mehr
landvögtlichen Machtbefugnis. Der Sturm war für einmal beschworen. Dafür brachen nun in den Kantonen Bern, Solothurn und Basel, sowie in den aargauischen Aemtern Unruhen aus. Um diesen zu steuern, hob Bern Truppen aus. Nach dem Zugeständnis einiger Erleichterungen unterwarfen sich nun auch die Bewohner des Emmenthales, des Oberaargaues, der Solothurner Landschaft und von Baselland. Das Feuer war aber deswegen nicht erloschen, sondern glomm unter der Asche stetig weiter. Am trat in Sumiswald im Emmenthal eine grosse Masse Volkes aus Bern, Luzern, Basel und Solothurn zu einer Landsgemeinde zusammen, die den Bauern Niklaus Leuenberger zum Vorsitzenden und Wortführer wählte und einen eigenen Bundesbrief aufstellte, nach welchem alles Volk versprach, «mit Leib und Leben, Gut und Blut» für einander einzustehen. Um die ganze Bewegung endgiltig zu unterdrücken, bot die Tagsatzung 25000 Mann eidgenössischer Truppen auf, denen die Bauern auf den Ruf Leuenbergers 30000 Mann entgegenstellten.
Bei Mellingen stiessen die Gegner aufeinander. Der hartnäckige Kampf endigte mit einem von den Bauern verlangten Waffenstillstand (Mellinger Frieden). «Nun eilten die Bauern meistens heim. Die Basler unterwarfen sich; die Solothurner erlangten die Verzeihung ihrer Regierung. Leuenberger mit den Seinen ging ins Bernische, und Schibi schlug, wütend über den Ausgang, mit den Luzernern und Freiämtlern den Weg nach Luzern ein, welches durch die Entlebucher und viel Volk vom flachen Lande belagert wurde». Nachdem sie hier noch gegen die eidgenössischen Truppen tapfer gekämpft, fügten sich die Bauern einem Schiedsspruch, der ihren Bund aufhob. Bald darauf erlitt auch Leuenberger mit den Berner Bauern zu Herzogenbuchsee eine blutige Niederlage. «Rasch folgte eine harte Vergeltung». Die in die Gewalt der Obrigkeiten geratenen Bauernführer Leuenberger, Christian Schibi, Emmenegger, Adam Zeltner u. a. wurden unbarmherzig hingerichtet.
Bis dahin hatten die eidgenössischen Orte die Texte ihrer Bundesbriefe unverändert gelassen, obwohl sie mit der politischen Lage des 17. Jahrhunderts nicht mehr im Einklang standen. Am besten vermochten sich noch die Waldstätte, dank ihrer geschlossenen geographischen Lage und der Einfachheit ihrer Sitten mit dieser embryonalen Organisation abzufinden. Da dies aber bei den reformierten Orten nicht im gleichen Masse der Fall war, wünschten diese, die alten Bünde durch einen neuen, einheitlichen Bundesvertrag zu ersetzen.
Sie liessen daher durch General Sigmund von Erlach und den Zürcher Bürgermeister Heinrich Waser auf der Tagsatzung einen darauf bezüglichen Antrag stellen. Die katholischen Orte schienen, mit Ausnahme von Schwyz, einen Augenblick geneigt, sich diesem Wunsche willfährig zu zeigen, erneuerten aber deswegen doch ohne Skrupeln ihre Sonderbündnisse. Derart war die Lage, als ein unglücklicher Zufall den Bürgerkrieg entfesselte. In Arth hatten sich einige Familien schon seit langer Zeit zum reformierten Glauben bekannt und im verborgenen dem von einem Zürcher Geistlichen geleiteten Gottesdienst beigewohnt.
Als nun diese sog. Nikodemiten gefänglich eingezogen werden sollten, flüchtete sich deren Mehrzahl am nach Zürich. Der Flecken Arth wurde von den Schwyzern militärisch besetzt, die die Zurückgebliebenen gefangen nahmen, fesselten, auf die Folter spannten und schliesslich hinrichteten, worauf ihr und der Entflohenen Vermögen eingezogen wurde. Diese Gewalttat erregte in Zürich grosse Erbitterung. Nachdem sich die Tagsatzung vergebens um Vermittlung bemüht, zogen die Zürcher, ohne auf Berns Zuzug zu warten, ins Feld und besetzten den Thurgau und Rapperswil. Unterdessen waren auch die Berner in den Aargau eingerückt, wo sie bei Villmergen am von der katholischen Armee überrascht und geschlagen wurden. Nun legten sich die neutralen Orte, sowie Frankreich, Savoyen, die Niederlande und England ins Mittel, worauf am der Friede von Baden geschlossen wurde, der den status quo ante bellum wieder herstellte.
3. Allianz mit Frankreich (1663). - Die Schweiz als Asyl der politischen Flüchtlinge. - Neutralität Savoyens.
Das Jahr 1663 wird durch ein Ereignis von hoher Bedeutung gekennzeichnet. Die in Solothurn tagenden ¶
mehr
Abgeordneten der 13 Orte liessen sich trotz der Abmahnungen der Bürgermeister Wettstein von Basel und Waser von Zürich, sowie des Generales Sigmund von Erlach aus Bern von den verlockenden Anträgen des französischen Gesandten dazu verleiten, am 21. September eine Allianz mit Ludwig XIV. abzuschliessen. Nach der Unterzeichnung des Bündnisses in Solothurn begaben sich die 36 Mitglieder der eidgenössischen Tagsatzung nach Paris, wo der Bund feierlich beschworen wurde (18. November). Diese sog. Defensivallianz war mit einer Militärkapitulation verbunden, und Ludwig XIV. machte sich kein Gewissen daraus, die Schweizer Regimenter bei der Eroberung Flanderns und der Freigrafschaft zu verwenden, was die Tagsatzung 1668 zu einem Protest veranlasste. Im selben Jahre arbeitete diese letztere, die das Bedürfnis eines engern Zusammenschlusses der Schweiz zu einer eigentlichen Nation erkannt hatte, den Entwurf zu einer unter dem Namen des «Defensionale» bekannten Wehrverfassung aus. Diese sah die Bildung eines Bundesheeres voraus, das aus drei Armeekorps von je 13400 Mann bestehen und bei der ersten auftauchenden Gefahr die Grenzen decken sollte. Die Führer dieser Korps sollten abwechselnd von Zürich, Bern, Luzern und Uri gestellt werden. Doch fand dieser von den Abgeordneten der Tagsatzung angenommene Beschluss keine allgemeine Zustimmung, indem Schwyz und die übrigen katholischen Orte auf Anstiften des Nuntius hin ihren Beitritt versagten. Die Haltung Ludwigs XIV. hatte diesem Fürst einen Teil der Eidgenossen entfremdet. Während die Katholiken immer noch Frankreich bevorzugten, traten die protestantischen Reisläufer mit Vorliebe in englische und holländische Kriegsdienste.
Immer mehr entwickelten sich die reformierten Orte auch zu einem Asyl für alle wegen ihrer politischen oder religiösen Ansichten Verfolgte. Als die vom Herzog von Savoyen verfolgten Waldenser des Piemont sich in die Schweiz flüchteten, traten die Orte Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen im Einverständnis mit Holland und England am Hofe von Turin für sie ein, wohin 1655 eine aus dem Obersten G. von Weiss und K. von Bonstetten aus Bern, Salomon Hirzel aus Zürich, Benedikt Socin aus Basel und Johann Stockar aus Schaffhausen bestehende Gesandtschaft abgeordnet wurde, der 1665 noch eine zweite folgte.
Nachdem in England die Stuarts wieder auf den Tron gelangt, flüchteten sich die Königsmörder Ludlow, Lisle, Cowley, Broughton etc. nach Lausanne und Vevey, wo sie gute Aufnahme fanden. Die grausamen Verfahren, denen in Frankreich die Protestanten seit der Widerrufung des Ediktes von Nantes im Jahr 1685 ausgesetzt waren, bewirkten eine massenweise Auswanderung. Man schätzte die Zahl der protestantischen Franzosen, die sich zu jenen Zeiten in der Schweiz niederliessen, auf 60000. Es waren meist energische und arbeitsame Leute, die reichlich zum industriellen Aufschwung ihres neuen Vaterlandes beigetragen haben. Die Erhebung von Wilhelm III. von Oranien auf den Tron Englands wandte diesem Reich die Sympathien der Schweizer Protestanten zu. Ohne sich um Ludwigs XIV. Zorn zu kümmern, beschlossen die reformierten Orte, die Werbungen für holländische und piemontesische Dienste zu unterstützen.
Bei Anlass des spanischen Erbfolgekrieges erklärten die Eidgenossen am ihre Neutralität. Der sich bedroht sehende Herzog von Savoyen suchte Anschluss an die Schweiz und ersuchte sie, die Neutralität der Landschaft Chablais anerkennen und diese Provinz durch eine militärische Okkupation schützen zu wollen (Januar 1704). Als die Tagsatzung sich unentschieden zeigte, suchten die Gesandten von Savoyen und von Frankreich einen Druck auf sie auszuüben. Zürich und Bern zeigten sich dem Begehren des Hofes von Turin günstig gesinnt, doch führten die Niederlagen, die Ludwigs XIV. Heere erlitten, dazu, dass die ganze Frage der Neutralität Savoyens wieder fallen gelassen wurde.
4. Die Neuenburgerfrage.
Nach dem Erlöschen des Geschlechtes der alten Grafen von Neuenburg war dieses Fürstentum zunächst an die Herren von Châlons und dann durch Erbschaft an die Hochberg übergegangen. 1694 starb das auf die Hochberg folgende Haus Orléans-Longueville aus, worauf das Land der Herzogin Marie von Nemours zufiel. Als auch diese 1707 starb, wollte der von ihr als Nachfolger bezeichnete Ritter von Soissons die Erbschaft antreten. Allein die Neuenburger liessen es nicht zu, dass man über sie verfüge wie über ein zivilrechtliches Erbstück.
Indem sie am Marie von Nemours als Herrscherin anerkannte, hatte die Ständeversammlung ihr Land als unveräusserlich erklärt und sich zugleich das Recht vorbehalten, nach dem Tod des letzten Erben der Orléans-Longueville über das Geschick des Landes selbst zu verfügen. So traten nun nach dem Tod der Marie von Nemours eine Reihe von Erbsansprechern auf. Zunächst ist da Franz von Bourbon, Fürst von Conti, ein Neffe des grossen Condé, zu nennen, dessen Tante Genovefa von Bourbon sich mit Heinrich II. von Longueville verheiratet hatte und der sich der heimlichen Unterstützung Ludwigs XIV. erfreute.
Ihm gegenüber stand der König Friedrich I. von Preussen, dessen Mutter Lucie Henriette von Nassau die Enkelin jenes Wilhelm des Schweigsamen war, auf den nach dem Tod seines Vetters Renatus von Nassau, Prinzen von Oranien, die Rechtsansprüche der Châlons-Oranien übergegangen waren. Dazu kamen als weitere Bewerber noch die Herzogin von Lédiguières (Tochter des Bastardes Ludwig von Longueville), der Graf von Matignon, Jacqueline von Bourbon, der Herzog von Savoyen-Carignan, die Edeldame von Sergy (deren Mutter eine Urenkelin Wilhelms des Schweigsamen gewesen), der Markgraf von Baden, das Haus Württemberg-Mömpelgard, die Nassauer, die von Pratt, Mailly, de Nesle etc. Die Hauptrollen in den nun folgenden Unterhandlungen fielen dem französischen Gesandten de Puisieux, dem preussischen Bevollmächtigten Graten von Metternich, dem Schultheissen Christoph von Steiger aus Bern, sowie den Geschäftsträgern Englands und Hollands zu. Die protestantischen Mächte und die reformierten Orte der Schweiz legten einen grossen Wert darauf, dass die Herrschaft über Neuenburg nicht einem der französischen Prätendenten zufalle. Nach dreimonatlichen Beratungen entschieden die unter dem Vorsitz von Tribolet tagenden Stände von Neuenburg, zu einem guten Teil durch das Gold des Königs von Preussen, der Neuenburg als Operationsbasis gegen die Freigrafschaft zu besitzen wünschte, bestochen, zu gunsten des preussischen Bewerbers. Ludwig XIV. zeigte sich über diesen Entscheid, der einen Rückgang der französischen Suprematie in der Schweiz anbahnte, äusserst ungehalten.
5. Zweiter Villmergerkrieg.
Nach dem Erlöschen des Geschlechtes der Grafen von Toggenburg war die Thalschaft Toggenburg 1468 unter die Herrschaft der Fürstabtei St. Gallen gekommen. Diese Prälaten waren aber bei ihren Untertanen nicht besonders beliebt, die der von Zürich und Bern begünstigten evangelischen Lehre in ihrem Lande eine günstige Aufnahme bereitet hatten. Um die Abtrünnigen wieder zum Gehorsam zu bringen, hatten sich dann die Fürstäbte an die katholischen Orte und den Kaiser um Hilfe gewandt.
Als Abt Leodegar Bruggisser zu Beginn des 17. Jahrhunderts den Bau einer Strasse durch das Toggenburg beschloss, durch die die Stiftslande und St. Gallen mit der katholischen Urschweiz in direkte Verbindung gebracht werden sollten, widersetzten sich die Leute von Wattwil diesem Plan und erhoben sich die Toggenburger Reformierten. Der Konflikt beschäftigte nun zunächst die Tagsatzung, die aber nicht zu einem Entschluss gelangen konnte. Der Nuntius, der natürlich für den Abt Partei genommen hatte, suchte den Kaiser für seine Sache zu gewinnen. Da kam ihm Berns Diplomatie zuvor.
Der nach Wien gesandte General von Saint Saphorin setzte dem Kaiser auseinander, dass er durch seine Zustimmung zu den katholischen Orten einzig Frankreichs Sache fördern würde, indem bloss die reformierten Orte stark genug seien, um dem französischen Einfluss zu widerstehen. Die neutral gebliebenen Orte Freiburg und Solothurn suchten vergeblich, die Parteien zu versöhnen. Luzern und die Urkantone wurden durch den päpstlichen Nuntius Carracioli gegen die Reformierten aufgewiegelt, während Bern und Zürich darauf brannten, die Kappelerkriege und den ersten Villmergerkrieg, die für sie unglücklich verlaufen waren, wettzumachen. Als die Stimmung hüben und drüben zur höchsten Erbitterung gestiegen war, griffen Bern und Zürich zu den Waffen und besetzten am die aargauischen freien Aemter. Am 25. Juli kam es bei Villmergen zur ¶