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wurden 104 Freischärler getötet und gegen 1800 gefangen genommen, darunter hervorragende Führer wie Dr. Steiger, Oberst Rothpletz etc. So kläglich endete ein Unternehmen, das mit grosser Zuversicht ins Werk gesetzt worden war. Man wird nicht irre gehen, wenn man neben der Planlosigkeit des Ganzen und der Unfähigkeit einzelner Führer das peinlich beschleichende Gefühl eines gesetzlosen Beginnens als Hauptursache des Scheiterns annimmt.» Die konservativen Führer in Luzern waren «von grenzenloser Wut erfüllt» und beschlossen strenge Bestrafung der Schuldigen.
Nachdem sie die Gefangenen aus andern Kantonen gegen eine Loskaufssumme von 350000 Franken freigegeben hatten, gingen sie, das Gesuch der Tagsatzung um Erlass einer Amnestie unberücksichtigt lassend, unbarmherzig gegen ihre eigenen Kantonsangehörigen vor und liessen den Dr. Steiger als Hochverräter zum Tode verurteilen. Schon wollte man diese Strafe in lebenslängliche Internierung umwandeln, als es den Freunden des Verurteilten gelang, ihn zu befreien und auf zürcherischem Boden in Sicherheit zu bringen (19./20. Juni 1845).
Die nächste Folge dieser Ereignisse war, dass die Konservativen alle gemässigten Elemente von der Teilnahme an der Staatsverwaltung ausschlossen. Im Dezember 1845 kam dann ein förmliches Sonderbündnis der sieben Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Freiburg und Wallis zu stande.
10. Sieg der Radikalen in den Kantonen Waadt, Zürich, Bern, Genf und St. Gallen.
Die im Jahr 1830 in der Waadt ans Ruder gelangten Männer waren von einem liberalen Geiste getragen gewesen, hatten alle Zweige der Verwaltung verbessert, dem Lande den religiösen Frieden wiedergegeben und sich den ausländischen Flüchtlingen gegenüber sehr entgegenkommend gezeigt, dagegen jede Fühlung mit der breiten Masse des Volkes verloren, da sie nur mit den Gebildeten verkehrten und ihnen jeder Kontakt mit der Landbevölkerung fehlte. Als Doktrinäre verschrien, waren sie daher unter dieser letztern nicht beliebt.
Diese an sich vollkommen ehrenhafte Regierung entbehrte der Autorität und eines kraftvollen Vorgehens. Sie war, wie man einmal gesagt hat, ausgezeichnet für Zeiten von gutem Wetter, taugte aber bei Regenwetter keinen Deut. Während ihre Mitglieder dem Patriziat angehörten, das die Revolution von 1798 angebahnt und die Unabhängigkeit der Waadt begründet hatte, strebte nun eine neue Bürgerklasse nach dem Besitz der Macht. Um eher zum ersehnten Ziel zu kommen, stützte sich diese neue Klasse hauptsächlich auf die Landbevölkerung, die man glauben machte, dass sie von den Patriziern verachtet werde.
Regierungsrat und Grosser Rat der Kantone Waadt und Genf hatten in strenger Befolgung der im Bundesvertrag von 1815 niedergelegten Bestimmungen und als eifersüchtige Hüter der kantonalen Souveränetät in den Fragen der Ausweisung der Jesuiten und der Revision des Bundesvertrages eine neutrale Haltung beobachtet, die von derjenigen der Regierungen von Bern und Zürich stark abstach. Diese Lage ward nun von den Radikalen geschickt ausgebeutet. Im Kanton Waadt wurden Bogen verbreitet, die die Ausweisung der Jesuiten forderten und sich bald mit 32000 Unterschriften (darunter auch von Frauen und Kindern) bedeckten. An einer auf Sonntag den nach Villeneuve einberufenen und von 3000 Mann besuchten Volksversammlung erhitzten leidenschaftliche Reden die Gemüter, welche Stimmung sich anlässlich der am 9. Februar in Cossonay, Lucens und Lutry tagenden Versammlungen noch mehr erhitzte, sodass überall die Rufe «Nieder mit den Aristokraten! Nieder mit den Mômiers» ertönten. An der Versammlung von Lutry, wohin sich die in Lausanne ansässigen deutschen Kommunisten in grosser Zahl begeben hatten, wäre ein junger Mann, Aimé Steinlen, der dem Sturm die Stirne zu bieten gewagt, beinahe in den See geworfen worden.
Dieser Volksbewegung zum Trotz lehnte der Grosse Rat nach Anhören der Voten der Regierungsräte Buchet und Demiéville, des Ingenieurs Fraisse u. A. den Antrag auf Ausweisung der Jesuiten am 11. Februar mit 97 gegen 81 Stimmen ab. Zu gleicher Zeit mit dem Grossen Rat tagte im Kasino eine revolutionäre Versammlung, in der Druey, Blanchenay, Renevier-Dapples, Delarageaz und Eytel das Wort ergriffen und die nach Bekanntgabe des eben erwähnten Grossratsbeschlusses in starke Aufregung kam.
Nachts gegen 10 Uhr rief ein auf der Höhe von Sauvabelin angezündetes und weithin ins Land leuchtendes Feuer die Anhänger der Revolution von allen Seiten zur Unterstützung herbei. Als der Regierungsrat vernahm, dass das Landvolk gegen Lausanne anrücke, liess er in der Stadt Generalmarsch schlagen und sofort sechs Bataillone auf Piket stellen. Am 14. Februar fanden sich auf seinen Ruf 40-50 bewaffnete Milizen, meistens Offiziere, auf dem Rathause ein, während zugleich einige Hunderte Radikale mit wehenden Fahnen und Musik die Stadt durchzogen. An ihrer Spitze marschierten Eytel und Delarageaz, und in ihren Reihen sah man auch die deutschen Kommunisten.
Das eben anrückende Halbbataillon von Lavaux nahm auf dem Riponneplatz Stellung, sah aber eine ganze Anzahl seiner Soldaten zu den Aufrührern übergehen. Als die revolutionäre Kolonne auf dem Schlossplatz anlangte, machten ihr Druey und Blanchenay die Mitteilung, dass der Grosse Rat eben seine und des Staatsrates Auflösung beschlossen habe. Nun versammelten sich die Aufständigen auf dem Montbenon zur «Assemblée populaire générale du canton de Vaud» und ernannten eine neue Regierung, die auf Druey's Vorschlag aus ihm selbst, Blanchenay, Muret, Fischer, Veillon, Schopfer, Mercier, Veret und Bourgeois bestellt wurde. An Stelle der ablehnenden Schopfer und Muret traten Vulliet und Briatte. Am folgenden Tag beschloss eine neue, unterhalb der Grenette tagende Volksversammlung die Entlassung aller Beamten und Angestellten, die sich der neuen Ordnung nicht binnen fünf Tagen fügen sollten, sowie eine allgemeine Ausdehnung des Stimmrechtes.
Der neu gewählte Grosse Rat bestätigte in seiner ersten Sitzung den eben ernannten Regierungsrat, in welchem nun aber Delarageaz an die Stelle von Mercier trat. Sowie sich die radikalen Führer im Besitz der Macht sahen und der Unterstützung von Seiten des Landvolkes versichert hatten, sagten sie sich von der kompromittierenden Gesellschaft der Kommunisten, wie Becker und W. Marr, los. Die im Volk aufgekeimten Antipathien machten sich besonders auf religiösem Gebiet Luft, indem der Grosse Rat einen auf Gewährleistung der religiösen Glaubensfreiheit abzielenden Antrag verwarf und die Bethäuser der Dissidenten schliessen liess. Am 19. Juli war der Text einer neuen Verfassung bereinigt, die das Prinzip der Volkssouveränetät (Recht zur Initiative) aufstellte, die Freiheit des Unterrichtes garantierte, den Schweizern anderer Kantone gewisse Rechte einräumte und das Stimmrecht auf solche Falliten ausdehnte, deren Vergehen entschuldbar erschien. Dagegen konnte sich der Grosse Rat nicht dazu verstehen, auf die von Druey, Eytel und Delarageaz verfochtenen sozialistischen Theorien einzugehen. Dieser Verfassung von 1845 sind der Mangel von Bestimmungen betr. das Vereinsrecht und die religiöse Freiheit, sowie die Umstände, unter denen sie selbst zustande gekommen, vorgeworfen.
Die angeordnete Volksabstimmung sollte in erster Linie ein Vertrauensvotum sein, indem die durch diese Revolution ans Ruder gelangte Regierung den vollzogenen Staatsstreich auch vom Volk billigen lassen wollte. Man arbeitete eine Proklamation an dieses aus, die die Pfarrer am 3. August von den Kanzeln aus verlesen sollten. Da die Mehrzahl der Pfarrer diesen Befehl, der dem Gesetze von 1832 zuwiderlief, erst kurz vor dem für die Verkündigung bestimmten Sonntag erhielten, weigerten sich deren etwa vierzig, das Schriftstück zu verlesen.
Man begreift, dass unter diesen Umständen die neue Verfassung in der Abstimmung vom 10. August mit bloss 17672 gegen 10035 Stimmen genehmigt wurde. Der Staatsrat lud die 43 renitenten Pfarrer vor die Kirchenkommission, die sie aber keines Fehlers schuldig befand, wie auch die grosse Mehrzahl der Waadtländer Advokaten erklärte, dass die Pfarrer mit ihrer Weigerung innerhalb der Grenzen ihrer Befugnisse gehandelt hätten. Obwohl nun auch die am 22. Oktober getrennt sitzenden Kreiskirchenräte die Angeklagten von jeder Schuld freisprachen, enthob sie doch der Staatsrat mit Beschluss vom 3. November auf kürzere oder längere ¶
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Dauer ihres Amtes. Durch diese ausserordentliche Massregel fühlte sich aber die gesamte Geistlichkeit betroffen. Nachdem am 11. November 225 Pfarrer im Rathaus zu Lausanne beratschlagt hatten, sandten am folgenden Tag deren 153 dem Staatsrat ihre Kollektivdemission ein. Das Volk stellte sich auf Seite der Regierung, indem 15000 Unterschriften deren Vorgehen billigten, 11000 dagegen die Rücknahme des Beschlusses wünschten. Mit 125 gegen 33 Stimmen übertrug der Grosse Rat dem Staatsrat völlige Handlungsfreiheit in dieser Angelegenheit. Es folgte eine Reihe von vexatorischen Massregeln, indem namentlich diejenigen Personen, die den Gottesdienst der «freien» (evangelischen) Kirche begünstigen sollten, mit Strafe bedroht wurden. Es spielten sich denn auch nicht weniger als 27 Prozesse dieser Art ab, von denen derjenige, der die Witwe Vinet's auf die Anklagebank führte, am meisten Staub aufgewirbelt hat.
Nachdem der Staatsrat die Geistlichkeit des Kantons seine Macht hatte fühlen lassen, ging er auch gegen die Lehrerschaft an den Volks- und höhern Schulen vor. Die Akademie galt bei den Radikalen als ein Hort doktrinärer Gesinnung und war auch beim Landvolk schlecht angeschrieben, obwohl sie sich seit dem Gesetz von 1838 erfreulich entwickelt hatte. Nun schränkte man durch Gesetz von 1846 die Anzahl der Lehrstühle ein und gab mehreren Professoren den Abschied.
Im Frühjahr 1847 entliess man ferner den Direktor und mehrere Lehrer der Kantonsschule. Das brutale Vorgehen der Machthaber von 1845 erregte eine Missstimmung, unter der der Kanton Waadt und besonders die Stadt Lausanne noch auf lange Zeit zu leiden haben sollten, trug aber andrerseits zu einer Annäherung der französischen an die deutsche Schweiz bei, die dann ein gemeinsames Vorgehen gegen den Sonderbund ermöglichen sollte.
Eine weitere Stärkung erfuhr das radikale Element in Zürich, wo bei den Wahlen von 1845 die Radikalen Furrer, Rüttimann und Alfred Escher über die Konservativen Bluntschli und Mousson obsiegten. Das selbe wiederholte sich 1846 in Bern, wo die Wahlen neue Männer, die zu einem energischen Vorgehen gegen den Sonderbund entschlossen waren, zur Macht brachten. Hier sahen sich die Radikalen der ältern Schule, wie Neuhaus und Tavel, von den Jungradikalen Ochsenbein, Stämpfli und Stockmar verdrängt. Am genehmigte das Berner Volk mit 35063 gegen 1280 Stimmen eine neue Verfassung, «welche bedeutende Erweiterungen des demokratischen Prinzips brachte (z. B. direkte Wahlen, Abberufungsrecht gegen den Grossen Rat, Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens und die Möglichkeit, durch Gesetz dem Volke Gegenstände zur Entscheidung vorzulegen)».
Die staatlichen Einrichtungen des Kantons Genf waren freisinniger als diejenigen der Mehrzahl der übrigen Kantone. Auf Betreiben von J. J. Rigaud-Sarasin, der im Zeitraum 1825-1843 elfmal das Amt des Syndikus bekleidete, hatte die Regierung die politischen Rechte der Bürger stufenweise erweitert, so dass die Republik Genf der revolutionären Krise, die 1830 fast alle übrigen Kantone erschütterte, vollkommen entging. Obwohl der Genfer Staatsrat sich geweigert hatte, den Badener Artikeln beizutreten, verstand er es doch, die katholische Geistlichkeit der staatlichen Autorität fügsam zu machen. Auch in der aargauischen Klosterfrage von 1844 beobachtete er eine vorsichtige und versöhnliche Haltung. Die Mehrheit des Grossen Rates, die sich konservativer zeigte als der Staatsrat, versagte trotz der Fürsprache der Bürgermeister Rigaud und Rieu, sowie des Professors Auguste de la Rive, mehr als einmal das zu gunsten der Stadt Genf geforderte Recht der Selbstverwaltung der Gemeinden, so dass die Stadt direkt vom Staatsrat aus verwaltet blieb.
Der eigentliche Grund zu einem sich vorbereitenden Umschwung lag aber darin, dass eine junge Generation von tatkräftigen Männern, wie z. B. James Fazy, herangewachsen war, die darnach trachtete, die Leitung des Staatswesens in ihre Hände zu nehmen. Der Tod von Étienne Dumont und Bellot, der Wegzug von Rossi und der Verzicht von Sismondi und de Candolle auf weitere Wirksamkeit hatten die Regierungspartei geschwächt und zugleich entmutigt. Nachdem am die Reform der Gemeindeverwaltung neuerdings abgelehnt worden war, bildete sich die sog. «Association du 3 mars», um auf die Einberufung eines Verfassungsrates hinzuarbeiten.
Die zunächst sich ebenfalls daran beteiligenden gemässigten Elemente mussten bald den Radikalen der schärfern Tonart weichen und zogen sich zurück. Am 22. November beschloss der Grosse Rat unter dem Druck der Ereignisse die Einberufung eines Verfassungsrates. Die Wahlen fanden am 14. Dezember statt und waren die ersten im Kanton Genf, bei denen das allgemeine Stimmrecht zur Anwendung kam. Sie gaben den Konservativen den Sieg. Während sich die Parteien in der Stadt die Wage hielten, hatten die Landgemeinden für die konservativen Kandidaten entschieden. Die nun zur Ausarbeitung ¶