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Handwerker und die Unterdrückung der Geistlichkeit klagt. «Ungefähr gleichzeitig schrieb in Bern der gelehrte Predigermönch Ulrich Boner sein grosses Fabelwerk „der Edelstein“. In dieser Sammlung von Fabeln, die er wegen ihres moralischen, für die Lebensweisheit höchst wertvollen Gehaltes so benannte, berührt auch er durchweg die Zeitverhältnisse.» Im Welschland treffen wir den Minnesänger Otto von Grandson, von dem wir bereits eine Stilprobe mitgeteilt haben.
Indessen übte damals das Waffenhandwerk einen grössern Reiz auf die Eidgenossen aus als die Künste des Friedens. So zeichneten sie sich denn auch vor allein durch ihre Kriegskunst aus. Da für die einfachen Bürger der Dienst zu Pferd zu kostspielig gewesen wäre, brachten sie den Dienst zu Fuss zu neuen Ehren. Sie pflegten gleich den alten Griechen eine geschlossene und tiefe Schlachtordnung zu bilden, die von Spiessen und Hellebarden starrte. Das Terrain nutzten sie geschickt aus und verstanden es, durch einen sorgfältigen Sicherheitsdienst sich den Sieg zu erringen. Die ersten Freiheitsschlachten der Eidgenossen fallen in die Zeit des Aufkommens des Schiesspulvers, doch brach sich diese neue Erfindung zunächst nur langsam Bahn. Die ältesten Kanonen oder «Donnerbüchsen», wie man damals sagte, hatte Basel im Jahr 1371. Geschütz kam, soviel uns bekannt, zum erstenmal 1383 durch die Berner bei der Belagerung von Burgdorf wirklich zur Verwendung.
13. Befreiung der Stadt St. Gallen und des Landes Appenzell; Kampf bei Speicher und am Stoss.
Dank der Rührigkeit ihrer Bewohner blühte die Stadt St. Gallen in Handel und Industrie auf und löste sie sich unmerklich von den Banden los, die sie an den Fürstabt des Klosters knüpften. König Rudolf schon hatte ihre Selbständigkeit dadurch anerkannt, dass er ihr im Jahr 1281 Titel und Rechte einer freien Reichsstadt verlieh. So gab sich denn St. Gallen auch einen eigenen Rat, sowie seit 1344 einen an dessen Spitze stehenden Bürgermeister. Als die Bodenseestädte im Jahr 1377 einen Bund zur gemeinsamen Abwehr der Uebergriffe des Adels schlossen, gesellte sich ihnen auch St. Gallen zu. Diesem Beispiel folgten die Appenzeller, St. Gallens Nachbarn.
Ohne auf die Rechte des Abtes von St. Gallen Rücksicht zu nehmen, betrachteten sie sich als freie Leute und gaben sich 1377 eine Landsgemeinde, sowie einen aus 13 Mitgliedern bestehenden Rat. Dies ereignete sich unter der strengen Herrschaft des Abtes Georg von Wildenstein. Sein Nachfolger war Kuno von Stoffeln, der den Geist der Unbotmässigkeit, der bei seinen Untertanen eingerissen, mit Gewalt zu unterdrücken versuchte. Doch bewirkten die Hartherzigkeit seiner Vögte, die Prunksucht seines Hofhaltes und seine geheime Verbindung mit Oesterreich gerade das Gegenteil von dem, was er zu erreichen beabsichtigte.
Von den Erfolgen der Eidgenossen bei Sempach und Näfels begeistert, beschlossen die Appenzeller, sich enger an die Bürgerschaft der Stadt St. Gallen anzuschliessen und nach dem Schutz der Schweizer Bünde zu trachten. Die gerade im Frieden mit Oesterreich lebenden Eidgenossen lehnten aber einen Bund mit den zum Aufstand gerüsteten Appenzellern ab, die einzig von Schwyz 1403 ins Landrecht aufgenommen wurden. Durch diesen Schritt aufgebracht, rüstete der Abt, der sich der Hilfe der schwäbischen und österreichischen Städte versichert hatte, ein Heer von 5000 Mann, das von St. Gallen aus gegen das Land Appenzell hinaufzog. So kamen sie zur «Vögelinseck», einer Anhöhe vor dem Dorfe Speicher.
«Es war ein schmaler und tief eingeschnittener Hohlweg, durch den sie sich hinaufzuwinden hatten; in diesem Einschnitt konnten sie nicht weit sehen, denn die Borde des Weges waren so hoch, dass selbst die Reiter mit dem Kopfe nicht über dieselben hinausragten. Der Zug war derart geordnet, dass Zimmerleute und Werkleute mit Schützen vorangingen, dann die Reiterei und Fusstruppen folgten. Mit grosser Leichtfertigkeit und ziemlich ordnungslos zogen sie dahin.» An der Letzi angekommen, machten sie Halt und wurden so von den hinter der Verschanzung aufgestellten Appenzellern überrascht, die kraftvoll hervorbrachen und die Reiterei durch Steinwürfe in Unordnung brachten.
«Die Reiter wurden zurückgeworfen und suchten weiter unten Stellung zu nehmen; allein dadurch geriet das Fussvolk in Verwirrung; die schimpflichste Flucht begann. Unterbeständigen Angriffen, mit wuchtigen Schlägen und Hieben, jagten die Appenzeller und die Eidgenossen sie alle den Berg hinunter bis vor die Tore von St. Gallen und schlugen viele tot.» Während des auf diesen Sieg noch folgenden Kleinkrieges legten sich nun die Eidgenossen ins Mittel.
Sie veranlassten einerseits den Stand Schwyz, von seinem Bündnis mit Appenzell zurückzutreten, andrerseits aber auch die Reichsstädte und St. Gallen, mit den Appenzellern ihren Frieden zu machen. Der Abt dagegen, der auf die Hilfe Oesterreichs zählte, wies jeden Vergleich zurück, sodass der Kampf umso heftiger von neuem entbrannte. Nun schlug sich ein Ritter aus der Nachbarschaft, Graf Rudolf von Werdenberg-Heiligenberg, den Oesterreich um sein ganzes Gut gebracht, auf die Seite der Appenzeller, denen er seine Mithilfe versprach, unter der Bedingung freilich, «dass sie ihm zur Besitznahme seiner verlorenen Herrschaften wieder verhelfen und ihn an Oesterreich rächen. Die Appenzeller gingen den Vertrag ein (Oktober 1404).» Zugleich wurde auch die Freundschaft mit der Stadt St. Gallen wieder erneuert.
Nun zog zum zweitenmal eine feindliche Armee gegen das aufrührerische Bergvölklein. Das Heer teilte sich in zwei Haufen. Während der eine unter der persönlichen Führung des Herzogs Friedrich von Oesterreich die Umgebung von St. Gallen verwüstete, zog der andere am von Altstätten aus, um über den Stoss ins Appenzellerland vorzudringen. «Der Tag war trüb und kühl; es hatte stark geregnet, sodass Pfade und Abhänge schlüpfrig geworden waren.» Die Appenzeller erwarteten den Feind hinter der Letzi an der Grenzmark ihres Landes, unterhalb der Höhe des Stoss.
Sie liessen einen Teil der Oesterreicher sich einen Durchgang durch die Letzi hauen und der Höhe zu weiter ziehen. Dann aber brachen sie los. «Schnurstracks rückten die Appenzeller heran mit wildem Geschrei, Steine und Holzblöcke vor sich her auf den Feind werfend. Verwirrung trat bei diesem ein. Der Abhang war glatt und schlüpfrig; die Oesterreicher vermochten nicht zu stehen, während die Appenzeller barfuss, mit wunderbarer Sicherheit leicht und frei auf den bekannten Alpenhalden sich vorwärts bewegten.» Nach einigen Stunden hartnäckigen Kampfes war der Feind geworfen, der sich nun in wilder Flucht bergabwärts Altstätten zuwandte.
Die Appenzeller hatten «den glänzendsten Sieg erfochten», der ihnen die Achtung ihrer nähern und weitern Nachbarn sicherte. Auf der Tagsatzung von Zug schlossen die sieben eidgenössischen Orte (Bern hielt sich zurück) mit Appenzell ein Burg- und Landrecht Als die Eidgenossen im folgenden Jahre mit Oesterreich einen fünzigjährigen Frieden schlossen, wurde auch Appenzell in diesen miteingeschlossen und konnte sich von da an als frei und unabhängig betrachten. Die Stadt St. Gallen ward von den Eidgenossen im Jahr 1412 in ein zehnjähriges Burgrecht aufgenommen, das dann 1455 in ein ewiges Bündnis umgewandelt wurde. ¶
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14. Befreiung des Wallis; Kampf von Ulrichen.
Die Bischöfe von Sitten waren vom letzten Könige Burgunds mit der Grafschaft Wallis belehnt worden, die ihnen jedoch die Grafen von Savoyen streitig machten, denen es gelang, sich des Unter Wallis bis zum Wildbach Morge zu bemächtigen. Sowohl im bischöflichen wie im gräflichen Teil des Landes entstanden dann Gemeinden, deren Vorhandensein schon im 13. Jahrhundert erwähnt wird und die unter dem Vorsitz ihrer Herren oder Vögte ihre lokalen Angelegenheiten in eigenen kleinen Landsgemeinden behandelten. 1339 erhielt die Stadt Sitten vom Kaiser Ludwig dem Baiern einen Freibrief. Von dieser Zeit an erlangten die Gemeinden samt der Stadt Sitten «nach und nach Mitwirkung neben dem Bischof bei öffentlichen Angelegenheiten; sie bestellten einen Landrat, durch den des Bischofs Gewalt beschränkt war». Zur Ernennung der Abgeordneten («Nuntii» genannt) in diesen Rat taten sich die Gemeinden zu Gruppen zusammen, die von ihrer frühern Anzahl «Zehnten» geheissen wurden.
Im 13. und 14. Jahrhundert spielte im Wallis die Ritterschaft eine grosse Rolle. Von den einflussreichsten dieser Adelsgeschlechter nennen wir die Herren von Thurn-Gestelen (französ. La Tour-Châtillon), die Raron, Saillon, Saxon, Turtman, Tavelli, Asperling, Chaland. Diese Herren standen entweder unter den Bischöfen von Sitten oder unter den Grafen von Savoyen, zuweilen auch unter beiden zugleich. Sie lagen mit ihren Oberherren in beständiger Fehde, weshalb die Bischöfe, um sich vor ihren Angriffen zu schützen, den die Stadt Sitten beherrschenden Hügel von Tourbillon befestigen liessen, mit Bern und Solothurn Bündnisse eingingen und an verschiedenen Punkten des Landes Verteidigungstürme erbauten.
Nun beschloss der Adel, an dessen Spitze die Herren von Thurn standen, sich der Feste Tourbillon zu bemächtigen. Sie warben im Hasle-, Simmen- und Frutigthal ein Heer, das die Gemmi herabzog, aber bei Leuk vom Volk des Wallis überfallen und auf einer thalabwärts gelegenen Wiese («Seufzermatte» genannt) vollständig vernichtet wurde (1318). Der Adel gab seine Sache aber noch nicht verloren. Als nach der Einsetzung des Bischofes Witschard von Tavelli 1342 ein Streit mit der Stadt Sitten ausbrach, suchten das Domkapitel und der Adel Hilfe beim Grafen von Savoyen, Amadeus VI., der diese Gelegenheit zur Einmischung in die Walliser Händel gerne ergriff und 1352 Sitten einnahm, dessen Bürger ihm huldigen mussten.
Die in ihrer Existenz bedrohten Gemeinden des Ober Wallis wandten sich an den Kaiser Karl IV. von Luxemburg um Schulz, der ihnen denn auch in der Urkunde vom durch Bestätigung aller ihrer Privilegien und Freiheiten gewährt wurde. Trotzdem dauerte der Kampf weiter und erreichte seinen Höhepunkt mit der Ermordung des Bischofes Witschard von Tavelli, der am von Knechten seines Grossneffen und ärgsten Feindes, Anton von Thurn, aus den Fenstern der Burg La Soie zu Tode gestürzt wurde.
Diese Schandtat brachte das Volk in Aufruhr: die Leute des Goms, von Brig, Leuk, Sitten und Siders brachen mit Hilfe von Zuzügern aus den Waldstätten die Schlösser Antons von Thurn und nötigten diesen selbst, am Hofe von Savoyen Schutz zu suchen. Wenige Jahre später entbrannte die Fehde von neuem. Ein vom Grafen Amadeus VII., dem «Roten», geworbenes Heer, das unter dem Befehl Peters von Greierz das Rhonethal aufwärts zog, wurde aber von den Wallisern unter Peter von Raron bei Visp überrascht und gänzlich geschlagen
Nach dem Tod Witschards von Tavelli war Wilhelm von Raron zur Bischofswürde gelangt, dessen Onkel Witschard sich den Titel eines Landeshauptmanns beilegte, die Zügel der Regierung ergriff und die Freiheit des Walliser Volkes bedrohte. Der Krieg gegen Raron begann. Die Patrioten trugen nun die sog. «Mazze», eine mächtige Holzkeule, deren Spitze ein roh geschnitztes Menschenhaupt trug, von Ort zu Ort. Das in seinen Zügen eine tiefe Traurigkeit ausdrückende Bildnis wurde gefragt: «Wer bedrückt dich? Ist es Silenen? Ist es Asperlin? Ist es Haugarten?» Auf alle diese Namen blieb die Mazze unbeweglich, senkte sich aber auf den Namen Raron, worauf alle diejenigen, die am Zuge gegen das verhasste Geschlecht teilnehmen wollten, einen Nagel in die Keule schlugen. Um dem gegen ihn sich erhebenden Sturm zu entgehen, floh Witschard von Raron 1414 nach Savoyen.
Die Burgen der Raron wurden genommen und gebrochen. Während aber die Waldstätte mit den Wallisern gemeinsame Sache machten, stellte sich Bern auf Seite der Raron. Bei Ulrichen stiessen die Feinde aufeinander: hier hieben die Walliser, von einem wackern Bauer, Thomas Riedi in der Pünt, und dem Diakon von Münster, Jakob Minichow, zum Kampfe aufgerufen und ermuntert, die Eindringlinge in Stücke. Die Berner mussten sich mit ihren Zuzügern aus Solothurn, Freiburg, Biel, Aargau, Neuenburg und Schwyz zurückziehen (Ende Oktober 1419), sannen aber auf Rache für ihre Niederlage. Da endigte den Streit ein vom Herzog von Savoyen, dem Erzbischof von Tarentaise und dem Bischof von Sitten gefällter Schiedsspruch (1420), laut welchem die Walliser dem Raron seine Herrschaften zurückgeben und ihm für seine Mobilien 10000 Gulden bezahlen, sowie die Berner mit 10000 und den Bischof von Sitten mit 4000 Gulden entschädigen sollten.
Die des langen Kampfes müden Walliser fügten sich diesem für sie so ungünstigen Entscheid. Der neue Bischof von Sitten, Andreas von Gualdo, sah die Notwendigkeit ein, dem Volk entgegenzukommen: er garantierte 1425 den Gemeinden und Zehnten ihre Freiheiten und Rechte und schränkte die richterliche Gewalt des Bischofes ein. Der Walliser Historiker Boccard urteilt, dass der grösste Fehler, den Witschard von Tavelli begangen, der war, dem Volkswillen vor den Kopf gestossen und polizeiliche Massnahmen getroffen zu haben, die zwar an sich gerechtfertigt gewesen, vom Volk aber wegen ihrer Tendenz, alt eingewurzelte Gewohnheiten umzustossen, schlecht aufgenommen worden seien.
Dem Hasse des Volkes geweiht, verliess der Herr von Raron mit seinen Söhnen das Land, worauf seine Nachkommen Anspruch auf Toggenburg und Uznach, die ihnen aus dem Toggenburger Erbe zugefallen waren, machten. Seither vermochte sich im Wallis kein anderes Geschlecht mehr derart emporzuschwingen, dass es den Gang der politischen Befreiung des Landes hätte hemmen können. Nach dem Tode Andreas' von Gualdo beteiligten sich die Volksabgeordneten zum erstenmal an der Bischofswahl, welche Sitte sich seither durch alle Jahrhunderte hindurch bis heute erhalten hat.
15. Die Bünde in Rätien.
Unter Karl dem Grossen war die Ausübung der weltlichen Gewalt in Churrätien einem Grafen übertragen. Als dann dessen Nachkommen Herzoge von Alemannien wurden, kam Churrätien ebenfalls an dieses Herzogtum. Die geistliche Hoheit stand den Bischöfen von Chur zu, die ihre Herrschaft zu Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts auch noch auf das Hinterrheinthal, Engadin, Puschlav und auf Chiavenna ausdehnten und als grösste Grundherren des Landes bald auch wieder weltliche Macht erlangten.
Daneben bestanden noch andere, weltliche und geistliche Herrschaften. So beherrschten die Fürstäbte von Pfäfers die Gemeinden Ragaz, Pfäfers, Vättis und Valens, wozu noch viele zerstreut gelegene Meierhöfe kamen. Nahezu das ganze Bündner Oberland, d. h. das Thal des Vorderrheins stand unter den Aebten des Klosters Disentis. «Von weltlichen Herrschaften findet man ein ganzes Gewimmel in diesem so zerstückelten Bergland, wovon jetzt noch die vielen Burgruinen Kunde geben.» Von diesen Dynastengeschlechtern, die heute alle erloschen sind, nennen wir als die hervorragendsten die Herren von Montfort, die Werdenberg-Sargans, die Freiherren von Sax und von Vaz, die Herren von Belmont, von Aspermunt und von Mätsch, sowie die Freiherren von Räzüns.
Daneben gab es aber in Rätien, namentlich in den obersten Rheinthälern, auch noch zahlreiche freie Leute, von denen in erster Linie die «freien Walser» erwähnt werden müssen. «Es waren dies allem Anscheine nach Kolonisten, welche aus dem Ober Wallis eingewandert waren und öde Gegenden der obern Alpenregionen bebauten. Die rätischen Herren beförderten diese Einwanderung, die ihnen Nutzen bringen konnte. Diese deutschen Kolonisationen nahmen zu, wurden geschätzt und begünstigt; die Romanen sahen sich verdrängt. Wir finden diese „Walser“ ausser im Rheinwaldthal noch im Avers, Safien, in Obersaxen, Calfeisenthal, Davos und zerstreut in Churwalden, Seewis und ¶