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17) Eine Variante zu dem eben angeführten Projekt wollte den Tunnel unter der Cairasca durchführen und bei Varzo ausmünden lassen.
18) 1891. Projekt Bange. Scheiteltunnel mit mächtigem Aufzug auf schiefer Ebene, der ganze Eisenbahnzüge zu den Tunneleingängen zu verbringen vermöchte. Zufahrtslinien mit Zahnradbetrieb.
19) 1892. Projekt Masson mit Zahnrad und 8500 m langem Tunnel zwischen Berisal (1500 m) und Campo auf der Alpe di Nembro (1450 m).
Da aber der internationale Verkehr weder mit Wagenwechsel noch mit Aufzügen und Zahnradbetrieb, wie solche durch einen Scheiteltunnel unvermeidlich geworden wären, in Einklang gebracht werden konnte, blieb nur die Wahl eines Basistunnels übrig, der dann auch nach mannigfachen Schwierigkeiten und unter mehrmaliger Hinausschiebung des für den Arbeitsbeginn festgesetzten Termines endlich in Angriff genommen wurde. Die unvermeidlichen Verzögerungen in der Ausführung eines so grossartigen Projektes, das mit zahlreichen Unbekannten zu rechnen hatte, veranlasste die Anhänger eines Tunnels durch den Grossen St. Bernhard oder Col Ferret wie diejenigen eines Mont Blanc-Tunnels während der Jahre 1884-1893 zu grossen Anstrengungen zu gunsten ihrer Ansichten. Es entstand zu dieser Zeit sogar eine unter den Auspizien des Barons de Vautheleret und unter der Leitung von Ingenieur Ritter stehende eigene Zeitung, Le chemin de fer du Grand Saint Bernard betitelt, die dem Simplonprojekt die unbestreitbare Tatsache entgegenhielt, dass eine St. Bernhardbahn die direktere Route nach Turin und Genua darstelle als die Simplonbahn.
Was bedeutet aber ein in mehr als 1600 m Höhe unter dem Col Ferret durchgehender Scheiteltunnel von 9685 m Länge gegenüber einem Durchstich, dessen Scheitel nur in etwa 700 m, d. h. 900 m tiefer, liegt? Und obwohl Ing. Ritter ausruft, dass der Simplon eine Gefahr, der St. Bernhard dagegen das Heil sei, sowie die sichere Beschaffung der Kapitalien in kurzer Zeit in Aussicht stellt, hat man sich doch zu der Ansicht durchgerungen, dass der Simplontunnel die einzige rationelle Lösung der Frage des Durchstiches der Walliseralpen darstelle. Aus einem 1905 von Régis ausgearbeiteten Projekt geht sogar hervor, dass ein unter dem Mont Velan durchgehender und in der Höhe von Orsières (925 m) in den Fels eindringender Tunnel mit Scheitelpunkt in 931 m Höhe immer noch 26,060 km lang sein würde.
Die Arbeiten am Simplontunnel wurden, zunächst von Hand, an beiden Eingängen zugleich im August 1898 begonnen. Mit fieberhafter Eile betrieb man die Erstellung der Installationen, so dass schon in kaum drei Monaten die Verwaltungsgebäude (mit Bureaux und Magazinen), Werkstätten und Maschinenhäuser (mit Pumpen, Dynamos, Dampfkesseln etc.) erstellt waren, sowie in Brig bereits im November und ein Monat später auch in Iselle die Brandt'schen Drehbohrmaschinen in Tätigkeit gesetzt werden konnten.
Wir lassen einige den Tunnel betreffende Zahlen folgen: Gesamtlänge von einem Portal zum andern 19770 m;
Länge zwischen den Oeffnungen der beiden Richtungsstollen 19729 m;
Kurve am Tunneleingang N.-Seite 161 m, am Eingang S.-Seite 317 m;
geradlinige Tunnelstrecke 19321 m. Der N.-Eingang liegt in 686 m Höhe nö. vom alten Bahnhof Brig, der S.-Eingang in 634 m Höhe 700 m ö. vom italienischen Dorf Iselle und 4 km von der Schweizergrenze in Gondo.
Der Tunnel überschreitet die Landesgrenze zwischen der Schweiz und Italien in einer Entfernung von 9040 m vom N.-Eingang. Eine der brennendsten Fragen beim Bau des Simplontunnels war, ob man ihn nach dem Vorgang des Gotthardtunnels zweispurig anlegen solle oder ob es möglich sei, ihn einspurig zu halten und so die Kosten beträchtlich zu erniedrigen. So kam man zum erstenmal zu der Lösung, «dass an Stelle der Anlage eines einzigen Tunnels mit Platz für 2 Geleise zwei nebeneinander laufende eingeleisige Tunnels projektiert wurden in einem Abstande von 17 m von Mitte zu Mitte Axe. Von diesen beiden Tunnels wurde jedoch vorläufig nur der nordöstlichere, mit Tunnel I bezeichnete, fertig ausgebaut, während der zweite nur als paralleler Stollen von etwa 3 m Breite und 2 m Höhe vorgetrieben wurde und erst dann auf das volle Profil gebracht werden soll, wenn das Bedürfnis nach einem zweiten Geleise sich einstellt», welcher Fall schon zu Beginn des Jahres 1908 eingetreten ist, indem der Bund nun den Ausbau auch des Tunnels II fordert, wozu acht Jahre vorgesehen sind.
«Der Vortrieb dieses zweiten Stollens blieb immer 100-200 m hinter demjenigen des ersten zurück.» Beide Tunnels sind auf Entfernungen von 200 zu 200 m verbunden durch sog. «Querschläge», deren im ganzen 100 vorhanden sind. «Dieses Doppelstollensystem hat sich bei der grossen Länge des Tunnels ausgezeichnet bewährt, ja man darf wohl sagen, dass ihm das Gelingen der ganzen Unternehmung zu verdanken ist, indem durch dasselbe eine vorzügliche Ventilation ermöglicht wird. Vor dem Tunnel befinden sich die Ventilatoren mit elektrischem Antrieb, welche ein Luftquantum von etwa 35 m3 in den Tunnel hinein zu blasen gestatten. Bei normalem Betrieb tritt die Luft durch den Ventilationskanal in den Stollen II ein, welcher nun als grosse Luftleitungsröhre zu dienen hat. Die sämtlichen Querschläge sind geschlossen, zum Teil zugemauert, mit Ausnahme des vordersten, welcher offen bleibt. Vorne bezeichnet der Bergmann die innere Seite; mit vor Ort bezeichnet er die innerste Stelle, bis zu welcher er vorgedrungen ist; vorwärts ist seine Devise, immer vorwärts, dem Durchschlag entgegen! Die Luft ist nun genötigt, den ganzen Stollen II bis zum vordersten Querschlag zu durchstreichen und nach Passieren des letztern durch den Stollen und Tunnel I wieder zurückzufliessen. Bei frühern Tunnelbauten war der Vorgang in der Ventilation ein anderer. Die vorkomprimierte Luft wurde durch Röhren an die Arbeitsstellen geleitet, an denen man sie notwendig hatte. Durch diese Röhren konnte die Luftzufuhr nicht eine so ausgibige sein wie durch einen weiten Stollen. Am Gotthard konnte sie nur bis auf etwa 1½ m3 pro Sekunde, am Arlberg auf 3 m3 gesteigert werden -, mithin beträgt sie mehr als das 10fache der letztern Angabe. Dort hatte man an den Arbeitsstellen, an denen die frische Luft austrat und sich mit der schlechten Luft mischte, eine Luftverbesserung, am Simplon hat man infolge der Zirkulation eine beständige Lufterneuerung für sämtliche am Luftstrom liegenden Arbeitsstellen, welche zugleich die Gesteinstemperatur an den Wandungen bedeutend erniedrigte. Nur die kurzen Stücke, welche vom vordersten Querschlag aus in der Richtung der beiden Stollen bis vor Ort noch weiter vorgetrieben sind, bleiben von der erwähnten Luftströmung unberührt. Für sie muss eine besondere Luftzufuhr stattfinden», welche durch das Anbringen von eigenartig konstruierten Strahlapparaten ermöglicht wurde. Die geschilderte Ventilationseinrichtung ¶
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wird in den Bergwerken schon seit langer Zeit angewendet, kam aber am Simplon zum erstenmal bei einem Tunnelbau zur praktischen Ausführung. Der Stollen II diente ferner noch zur Zuführung des für den Betrieb der Bohrmaschinen verwendeten Druckwassers und der für die Luftlokomotiven notwendigen komprimierten Luft, zur Aufnahme der Kühlapparate, zum Rangieren der Züge mit dem Schuttmaterial und zur Abfuhr des den Tunnels entströmenden Abflusswassers.
Die Steigung des Tunnels beträgt auf der N.-Seite bis zu dem 9572 m vom N.-Eingang entfernten Scheitelpunkt in 705 m Höhe 2 mm auf 1 m, auf der S.-Seite dagegen 7 mm pro Meter. Tunnel I ist als eingeleisiger Tunnel 5,5 m hoch und 5 m breit. In der Tunnelmitte ist eine Ausweichung vorhanden, die zunächst als 500 m lange zweispurige Strecke projektiert war, dann aber in den Stollen II verlegt wurde, sodass später nach dem Ausbau beider Tunnels die Züge durch Tunnel I ein- und durch Tunnel II ausfahren oder auch in umgekehrter Richtung zirkulieren können.
Die Triebkraft für die hydraulischen Bohrmaschinen, Ventilatoren, elektrischen Beleuchtungsmotoren, Werkstätten, Kühlapparate, Druckpumpen etc. liefert auf Walliser Seite die Rhone und auf der Seite gegen Iselle die Doveria. Zu diesem Zwecke wurde die Rhone bei Mörel 6 km nö. Brig durch ein Wehr gestaut, von wo das Wasser durch einen aus armiertem Beton erstellten, 3 km langen gedeckten Kanal von quadratischem Querschnitt (1,9 m Seite) zu dem oberhalb dem Massaboden stehenden Wasserschloss (Reservoir) fliesst, um darin durch eine Druckleitung in Eisenblechröhren von 1,6 m Durchmesser dem Maschinenhaus zugeführt zu werden, wo es bei einer Zufuhr von 4000 Sekundenlitern und einem Gefälle von 52 m eine Kraft von 2225 PS liefert.
Auf der S.-Seite wird die Wasserkraft 4 km nw. Iselle der Doveria entnommen. Die Fassung befindet sich in der Nähe der Landesgrenze, von wo das Wasser durch eine 4210 m lange Druckleitung aus Eisenröhren von 0,9 m Durchmesser zum Maschinenhaus geleitet wird, um hier bei einer Zufuhr von 1 m3 pro Sekunde und einem nutzbaren Gefälle von 139-158 m eine Kraft von 1475-1855 PS zu erzeugen. Auf beiden Installationsplätzen befinden sich dazu noch Reservedampfmaschinen, die 250 PS liefern können. Die Installationen umfassen auf der N.-Seite bei Brig eine überbaute Fläche von etwa 5000 und auf der S.-Seite bei Iselle eine solche von rund 4000 m2.
Das detaillierte und in allen Einzelheiten wohl erwogene Bauprogramm des Simplontunnels sah eine Bauzeit von 5½ Jahren voraus, vom Beginn der Arbeit mit den Bohrmaschinen an gerechnet. Sämtliche Arbeiten waren der Unternehmerfirma gegen eine Pauschalsumme von 76500000 Fr. übergeben worden, die sich folgendermassen verteilte:
Fr. | |
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Installationen im weitesten Umfang | 7000000 |
Komplet ausgeführter Tunnel I mit der Ausweichung in seiner Mitte | 54500000 |
Ausbau des Tunnels II | 15000000 |
Total | 76500000 |
Dieses Programm konnte aber nicht durchgeführt werden. Durch eine mehr als 18 Monate dauernde Verzögerung verlängerte sich die Bauzeit auf 7 Jahre und musste die Pauschalsumme für die Vollendung des Tunnels I und die
Fr. | |
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Kosten von Spezialinstallationen um | 3971650 |
erhöht werden. Ebenso erhöhte sich die Pauschalsumme für die Herstellung des Tunnels II um | 4500000 |
sodass die endlichen Erstellungskosten, mit Einschluss der ursprünglichen Pauschalsumme von | 76500000 |
sich für beide Tunnels auf | 84971650 |
gestellt haben. Ferner stellt die Verlängerung der Vollendungsfrist bis zum d. h. 350 Tage zu je Fr. 5000 Entschädigung, noch eine weitere Summe von 1750000 Fr. dar, die von der von der Unternehmerfirma Brandt Brandau deponierten Garantiesumme nicht abgezogen werden. Aber auch der verlängerte Termin konnte nicht eingehalten werden, indem der Durchschlag des Tunnels I am derjenige von Tunnel II dagegen erst am erfolgte und der Tunnel I erst im Oktober 1905 vollkommen ausgebaut und ausgemauert war. Dem Betrieb übergab man den Simplontunnel nach ¶