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den Ruf Julius' II. waren die Eidgenossen nach Italien geeilt und zur wirksamen Stütze des heiligen Stuhles geworden. Die italienischen Feldzüge, in die sich die Schweizer mithereingerissen sahen und die mit der Katastrophe von Marignano ihren Abschluss fanden, wandten die Bewohner unserer Städte und Landschaften von einer ausdauernden und friedlichen Arbeit ab und übten auf die Sitten, wie auf die allgemeine Wohlfahrt einen verderblichen Einfluss aus.
Die auf die Befreiung der Geister vom dogmatischen Joche zielende Bewegung der Reformation ging Seite an Seite mit dem unter dem Namen der Renaissance bekannten Wiederaufleben von Kunst und Wissenschaft. Die Humanisten teilten sich aber in zwei Lager. Die einen, denen die moralische Idee das Hauptziel ihrer Tätigkeit war, unterstützten die Reformation, während sich die andern, denen das klassische Altertum als Ideal vorschwebte, zwar (wie Erasmus) zunächst der Reformation näherten, sie dann aber wieder verwarfen. Im kriegerisch gesinnten Volk der Eidgenossen, das lange Zeit die Pflege von Kunst und Wissenschaften vernachlässigt und verachtet hatte, hat die Renaissance den Geschmack an diesen geistigen Beschäftigungen des Friedens erweckt.
Den Balladen der deutschschweizerischen Minnesänger und Ottos von Grandson, den Volksliedern von Halbsuter u. a., den Annalen der Mönche von St. Gallen und den Chroniken des Johannes von Winterthur und anderer seiner Zeitgenossen reihten sich im 15. Jahrhundert einige poetische Erzeugnisse neuer Art an, deren Verfasser vielfach gewöhnliche Handwerker waren. Während bei den Deutschschweizern, einem zugleich energischen und sentimentalen Volk, Kriegslieder und lyrische Ergüsse auf der Tagesordnung standen, brachte das romanische Land, wo das Volk zu philosophieren liebt und zu gutmütigem Spott neigt, dramatische Versuche hervor.
Die Stätten der ersten theatralischen Aufführungen waren die Kirchen, in denen die Geistlichkeit im Verein mit den Chorknaben und einigen Gläubigen des Laienstandes Mysterien und Moralstücke agierten. Der Lausanner Beamte Jean Bugnion schrieb den Roman Fier à bras le Géant, und der Pfarrer Jacques de Bugnin veröffentlichte ein Poem unter dem Titel Congé pris du présent siècle. Neben diesen noch sehr naiven Erzeugnissen blühte die Chronikliteratur auf, die in Konrad Justinger, Johannes Fründ, Melchior Russ, Petermann Etterlin, Diebold Schilling von Luzern und Diebold Schilling von Bern, Albert von Bonstetten, Gerold Edlibach, Thüring Fricker, Felix Hemmerlin, Valerius Anshelm und dem streitbaren François Bonivard ihre berufensten Vertreter fand.
Ein Ereignis von weittragenden Folgen war dann für die Schweiz die im Jahr 1460 erfolgte Gründung der Universität Basel durch Papst Pius II. Ihr erster Rektor war der Jurist Andlau. An ihr wirkten als berühmte Lehrer der Jurist und Humanist Sebastian Brandt, die Humanisten Geiler von Kaisersberg, Johann Reuchlin, Utenheim, Amerbach u. a., der Philologe und Theologe Thomas Wittenbach, der vielseitige Glarner Heinrich Loriti oder Glarean, u. a. In Basel lebte seit 1513 auch der Holländer Erasmus, der König der Humanisten, der zwar nicht an der Universität lehrte, aber «Mittelpunkt des wissenschaftlichen und humanistischen Lebens und von grossem und bestimmendem Einfluss auf die Universität» wurde. Einer der hervorragendsten Männer jener Zeit ist ferner noch der Arzt und Naturforscher Theophrastus Paracelsus (1493-1541), Stadtarzt und Professor in Basel. Er wandte zuerst die Chemie auf die Medizin an und war ein Freund des Buchdruckers Frohen, der die Werke des Erasmus verlegte. Von weiteren Humanisten der damaligen Zeit seien noch genannt Johannes Heinlin von Stein (genannt a Lapide), Heinrich Wölflin (Lupulus), Oswald Mykonius und Thomas Plater.
Die Malerei war damals in der Schweiz vertreten durch Johannes Friess aus Freiburg, Hans Holbein den jüngern, der, aus Augsburg gebürtig, mehrere Jahre in Basel lebte, und den Berner Niklaus Manuel. Im 15. und 16. ¶
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Jahrhundert blühten auch die Glasmalerei und Holzschnitzerei, deren Erzeugnisse das Innere von Kirchen, Klöstern, Schlössern, Rathäusern und Wohnungen reicher Bürger schmückten. Die prachtvollen Chorstühle der Kirchen von Hauterive, Lausanne und Wettingen, sowie die Glasmalereien von Königsfelden, Wettingen und des Rathauses von Luzern sind heute noch das Entzücken der Kenner.
2. Zwingli und die Reformation in der deutschen Schweiz. - Zeiten der Kappelerkriege.
Der Reformator der deutschen Schweiz ist Ulrich Zwingli, der am zu Wildhaus im Toggenburg geboren wurde. Er, dem Zürich ein Denkmal errichtet hat, war ein gelehrter und beredter Humanist, der in Basel, Bern und Wien gründliche Studien gemacht halte. Erst 22 Jahre alt, wurde er zum Leutpriester von Glarus gewählt. 1513 und 1515 begleitete er als Feldprediger das Banner von Glarus auf den Feldzügen von Novara und Marignano, bei welcher Gelegenheit ihm die unseligen Folgen des Krieges aus nächster Nähe bekannt wurden.
Das Schauspiel, das sich ihm da bot, gab ihm die Ueberzeugung, dass sein Land mit der durch nichts gerechtfertigten Beteiligung an diesen italienischen Feldzügen auf falschem Wege sei. Er predigte 1515 zu Monza und wusste so warme Töne zu finden, dass einer seiner Zuhörer selbst bezeugt: «Hätte man ihm gefolgt, so wäre viel Blut weniger geflossen, und die Eidgenossen hätten sich selbst vor grossem Schaden bewahrt». 1516 kam Zwingli als Leutpriester nach Einsiedeln und 1518 als Leutpriester oder Pfarrer am Grossmünster nach Zürich, der Stätte seiner fernern Wirksamkeit. In dieser tatkräftigen und lebhaften Stadt sollte er, der selbst ein feuriger Patriot war, einen günstigen Boden für die Entfaltung seines Genius finden.
Zunächst beschränkte er sich darauf, die ihm am Herzen liegenden moralischen und religiösen Reformen durchzuführen, ohne noch an den Dogmen der römischen Kirche zu rütteln. Erst die Ankunft und die Umtriebe des italienischen Predigermönches und Ablasskrämers Bernhardin Samson, sowie die Gleichgiltigkeit der Kirchenhäupter gegen die Sittenverderbnis des Klerus und das Elend des Volkes veranlasste ihn, mit Rom und dem Papste zu brechen. Unterdessen war die Reformbewegung in Deutschland in Gang gekommen, doch stand die religiöse Wiedergeburt, wie sie sich in Zürich vorbereitete, in keinem Zusammenhang mit der von Martin Luther gepredigten.
Der erste Konflikt Zwinglis mit dem Papst war nicht dogmatischer, sondern politischer Natur und brach bei Anlass des Krieges zwischen Karl V. und Franz I. aus. Unter dem Einfluss von Zwingli hatte sich Zürichs Rat geweigert, sich dem Bunde anzuschliessen, den die übrigen Orte eben mit Frankreich geschlossen. Als nun der Papst, der auf Karls V. Seite stand, die Zürcher zu sich herüberziehen wollte, erhob Zwingli seine Stimme energisch auch gegen die vom Papste verlangte Stellung von Zürcher Hilfstruppen, die bei den Eidgenossen Hader erregte und Schweizer gegen Schweizer ins Feld gestellt hätte. Nachdem der päpstliche Nuntius aber versprochen hatte, dass die Zürcher ausschliesslich zum Schutze des päpstlichen Stuhles verwendet werden sollten, war des Papstes Sache gewonnen. Kaum hatten aber die Zürcher die Alpen überschritten, so wurden sie, wie Zwingli richtig geahnt, vom Papst gegen Frankreich gestellt. Daraufhin rief Zürich am seine Söldner zurück.
«Nach und nach nahm Zwingli eine immer schärfere Stellung gegen die Kirchenbräuche ein.» Er wurde «eifriger, erklärte sich gegen die Fastengebote, gegen die Bilder- und Heiligenverehrung, gegen Klöster und Orden u. dergl.». Im Frühjahr 1522 übertraten einige Zürcher das Fastengebot und protestierten gegen den Beichtzwang und die von den Klöstern erhobenen Zehnten und Steuern. Der Bischof von Konstanz suchte die Zürcher durch ein Mandat zum Gehorsam zurückzurufen.
Nun nahm auch Zwingli in seiner am 16 April erschienenen Druckschrift Vom Erkiesen und Fryheit der Spysen öffentlich Stellung. «Es war ein gewagter Schritt: der erste öffentliche Widerspruch gegen die Kirchenlehre, die erste Herausforderung zum Kampfe». Wenige Tage nachher kam die Nachricht von der Niederlage bei Bicocca wo 3000 im Solde Franz' I. stehende Schweizer das Leben verloren. Dies gab dem Widerstand Zwinglis gegen die verderblichen Militärkapitulationen neue Kraft. Am 16. Mai schrieb er an die zu Schwyz versammelte Landsgemeinde eine «göttliche Ermahnung, dass sie sich vor fremden Herren hüten und entladen».
Nun legte sich aber die eidgenössische Tagsatzung ins Mittel, indem sie die Priester vor Predigten warnte, welche Verwirrung und Uneinigkeit ins Volk tragen könnten. Zwingli liess sich durch diese in erster Linie gegen ihn gerichtete Drohung nicht einschüchtern, sondern setzte sein Reformwerk mutig fort. In einem an den Bischof von Konstanz gerichteten Brief vom 2. Juli forderte er die Freiheit, nach dem Wortlaut der Evangelien predigen zu dürfen, und verlangte er die Abschaffung des Zölibates der Priester.
Zwingli's Worte und Schriften riefen unter der Geistlichkeit eine mächtige Erregung hervor. Offen traten auf Zwinglis Seite herüber Konrad Schmid, der Komthur des Johanniterhauses Küsnacht, sodann Leo Judä, der Pfarrer zu St. Peter in Zürich, der Abt Wolfgang Joner in Kappel und der Propst Felix Brennwald in Embrach. Bürgermeister und Rat von Zürich beschlossen, dass die Predigten auf die Evangelien, sowie die Bücher der Apostel und der Propheten ausgedehnt werden und die von den Kirchengelehrten Duns Scotus, Thomas von Aquino etc. aufgestellten Dogmen beiseite gelassen werden sollten.
Fünf Tage nach dieser Verordnung trat ein grosser Teil der Zürcher Geistlichkeit zur Reformation über, worauf das Kapitel beschloss, dass sich die Predigten nach dem Inhalt der heiligen Schrift zu richten hätten. Der 1521 auf den päpstlichen Stuhl gelangte neue Papst Hadrian VI. aus Utrecht, ein nüchterner, gerader und gewissenhafter Theologe, hätte vielleicht die Kirchentrennung zu verhindern vermocht, wenn er nur früher zur Macht gelangt wäre. So aber war es für eine Versöhnung bereits zu spät, und des Papstes gute Anordnungen konnten die einmal in Fluss geratene Bewegung nicht mehr aufhalten.
Zwingli, von den Einen unterstützt und den Andern getadelt, sah die Notwendigkeit einer öffentlichen Aussprache ein. So verlangte er denn die Abhaltung eines Religionsgespräches, das auf Veranstaltung des Rates von Zürich am auf dem Rathause zu Zürich unter dem Vorsitz des Bürgermeisters Röust stattfand. Als Anhänger Zwinglis waren Leo Judä, Vadian aus St. Gallen, Hoffmeister aus Schaffhausen und Sebastian Meyer aus Basel anwesend während der Bischof ¶