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andern Orten. Sie genossen persönliche Freiheit, Selbstverwaltung, eigene Gerichtsbarkeit, Steuerfreiheit. Der Entwicklungsgang von Rätien ist nun der, dass der geistliche und weltliche Adel allmählig seine Gewalt verliert und dass letztere Schritt für Schritt ans Volk, an die Gemeinden, übergeht». Die niedere Gerichtsbarkeit in Rätien lag in den Händen von Ammännern, die hohe dagegen in denen der bischöflichen Schirmvögte, welche Würde von den Herren von Vaz und denen von Mätsch, die sie erblich zu machen gewusst hatten, ausgeübt wurde.
Die in den verschiedenen Rheinthälern begüterten Herren lagen unter sich, wie mit den Bischöfen von Chur häufig in Fehde, was die Stadt Chur benutzte, um sich im 13. Jahrhundert einen eigenen Rat zu geben, der sich den Herrschergelüsten der Bischöfe häufig widersetzte. Die Landleute Rätiens waren infolge der öftern kleinen Fehden der Waffen gewohnt, hatten Beziehungen zu den Waldstätten unterhalten und waren sich ihrer Kraft bewusst geworden. Als daher Bischof Peter um 1364 einen Bund mit Oesterreich schloss, sahen sie sich in ihrer Unabhängigkeit bedroht und begannen sich zu regen. Diese gemeinsame Gefahr, die den Adeligen wie dem Volke drohte, ist der erste Grund zur Entstehung der rätischen Bünde. Hier wie im Wallis haben die von den Landesherren begangenen Fehler das Bergvolk der Demokratie zugeführt.
Am schlossen das Domkapitel und die Bürgerschaft von Chur, zusammen mit den Abgeordneten der benachbarten Thalschaften einen Bund, laut welchem sie beschlossen, «in Zukunft keinen als Vikar und Pfleger der weltlichen Sachen des Bistums annehmen zu wollen, der ohne ihrer aller Rat und Zustimmung gewählt worden sei». Ferner wurde bestimmt, «die Kosten für den Unterhalt der Schlösser und Burgen des Bistums, soweit das Gotteshausgut nicht hinreiche, gemeinsam zu tragen, und zwar alle, Pfaffen und Laien, Edel und Unedel, Arm und Reich gleichmässig. Mit Leib und Gut wollten sie überhaupt für die gemeinsamen Interessen zusammenstehen.» Da die Angehörigen dieses Bundes in dem der politischen Macht der Bischöfe von Chur unterstehenden Teil Rätiens wohnten, erhielt derselbe den Namen «Gotteshausbund (Casa Dei)», der ihm in der Folge gehlieben ist. Bemerkenswert ist, dass in diesem Bund wie in denen der Waldstätte zwischen Laien und Geistlichen, Adeligen und Volk keinerlei Unterschied gemacht wird, sondern Alle gleichberechtigt waren und die Lasten gemeinsam trugen.
Nachdem das Bündner Oberland unter der Herrschaft des Faustrechtes und den zahlreichen Uebergriffen der vielen Herren des Thales schwer gelitten, schlossen am der Abt von Disentis und die Herren von Sax und von Räzüns einen Bund, der den Frieden sichern sollte und dem nachträglich auch noch andere Adelige der Gegend beitraten. 29 Jahre später, im März 1424, wurde dieser Bund in Truns erneuert. Diesen nach der im Lande üblichen grauen Kleidung sogenannten «Grauen Bund» beschworen der Abt von Disentis, die Herren von Räzüns und von Werdenberg, sowie die Vertreter der Gemeinden Disentis, Safien, Tenna und Obersaxen, der Leute von Lugnez, Vals und Flims, von Truns und Tamins, von Rheinwald, Schams, Tschappina, Thusis und vom Heinzenberg. Die Benennung des «Grauen Bundes» ist dann mit der Zeit auf das ganze Land "Graubünden" übergegangen.
Nun taten sich auch die «Gerichte» oder Gerichtsgemeinden Prätigau, Davos, Schanfigg und Churwalden, die in ihrer Gesamtheit die «zehn Gerichte» genannt wurden und von den Herren von Vaz durch Erbschaft an die Toggenburger gekommen waren, zu einem eigenen Bund, dem «Zehngerichtenbund» zusammen, den sie nach dem Tode des letzten Toggenburgers am beschworen, um den Folgen einer Erbteilung vorzubeugen und den Landesfrieden zu sichern. Es gelang dann den «zehn Gerichten», die unter die Herren von Brandis, Montfort und Mätsch, sowie das Haus Oesterreich verteilten Güter der Toggenburger nach und nach zurückzukaufen und sich so ihrer adeligen Herren zu entledigen.
Um die Mitte des 15. Jahrhunderts vereinigten sich diese drei Bünde zu einem Gesamtbund. Die genaue Zeit und die unmittelbare Veranlassung zu diesem Schritt lassen sich nicht feststellen. Jeder der Einzelbünde behielt seine eigene politische Organisation bei und zerfiel in eine Anzahl von «Hochgerichten» und «Gerichten», die an die auf dem Hofe Vazerol nahe Tiefenkastel stattfindenden Bundestage des Gesamtbundes ihre Abgeordneten sandten.
16. Erste italienische Feldzüge; Niederlage von Arbedo.
Nachdem 1328 in Mailand die Visconti zur Herrschaft gelangt waren, suchten deren Nachkommen sich die Freundschaft der Schweizer zu erwerben. Zwischen den Eidgenossen und der Lombardei waren schon seit langer Zeit Handelsbeziehungen im Gang. Die nach den Siegen von Sempach und Näfels von ihren Erfolgen berauschten Schweizer, die nun von Norden her keinen Angriff mehr zu befürchten hatten, begannen nun nach und nach, ihre begehrlichen Blicke auf die reiche oberitalische Ebene zu werfen.
Ihre Stimmung war derart kriegerisch, dass der geringste Zwischenfall zu einer Fehde Anlass geben konnte. Die Gelegenheit bot sich, als die mit ihrem Vieh den Herbstmarkt zu Varese besuchenden Leute aus Uri und Obwalden von den Mailänder Amtleuten beleidigt und geschädigt wurden. Nun zogen im Jahr 1403 die Urner und Obwaldner über den Gotthard, eroberten das Livinenthal und setzten dort einen Vogt oder «Richter» ein. Wenige Jahre später dehnten die Eidgenossen ihre Macht an der Südflanke der Alpen weiter aus, indem sie sich auch noch 1411 des Eschenthales (Val d'Ossola) bemächtigten und dem Freiherrn Sax von Misox 1419 die Grafschaft Bellenz abkauften. Der Herzog von Mailand sah diesem Treiben eine zeitlang scheinbar ruhig zu, sammelte dann aber im Stillen ein Heer, das Bellinzona überrumpelte
Die überraschten Eidgenossen rafften in aller Eile ihre Kontingente zusammen und zogen gegen Süden. Bei Arbedo liess sich die aus den Luzernern, Urnern und Unterwaldnern bestehende Vorhut kühn in einen Kampf ein, wurde aber vollständig geschlagen Die Eidgenossen zogen sich über den Gotthard zurück. Voller Rachedurst sammelten sie drei Jahre später ein Heer von 22000 Mann, mit dem sie von neuem ins Tessin einbrachen. Da nahm der Herzog von Mailand seine Zuflucht zu diplomatischen kniffen und säte unter den eidgenössischen Orten Hader und Zwietracht. Die Folge war, dass die Schweizer 1426 auf das Eschenthal und die Leventina verzichteten.
17. Eroberung des Aargaues.
Um der trostlosen Kirchenspaltung im Abendland endlich ein Ende zu machen, trat in Konstanz 1414 ein allgemeines Konzil zusammen, das drei sich um die Tiara streitende Päpste absetzte. Da deren einer, Johann XXIII., vom Herzog Friedrich von ¶
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Oesterreich unterstützt wurde, belegte Kaiser Sigismund von Luxemburg, der diese Gelegenheit, sich seines unbequemen Nebenbuhlers zu entledigen, mit Eifer ergriff, den Herzog mit der Reichsacht und ersuchte die Deutschen und Schweizer, sich dessen Ländereien zu bemächtigen. Die Deutschen folgten diesem Ruf sofort und traten unter der Führung des Markgrafen von Nürnberg, Friedrich von Hohenzollern, in den Kampf. Weniger eilig hatten es die Schweizer, die im Hinblick auf den erst vor drei Jahren mit Herzog Friedrich geschlossenen Frieden sich vorerst noch zurückhielten, um dann aber, vom Kaiser neuerdings ermuntert, ebenfalls loszuschlagen.
Nun fielen die Besitzungen der Habsburger auf Boden der heutigen Schweiz ihren Nachbarn zur Beute: Schaffhausen und Rapperswil errangen sich die Reichsunmittelbarkeit, der Thurgau wurde von Reichstruppen besetzt, der Graf von Toggenburg bemächtigte sich der Landschaften Sargans und Gaster und schickte sich zur Eroberung des Rheinthales und Vorarlbergs an. Bern besetzte die aargauischen Städte Zofingen, Aarburg, Aarau, Lenzburg und Brugg. Die Luzerner machten sich zu Herren von Sursee und Münster. Die Zürcher nahmen das Knonauer Amt. Die von den Eidgenossen belagerten Städte Mellingen, Bremgarten und Baden ergaben sich nach kurzer Gegenwehr (1415).
Nun schritt man zur Teilung der Beute: Bern, Luzern und Zürich behielten die Orte und Gebiete, die sie sich auf eigene Faust erobert, während die Grafschaft Baden und die «freien Aemter» Bremgarten und Muri gemeineidgenössische Vogtei und Untertanenländer der Stände Zürich, Luzern, Schwyz, Glarus, Unterwalden und Zug wurden. Diese Eroberungen waren, vom strategischen Standpunkt aus betrachtet, für die Eidgenossenschaft sehr vorteilhaft, da sie ihnen den bisher mangelnden räumlichen Zusammenschluss brachten.
Vom allgemein menschlichen Standpunkt aus boten sie dagegen ernstliche Nachteile, indem es von nun an in der Schweiz neben souveränen Orten auch noch Untertanenländer gab. Das Prinzip der Gleichberechtigung aller Eidgenossen, das die Grundlage der ersten Bünde gewesen, war durchbrochen und machte einer, oft anmassenden, Oligarchie Platz. Die Landvogteien wurden zu einem beständigen Zankapfel und gaben Veranlassung, zu Hader und Zwist, der sich später, als die religiöse Reform des 16. Jahrhunderts die Eidgenossen in zwei Lager gespalten hatte, mehr und mehr zuspitzte.
18. Der alte Zürichkrieg.
Während sich die Habsburger die Sympathie ihrer Vasallen und Nachbarn verscherzten, verstanden es die Grafen von Toggenburg, mit den Eidgenossen freundschaftliche Beziehungen anzuknüpfen und zu unterhalten. Zugleich hatte sich auch ihr Machtbereich beträchtlich erweitert. Dem Grafen Friedrich V. von Toggenburg brachte seine Heirat mit der Tochter des letzten Freiherrn von Vaz im 14. Jahrhundert die Herrschaft Maienfeld, sowie das Prätigau und die Landschaft Davos ein. 1415 bemächtigten sich die Grafen anlässlich der Verhängung der Reichsacht über Friedrich von Habsburg des Vorarlberges und der Stadt Feldkirch.
Nachdem sie 1424 auch noch das Rheinthal erworben, waren sie auf der Höhe ihrer Macht angelangt. Um sich vor der anschwellenden Flut der Demokratie zu schützen, machte Graf Friedrich VII. von Toggenburg mit ihr gemeinsame Sache, indem er sich 1400 mit Zürich, 1417 mit Schwyz und 1419 auch mit Glarus verbündete. Er führte einen glänzenden Hofhalt, an dem die Herren von Raron, Sax, Mätsch, Brandis und Werdenberg oft und gern gesehene Gäste waren. Zum Unglück für sein Haus hatte ihm seine Gemahlin Elisabeth von Mätsch keinen Erben geschenkt.
Als er dann am starb, entspann sich um das toggenburgische Erbe ein erbitterter Streit. An der Spitze von Schwyz und Zürich standen zu jener Zeit zwei Persönlichkeiten, die beide zugleich geschickte und ehrgeizige Staatsmänner waren und durch ihre persönliche Rivalität die Gegensätze zwischen den beiden Republiken noch verschärften. Der Landammann Ital Reding begehrte für Schwyz die March, die ihm vom Grafen Friedrich wirklich versprochen worden war. Bürgermeister Stüssi von Zürich hatte dagegen sein Auge auf das Thal der Linth, die Uferlandschaften des Walensees, Gaster und Sargans geworfen, deren Besitz für Zürich eine Erleichterung seiner Handelsbeziehungen zu Chur und Italien bedeutet hätte. Von Friedrich VII. Witwe erlangte Zürich in der Tat die Abtretung von Weesen und des Gaster.
Die Verwandten des verstorbenen Grafen, die Herren von Brandis, Montfort, Werdenberg, Räzüns, Mätsch und Raron bestritten der Gräfin die Erbfolge ihres Gemahles. Zu jener Zeit war es auch, dass, wie wir bereits gesehen, die Untertanen des Grafen in Rätien sich zum Zehngerichtenbund zusammenschlossen, während die Toggenburger und die Leute von Uznach und Gaster sich zu Volksgenossenschaften zusammentaten. Kaiser Sigismund machte unter dem Vorwand, die Güter der Toggenburger seien Reichslehen gewesen, ebenfalls Anspruch auf die Erbschaft, und Oesterreich verlangte seinerseits das Gaster und Sargans für sich.
Nach dem Tod des Grafen Friedrich VII. hatten die Schwyzer sofort die obere March besetzt und sich von deren Bewohnern huldigen lassen. Als dann auch Zürich mit Zustimmung des Kaisers von den Leuten des Gaster sich den Treueid schwören lassen wollte, verweigerten ihn diese, da sie von den Schwyzern und Glarnern gegen Zürich aufgewiegelt worden waren. Dagegen machten die Leute von Sargans, Walenstadt, Mels und Ragaz der zürcherischen Besitzergreifung keine Schwierigkeiten.
Die Stimmung zwischen Schwyz und Zürich wurde immer gereizter, so dass sich schliesslich die übrigen Eidgenossen (Luzern, Uri, Unterwalden, Zug und Bern) ins Mittel legten und einen Rechtstag nach Luzern zusammenberiefen (Februar und März 1437). Die von demselben bestellten Schiedsrichter verfügten, dass die Schwyzer Uznach an die Gräfin von Toggenburg zurückzugeben hätten, den Bund mit der Landschaft Gaster dagegen aufrecht erhalten dürften. Nachdem nun auch die verwitwete Gräfin unerwartet auf ihre Ansprüche verzichtet hatte, kaufte Ital Reding den legitimen Erben der Toggenburger Uznach, Windegg, Gaster, Amden, Weesen, Walenstadt und Schännis ab (1437-1438). Die Folge dieser Gebietserwerbungen war, dass nun die Handelsbeziehungen Zürichs mit Chur und Italien vom guten Willen der Schwyzer und Glarner abhängig waren.
Dies brachte den Groll der Zürcher zum Ueberfliessen, so dass sie beschlossen, den Glarnern und Schwyzern ihren Markt und ihre Strassen zu sperren. Eine Entscheidung durch Waffengewalt war unvermeidlich geworden. Nach verschiedenen kleineren Scharmützeln besetzte Bürgermeister Stüssi am an der Spitze von 6000 Mann eine Anhöhe bei Pfäffikon. Als sich aber die von beiden Parteien um Vermittlung angerufenen Urner und Unterwaldner für Schwyz entschieden, und sich anschickten, zu den Schwyzern und Glarnern zu stossen, brach im Lager der Zürcher Zwist und Unordnung aus, so dass Stüssi mit seinen Truppen abzog.
Damit überliessen sie das Südufer des Zürichsees den Schwyzern und sahen sich gezwungen, die Lebensmittelsperre wieder aufzuheben. Die Zürich widerfahrene Demütigung trieb diese Stadt in die Arme Oesterreichs. Nach langem Unterbruch waren die Habsburger wieder deutsche Kaiser und damit Inhaber der Reichsgewalt geworden. Am schlossen der König und Oesterreich einen ewigen Bund mit Zürich. Dieses anerkannte die Ansprüche der Habsburger auf die Grafschaft Kiburg und versprach dem König und Herzog Friedrich III., ihm bei der Wiedererwerbung der Grafschaft Baden und des Aargaues behilflich sein zu wollen.
Friedrich verpflichtete sich dagegen, die Ansprüche Zürichs zu schützen und dieser Stadt den Besitz von Toggenburg und Uznach zu verschaffen. Nach Abschluss dieses Bundes kam der König Friedrich im Herbst des nämlichen Jahres persönlich nach Zürich, wo er mit grossem Pomp empfangen und bewirtet wurde. Damit schien der ganze Erfolg eines und eines halben Jahrhunderts Anstrengungen und Kämpfe nach Freiheit wieder vollständig in Frage gestellt zu sein.
Im Frühjahr 1443 entbrannte der Krieg zwischen Zürich und den Eidgenossen aufs neue. Am wurden die Zürcher bei St. Jakob an der Sihl, wo Bürgermeister Stüssi den Tod fand, geschlagen. Nach einem neunmonatlichen Waffenstillstand nahmen beide Parteien den Kampf wieder auf. Die Eidgenossen bemächtigten sich des Städtchens und Schlosses Greifensee, das ihnen Hans von Breitenlandenberg nach heldenhafter Verteidigung zu ¶