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nach Form und Bearbeitung dem 14.-15. Jahrhundert an und beweist, dass die Sinestraquellen schon früh bekannt gewesen sind. Doch bekümmerte man sich erst in den 50er-60er Jahren des 19. Jahrhunderts ernstlich um deren Verwertung.
Wenden wir uns von den Quellen wieder auf das Plateau der rechten Thalseite der Brancla, so führt uns der alte Weg zunächst über das schreckliche, oben und seitwärts in wilde Felsenrisse sich verzweigende Tobel des Val da Ruinas, dessen Lawinen und reissende Wasserfluten früher den obern Teil der Sinestraquellen des öftern verschüttet haben. Dann gelangt man in n. Richtung nach dem einsamen, romantisch gelegenen Hofe Zuort (1719 m), von wo auch Muttler und Stammerspitz erstiegen werden können. Gegenüber befinden sich auf der andern Bachseite die Erdpyramiden unter Pra San Peder. Schon haben Valmains und Val Lavèr sich mit dem Hauptthal vereinigt. Weiter nordwärts erreichen wir die Berghütten von Griosch (1818 m), wo wir uns bereits im Val Chöglias, dem längsten Quellthal des Val Sinestra, befinden. Val Lavèr und Val Chöglias haben Bergwiesen und mehrere Alpen (Muranza, Pra San Florin, Patschai und Chöglias), die der Gemeinde Sent gehören, während die Alpen Pradatsch und Pradgiant am W.- und NW.-Fuss des Piz Arina, sowie eine Alp Chöglias Eigentum von Remüs sind. Ueber dem Gebirgskamm des Fimberpasses drüben im österreichischen Fimberthal, wo die Heidelbergerhütte des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins (2265 m) steht, befinden sich noch die Alpen Fenga und Kleinfenga, von denen jene Sent, diese Remüs gehört und die beide verpachtet werden. Das ganze rechtsseitige Gehänge des Val Sinestra ist auf Gebiet von Sent gelegen, und der reiche Wald dieser Gegend schliesst sich den weitern grossen Beständen an, welche diese Gemeinde im Uinathal und seiner Umgebung auf der rechten Seite des Inn besitzt. Die linke Thalseite von Val Sinestra und am Bache aufwärts durch Val Chöglias bis auf den Grat über der Alpe Chöglias samt den ö. Nebenthälern ist Eigentum der Gemeinde Remüs.
Bodengrundlage des Thales sind versteinerungsleere Engadinerschiefer unbestimmten Alters, denen in den grössern Höhen mesozoische Schiefer, Lias- oder Allgäuschiefer und Kreideflysch, aufgesetzt erscheinen. Auch die Quellthäler des Hintergrundes verlaufen im Wesentlichen in diesen aus Tonschiefern, Kalktonschiefern und Kalksandsteinen bestehenden Komplexen, und nur die höchsten Gipfel im N., sowie die Kämme und Hörner im W. gegen das Fluchthorn hin zeigen grosse Veränderungen in der Schieferserie, und zwar durch das Auftreten von Grünschiefern, sowie am Piz Nair und Piz Champatsch durch Einschaltungen von Serpentin und Diabas (Variolit-)gesteinen. Im ganzen sind die beiden Schieferserien etwa 1000 m mächtig, was durch weitgehende Auffaltung und Zusammenstauchung sich erklären lässt. Bei den Mineralquellen von Val Sinestra - im Vallatschatobel und am Ausgang des Val Lavèr finden sich übrigens noch Eisensäuerlinge - ist der Engadinerschiefer durchaus phyllitisch. Er enthält hier zahlreiche Glimmer- und Serizitblättchen, sowie in Menge eingesprengten Schwefelkies, dessen intensive Verwitterung die Bildung von freier Schwefelsäure zulässt. Deren letztern Angriff auf Karbonatgesteine schreibt Dr. Nussberger den Kohlensäuregehalt der Quellen zu. Die starke Verwitterbarkeit der Schiefer bedingt zusammen mit dem verhältnismässig recht milden Klima die Fruchtbarkeit der Gegend, den reichen Waldwuchs im Thal, sowie die mit üppigem Pflanzenwuchs ausgestatteten grünen Weiden, Gründe und Hänge der Alpen. Als besonders bemerkenswert möge erwähnt werden, dass beim Hofe Zuort (1719 m) noch Gartengemüse, Roggen und Flachs mit Erfolg gezogen werden. Dagegen ergehen sich aus der grossen Veränderlichkeit der Schiefergesteine unter dem Einfluss der Atmosphärilien, sowie aus den Rutschungen in den Gebieten mit tonig-blätterigen, weichen Schichten schreckliche Bilder der Zerstörung und Zerrissenheit, besonders im mittlern und im rechtsseitigen vordern Thalabschnitt. Die Sohle des Val Sinestra ist an zahlreichen Stellen auf weite Strecken hin mit enormen Geschiebe- und Schuttmassen aufgefüllt (Chavrids Grond und Chavrids Pitschen, Plan Parpan, Thalboden von Zuort und Ausgänge der Quellthäler). Nicht selten bedecken Schutt und Geröll auch Lager eines mitunter vorzüglichen Lehmes, so z. B. über den Mineralquellen, wo ein blaues, bildsames Produkt, von Flusskiesen überlagert, am Gehänge zu treffen ist. Im Vallatschatobel stehen auf der linken Bachseite aus den Schuttmassen herausmodellierte, ansehnliche Erdpyramiden, ebenso in der Rüfe unter Plan Parpan; unter Pra San Peder gegenüber Zuort erreichen diese Bildungen eine imposante Grösse, so dass sie eine Sehenswürdigkeit des Thales bilden. Durch das ganze Gebiet von Val Sinestra sind zahlreiche erratische Blöcke verstreut. Die Grundmoränen mit Geschiebelehm am Ausgang des Thales am Inn haben wir bereits erwähnt. In der Gegend des Piz Tasna, Piz Nair und Piz Champatsch, d. h. rings um den tiefen Kessel von Val Tiral, eines Seitenthales des Val Lavèr, tritt Serpentin auf. Tiral erscheint dadurch als eine wahre «Totalp», deren Vegetationslosigkeit und trostlose Wildheit nicht leicht von einer andern Gegend übertroffen werden dürfte. Von Mineralien findet man im Gebiete des Val Sinestra: Kalkspat, Doppelspat, Bergkristall, Schwefelkies (Pyrit), Serpentinasbest, Realgar und Auripigment, welche beiden letztern Arsenmineralien auf Chavrids Pitschen entdeckt worden sind.
Bibliographie.
Theobald, G. Geologische Beschreibung der nördl. Gebirge von Graubünden. (Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz. II). Bern 1863. - Steinmann, G. Das Alter der Bündnerschiefer (in den Berichten der Naturforsch. Gesellsch. zu Freiburg i. Br. 10, 1898). - Paulcke, W. Geolog. Beobachtungen im Antirätikon (in den Berichten der Naturforsch. Gesellsch. zu Freiburg i. Br. 14, 1904). - Nussberger, G. Chemische, physikalisch-chemische und bakteriolog. Untersuchung der Mineralquellen von Val Sinestra. Chur 1903. - Husemann, Aug., und Ed. Killias. Die arsenhaltigen Eisensäuerlinge von Val Sinestra bei Sent. Chur 1876. Lardelli, A. Die kohlensäurereichen Arsen-Eisenquellen des Val Sinestra. Chur 1900.
[Dr. Ch. Tarnuzzer.]