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ihr zweischneidiges Einhänder-Schwert, die Spatha, bei sich, noch häufiger aber den kurzen einschneidigen Zweihänder, den Skramasax. In Frauengräbern stösst man auf Perlschmuck aus Glas, Email und Bernstein. Hier und da erscheint auch anderer Schmuck, z. B. Schnallen, Gürtelbeschläge, Riemenzungen, Amulette. Auch die Waffen beschränken sich nicht auf die obgenannten, sondern es erscheinen ferner Pfeil- und Speerspitzen, Beile, Messer, Schilde, sogar Helme.
Betrachtet man besonders den Schmuck, so erkennt man, dass gewisse Formen und Verzierungen nur im Gebiet der Alemannen, andere nur im Gebiet der Burgundionen vorkommen. Besonders interessant ist in dieser Beziehung ein Vergleich der Funde des Kantons Solothurn. Unter den 146 mit Beigaben versehenen Gräbern von Oberbuchsiten findet sich kaum eine jener breiten Gürtelplaquen, wie sie z. B. aus Grenchen bekannt sind. Während die silbertauschierten Gurtschnallen von Oberbuchsiten oder Seengen derart erstellt wurden, dass man Silberfäden in den Eisengrund presste, sehen diejenigen vom Weissbühl (Bern) aus, als hätte man aus dem Silberbelag der Eisenschnalle die Ornamente herausgeschnitten. Nimmt man aber die Funde aus den Langobardengräbern, etwa von Castione (Tessin), zum Vergleich, so erkennt man leicht, dass bei Alemannen und Burgundionen die Bandverschlingungen noch in später Zeit deutlich sichtbar sind, während bei den Langobarden all das in Fragmente zerstückelt erscheint. In burgundischen Grabstätten bewundern wir die Darstellungen aus der Bibel, z. B. Daniel in der Löwengrube; in den Frankengräbern erscheint die Lieblingswaffe der Franken, die Wurfaxt oder Franziska. So zeigt sich überall die Mannigfaltigkeit in der Einheit.
In römischer Zeit war das Christentum auch in unser Land gekommen, und die Legenden wissen viel davon zu erzählen, z. B. diejenige über die Niedermetzelung der Thebaischen Legion in Saint Maurice, von Ursus und Viktor in Solothurn, von Felix und Regula in Zürich. Einige Christengemeinden vermochten sich trotz der Wirren der Völkerwanderung zu erhalten, so Genf, Oberwinterthur, Bregenz. Die Burgundionen waren bei ihrer Einwanderung in die Westschweiz bereits Christen, aber sie gehörten zu den Arianern.
Deshalb entstanden harte Glaubenskämpfe, bis auch sie der orthodoxen Lehre beitraten. Die Alemannen kamen als Heiden in unser Land. Erst ums Jahr 600 erschienen auch bei ihnen Prediger, welche den Glauben an Christus verkündigten. Unter denselben ist der bedeutendste der Ire Gallus, der Gründer des Klosters St. Gallen, das in karolingischer Zeit sogar die berühmten Stifte von Agaunum (Saint Maurice) und Romainmôtier in Burgund an Ruhm übertreffen sollte und in dessen Klosterschule die vorzüglichste Stätte der Bildung im südlichen Germanien entstand. Den im Kloster St. Gallen aufbewahrten Urkunden verdanken wir auch einen wesentlichen Teil unserer Kenntnisse über die alemannischen Ansiedlungen unserer Gegenden.
[Dr. J. Heierli.]
C. GESCHICHTE SEIT KARL DEM GROSSEN.
I. Anfänge.
1. Helvetien unter den Karolingern.
Der stürmische Sinn der Alemannen und der Einfall der Sarazenen hatten die fränkische Herrschaft zu einem gegebenen Moment in Gefahr gebracht, bis die von Karl Martell errungenen grossen Erfolge dieselbe wieder fester als je auf die Füsse stellten. Karl der Grosse, der Enkel Karl Martells, errichtete eine Staatsordnung, die als ein Versuch der Verschmelzung römischer Zivilisation mit der freieren Verfassung Germaniens aufgefasst werden kann. Alljährlich wurde das Volk zu grossen Versammlungen, den sog. Maigerichten (französ. Champs de Mai oder Plaids généraux), zusammengerufen, um den Gesetzen seine Sanktion zu erteilen. Zur Vorbereitung dieser Gesetze oder Kapitularien beriet sich Karl der Grosse mit den weltlichen und geistlichen Würdenträgern, sowie den Grossen seines Reiches. Gesetzgeber, Kriegsherr und oberster Richter war der Kaiser. Die Landesverwaltung beruhte auf dem System der Grafschaften, indem in jedem Gau ein vom Kaiser eingesetzter Graf (Gaugraf) in dessen ¶
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Namen gebot. Im 9. Jahrhundert war das später «die Schweiz» genannte Land, dem wir diesen Namen nun auch fürderhin geben wollen, in eine ganze Reihe von Gauen eingeteilt worden, die folgende Namen trugen: Thurgau, Zürichgau, Kleggau, Aargau, Frickgau, Sissgau, Baselgau, Buchsgau, Bargau (Biel und Neuenburg), Waldgau (Waadt), Ufgau (Freiburg und Berner Oberland), Equestergau, Genfergau, Grafschaft Wallis, Grafschaften Churrätien, Bellenz, Misox und Cläven (Chiavenna). Hauptaufgabe des Grafen war das Gericht, dessen Verhandlungen er in unter freiem Himmel stattfindender Volksversammlung leitete. Eine schwere Last bedeuteten für die Gesamtheit des Volkes die zahlreichen Feldzüge Karls des Grossen, die die Zahl der freien Männer erheblich verminderten und der kommenden Feudalherrschaft wesentlichen Vorschub leisteten.
Die Kirche bemühte sich, den rauhen Sitten jener Zeit möglichst entgegenzutreten. Karl der Grosse sicherte ihr durch Einführung des Zehntens regelmässige Einkünfte und stellte die Klöster unter die bischöfliche Gerichtsbarkeit. Er schenkte der Abtei Saint Maurice reiche Güter und soll das Chorherrenstift am Grossmünster und die «Karlsschule» (Carolinum) in Zürich gestiftet haben.
2. Aufkommen der Feudalherrschaft und steigende Macht der Klöster.
Auf Karl den Grossen folgte im Jahr 814 sein Sohn Ludwig der Fromme. Dessen Söhne teilten nach seinem Tod im Vertrag von Verdun 843 das Reich: Ludwig der Deutsche erhielt Alemannien (Schwaben), Karl der Kahle Frankreich und Lothar Italien, Burgund, Lothringen und die Niederlande. Von Helvetien kamen der Osten und das Zentrum an das Königreich Alemannien und der Westen zuerst an das Königreich Lothringen, später an Frankreich. Im Jahr 853 vergabte Ludwig der Deutsche das Land Uri dem Kloster St. Felix und Regula in Zürich, das er für seine Tochter Hildegard gestiftet oder vergrössert hatte.
Drei Jahre später fügte er dieser Schenkung noch die Kapellen zu Bürglen und Silenen bei. Zur Zeit Karls des Dicken erklärte ein diesem schwachen Herrscher im Jahr 877 abgerungenes Edikt die Grafschaften für erbliche Reichslehen. Seither kannte der Ehrgeiz der Grossen keine Schranken mehr. Die schon im Innern durch den emporkommenden Adel geschwächte Königsmacht sah sich dazu noch den Einfällen der Sarazenen, Normannen und Ungarn ausgesetzt. Burgund ward wieder ein Königreich und wählte zu seinem ersten Herrscher den Grafen Rudolf, Rektor des transjuranischen Burgund (888), und wenige Jahre später (917) konnte es der deutsche König Konrad I. nicht hindern, dass der Markgraf Burkhard von Churrätien zum Herzog von Schwaben erhoben wurde. Im Laufe des 9. und 10. Jahrhunderts kamen neue Geschlechter zu Macht und Ansehen, wie u. a. die Savoyer, Lenzburger, Neuenburger, Kiburger und Zäringer.
Die Macht der Grafen sah sich aber bald wieder eingeschränkt durch die sog. Immunität, die sich Königsleute und geistliche Stiftungen zu erwerben wussten. Was der Staat an Autorität und Boden verlor, kam der Kirche zu gute. Zu jener Zeit überwiegenden Einflusses der religiösen Ideen auf alle Zweige des Lebens pflegten Fürsten wie Volk zu ihrem Seelenheil der Geistlichkeit reiche Schenkungen zu vergaben. Zahlreiche Männer und Frauen verzichteten auf das unruhige Getriebe des weltlichen Lebens und zogen sich in das beschauliche Klosterleben zurück. Die Klöster schossen wie Pilze aus dem Boden; so entstanden im 10. und 11. Jahrhundert die Abteien oder Priorate von Payerne, auf dem Grossen St. Bernhard, von Einsiedeln, Stein am Rhein, Muri, Allerheiligen in Schaffhausen, Rougemont u. a. m.
3. Einverleibung des Herzogtums Schwaben und des Königreiches Burgund in das deutsche Reich.
Auf den Zusammenbruch der Karolingermacht folgte eine Zeit allgemeiner Unsicherheit. 917 verheerten die Ungarn das Gebiet der Schweiz; die Sarazenen bemächtigten sich der Alpenpässe, besetzten Churrätien (936-940), steckten die Abtei Saint Maurice in Brand und verwüsteten das Waadtland. Gerade zu dieser kritischen Zeit traten aber zwei grosse Monarchen auf den Plan: Heinrich I. von Sachsen, genannt der Vogelsteller, und sein Sohn Otto der Grosse, die durch ihre Siege über Slaven, Ungarn und Normannen dem Königtum wieder zu neuem Ansehen verhalfen. ¶