Gerbereien. Das an der Ausmündung eines wasserreichen
Baches gelegene
Brämis hat eine 1870 eingerichtete grosse Bierbrauerei
und eine 1873 gegründete Tuchfabrik, während die ehemals hier arbeitende Filzhutfabrik seit 1887 eingegangen ist. Das Hotelwesen
erscheint einzig durch die Gasthöfe der Stadt Sitten und das kleine Hotel auf dem
Sanetschpass vertreten.
In
Chandoline und
Brämis werden Anthrazitlager abgebaut.
Den Bezirk durchzieht von SSW. nach NNO. auf eine Länge von 10 km die Simplonbahn, die hier einzig die Station Sitten hat,
während dem östl. Abschnitt teilweise auch die nahe der Bezirksgrenze am linken Ufer der
Liène liegende Station
Saint Léonard
dient. Neben der Ausfuhr von Wein und Früchten weist der Bezirk keinen bedeutenden Handelsverkehr auf.
Von
Strassen sind zu nennen: die grosse Strasse des
Rhonethales, die den Bezirk auf eine Länge von 9 km durchzieht, sowie
im S. die
Strassen nach
Brämis und ins Eringerthal
(Val d'Hérens), im N. diejenigen nach den Terrassen
von
Savièse und
Grimisuat, von denen jene durch das Thal der
Morge bis zum
Sanetsch und diese über
Ayent bis zum Rawil fortgesetzt
werden soll. Man geht auch mit dem Gedanken um, Sitten durch eine Eisenbahn über den
Sanetsch mit dem
Berner Oberland in Verbindung
zu setzen. 2167 Haushaltungen in 1141
Häusern. 10871 Ew., wovon 10531 Katholiken, 323 Reformierte, 9
Juden
und 8 Andere. 1888 zählte der Bezirk 9911 Ew. Heute herrscht die französische Sprache durchaus vor, doch sind noch rund 1800 in
Sitten und
Brämis niedergelassene Personen deutscher Sprache. 83 Ew. auf 1 km2.
Die
Weinberge umfassen eine Gesamtfläche von 511,26 ha.
Der Bezirk Sitten umfasst die S.-Flanke der Berneralpen, einen Teil der
Ebene des
Rhonethales und die Gehänge
von
Veisonnaz und der sog.
Mayens de Sion (auf deutsch:
Mayenberg). Man kann je nach der Höhenlage und der Art des Anbaues
des
Bodens vier verschiedene Regionen unterscheiden:
1) Die Alluvialebene der
Rhone, die unterhalb der Stadt Sitten noch nicht überall genügend urbar ist,
aber mehr und mehr zum Gemüse- und Obstbau nutzbar gemacht wird.
Gut angebaut erscheint sie in der unmittelbaren Umgebung
der Stadt und oberhalb derselben auf dem umfangreichen Schuttkegel der
Borgne
(Brämis und Umgebung).
2) Das tiefere Gehänge der N.-Flanke des
Thales besteht aus Glanzschiefern und bildet eine Reihe von
in der Längsrichtung herausmodellierten schmalen
Kämmen, zwischen denen Längsthälchen liegen, deren Moränen- und Alluvialausfüllung
von grosser Fruchtbarkeit ist. Die nach S. exponierten Gehänge tragen die
Rebberge, die den in der ganzen
Schweiz und auch
ausserhalb der Landesgrenzen so vorteilhaft bekannten Wein erzeugen.
3) UeberGrimisuat (890 m) beginnt die bis zur
Berner Grenze hinaufreichende Zone der Kalkgesteine. Hier
liegen auf den Terrassenflächen grosse
Wiesen und
Weiden, während an den Steilhängen Waldungen stehen und zu oberst die
Felswände folgen, über denen sich der
Wildhorn- und Zanfleurongletscher ausdehnen.
Karbonschiefern, die den in Chandoline und bei Brämis abgebauten Anthrazit liefern, sowie höher oben aus den dolomitischen
sog. Pontiskalken, denen stellenweise Gips eingelagert ist. Die Mayens de Sion und Mayens deVeisonnaz selbst liegen auf kristallinen
Schiefern.
Der Bezirk Sitten ist namentlich auch durch seine schöne und an Seltenheiten reiche Flora bekannt. Die
unmittelbare Umgebung der Stadt mit den Hügeln von Valeria, Tourbillon, Montorge und Champlan bietet dem Botaniker, namentlich
im Frühjahr, eine reiche Auswahl von Vertretern einer eigenartigen Flora. Von Typen der xerothermen Thalflora nennen wir:
Opuntia vulgaris, Crocus sativus, Amygdalus communis, Punica granatum, Ficus carica, Ephedra Helvetica,ArtemisiaValesiaca, Stachys Germanica etc.
französisch Sion (Kt. Wallis,
Bez. Sitten). Rhonebrücke 490 m, Exerzierplatz 512 m, Valeria 621 m, Tourbillon 655 m; im
Mittel 521 m. Gem. und Stadt, Hauptort des Bezirkes Sitten und des Kantons Wallis.
Lage und Umfang.
Sitten liegt im zentralen Abschnitt des Rhonethales und am rechten Ufer der Rhone, 26 km nö. Martinach
und 50 km wsw. Brig. Die Gemeinde und Stadt wird von der zwischen der Liène und Morge vom Wildhorn herabkommenden Sionne in zum
grossen Teil kanalisiertem und eingedecktem Bett durchflossen. 7° 21' 34" OL. von Greenwich und 46° 14'
3" NBr. Amtssitz des Bistums Sitten, ehemaliger Hauptort der alten Republik Wallis
und des französischen Département du Simplon.
Die Stadt lehnt sich im N. an den Fuss der vom Wildhorn und Sanetsch herabsteigenden Gehänge, die in ihrem tiefern Abschnitt
vollständig mit Weinbergen bestanden sind, sowie im O. an die die Ebene um 100-165 m überragenden Hügel
von Valeria und Tourbillon, die sie vor den das Rhonethal herabfliessenden Luftströmungen schützen, während die das Thal
heraufsteigenden Winde durch den niedrigen Hügel von Corbassières und die mit der Burgruine Montorge gekrönte Höhe im W.
abgelenkt werden.
Dank dieser geschützten Lage zählt Sitten zu den wärmsten Orten des Rhonethales. Die zentrale Lage
und die Fruchtbarkeit der Umgegend haben Sitten schon zu den ältesten Zeiten zu einer der bedeutendsten Siedelungen im Rhonethal
gestempelt. Hier mündet im S. das Val d'Hérens, eine der beträchtlichsten Thalschaften in der S.-Flanke der Walliseralpen,
und das Val de Nendaz aufs Rhonethal aus, während im N. sowohl in den engen Thälern der Morge, Sionne und
Liène als auf den dazwischen sich ausdehnenden Terrassen und Gehängen mehrere der volksreichsten Landgemeinden des
Wallis
liegen.
Der älteste Teil von Sitten liegt in dem engen Thälchen zwischen den felsigen Hügeln von Tourbillon
und Valeria, von wo aus sich die Stadt allmählig zur Thalebene hinabzog und sich auf dem grossen Schuttkegel der Liène zu
beiden Seiten dieses Wildbaches anzusiedeln begann. Bis zur Abtragung der Ringmauer und Türme (1831-1840) wurden die alten
Quartiere durch drei Hauptgassen, die auf die Tore von Conthey, Leuk und das Rhonetor ausmündeten, voneinander
geschieden.
Die Hauptverkehrsader und breiteste Gasse der Stadt ist der sog. Grand Pont, unter dem die Sionne heute in gedecktem Kanal der
ganzen Länge nach durchfliesst und in den im untern Teil der Stadt von W. her die Rue de Lausanne einmündet,
welche durch die Avenue de la Gare mit dem Bahnhof in Verbindung steht. Heute sind die nach dem Abtrag der Porte deConthey
angelegte Rue de Lausanne und der Grand Pont, der nordwärts zur KapelleSaint Georges und zur reform. Kirche führt und sich
in die grosse Thalstrasse nach Siders und Leuk fortsetzt, die belebtesten Gassen
der Stadt, in denen sich
die hauptsächlichsten Verkaufsläden angesiedelt haben.
Die Anlage des Bahnhofes und die Unmöglichkeit, sich gegen O. weiter ausdehnen zu können, liessen die Stadt Sitten in der
Richtung nach W. und S. sich entwickeln. Damit ist auch die der Rue de Lausanne parallel laufende Avenue
du Midi entstanden, welche durch die «Sous le Sex» genannte Gegend s. vom Hügel Valeria mit der Thalstrasse in Verbindung gebracht
werden soll. Die Ausführung dieses Projektes würde die Rue de Lausanne zu einer scharfen Grenzlinie zwischen der Altstadt
und den neuen Quartieren machen.
1) die Citta (Cité) ö. der Sionne, die den ältesten Stadtteil darstellt;
2) Pratifori (Pré de la foire) s. der Rue de Conthey und w. vom untersten Laufstück der Sionne;
3) Claviney, n. der Rue de Conthey, mit Regierungsgebäude, Domkapitel, Kathedrale, bischöflichem Palast,
Priesterseminar, Kantonsschule etc.;
5) Mala Curia, rechts der Sionne gegen die Avenue (oder Promenade) du Nord. Mit der zunehmenden Ausdehnung der Stadt hat aber
diese althergebrachte Einteilung nahezu alle Bedeutung eingebüsst. Von welcher Seite her man sich immer der Stadt Sitten
nähert, zeigt sie sich mit ihren von Kirchen und alten Burgen gekrönten Felshügeln, den Resten der
ehemaligen Stadtmauern, ihren alten und neuen Kirchtürmen und ihrem unregelmässigen Häusergewirr dem Blick schon von weitem.
Sitten ist trotz aller Belagerungen und Naturverheerungen eine der interessantesten Städte der Schweiz geblieben, die sich
ihren originalen altertümlichen Charakter noch wohl zu wahren gewusst hat.
Die in der Ebene gelegene Kathedrale, die ursprünglich den Namen der Notre Dame du Glarier trug, stammt
in ihrer heutigen Gestalt aus dem Ende des 15. Jahrhunderts und ist in einzelnen Teilen erst durch den Kardinal Schinner
vollendet worden. Einzig der Glockenturm, einer der ältesten der Schweiz, ist noch von der im 9. Jahrhundert
erbauten ersten Kirche vorhanden und hat alle spätern Umwandlungen des Gotteshauses überdauert. Er bildet einen hohen viereckigen
Turm, ist im romanischen Stil der Karolingerzeit gehalten, zeigt mit Schiessscharten versehene Krönungsmauern und schliesst
nach oben mit einer Backsteinpyramide ab. Nach Blavignac soll dieser Glockenturm ein Zeitgenosse der Kirche
von Ainay (eines der ältesten Gotteshäuser der Stadt Lyon), der Kirche von Saint Pierre de Clages und des Turmes der Abtei
Saint Maurice sein.
Die Kathedrale selbst ist im gotischen Stil erbaut. Ihr gegenüber steht die an der Stelle eines schon im 8. Jahrhundert
vorhandenen Heiligtums erbaute und ebenfalls von Kardinal Schinner vollendete St. Theodulskirche mit
unvollendetem Glockenturm. Sie wird im Gegensatz zu der Kathedrale eher vom arbeitenden Volk besucht, indem in Sitten, Saint Maurice,
Visp und andern Flecken des Kantons selbst mit Bezug auf den Gottesdienst immer noch eine gewisse Scheidungslinie zwischen
dem alteingesessenen Adel und der grossen Masse des Volkes sich bemerkbar macht. Am Fuss des Hügels
von Valeria befindet sich die sog. Kollegialkirche, die 1806 zum Gebrauch der bis 1847 das Kollegium in Sitten leitenden
Jesuiten erbaut worden ist.
Steigen wir nach Valeria hinauf, so begegnen wir halbwegs noch der 1310 erbauten Allerheiligen-Kapelle, um endlich zu oberst
die Wallfahrtskirche Notre Dame de Valère, die «berühmteste christliche Kirche des Landes», zu finden,
die an der Stelle eines heidnischen Tempels steht und urkundlich zum erstenmal 1168 erwähnt wird, in einzelnen ihrer Teile
aber ein viel höheres Alter (8. oder 9. Jahrhundert) haben muss. Besonders bemerkenswert sind die herrlich geschnitzten
Chorstühle aus den Jahren 1662 und 1664. Mit der Kirche auf Valeria war ein Domherrenstift verbunden, dessen Angehörige
aber seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts nur noch den Chordienst in der Kathedrale versehen. 1818-1870 hatte auch das nunmehr
nach der Stadt verlegte Priesterseminar seinen Sitz auf Valeria. In der Oberstadt bemerken wir die vor
rund 25 Jahren erstellte reformierte Kirche. Eine ehemalige St. Peterskirche, die so lange für die Gläubigen von Salins
bestimmt war, als diese noch keine eigene Pfarrei bildeten, ist 1806 abgetragen worden. Reich ist Sitten auch an bemerkenswerten
Profanbauten der
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