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Namen gebot. Im 9. Jahrhundert war das später «die Schweiz» genannte Land, dem wir diesen Namen nun auch fürderhin geben wollen, in eine ganze Reihe von Gauen eingeteilt worden, die folgende Namen trugen: Thurgau, Zürichgau, Kleggau, Aargau, Frickgau, Sissgau, Baselgau, Buchsgau, Bargau (Biel und Neuenburg), Waldgau (Waadt), Ufgau (Freiburg und Berner Oberland), Equestergau, Genfergau, Grafschaft Wallis, Grafschaften Churrätien, Bellenz, Misox und Cläven (Chiavenna). Hauptaufgabe des Grafen war das Gericht, dessen Verhandlungen er in unter freiem Himmel stattfindender Volksversammlung leitete. Eine schwere Last bedeuteten für die Gesamtheit des Volkes die zahlreichen Feldzüge Karls des Grossen, die die Zahl der freien Männer erheblich verminderten und der kommenden Feudalherrschaft wesentlichen Vorschub leisteten.
Die Kirche bemühte sich, den rauhen Sitten jener Zeit möglichst entgegenzutreten. Karl der Grosse sicherte ihr durch Einführung des Zehntens regelmässige Einkünfte und stellte die Klöster unter die bischöfliche Gerichtsbarkeit. Er schenkte der Abtei Saint Maurice reiche Güter und soll das Chorherrenstift am Grossmünster und die «Karlsschule» (Carolinum) in Zürich gestiftet haben.
2. Aufkommen der Feudalherrschaft und steigende Macht der Klöster.
Auf Karl den Grossen folgte im Jahr 814 sein Sohn Ludwig der Fromme. Dessen Söhne teilten nach seinem Tod im Vertrag von Verdun 843 das Reich: Ludwig der Deutsche erhielt Alemannien (Schwaben), Karl der Kahle Frankreich und Lothar Italien, Burgund, Lothringen und die Niederlande. Von Helvetien kamen der Osten und das Zentrum an das Königreich Alemannien und der Westen zuerst an das Königreich Lothringen, später an Frankreich. Im Jahr 853 vergabte Ludwig der Deutsche das Land Uri dem Kloster St. Felix und Regula in Zürich, das er für seine Tochter Hildegard gestiftet oder vergrössert hatte.
Drei Jahre später fügte er dieser Schenkung noch die Kapellen zu Bürglen und Silenen bei. Zur Zeit Karls des Dicken erklärte ein diesem schwachen Herrscher im Jahr 877 abgerungenes Edikt die Grafschaften für erbliche Reichslehen. Seither kannte der Ehrgeiz der Grossen keine Schranken mehr. Die schon im Innern durch den emporkommenden Adel geschwächte Königsmacht sah sich dazu noch den Einfällen der Sarazenen, Normannen und Ungarn ausgesetzt. Burgund ward wieder ein Königreich und wählte zu seinem ersten Herrscher den Grafen Rudolf, Rektor des transjuranischen Burgund (888), und wenige Jahre später (917) konnte es der deutsche König Konrad I. nicht hindern, dass der Markgraf Burkhard von Churrätien zum Herzog von Schwaben erhoben wurde. Im Laufe des 9. und 10. Jahrhunderts kamen neue Geschlechter zu Macht und Ansehen, wie u. a. die Savoyer, Lenzburger, Neuenburger, Kiburger und Zäringer.
Die Macht der Grafen sah sich aber bald wieder eingeschränkt durch die sog. Immunität, die sich Königsleute und geistliche Stiftungen zu erwerben wussten. Was der Staat an Autorität und Boden verlor, kam der Kirche zu gute. Zu jener Zeit überwiegenden Einflusses der religiösen Ideen auf alle Zweige des Lebens pflegten Fürsten wie Volk zu ihrem Seelenheil der Geistlichkeit reiche Schenkungen zu vergaben. Zahlreiche Männer und Frauen verzichteten auf das unruhige Getriebe des weltlichen Lebens und zogen sich in das beschauliche Klosterleben zurück. Die Klöster schossen wie Pilze aus dem Boden; so entstanden im 10. und 11. Jahrhundert die Abteien oder Priorate von Payerne, auf dem Grossen St. Bernhard, von Einsiedeln, Stein am Rhein, Muri, Allerheiligen in Schaffhausen, Rougemont u. a. m.
3. Einverleibung des Herzogtums Schwaben und des Königreiches Burgund in das deutsche Reich.
Auf den Zusammenbruch der Karolingermacht folgte eine Zeit allgemeiner Unsicherheit. 917 verheerten die Ungarn das Gebiet der Schweiz; die Sarazenen bemächtigten sich der Alpenpässe, besetzten Churrätien (936-940), steckten die Abtei Saint Maurice in Brand und verwüsteten das Waadtland. Gerade zu dieser kritischen Zeit traten aber zwei grosse Monarchen auf den Plan: Heinrich I. von Sachsen, genannt der Vogelsteller, und sein Sohn Otto der Grosse, die durch ihre Siege über Slaven, Ungarn und Normannen dem Königtum wieder zu neuem Ansehen verhalfen. ¶
Die Schweiz zur Eisenzeit
Lief. 205.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 0’ O; 47° 0’ N; 1:2300000]
⊙ Ansiedlung
д Befestigter Platz
• Depotfund
▭ Flachgräber
∎ Hügelgräber
△ Inschrift
x Bergwerk
… Pässe
Mce. Borel & Cie.
Attinger, sc.
DIE SCHWEIZ ZUR EISENZEIT ¶
Die Schweiz zur Alemannisch-Burgundischen Zeit
Lief. 205.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 0’ O; 47° 0’ N; 1:2300000]
+ Kloster
♁Bistumssitz
♁Früh. Bistumssitz
o Stadt
• Ort
Mce. Borel & Cie.
Attinger, sc.
DIE SCHWEIZ ZUR ALEMANNISCH-BURGUNDISCHEN ZEIT ¶
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Um gegen die Ungarn besser gerüstet zu sein, verbündete sich Herzog Burkhard I. von Schwaben mit König Rudolf II. von Burgund, dem er als Pfand des Friedens seine Tochter Bertha zur Gemahlin gab. Das Andenken der guten Königin Bertha lebt heute noch im Herzen der Welschschweizer in dankbarer Erinnerung fort. Im Jahr 920 bequemte sich Burkhard I. zur Anerkennung der Oberhoheit Heinrichs des Vogelstellers. Als sein Sohn Burkhard II. im Jahr 973 kinderlos starb, fiel sein Herzogtum nach verschiedenen Zwischenfällen an das Reich zurück. Das gleiche Schicksal traf im Jahr 1032 auch das Königreich Burgund, indem Rudolf III. (ein Enkel der Königin Bertha) den deutschen Kaiser zu seinem Erben einsetzte. Von diesem Zeitpunkt ab betrachtete die herrschende Kaiserfamilie das transjuranische Burgund als ihr erbliches Eigentum und wurde das Welschland nach einer selbständigen Existenz von 145 Jahren zu einer Provinz des deutschen Reiches.
4. Verkündigung des «Gottesfriedens». Sitten, religiöses und geistiges Leben im 10. und 11. Jahrhundert.
Die Macht des Königtums reichte nicht aus, um die öffentliche Ruhe wirksam zu erhalten und die Schwachen gegen ihre mächtigen Widersacher zu beschützen. Gewalttätige Uebergriffe, Plünderung und Anarchie waren zu einem chronischen Uebel geworden. Um dieser allgemeinen Zerrüttung ein Ende zu machen, folgten die Erzbischöfe von Besançon, der Tarentaise und von Vienne im Dauphiné, sowie die Bischöfe von Basel, Belley, Genf, Saint Jean de Maurienne, Aosta und Sitten einem Ruf des Bischofes Hugo von Lausanne und versammelten sich im Jahr 1036 (oder 1037) am Fuss des Hügels Montriond bei Lausanne, um einen allgemeinen «Gottesfrieden» (treuga Dei; französ. Trève-Dieu) feierlich zu verkünden: Unter Androhung der Strafe der Exkommunikation wurde jedermann angehalten, vom Mittwoch Abend bis Montag Morgen, sowie in den heiligen Wochen der Advents- und Passionszeit jegliche Fehde ruhen zu lassen.
Der Kaiser besuchte seinerseits die geistlichen Stiftungen und hielt Reichstage in Zürich, Solothurn und Basel. Die von den Ungarn niedergebrannten Dörfer und Weiler wurden wieder aufgebaut. Die Häuser bestanden, wie übrigens auch einzelne Kirchen, durchwegs aus Holz und waren mit Stroh gedeckt. Neben diesen armseligen Hütten erhoben sich mitten im Feld oder zu oberst auf einem Hügel befestigte Anlagen mit steinernen Türmen. Dies waren die Sitze der Herren (Grafen, Freiherren, Ritter) oder auch wohl der von einem Kloster eingesetzten Vögte.
Hinter diesen Wällen suchte das in der Umgegend angesiedelte Volk zu Zeiten der Gefahr Schutz und Zuflucht und begann sich bald auch ein bescheidener Handels-, Verkehrs- und Gewerbestand zu bilden. Die Mehrzahl der Schweizerstädte bestand schon im 11. oder 12. Jahrhundert. Die Scheidung in Herren und Volk machte sich immer schärfer geltend. «Jene gebieten und geniessen; dieses gehorcht und leidet. Das ritterliche Wesen und Treiben beginnt sich jetzt zu entwickeln, und die Klöster und Stifte ergeben sich, da sie nun reich geworden, dem Wohlleben und dem Genuss. Alles dies geschieht zum Schaden des Landvolkes. Der Bauer gerät in Abhängigkeit von geistlichen und weltlichen Grundherren; er geht seiner Freiheit verlustig, wird zum Zinsbauer oder gar zum Leibeigenen und Hörigen heruntergedrückt.» Doch stand sich das Volk bei uns immer noch besser und war der Stand freier Leute immer noch zahlreicher als anderswo.
Unglücklicherweise bauten aber Herren wie Bauern nur so viel, als man zum Leben gerade bedurfte, sodass eine schlechte Ernte unfehlbar Hungersnot und Teuerung nach sich zog. Die Klöster, deren Besitzungen oft weit auseinander lagen, begannen bald einen Tauschhandel unter ihren eigenen Gütern und mit andern religiösen Stiftungen. Auch die Herren, deren Landbesitz vielfach stark zerstückelt war und die an den verschiedenen Herrscherhöfen dienten, fanden Vorteil am Austausch ihrer Produkte.
Bloss das Volk war nicht in der Lage, es den geistlichen und weltlichen Herren gleichzutun. Wein und Lebensmittel wurden auf Ochsenkarren oder auf dem Wasserweg von Ort zu Ort transportiert. Der Durchgangsverkehr zwischen Italien, Deutschland und Frankreich lockte zahlreiche Handeltreibende in unser Land. Zu dieser Zeit war der Gotthard noch nicht begangen, während der Lukmanier, St. Bernhardin und besonders der Grosse St. Bernhard und Septimer eines verhältnismässig regen Verkehrs sich erfreuten.
Besonders dieser letztgenannte Pass zeigte sich dank der zu entrichtenden Zölle als eine reichlich fliessende Einnahmequelle für die Bischöfe von Chur. Nicht selten ereignete es sich, dass friedliche Reisende und ehrbare Handelsleute überfallen und ausgeplündert wurden. Eine allgemeine Unsicherheit der Strassen war die Regel, wie überhaupt die damalige Zeit von rohen Sitten war und den übelsten Leidenschaften die Zügel schiessen liess. Kirchen, Klöster und Höfe wurden oft überfallen, geplündert und in Brand gesteckt.
Die geistige Kultur blieb auf die Klöster beschränkt. Als hervorragendes Beispiel hiefür kann das Kloster St. Gallen dienen, welche berühmte Abtei im 10. Jahrhundert zu einer Blüte gelangt war, die sie nie mehr übertreffen sollte. Als Vertreter der höchsten Kultur ¶