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übergeben sich gezwungen sah, und begannen die Belagerung von Zürich. Ihr Heer zählte 20000 Mann. Trotz ihrer grossen Tapferkeit wären die Zürcher in diesem ungleichen Kampf wohl unterlegen, wenn nicht ein anderes Ereignis die Eidgenossen gezwungen hätte, die Belagerung aufzuheben. Da Kaiser Friedrich nicht in der Lage war, den Zürchern persönlich beizuspringen, suchte er Frankreichs Hilfe. Karl VII., der eben mit England Frieden geschlossen hatte, wusste nicht, was er mit seinem vielen Kriegsvolk anfangen sollte, und sandte daher gerne eine Armee von 30000 Mann gegen die Schweiz. Diese aus allen Ländern stammenden Abenteurer, die nach einem ihrer frühern Führer die «Armagnaken» genannt wurden, standen unter dem nominellen Oberbefehl des französischen Dauphin und spätern Königs Ludwig XI., wurden aber tatsächlich von Jean de Bueil befehligt. Am 23. August 1444 sahen die Basler von ihren Mauern aus mit Schrecken, wie ein Geschwader des feindlichen Heeres um das andere heranrückte. Am 26. August traf die Spitze der Armagnaken bei St. Jakob an der Birs auf 1500 Eidgenossen, welche die Vorhut des der Stadt Basel zu Hilfe eilenden eidgenössischen Heeres bildeten. Es entspann sich ein furchtbarer Kampf. Die Eidgenossen fochten mit grossem Heldenmut, mussten aber der Ueberzahl der Feinde unterliegen. 1300 Mann wurden getötet, und bloss 200 konnten dem Blutbad entrinnen. Der siegreiche Dauphin, der ebenfalls grosse Verluste erlitten, bot den Eidgenossen voller Bewunderung ihrer Tapferkeit einen ehrenvollen Frieden an, der am 28. Oktober 1444 unterzeichnet wurde. Die Eidgenossen hoben die Belagerung von Zürich auf; doch dauerte der Krieg noch zwei Jahre fort, ohne einen entscheidenden Schlag zu bringen, sodass sich die Parteien endlich dahin einigten, dem Streit durch einen Schiedsspruch ein Ende zu machen. Am 13. Juli 1450 fällte der Obmann der Schiedsrichter, der hochangesehene Berner Schultheiss Heinrich v. Bubenberg, den Spruch dahin, dass der Bund Zürichs mit Oesterreich unvereinbar mit dem eidgenössischen Bunde sei. «Damit war der hauptsächlichste Stein des Anstosses beseitigt, und der eidgenössische Gedanke feierte einen Sieg. Zürich wurde wieder schweizerisch; nur wenige grollten.» Zürich behielt sein altes Gebiet, musste aber Uznach und Gaster an Schwyz und Glarus abtreten. Damit war der status quo ante bellum wieder hergestellt. Das Bündnis mit Oesterreich hatte Zürich nur Nachteile und keinen einzigen Vorteil gebracht. Das erfreulichste Resultat des alten Zürichkrieges war die Einsicht, dass dem Schweizerbund ein festerer Zusammenhalt und eine neue Politik nottue. Um sich vor den Folgen eines neuen Bruches mit Oesterreich zu schützen, schlossen nun die Eidgenossen ein Bündnis mit Frankreich, welcher Schritt in der Folge einen grossen Einfluss auf die Geschicke der Schweiz ausüben sollte. Weitere Bünde schlossen die Eidgenossen während des nämlichen Zeitabschnittes ferner noch mit Savoyen, dem Bischof von Sitten, dem Wallis, dem Fürstabt von St. Gallen, den Städten Schaffhausen, St. Gallen, Mülhausen und Rottweil, sowie mit dem Herzog von Burgund.
Doch behagte dieser Friedenszustand dem kriegerischen Sinn vieler Eidgenossen der damaligen Zeit, denen Kampf und Fehde in Fleisch und Blut übergegangen und gleichsam zum Beruf geworden waren, nur wenig. Als auf einem Schiessen zu Konstanz 1458 ein von einem Luzerner gesetzter Berner Plappart (Scheidemünze) höhnisch zurückgewiesen wurde, sahen sich die Eidgenossen beleidigt und zogen alsobald mit 4000 Mann vor Konstanz, das ihnen eine beträchtliche Entschädigung bezahlen musste (Plappartkrieg). Durch ihre Verbindung mit den Eidgenossen hatten sich die beiden Städte Mülhausen und Schaffhausen den in ihrer Nachbarschaft sitzenden Adel zum Feinde gemacht. Da Herzog Sigmund nicht in der Lage war, sie gegen die Uebergriffe dieser fehdelustigen Herren zu schützen, riefen sie den Beistand der Eidgenossen an. Es kam nun zu einem Scharmützelkrieg. Die Eidgenossen griffen zu den Waffen und zwangen die adeligen Herren des Klettgaues, Hegaues, Sundgaues und des Elsass, die sich mehr durch kühne Reden als durch wirkliche Taten auszeichneten, im Städtchen Waldshut Schutz zu suchen. Am 22. Juli 1468 begann die Belagerung von Waldshut, das sich aber wacker verteidigte, sodass am 26. August der Waldshuter Friede zu stande kam. Herzog Sigmund musste «den Eidgenossen für den Schaden und die Kriegskosten» die (kleine) Summe von 10000 Gulden gutschreiben. Sollte diese Summe nicht auf Johanni des folgenden Jahres bezahlt sein, so sollten die Bürger von Waldshut und des Herzogs Leute auf dem Schwarzwald Eigentum der Eidgenossen werden.
19. Politische Lage des Welschlandes.
Während sich in der deutschen Schweiz der Bund der acht alten Orte bildete und seine Unabhängigkeit errang, verblieb das Welschland unter der Herrschaft verschiedener kirchlicher oder weltlicher Herren, die ihre Untertanen durch Gewährung von Freiheiten und Rechten an sich zu fesseln vermocht hatten. Dank dieser Freigebigkeit ihrer Fürsten war die rechtliche Lage der westschweizerischen Gemeinden schon im 13. Jahrhundert eine vorteilhaftere geworden als diejenige der Gemeinden der deutschen Schweiz.
Jede Stadt hatte ihren Grossen und Kleinen Rat, sowie ihre Bürgerversammlung. Zuweilen schlossen die Städte unter sich auch Bündnisse, so z. B. 1339 Avenches mit Freiburg; Payerne 1343 mit Bern, 1349 mit Freiburg, 1355 mit Neuenburg und 1364 mit Murten. Die Abgeordneten der dem Haus Savoyen unterstehenden Städte vereinigten sich zusammen mit den Angehörigen des Adels und der hohen Geistlichkeit in Moudon zur Waadtländer Ständeversammlung (États de Vaud). In den Städten sprachen die Bürger und in den Landgemeinden der Herr des Ortes Recht. Gegen diese Urteile konnte beim savoyischen Vogt in Moudon und in letzter Instanz am Hof zu Chambéry, der sich in dieser Hinsicht nach dem im Waadtland üblichen Brauch zu richten hatte, appelliert werden. Das Einkommen des Fürsten bestand aus einigen Zöllen und dem Erträgnis der Kronländer. Zu Zeiten von Ebbe in der herzoglichen Kasse übermittelte der Vogt der Waadt seine Wünsche der Ständeversammlung, die dann die Erhebung von Steuern bewilligte. Die Grafen von Savoyen, die vom Kaiser Sigmund 1416 in den Herzogstand erhoben wurden, waren mit Bezug auf diejenigen ihrer Güter, die in der Freigrafschaft lagen, Vasallen des Herzogs von Burgund. Die Herrschaft Savoyens erstreckte sich aber nicht auf die Stadt Lausanne, deren Bischof zugleich auch ihr weltlicher Oberherr war und zudem noch über die
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Pfarreien Lavaux, Lucens, Avenches, Bulle, La Roche und Albeuve gebot. Lausanne bestand aus zwei Städten: der Altstadt (cité) und der Unterstadt, welch letztere die Quartiere (bannières) des Bourg, von La Palud, Le Pont und Saint Laurent umfasste. Das Stadtregiment führten zwei Priore, denen ein im Madeleine-Kloster sich versammelnder Rat zur Seite stand, während die allgemeine Versammlung der Bürger auf dem Platz La Palud oder, bei schlechtem Wetter, in der Markthalle stattfand. Die Bürgerschaft von Lausanne hatte von den Kaisern Sigmund III. und Friedrich III. im Jahr 1431 bezw. 1469 verschiedene verbriefte Vorrechte zugestanden erhalten. Karl V. erkannte in einem vom 5. Juli 1536 datierten Brief Lausanne als freie Reichsstadt an. 1494 wurde die Bürgerversammlung durch einen von den Quartieren ernannten Rat ersetzt, der zuerst aus 60, dann aus 97 und endlich aus 200 Mitgliedern bestand. 1529 trat ein Bürgermeister an die Stelle der zwei Priore. Jedes Jahr trat in Lausanne der sog. «Plaid général», eine Versammlung von Abgeordneten des Adels, der Geistlichkeit und der Bürger der bischöflichen Ländereien, zusammen, die zugleich legislative und richterliche Behörde war und deren Zustimmung der Bischof bedurfte, um Gesetze geben, Truppen ausheben und Münzen schlagen zu können. Die obersten bischöflichen Beamten waren der Vogt, der Truchsess (sénéchal), der Siegelbewahrer (sautier) und der Meier (métral). Ueber diesen standen wieder der grosse weltliche Gerichtshof und das Appellationsgericht des Bischofes. Als später das Haus Savoyen dem Bischof den Rang abgelaufen hatte, entstand der «Cour de Billens» genannte Gerichtshof, der aus dem Stellvertreter (lieutenant) des Vogtes der Waadt und sechs vom Rat von Lausanne ernannten Beisitzern bestand. Jeder neue Bischof musste beim Antritt seiner Würde auf die Anerkennung der Freiheiten der Stadt seinen Eid leisten, was jedesmal zu einer feierlichen Zeremonie vor dem in die Stadt führenden Tor von Saint Étienne Anlass gab. Lausanne besass ein aus 1316 stammendes Gesetzbuch (coutumier), das nach der Behörde, die es ins Leben gerufen, den Namen des Plaid général trug. Die in ihm aufgezeichneten Grundsätze werden übrigens in der Hauptsache schon vom Propst Ardutius in einer Verordnung von 1144 erwähnt, durch welche derselbe die Freiheiten der Stadt anerkannte.
Die ersten Versuche zu freiheitlicher Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten in Genf datiert man ins 13. Jahrhundert zurück. 1294 erwarben die Grafen von Savoyen die Kastvogtei (vidomat) über Genf, und seit 1330 waren sie verpflichtet, die Freiheiten der Stadt zu beschwören. An der Spitze der Verwaltung stand der Syndikus. Diese Beamten verstanden es jeweils, zwischen dem Haus Savoyen und dem Bischof geschickt ihre Interessen wahrzunehmen, indem sie sich bei Ansprüchen des letztern auf das erstere stützten und umgekehrt bei Uebergriffen Savoyens sich wieder dem Bischof anzunähern wussten. So hatten sie z. B. vom Bischof Adhémar Fabri im Jahr 1387 die Bestätigung der Freiheiten der Stadt erlangt. 1415 zeigte das Stadtregiment seine Unabhängigkeit dadurch, dass es, ohne die Vermittlung des Bischofes anzurufen, mit dem Herrn von Gex einen Waffenstillstand vereinbarte, den es von der Bürgerversammlung bestätigen liess. Als es den Herzogen von Savoyen später gelungen war, den bischöflichen Stuhl mit Angehörigen ihres Geschlechtes zu besetzen, suchte und fand Genf Unterstützung von Seiten der Städte Freiburg und Bern. Zu dieser Zeit bildeten sich zwei politische Parteien: die sog. «Mameloucs» oder Anhänger des Herzoges von Savoyen und die «Eidgnots» oder Parteigänger der Verbindung mit den Eidgenossen. Anfangs 1519 kamen diese letztern ans Ruder und schlossen am 7. Januar dieses Jahres ein Bündnis mit Freiburg. Die hervorragendsten Führer der Partei der «Eidgnots» waren Besançon Hugues und Philibert Berthelier. Jener, von Beruf Pelzhändler und Kürschner, wurde 1518 zum Syndikus gewählt und erwarb sich durch seine vorsichtige Klugheit und Energie den Beinamen des Vaters der Stadt. Berthelier, der eine stürmische Jugend gehabt, zeichnete sich durch Unternehmungslust und Eifer aus. Nachdem er, um den gegen ihn gerichteten Nachstellungen zu entgehen, im Jahr 1517 sich nach Freiburg hatte begeben müssen, kehrte er schon im folgenden Jahr, mit einem Freipass des Bischofes versehen, wieder in seine Vaterstadt zurück, wo er vor dem Rat erschien und die Anschuldigungen, die der Kastvogt gegen ihn erhoben hatte, entkräftete. Bald nach seiner Freisprechung kam aber der Herzog selbst nach Genf, liess ihn festnehmen, durch bestochene Richter verurteilen und am 24. August 1519 hinrichten. Dem nämlichen Schicksal entgingen Besançon Hugues und Bonivard durch die Flucht. Auch Ami Levrier, der fünf Jahre später Genfs Freiheiten wieder verteidigte, wurde (am 12. März 1524) verhaftet und hingerichtet. Diese rasch aufeinanderfolgenden Machtsprüche erregten bei den Eidgenossen grosses Aufsehen. Bern und Freiburg verbündeten sich mit Genf, worauf Besançon Hugues und seine Getreuen wieder heimkehrten und die hauptsächlichsten Führer der savoyischen Partei die Stadt verlassen mussten. Genf gab sich nun eine den Städten der Eidgenossen ähnliche Verfassung und bestellte einen Kleinen Rat, einen Rat der Sechzig und einen Rat der Zweihundert. Unerklärlich bleibt, warum die Herzoge von Savoyen, die doch gegen Lausanne und die Waadt stets so zuvorkommend gewesen waren, sich Genf gegenüber so feindselig zeigten. Vor der Reformation war Genfs Bedeutung verhältnismässig nicht gross gewesen. Während z. B. Basel schon im 15. Jahrhundert eine durch ihren Handel, ihre Industrie und die Universität blühende Stadt darstellte, datiert Genfs Aufschwung erst aus dem Ende des 16. und dem Verlauf des 17. Jahrhunderts, d. h. aus der Zeit, da sich italienische und französische Refugianten hier niedergelassen hatten.
Während so Lausanne und Genf als Enklaven im Herzogtum Savoyen sich allmählig von der Macht ihrer Bischöfe befreit hatten, bildete Neuenburg mit seiner Umgebung eine direkt dem Reiche unterstellte Grafschaft. Mit dem Erlöschen des ersten Grafenhauses war das Land im 13. Jahrhundert an das Haus Chalons-Orange gekommen, dessen Erben dann nachher die Grafen von Hochberg wurden. Die letzte dieses Geschlechtes, Johanna von Hochberg, vermählte sich 1514 mit Heinrich von Orléans-Longueville. Seit dem 13. Jahrhundert besass die Grafschaft ein eigenes Gericht, das zuerst «Plaid de May» oder «Grand Plaid» hiess und sich später den Namen der «Audiences générales» beilegte. Wie anderwärts bildeten die Bürger auch hier einen Rat, der seine Befugnisse auf Kosten derjenigen des Grafen zu erweitern und sich dabei auf die Schweizer Städte zu stützen trachtete. So schlossen Bern, Solothurn, Freiburg und Luzern Bündnisse mit Neuenburg. Als sich die Eidgenossen 1512 mit Heinrich von Orléans überwarfen, bemächtigten sie sich seiner Grafschaft, der sie einen Vogt vorsetzten und von deren Bewohnern sie sich huldigen liessen. Erst 1529 erhielt Johanna von Hochberg dank der Fürsprache von König Franz I. das Land wieder zurück, wobei sich aber die Eidgenossen ihr Bündnis vorbehielten.
Nördlich von Neuenburg lagen die Ländereien des Fürstbischofes von Basel, der ebenfalls den Gang der Befreiung der Gemeinden nicht aufzuhalten vermochte. Schon 1358 hatte Biel seine nahezu völlige Unabhängigkeit erlangt und darauf mit Bern einen Bund geschlossen, auf welchem Wege ihm 1388 auch La Neuveville (Neuenstadt) gefolgt ist.
Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass die Zünfte im Welschland nicht die wichtige Rolle gespielt haben, die ihnen in der deutschen Schweiz zugefallen war, und dass die Herzoge von Savoyen und die Grafen von Neuenburg, sowie die Bischöfe von Genf, Lausanne und Basel sich auf Grund von Unterhandlungen und nicht infolge einer durch Niederlagen in eigentlicher Fehde geschaffenen Zwangslage zur Erteilung und Anerkennung der Freiheiten der Gemeinden verstanden haben. Die Helden, denen Genf seine Unabhängigkeit verdankt, starben auf dem Blutgerüst und nicht auf dem Schlachtfelde.
20. Die Burgunderkriege.
Das Ergebnis der Kriege des 14. Jahrhunderts war die vollständige Loslösung der Eidgenossen von Oesterreich. Mit den Burgunderkriegen, sowie dem diesen folgenden Schwabenkrieg und den italienischen Feldzügen tritt die Schweiz dann in eine etwa vierzig Jahre dauernde Epoche (1474-1515), während welcher sie auf die europäische Politik einen überwiegenden Einfluss ausüben sollte. Während die Eidgenossen