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nach N. und S. ab, die die kleinen Seitenthäler des Prätigaus, Montavon, Paznaun und Unter Engadin einschliessen. Besonders schön ist diese fiederförmige Gliederung in den beiden Flügelgruppen ausgebildet, doch tritt sie auch in der Zentralgruppe deutlich genug hervor. Sie kombiniert sich aber hier mit der radialen, indem z. B. aus der Gegend des Piz Buin die Gebirgszweige nach verschiedenen Richtungen ausstrahlen: über das Silvrettahorn und den Litznerstock nach NW., über das Verstanklahorn und den Piz Linard nach SW., über den Piz Fliana nach S. und über den Dreiländerspitz nach O. Im kleinen wiederholt sich diese radiale Gliederung noch mehrfach, so im Litznerstock und am Pillerhorn sw. vom Verstanklahorn. Gabelförmig ist sodann die Verzweigung am Rauhen Kopf (3093 m) n. vom Dreiländerspitz, ferner beim Fluchthorn, wo die beiden Zinken einerseits das Bielerthal, andrerseits das Lareinthal einschliessen. Von der weitern Betrachtung schliessen wir den Rätikon (s. diesen Art.) und die ausserschweizerische Ferwallgruppe aus.
a) Der Zentralstock der Silvrettagruppe.
Sein wasserscheidender Kamm zieht vom Flesspass und Vereinapass über das Verstanklahorn zum Silvrettapass und Signalhorn nach NO., dann mehr ö. über Piz Buin, Dreiländerspitz, Augstenberg und Piz Fatschalv zur Fuorcla Tasna, endlich wieder nö. über Piz davo Lais zum Fimberpass. Am Signalhorn vereinigt sich damit eine zweite Wasserscheide, die vom Schlappinerjoch über den Gross Litzner und das Silvrettahorn nach SO. zieht. Doch sind diese Wasserscheiden grösstenteils nur solche zweiter Ordnung.
Einzig die kurze Strecke vom Flesspass bis zum Signalhorn und von da bis zum Dreiländerspitz trennt zwei Stromgebiete - diejenigen des Rheins und der Donau - voneinander und ist also erster Ordnung. Der nw. Arm trennt das Gebiet der Landquart von demjenigen der Ill, also nur Unterabteilungen des Rheingebietes voneinander, und der nach O. gehende Arm nur den Inn von einem seiner Zuflüsse, der Trisanna des Paznaun, die sich mit der Rosanna des Stanzerthals zusammen bei Landeck mit dem Hauptfluss vereinigt.
Die Hauptwasserscheide geht vom Dreiländerspitz über die Bielerhöhe und durch die Ferwallgruppe nach N. zum Arlberg, kommt aber als ausserhalb der Schweiz liegend hier nicht weiter in Betracht. Die drei vorhin erwähnten, am Signalhorn zusammentreffenden Kämme stellen die Stammstücke der Silvrettagruppe dar, von welchen zahlreiche grössere und kleinere Seitenzweige abgehen. Dabei fällt auf, dass mehrere der höchsten Gipfel, unter ihnen insbesondere der Piz Linard und das Fluchthorn, nicht im Hauptkamm sondern in kleinen Seitenzweigen liegen, indem ersterer südwärts gegen das Engadin, letzteres nordwärts gegen das Paznaun vorspringt. Es fällt also die Verbindungslinie der höchsten Gipfel nicht durchweg mit der Wasserscheide zusammen.
Auch die politische Grenze zeigt derartige Unregelmässigkeiten, indem sie vom Piz Fatschalv oder Grenzeggkopf über das Fluchthorn und den Gemsbleiskopf n. ausbiegt und dann das Fimberthal nach O. quert, um in der Nähe der Vesilspitze den Kamm wieder zu erreichen, so dass der obere Drittel des Fimberthals zur Schweiz, die untern zwei Drittel zu Oesterreich gehören. Eine Folge dieser Eigentümlichkeit ist es, dass die Heidelbergerhütte des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins im obern Fimberthal auf schweizerischem Gebiet liegt.
Auch im Gebiet von Samnaun findet eine derartige Abweichung der politischen Grenze vom Gebirgskamm statt, indem jene vom Gribellakopf längs dem Malfragbach sö. zum Samnauner- oder Schergenbach zieht und dann diesem bis zur Mündung in den Inn folgt, so dass das Samnaunerthal ebenfalls teilweise zur Schweiz, teilweise zu Oesterreich gehört, welch letzterem allerdings nur die linke Seite der untern Thalstufe zukommt. Da aber das Strässchen sich an dieser linken Seite befindet, sind die Samnauner vorläufig noch genötigt, über österreichisches Gebiet mit der übrigen Schweiz zu verkehren.
Für die weitere Betrachtung zerlegen wir die Silvrettagruppe in eine Anzahl kleinerer Stücke oder Glieder.
1) Die Gruppe des Piz Linard zwischen Flesspass und Vernelapass zieht im Bogen von den Ungeheuerhörnern über die Plattenhörner zum Pillerhorn nach O., dann sö. zum Piz Linard, wo sie sich in zwei kurze Arme teilt, die das Val Glims einschliessen. Eine kleine Vorlage dazu bildet die durch den Valtorta- oder Vereinapass vom Hauptstück getrennte Gruppe des Piz Fless zwischen Val Fless und Val Saglains. In der ganzen Gruppe herrschen nackte Felsgestalten, die mit ungeheurer Steilheit sich zu grossen Höhen emporschwingen.
Insbesondere bildet der Piz Linard eine ungemein stolze Pyramide, die von allen Seiten sich als mächtiger Koloss darstellt und schier unersteigbar erscheint. Sowohl durch seine Höhe (3414 m) als durch seine massige Gestalt ist der Piz Linard entschieden das Haupt der Silvrettagruppe. Der Schnee haftet nur wenig an seinen steilen Gehängen, weshalb die Gletscherentwicklung eine geringe ist. Würdige Trabanten hat er in den Plattenhörnern (3221, 3219 und 3205 m), die ihm an Höhe nur wenig, an schreckhafter Steilheit nicht nachstehen, ja ihn darin noch überbieten und darum nur selten bestiegen werden. - 2) Die Gruppe des Verstanklahorns zwischen Vernela- und Silvrettapass bildet eine W.-O. streichende Kette, die im W. mit den schönen Pyramiden des Canard- und Weisshorns beginnt und im O. mit dem Verstanklahorn (3301 m) endigt.
Dieses ist, besonders vom Silvretta- und Verstanklagletscher aus gesehen, wohl die schönste Gestalt der Silvrettagruppe, eine schlanke, regelmässige Pyramide, eines der schwierigsten, aber auch anziehendsten Objekte für den Bergsport in der gesamten Gruppe. Daran schliesst sich der ebenfalls schön gestaltete Schwarzkopf (3225 m) im Hintergrund des Vernelathals, am Gipfel breit abgestutzt und mit einer dicken Firnkappe gekrönt. Nordwärts vorgelagert sind dem Verstanklahorn der Gletscherkamm und die Krämerköpfe als Grenze zwischen Verstankla- und Silvrettagletscher. - ¶
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3) Die Gruppe des Silvrettahorns streicht im ganzen von der Fuorcla del Confin bis zum Klosterpass nach NW. und bildet die rechte Seite des Silvrettagletschers. Signalhorn (3212 m) und Silvrettahorn (3248 m) sind darin vielbesuchte Aussichtspunkte, wogegen Rotfluh und Anstandspitz weniger beachtet werden. Silvretta- und Verstanklagletscher bilden mit ihrer Umrahmung, den Gruppen des Silvretta- und des Verstanklahorns, die schönste Gletscherlandschaft der Silvrettagruppe, die namentlich von den Höhen bei der Silvrettahütte des S. A. C. einen prachtvollen Anblick gewährt. Mitten hindurch führt der Silvrettapass (3013 m) als kürzester und schönster Uebergang von Klosters im Prätigau nach Guarda im Engadin. - 4) Die Litznergruppe zwischen Klosterpass und Schlappinerjoch ist das nordwestlichste Glied des Silvrettamassivs.
Gewaltige, zum Teil recht bizarre Gestalten, mächtige Türme und kecke Nadeln, die weniger durch ihre Höhe als durch überraschende Formen imponieren, zeichnen diese Gruppe aus. Unvergleichlich kühn schwingt sich insbesondere der Gross Litzner (3111 m) empor, ein bevorzugtes Kletterobjekt wagemutiger Touristen. Daran reihen sich die wuchtigere Pyramide des Grossen Seehorns (3123 m), die zierliche Doppelpyramide des Kleinen Seehorns (3034 und 3010 m) und die wunderlichen Zacken der Seenadeln.
Auch hier haftet der Schnee nur wenig an den steilen, glatten Felsgebilden und sind die Gletscher auf wenige kleine Hochmulden beschränkt, so der Glötter- und der Litznerferner auf der österreichischen Seite und der Seegletscher auf der obersten Stufe des nach S. fallenden Seethals. An der NW.-Ecke dieses Gletschers teilt sich die Kette. Der Hauptarm zieht längs der Landesgrenze über den Eisenthälispitz (2882 m) zum Schlappinerjoch, das Klosters mit dem Montavon verbindet, während der andere Arm die S.-Wand des Schlappinerthals bildet.
Ihr höchster Gipfel ist die Schiltfluh (2890 m). Auffallender gestaltet erscheinen aber die Fergenhörner (Grosses und Kleines Fergenhorn mit 2868 und 2847 m), unter welchen insbesondere der Fergenkegel (2857 m) die Aufmerksamkeit der Touristen auf sich zieht, die aber doch nur selten sich an ihn wagen. In den n. Ausläufern der Litznergruppe ist der Hoch Maderer (2825 m) ein geschätzter Aussichtspunkt des Montavon, während Heimspitze (2685 m) und die beiden Lobspitzen (Vordere und Hintere Lobspitze mit 2808 und 2893 m) zwar noch als Häupter kleinerer Gruppen erscheinen, aber weniger bekannt sind. - 5) Die Gruppe des Piz Buin und Augstenberg zwischen Silvrettapass und Fuorcla del Confin (3013 und 3058 m) im W. und dem Futschölpass (2773 m) im O. bildet das Mittelstück des Silvrettamassivs, das auch die stärkste Vergletscherung aufweist.
Nach NW. senkt sich der zweiteilige Fermunt- oder Ochsenthalferner, nach NO. der Jamthalferner, jener zur Ill und damit zum Rhein, dieser zur Trisanna und damit zum Inn sich entwässernd. Auf der Engadinerseite liegt der Cudèra-Plan Rai Gletscher, ebenfalls ein Doppelgletscher: La Cudèra mit der langen, steil abfallenden und vielfach geborstenen Zunge des Tiatschagletscher s. gegen das Val Lavinuoz, Plan Rai ohne grössere Zunge und weniger steil nach O. zum Val Tuoi sich senkend.
Dieses weite Gletschergebiet ist namentlich von der N.-Seite her durch die Wiesbadenerhütte und die Jamthalhütte des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins zugänglich gemacht und wird jetzt viel bereist. Eine Reihe stolzer Gipfel üben grosse Anziehungskraft auf die Bergsteiger aus. Obenan steht der Piz Buin (3316 m), eine herrliche Pyramide im Zentrum der Silvrettagruppe und der beste Uebersichtspunkt über dieselbe. An ihn schliesst sich, durch die Buinfurka getrennt, der Kleine Buin (romanisch Buin Pitschen; 3260 m). Nach O. folgt der Dreiländerspitz (3212 m) mit einigen kleinern Trabanten, vom Buin getrennt durch den Fermuntpass (2802 m), einen schönen Gletscherübergang aus dem Unter Engadin nach der Alp Fermunt, über den in frühern Zeiten sogar Vieh getrieben wurde.
Ueber die beiden Jamthalspitzen (Vordere und Hintere Jamthalspitze mit 3175 und 3169 m), den Gemsspitz (3114 m) und einige andere Gipfel kommen wir zum doppelgipfligen Augstenberg (3234 m), der wieder einen der grossen Hauptgipfel der Gruppe darstellt. An diesen Zentralkamm schliessen sich nach N. und S. gehende Seitenketten an: Südl. vom Piz Buin die Kette des Piz Fliana (3284 m), die mit dem aussichtsreichen Piz Chapisun (2934 m) gegen das Engadin abbricht, dann s. von den Jamthalspitzen die Kette des Piz Clavigliadas (2987 m) und des Piz Cotschen (3034 m), letzterer ebenfalls ein viel besuchter Aussichtspunkt.
Länger als diese s. Auszweigungen ist die vom Dreiländerspitz nach N. gehende Kette mit einer grossen Zahl kleinerer Spitzen vom Ochsenkopf (3007 m) und Bielthalspitz (3094 m) bis zum Hochnörderer (2758 m) und Gorfenspitz (2560 m) über Galthür im Paznaun. Diese Kette ist in ihrem s. Teil noch ziemlich stark vergletschert und mehrfach verzweigt. In einer solchen kleinen Verzweigung erhebt sich das Hohe Rad (2912 m) über der Bielerhöhe (2021 m), einem begangenen Pass von Gross Fermunt nach Klein Fermunt oder aus dem Montavon nach dem Paznaun.
6) Die Kette des Fluchthorns beginnt mit dem Grenzeggkopf (3051 m) und streicht in langem Zug zwischen dem Jam- und Fimberthal nach N. Das Fluchthorn (3403 und 3402 m) ist eine mächtige, dreigipflige, früher für sehr schwierig gehaltene, jetzt aber häufig besuchte Gestalt, der zweithöchste Gipfel der Silvrettagruppe. An ihm teilt sich die Kette in zwei parallel nach N. streichende Aeste, die das Lareinthal einschliessen. Im ö. Arm erhebt sich der Gemsbleisspitz oder Parai Naira noch zu 3017 m. Der s. Teil der Kette, besonders die nähere Umgebung des Fluchthorns, ist stark vergletschert, wenn auch die Gletscher - Lareinferner, Fluchthornferner, Kronenferner und Fimberferner - ausschliesslich Terrassengletscher sind und keine oder nur geringe Zungenbildung zeigen. Das Gebiet ist durch die Heidelbergerhütte im Fimberthal und die Jamthalhütte zugänglich gemacht. - 7) Die Gruppe des Piz Tasna ist von der vorigen getrennt durch die Fuorcla Tasna (2857 m) und füllt mit ihrem gegen das Unter Engadin vorgeschobenen breiten Fuss den weiten Raum zwischen dem Val Tasna und dem Val Sinestra aus. Sie unterscheidet sich geologisch wesentlich von den bisher betrachteten Gruppen, da sie hauptsächlich aus Kalk- und Schiefergesteinen besteht, welchen grosse Serpentin- und Dioritmassen eingelagert sind, während Gneis und Granit nur untergeordnet auftreten. Die Hauptgipfel sind der Piz Tasna (3183 m) und der Piz Minschun (3072 m), letzterer neben dem Piz Cotschen einer der ersten Aussichtspunkte auf der linken Seite des ¶