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seinen Untertanenländern 52 Vertreter im
Rate der Zweihundert einräumte und zugleich am 3. Februar eine Verfassungsrevision beschloss.
Andrerseits organisierte die provisorische Ständeversammlung der Lemanischen Republik die Verwaltung des Landes, welche
von den Gemässigten zu stande gebrachte Arbeit aber erfolglos war, indem dem Waadtland schon am 9. Februar eine von
Ochs ausgearbeitete, von Laharpe empfohlene und vom Direktorium genehmigte Verfassung gegeben wurde, deren Annahme durch
die provisorische Ständeversammlung und deren Genehmigung durch
die Gemeinden nun sofort erfolgte. Die nämliche Verfassung
wurde auch von den Baslern adoptiert.
Nun brachen sich die revolutionären Prinzipien rasch Bahn. Am 31. Januar beschloss der Grosse Rat von Luzern die Abschaffung des aristokratischen Regimentes und die Zuziehung von Abgeordneten der Landschaft zur Ausarbeitung einer auf dem Prinzip der Gleichheit beruhenden Verfassung. Aehnliche Zugeständnisse machten auch Schaffhausen und Zürich, während in den aargauischen und thurgauischen Vogteien, dem Rheinthal, dem Unter Wallis, den Untertanenländern des Abtes von St. Gallen und den italienischen Vogteien der Aufruhr ausbrach.
Bern
bereitete sich vor, dem fremden Eroberer tapfer zu widerstehen. Am 1. Februar wurde Ménard durch
den General
Brune ersetzt, der
durch
Anknüpfung von Unterhandlungen Zeit zu gewinnen suchte, weil er vorläufig noch keine Artillerie und Kavallerie hatte
und auch nicht über eine genügende Zahl von Fusstruppen verfügte. So täuschte er Bern
,
indem er der Stadt
glauben machte, er wolle ernsthaft mit ihr unterhandeln. Er schloss einen Waffenstillstand ab und brachte zugleich Uneinigkeit
unter die
Berner Truppen, indem er ihnen vorgab, sie würden von ihren Führern verraten.
Als dann Verstärkungen angelangt waren und das den
Jura besetzt haltende Armeekorps des Generals
Schauenburg
sich mit seinen Truppen vereinigt hatte, änderte
Brune die Taktik, indem er beschloss, die
Berner, die ihm bloss 18000 Mann
entgegenstellen konnten, anzugreifen. Trotzdem
er den Befehl zum Angriff bereits erteilt hatte, war er perfid genug, die Unterhandlungen
mit der Stadt fortzusetzen und in die Länge zu ziehen. Jetzt wurden die
Berner zwischen zwei
Feuer genommen.
Am 1. März überschritt
Schauenburg die
Solothurner Grenze und am 2. März besetzte er die Stadt
Solothurn, während sich der General
Pigeon zugleich der Stadt
Freiburg bemächtigte. Am 4. März dankten der Schultheiss
Steiger und das aristokratische
Regiment in Bern
ab, das durch
eine provisorische Regierung ersetzt wurde.
Während der Tage des 4. und leisteten die
Berner Milizen unter der Führung von Karl Ludwig von
Erlach, F. von
Wattenwil
und
Ferd. von Rovéréa bei Neueneck,
Laupen,
Fraubrunnen, im
Grauholz und auf dem
Breitfeld den anrückenden
Franzosen
heldenmütigen Widerstand, wurden aber von der Ueberzahl der Feinde erdrückt. Ihrer Niederlage folgte auf dem
Fusse die Einnahme von Bern
.
Nicht zufrieden damit, dass sie den Staatsschatz
erbeuteten, legten die Sieger noch den regimentsfähigen
Geschlechtern übertriebene Kriegssteuern auf, verlangten die Stellung von
Geisseln und verwüsteten und
plünderten auch die Landschaft.
Ueber diese schweren Tage schreibt
Bonstetten: «Ach, in
Bern! da wimmelt alles von Husaren, Soldaten und Freiheitsbäumen. Auf
allen
Strassen abscheulicher Kot. Ganze Detachements Husaren sprengen durch
die Arkaden. Pferde in den Hausgängen; Verzweiflung
von allen
Seiten. Der Schatz ist geplündert, eine Kirche wird als Stall und
Kaserne gebraucht, viele Wohnhäuser
vor der Stadt sind halb zerstört, Weinfässer in Stücken,
Betten zerhauen. Ich hatte neunundzwanzig Soldaten im Hause. Niedergeschlagenheit,
Tränen neben dem Gepfiff und Gesang der Husaren; verlassene Kanonen auf den
Strassen und
Wiesen, auch Tote. Die
Strassen unsicher,
so dass man ohne Bewilligung sich nicht regen kann.» Man schätzt die Summen, die sich
Brune und seine
Helfershelfer ohne
Wissen ihrer Regierung persönlich aneigneten, auf 1½ Millionen Franken, den dem Direktorium zugefallenen
Teil des Staatsschatzes
auf 12½ Mill. Fr., sowie die den übrigen öffentlichen Kassen entnommenen Summen und die von den
Patriziergeschlechtern erpressten Steuern auf 2½ Mill. Fr. Dazu gesellten sich noch Nahrungsmittel und
Kriegsmaterial im Werte von 10 Mill. Fr. Als Trophäen führte
Brune die
Berner
Bären und 16 aus dem
Zeughaus entwendete Fahnen
- keine einzige war von den Franzosen
auf dem Schlachtfeld erbeutet worden -
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mit sich nach Paris. Diese Ausschreitungen und Uebergriffe riefen einer allgemeinen Missbilligung und sind auch selbst von einigen französischen Schriftstellern an den Pranger gestellt worden.
3. Der helvetische Einheitsstaat.
«In seinen Fall riss Bern
,
das Bollwerk der schweizerischen Aristokratie, auch die ganze
übrige Schweiz.» Brune ward zum Diktator der Schweiz und schuf 1) eine rhodanische Republik mit den Kantonen
Leman, Saane und Broye, Oberland, Wallis
und Tessin;
2) eine helvetische Republik mit dem grössern Teil der alten Eidgenossenschaft und 3)
die Republik des Tellgaues mit den Urkantonen. «Dieser Plan stand jedoch nur auf dem Papier; von allen Seiten erhoben
sich Proteste; leicht war ja der Hintergedanke herauszulesen, dass durch
die Teilung eine Einverleibung in Frankreich vorbereitet
werden könnte.» Am 28.
März verliess Brune, der mit seiner Division nach Italien versetzt worden war, Bern
in einer dem alt-Schultheissen
von Mülinen gehörenden Kalesche, worauf der Oberbefehl der französischen Truppen in der Schweiz an
den General Schauenburg überging.
Als Zivilkommissär stand neben ihm Lecarlier, dessen Sekretär Rapinat sich durch
seine Uebergriffe und Habgier einen bösen
Namen gemacht hat. Die ersten Verfügungen des französischen Diktators schlossen alle Mitglieder der ehemaligen Regierungen
von den öffentlichen Aemtern aus, überbanden den Unterhalt der französischen Truppen dem Volk und
untersagten jegliche Diskussionen über die projektierte helvetische Verfassung, die ohne alle Abänderung genehmigt werden
sollte. Dieses unverschämte und alle früher gemachten Versprechungen einfach zu Schanden machende Vorgehen verletzte die
Gefühle der Eidgenossen aufs tiefste und flösste ihnen einen grossen Widerwillen gegen das neue Regiment ein.
So lagen die Verhältnisse, als die Abgeordneten am in Aarau zur Nationalversammlung zusammentraten
und die neue einheitliche Verfassung annahmen. An dieser Versammlung nahmen bloss die Abgeordneten der Kantone Bern.
Luzern,
Basel,
Schaffhausen,
Oberland, Solothurn,
Saane und
Broye, Leman und Aargau
teil. Der Name «Schweiz» wurde durch
«Helvetien»
und der Ausdruck «Eidgenossenschaft» durch
«Republik»
ersetzt, indem man die «eine und unteilbare helvetische Republik (République
helvétique une et indivisible)» schuf.
Das Gebiet der alten Eidgenossenschaft wurde zerstückelt und in Kantone oder Verwaltungs- und Wahlbezirke eingeteilt. «Die
Verfassung bestimmte ursprünglich deren zweiundzwanzig: die Kantone Wallis,
Leman (Waadt),
Freiburg,
Bern,
Solothurn,
Basel,
Aargau,
Luzern,
Unterwalden, Uri,
Bellinzona, Lugano, Rätien
(das zwar vorderhand nur eingeladen wurde, der helvetischen Republik beizutreten), Sargans (mit Rheinthal, Sax, Gams, Werdenberg,
Gaster, Uznach, Rapperswil und March), Glarus,
Appenzell,
Thurgau,
St. Gallen,
Schaffhausen,
Zürich,
Zug
(mit Stadt und Grafschaft Baden und den freien Aemtern), Schwyz
(mit Gersau, Einsiedeln und den
Höfen). Durch
die Abtrennung des Oberlandes von Bern
erhöhte sich die Zahl auf dreiundzwanzig Kantone. (Bereits von der Schweiz
abgetrennt und daher nicht zu der helvetischen Republik gehörig waren: die Bündner Untertanenlande, das Bistum Basel,
Biel, Mülhausen,
Genf;
Neuenburg
stand in keiner Verbindung mehr mit Helvetien). Später fand (nach Unterwerfung der Urkantone) eine Reduktion
auf neunzehn Kantone statt. Man sieht schon aus einer Anzahl Benennungen, wie sehr die geschichtliche Entwicklung mit Absicht
verwischt wurde. Alle diese neuen Kantone behielten auch nicht einen Funken der alten Souveränetät; sie bildeten innerhalb
des Ganzen nur das, was heute ein Bezirk innerhalb eines Kantons: Sie selbst teilten sich wieder in Distrikte.»
An der Spitze des ganzen Landes standen ein Senat und eine Deputiertenkammer (Grosser Rat), deren Mitglieder von den Kantonen
ernannt wurden, sowie ein aus fünf Mitgliedern bestehendes Direktorium, dem vier Minister beigegeben waren, und endlich
ein oberster Gerichtshof für ganz Helvetien.
Jeder Kanton erhielt einen Statthalter oder Präfekten, eine Verwaltungskammer von 5 Mitgliedern und ein Kantonsgericht von 13 Mitgliedern. Den einzelnen Distrikten war ein Unterpräfekt vorgesetzt und ein Bezirksgericht beigegeben. Diese schematische und schablonenhafte Organisation unterlag noch während der kurzen Dauer der helvetischen Verfassung mehrfachen Abänderungen. Im Uebrigen enthielt die Verfassung mehrere für die damalige Zeit noch verfrühte, aber nicht verdienstlose Grundbestimmungen, die in anderer Form auch in die Bundesverfassungen von 1848 und 1874 wieder Eingang gefunden haben.
Die ersten Wahlen brachten Männer an die Spitze des Staatswesens, die sich durch ihren massvollen Charakter empfahlen die Direktoren Lukas Legrand, Maurice Glayre, Viktor Oberlin, Alfons Pfyffer und Ludwig Bay, die sich als Minister die Bürger Ludwig Bégos, Albrecht Rengger, Philipp Albrecht Stapfer, Franz Bernhard Meyer von Schauensee, Hans Konrad Finsler und Repond zugesellten. «Fast durchweg haben sich diese Minister», die übrigens wie die Direktoren nicht lange im Amte blieben, «durch ihr wohltätiges Wirken ein bleibendes Verdienst erworben, weit mehr als die Direktoren.»
Am drang zwischen Mittag und ein Uhr unversehens eine 1600 Mann starke Truppenabteilung durch drei verschiedene
Tore in Genf
ein, welche Stadt nun während 15 Jahren, d. h. bis zum Sturze Napoleons, französisch bleiben sollte. Da die Urkantone
Uri,
Schwyz
und Unterwalden, sowie Glarus
und Zug
sich an der Nationalversammlung in Aarau nicht beteiligt halten, ergriff General
Schauenburg unverzüglich Massregeln, um sie zur Anerkennung der vom französischen Direktorium im Namen der Freiheit aufgedrungenen
Verfassung zu zwingen. Am 21. April verlegte er sein Hauptquartier nach Luzern
und am 28.
April nach Zürich.
Am 30. April erlitten
die Glarner bei Wollerau und am 1. Mai
bei Lachen eine Niederlage. Am 2. Mai
erfochten die Schwyzer unter der Führung von Alois
von Reding bei Rotenturm und Sattel glänzende Erfolge über die Franzosen.
Damit war die alteidgenössische Ehre gerettet,
doch vermochten die Waldstätte den allzu ungleichen Kampf nicht mehr länger fortzusetzen. Um dem grausamen
Todeskampf und den schrecklichen Ausschreitungen der französischen Soldateska ein Ende zu machen, schloss Reding einen Waffenstillstand
ab. Am 4. Mai
erklärte sodann die Landsgemeinde zu Schwyz
die Anerkennung und den Beitritt zur helvetischen Republik. «Der
Kapitulation von Schwyz
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