls des Grossen, der das grosse abendländische Reich dieses Herrschers zur Auflösung brachte,
folgte auch im Wallis
Zank und Streit. Um den Besitz des Landes stritten sich das Bistum, das von Rudolf III., dem letzten König
des transjuranischen Burgund, im Jahr 999 die Gaugrafenwürde des Wallis
verliehen erhalten hatte, und das Haus Savoyen, das seine
Besitzansprüche von einer Vergabung Konrads des Saliers zugunsten des Grafen Humbert des Weisshändigen
herleitete.
Dem Abt von Saint Maurice, der bei der Teilung des ungeheuern Reiches auch seinen Anteil haben wollte, war die von Martinach
bis Vevey reichende Grafschaft des Vieux Chablais zugefallen. Seither standen sich Ansprüche und Interessen des Bistums
und Savoyens, welch letzterm die Abtei Saint Maurice bei seinen Uebergriffen aufs Wallis
stets behilflich war, feindselig gegenüber.
Daraus entsprang dann die lange Reihe der Bürgerkriege, die das Land fast ohne Unterbruch entzweiten.
Die Schenkung Rudolf III. begründete die weltliche Macht der Bischöfe von Sitten und gestaltete diese Stadt von
einer rein religiösen Metropole auch zum politischen Schwerpunkt des Landes um, sodass sich hier geistliches und weltliches
Schwert auf mehrere Jahrhunderte hinaus in einer Hand, der der Bischöfe, vereinigt sahen. Aus dem Bischofsstaat hat sich
in der Folge der Freistaat und die Republik Wallis
entwickelt. Während die Grenzen der Grafschaft Wallis
und des Bistums
Sitten sich zur Zeit des Zusammenbruches des Römerreiches noch deckten, war dies beim Tod Rudolfs III. weitaus nicht mehr
der Fall. So umfasste das Bistum, das innerhalb der Grenzen der ehemaligen civitas geblieben war, genau das Sammelgebiet
der obern Rhone, die Grafschaft dagegen bloss den obern Abschnitt des Rhonethales bis zur Einmündung des
Thales des Trient. Die weltliche Macht der Abtei Saint Maurice im untern Thalabschnitt bildete einen jeder Ausdehnung der Grafschaft
gegen diese Seite hin machtvoll sich entgegenstemmenden Wall. Zudem war der Zerfall der ehemaligen
mehr
Verwaltungseinheiten zu der Zeit, da das Bistum in der Grafschaft Wallis
auch die weltliche Macht erlangte, schon ziemlich weit vorgerückt.
Während z. B. dem Bischof die Herrschaft Martinach gehörte, besass andrerseits die Abtei mitten in der Grafschaft ausgedehnten
Grundbesitz, wie z. B. die Enklaven Vétroz-Conthey und Nendaz, sowie später Bagnes und zeitweise sogar
noch Leuk und Naters. Das Ineinandergreifen der verschiedenen Herrschaftsrechte gestaltete sich auf dem Wege von Erbschaft und
Austausch, sowie durch die Ansprüche und Uebergriffe des Hauses Savoyen, auf welches sich die Abtei Saint Maurice in gleicher
Weise stützte wie der Bischof aufs Reich, allmählig zu einem tatsächlichen Wirrwarr, der unzählige
Streitigkeiten und blutige Zwiste zur Folge hatte.
Als dann mit dem Aufkommen der Zehnten auch noch das Landvolk auf den Plan trat und sowohl dem Bischof als dem Hause Savoyen
weitere Rechte und Freiheiten abzutrotzen sich anschickte, gestaltete sich der Kampf gefährlicher als je zuvor. Um die Mitte
dieser langen Periode von Wirren sehen wir auf dem Mons Jovis das gastliche Kloster der Mönche vom Grossen St. Bernhard entstehen.
Während der letzten Jahrhunderte des Mittelalters trug der vom Domkapitel erwählte Bischof den Titel eines Reichsgrafen,
als welchem ihm die Rechte und Befugnisse eines Reichsfürsten zustanden. Als tatsächliches Staatsoberhaupt
leitete er die Ständeversammlungen, zu denen er die Vertreter der Zehnten von sich aus berief. Die damaligen sieben Zehnten
lagen in dem ö. der Morge von Conthey befindlichen Abschnitt des Rhonethales und seiner Verzweigungen.
Die Emanzipation der Gemeinden (Zehnten) führte auch hier zu einem allmähligen Rückgang der landesherrlichen Rechte. Nach
dem Sturz der mächtigen Familie derer von Raron, die den Hochadel des Wallis
verkörpert hatte, wurde Wilhelm VI., der letzte Bischof
aus diesem Geschlecht, am auf seiner Burg zu Naters zur Unterschrift der berühmten sog. Naterser Artikel
gezwungen,
durch welche er auf einen Teil seiner Rechte, besonders auf die eigene Ausübung der Zivil- und Strafrechtspflege,
Verzicht leistete.
Als Wilhelms Nachfolger den bischöflichen Stuhl nur mit dem ausdrücklichen Vorbehalt bestieg, dass diese Konzession als
null und nichtig dahinfalle, entbrannte der Kampf zwischen den Patrioten und dem Fürstbischof aufs neue, sodass jene von
nun alle jede Gelegenheit zur Einschränkung der weltlichen Macht ihres Oberherrn sich zu nutze machten.
Mächtigen Vorschub leisteten dieser Bewegung der endgiltige Bruch der Eidgenossen mit Savoyen, die Burgunderkriege und die
Eroberung des Unter Wallis
im Jahr 1475. So wurden die Bischöfe Jost von Silenen und Matthäus Schinner ihrer Umtriebe zu gunsten
Frankreichs und des Papstes wegen durch das Volksgericht der Mazze aus dem Lande verbannt und später
der von einer Romreise zurückkehrende Bischof Hildebrand Jost auf dem Grossen St. Bernhard gefangen genommen und 1630 gezwungen,
auf die Karolina, d. h. die den Bischöfen angeblich von Karl dem Grossen verliehene weltliche Macht, zu verzichten.
Von diesem Zeitpunkt an sah sich die bischöfliche Autorität mehr und mehr auf das geistliche Gebiet
eingeschränkt, während die Machtfülle des Landeshauptmanns, des ehemaligen weltlichen Statthalters der Bischöfe, aufs Höchste
stieg. Trotz alledem waren aber dem Bischof bis zu der Zeit der Revolution, die alle alten Einrichtungen des Landes wegfegte,
eine Reihe von Rechten geblieben, wie z. B. das Begnadigungsrecht, das Recht auf die konfiszierten Güter,
Münzrecht, Bezug zahlreicher Bussen etc. Er erhob die Zölle, ernannte die Notare, legitimierte die ausserehelichen Kinder,
war der natürliche Erbe aller nicht von anderer Seite her beanspruchten Verlassenschaften etc. Er war ferner Gerichtsherr
über eine Reihe von Gemeinden geblieben, die der Zehntenverwaltung nicht unterstanden, wie Martinach,
Ardon, Chamoson, Isérables, das Eringer- und das Eifischthal, Ayent, Grimisuat, Saint
mehr
Léonard, Simpeln, Massongex u. a. Dem der Abtei Saint Maurice gehörenden Bagnesthal stand er als weltlicher Oberherr vor.
Ihm standen das Fisch- und Jagdrecht zu, sowie das Recht auf sämtliche Zungen der in Sitten geschlachteten Ochsen und Kälber.
Er unterhielt, kleidete und bezahlte den Scharfrichter und gegenzeichnete sämtliche Todesurteile. In der
Periode nach der Franzosenherrschaft (1799-1813) wurden die Beziehungen zwischen dem Bischof von Sitten und der weltlichen
Landesverwaltung durch Verfassungsbestimmungen geregelt.
Bis 1840 behielt der Bischof den Ehrenplatz an der Ständeversammlung und das Vorrecht bei, über vier Stimmen zu verfügen,
was bedeutete, dass seine Stimme ebensoviel zählte als die 4 Stimmen jedes einzelnen Zehntens. Dieses
Vorrecht kam den eine geringe Einwohnerzahl aufweisenden obern Zehnten zugute, indem sie damit die die doppelte Bevölkerung
zählenden Zehnten des Unter Wallis
zu majorisieren vermochten, und war mit eine der Ursachen der blutigen Bürgerzwiste, die den
Kanton von 1839 bis 1848 in zwei Lager spalteten.
Mit dem Ausgang des Sonderbundskrieges fielen dann auch die letzten weltlichen Privilegien des Bistums
endgiltig dahin. Der h. Stuhl war seinerseits bemüht, jeglichen Anlass zur Rivalität unter der Walliser Geistlichkeit möglichst
zu beseitigen, und regelte daher 1840 die gegenseitigen Beziehungen von Bistum Sitten und Abtei Saint Maurice in dem Sinne,
dass er dem Abt dieses Klosters den Titel eines Bischofes von Bethlehem in partibus infidelium verlieh und
die Priester seines Kapitels zum Range von Domherren erhob. Seither sind unter der direkten Hoheit des Abtes und Bischofes
von Bethlehem sämtliche Pfarreien der ehemaligen Herrschaften Choëx und Salvan verblieben. Daher sind denn auch
die Pfarreien Choëx, Salvan, Finhaut und Vernayaz, sowie die Kaplanei Lavey heute noch nullius diocesis.
Der Bischofsstuhl zu Sitten hat sich zu keiner Zeit eine besondere Kathedrale erbaut, indem als Kathedralkirchen zuerst die
Notre Dame auf Valeria und dann die in der Ebene gelegene alte Notre Dame du Glarier (die heutige Kathedrale)
dienten. Der bischöfliche Palast befand sich seit 1218 südl. von der Kathedrale und wurde nach der Erwerbung des Schlosses
Majoria dem Domkapitel überlassen. Sein Turm ist durch den grossen Brand von 1788 vollständig zerstört worden.
Von 1373 bis 1788 residierten die Bischöfe auf den Schlössern Majoria und Tourbillon. 1840 bezogen sie
ihren heutigen Palast, ein in der Unterstadt gelegenes geräumiges Gebäude. Zu den Zeiten ihrer weltlichen Machtfülle hielten
die Bischöfe einen glänzenden Hofstaat mit der ganzen Stufenfolge der an Fürstenhöfen üblichen Aemterfülle. Heute besteht
der bischöfliche Hof nur noch aus dem Domkapitel, dem ein besonderes Gebäude eingeräumt ist. Das Bistum
Sitten zeigt noch die Eigentümlichkeit, dass der Bischof vom Grossen Rat des Kantons Wallis
gewählt wird. Es ist dies die Folge der allmähligen
Ersetzung der ehemaligen Reichsgewalt und der Oberhoheit des Herzogtums Savoyen durch die Volksrechte.
Nach dem Tod des Bischofes Andreas von Gualdo im Jahr 1437 erlangten die Walliser, die die Verwaltung ihres
Landes dem Einfluss des Hauses Savoyen und seiner Anhänger zu entziehen trachteten, das Recht, sich an der Bischofswahl mitbeteiligen
zu dürfen. Heute wählt der Grosse Rat den Bischof unter vier Kandidaten, die ihm vom Domkapitel vorgeschlagen werden. Jede
Wahl wird dann vom h. Stuhl, der sich damit seine Rechte vorbehalten will, jeweilen als ungiltig erklärt,
worauf dann der Papst von sich aus den vom Grossen Rat Gewählten ebenfalls bestätigt, 1875 gelang es den Vertretern des
Unter Wallis
zum erstenmal, einen Angehörigen, des westlichen Kantonsteiles auf den Bischofssitz zu erheben, welcher Fall sich 1895 wiederholt
hat. Trotzdem wacht das Domkapitel, von dessen 10 Angehörigen bloss drei französischer Zunge sind, eifersüchtig über
die Wahrung der Vorrechte der alten Zehnten des Ober Wallis,
indem es darauf sieht, dass sich unter den vier von ihm für den vakanten
Bischofssitz vorzuschlagenden Kandidaten bloss ein einziger Unter Walliser oder französischer Name befinde.
Die Diözese Sitten umfasst zur Zeit die 11 Dekanate Sitten, Siders, Leuk, Raron, Visp, Brig. Aernen, Ardon, Vex, Martinach und Monthey.
Der bischöflichen Hoheit unterstehen 135 und derjenigen des Abtes
von Saint Maurice und Bischofes von Bethlehem 4 Pfarreien.
Eine Walliser Pfarrei (Saint Gingolph) ist dem Bistum Annecy angegliedert. Die Ernennung der Pfarrer und
übrigen geistlichen Würdenträger unterliegt noch einigen eigentümlichen, aus den alten Zeiten herstammenden Bedingungen.
So werden z. B. die Pfarrer von Monthey und Troistorrents zwar aus der Zahl der im bischöflichen Priesterseminar ausgebildeten
Weltgeistlichen erwählt, aber von der Abtei Saint Maurice ernannt.
Die Pfarrer von Port Valais, Vionnaz und Collombey ernennt der Grosse Rat aus je drei ihm vom Bischof vorgeschlagenen
Kandidaten. In bestimmten Pfarreien des mittlern und obern Wallis
steht die Pfarrwahl dem Domkapitel zu. Die Abtei Saint Maurice
und das Kloster auf dem Grossen St. Bernhard verfügen noch über die Pfarrwahl und Kirchengüter der
ihnen früher gehörenden Herrschaften. So besetzt der Abt von Saint Maurice ausser den Pfarreien Salvan, Finhaut, Vernayaz und
Choëx, die ihm direkt unterstellt sind, noch diejenigen von Bagnes, Vollèges, Saint Maurice, Évionnaz, Outre Rhone, Aigle, Vérossaz
und Vétroz mit Mönchen aus seinem eigenen Kloster.
Die Augustiner auf dem Grossen St. Bernhard verfügen über die Pfarreien oder Propsteien von Bourg Saint Pierre,
Liddes, Orsières, Sembrancher, Bovernier, Martinach, Trient, Lens und Vouvry. Alle Wahlen werden vom Oberhaupt der beiden Klöster
getroffen und vom Bischof von Sitten bestätigt. Das Bistum Sitten zählt etwa 115000 Gläubige und, nach dem Status cleri
von 1902, 205 Weltgeistliche, 134 Klostergeistliche vom Orden des h. Augustin (Saint Maurice und Grosser
St. Bernhard) und des h. Franciscus (Kapuzinerkloster Saint Maurice und Sitten), 12 Seminaristen und 15 Laienbrüder, d. h.
im ganzen 366 Geistliche.
Das Domkapitel besteht aus 10 Domherren. Nach dem Katalog von Boccard sollen im ganzen 92 Bischöfe auf
dem Stuhle von Sitten gesessen haben, von denen 1 unter dem Erzbischof von Mailand, 7 unter demjenigen von Lyon, 10 unter dem
von Vienne und 52 unter dem der Tarentaise standen, während 22 direkt dem h. Stuhl untergeordnet waren. Der gegenwärtige
Bischof ist seit 1895 als Koadjutor seines Vorgängers und seit 1900 als Bischof im Amte. Im folgenden
wollen wir noch einige der hervorragendsten der Bischöfe von Sitten besonders namhaft machen: Herminfried, der als Legat
des Papstes Viktor II. im Jahr 1055 das Konzil von Lisieux und als Legat des Papstes Alexander II. 1070 das Konzil von Winchester
leitete, wo er den König Wilhelm von England krönte und den Erzbischof Stigand von Canterbury seines
Amtes entsetzte;
der mit wunderwirkender Heilkraft begabte h. Garin, zuerst Abt von Saint Jean d'Aulph und seit 1138 Bischof;
Witschard Tavelli, Sohn eines ersten Bürgermeisters von Genf
und
Parteigänger des Hauses von Savoyen, der 1375 von Anhängern des Anton Im Thurn aus den Fenstern des Schlosses La Soie geworfen
wurde;
Walter Supersaxo, unter dessen Episkopat der savoyische Einfluss im Rhonethal vollkommen aus dem Felde geräumt ward;
Jost oder Jodocus von Silenen, der 1475 vom Bischofssitz Grenoble auf den von Sitten versetzt wurde und
dessen Bemühungen die Versöhnung der Eidgenossen mit Herzog Sigismund von Oesterreich (Ewige Richtung 1474) zu verdanken
ist;
Matthäus Schinner (1500-1522), der berühmte nachmalige Kardinal.
Bibliographie:
Briquet, Séb. Vallesia christiana seu Diocesis Sedunensis historia sacra. Seduni 1744. - Rameau, B. Le Vallais historique.
Sion 1891. - Mélanges d'histoire et d'archéologie; publ. par la Société helvétique de Saint Maurice.
Fribourg 1901. - Bourban, Pierre. L'archevêque Saint Vultchaire. (Fouilles de Saint Maurice). 2. éd. Fribourg 1900. - Besson,
Marius. Recherches sur les origines des évêchés de Genève, Lausanne, Sion ... Fribourg et Paris 1906. - Berchem, V.
van. Guichard Tavel, évêque de Sion. (Études sur le Vallais an XIVe siècle). Zurich 1899. - Status ven. cleri diocesisSedunensis. Seduni 1902. Vergl. ferner alle das Wallis
im allgemeinen betreffenden geschichtlichen Werke.