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Fürstengrab von Zürich, welches eine Goldschüssel barg, auf deren Bauch Tierfiguren zu sehen sind. Es ist ein Unikum.
d) Die La Tène-Gräber der Nord- und Westschweiz. Die ältern Grabhügel bergen nur verbrannte Leichen. Nach und nach aber erscheinen auch wieder Skelettgräber, und gegen das Ende der 1. Eisenzeit oder der Hallstattperiode verschwindet der Leichenbrand ganz. Bei Beginn der 2. Eisenzeit oder der La Tène-Periode, also im fünften Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, wird auch der Grabhügel verlassen, und man bettet die Toten in freie Erde und zwar in ausgestreckter Lage. Höchstens wird ein trockenes Mäuerchen (ohne Mörtel) um die Leiche aufgeführt. Die jüngsten La Tène-Gräber dürfen den Helvetiern zugeschrieben werden.
In Horgen am Zürichsee wurde bei einer Strassenkorrektion ein Grab gefunden, das wohl eine Frau beherbergt hat. Beim Skelett, welches in freie Erde gebettet war, lagen viele Schmucksachen, ein auf der Töpferscheibe erstellter Topf und eine goldene Münze. Unter den Schmucksachen ist zuerst zu nennen eine silberne Mittel-La Tène-Fibel. Bei den Früh-La Tène-Fibeln ist der Fuss nur aufgebogen und gegen den Bügel zurückgelegt; hier umfasst er den Bügel mit einer Zwinge.
Während die Sicherheitsnadel aus Silber besteht, fand sich daneben ein Stück eines Kettchens aus Bronze. Ausserdem enthielt das Horgener Grab zwei Armringe aus Glas, welche mit Kobalt blau gefärbt waren, und einen Ring aus Pechkohle oder Gagat. Glasarmringe finden sich nur in Gräbern der mittlern La Tène-Zeit, also in solchen der letzten zwei Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung. Sie weisen verschiedene Farben auf. Am schwierigsten herzustellen war durchsichtiges Glas. Es gibt indessen schon in der Mittel-La Tène-Zeit durchsichtige Glasringe; aber sie erscheinen gelb, weil auf der Innenseite eine gelbe Folie eingebrannt wurde. In Horgen fand man auch Fingerringe.
Zwei derselben bestehen aus Gold, ein dritter aus Silber. Der letztere trägt einen geschnittenen Stein. Wichtiger als diese Ringe ist ein Topf aus unserm Grabe, der auf der Töpferscheibe hergestellt wurde. Die Drehscheibe ist also in unsern Gegenden seit der Mittel-La Tène-Zeit bekannt. Endlich müssen wir noch die Münze erwähnen. Es ist eine Goldmünze. Sie zeigt auf der Vorderseite einen lorbeerbekränzten Kopf, ähnlich den griechischen Münzen. Auf der Rückseite erblickt man ein Zweigespann und darunter einige griechische Buchstaben, Teile des Namens Philippos. Wir haben also hier eine gallische Nachahmung der Münzen des Königs Philipp von Makedonien vor uns.
Im Dickehof bei Schlatt (Kanton Thurgau) wurde ein Kriegergrab der La Tène-Zeit entdeckt. Neben dem Skelett lagen ein Mittel-La Tène-Schwert von 1 m Länge mit eiserner Scheide, der Schwertkoppelring ebenfalls aus Eisen, und eine breitblätterige La Tène-Lanze von etwa 30 cm Länge.
Gräber wie diejenigen von Horgen und Schlatt finden sich nicht bloss vereinzelt, sondern in ganzen Grabfeldern beisammen im schweizerischen Mittelland. Eines der bestuntersuchten ist dasjenige vom Boulevard Saint Martin in Vevey. Dasselbe enthielt etwa 30 Gräber, welche der Früh- und Mittel-La Tène-Zeit angehören. Die in diesen Gräbern liegenden Toten gehörten zu den Dolichocephalen mit langem schmalem Gesicht. Die mittlere Grösse der Männer wurde zu 167 cm, diejenige der Frauen zu 156 cm bestimmt.
Ein Grab enthielt die Leiche einer jungen Frau in freier Erde, von NNO. nach SSW. liegend. Auf der Schulter fand man eine Fibula, bei den Hüften eine Bronze-Gürtelkette. Am linken Arm kamen ein Bronzering und zwei Glasarmringe zum Vorschein, am rechten Arm ein Eisenring. Die rechte Hand trug einen goldenen Spiralring, die linke einen Silberring. Zwischen den Unterschenkeln fanden sich etwa 6 Fibeln der Mittel-La Tène-Zeit. Grab 17 barg in einem von NNO. nach SSW. liegenden viereckigen Holzsarg eine Kinderleiche.
Auf der linken Schulter lag eine eiserne La Tène-Fibel, und ausserdem fand sich ein Glasarmring wie in Grab 8. Ein wohlerhaltenes Kriegergrab der Mittel-La Tène-Zeit war Nr. 26. In einem viereckigen Sarge lag ein Mann, dessen Unterkörper mit dem. Schilde überdeckt worden war. Auf dem rechten Arm befand sich das Schwert, das Schwertband um die Klinge gewickelt. Daneben lag die Lanze, deren Spitze gegen die Füsse des Toten gerichtet war. Bei jeder Schulter wurde eine Eisenfibel entdeckt. Sie haben wohl zum Zusammenhalten des Leichentuches gedient. In andern Gräbern fanden sich Fibeln mit Emaileinlagen, Perlen aus Glas und Bernstein; ja sogar eine massaliotische Silbermünze kam zum Vorschein.
Das grösste bis jetzt in der Schweiz entdeckte La Tène-Gräberfeld wurde in Münsingen (Kanton Bern) bekannt, wo über 200 Gräber zum Vorschein kamen. Die Funde bestehen in Schwertern, aber auch in zahlreichen Schmucksachen. Besonders Fibeln, Ringe und Spangen waren häufig. Die meisten Schmucksachen bestanden aus Bronze, einige aus Gold, Bernstein etc. Die Waffen bestehen aus Eisen. Diese Funde von Münsingen befinden sich jetzt im Historischen Museum von Bern.
La Tène-Friedhöfe fand man auch in Gempenach, Bern, Spiez, Steinhausen u. a. O.; ja in der Tiefenau bei Bern glaubte man sogar ein Schlachtfeld aus helvetischer Zeit entdeckt zu haben.
e) Die ältesten Münzen und Inschriften. Im Jahr 1786 sah ein Fuhrmann, der vom Julier gegen Chur hinunter fuhr, in der Nähe des Hofes Burvagn (Burwein) bei Conters etwas in der Erde glänzen. Er grub nach und fand zwei ineinandergestülpte Kessel, in welchen Armbänder aus Silber und Gold, ein kleiner Kessel, «griechisches Erz» und besonders Münzen lagen. Der ganze Schatz wurde dann später von einem Goldschmied eingeschmolzen; nur einige Münzen haben sich erhalten. Es sind Silbermünzen aus Massilia (Marseille). Ein anderer interessanter Münzfund aus vorrömischer Zeit wurde neben dem Börsengebäude in Zürich gemacht, wo etwa 100 Kilo zusammengeschmolzener Potinmünzen ans Tageslicht kamen. Es scheint also da schon vor 2000 Jahren eine Art Börse bestanden zu haben.
Zahlreiche Goldmünzen aus der Zeit, die uns hier beschäftigt, stammen aus dem Freiamt, aus der Gegend von Windisch, Aarau und Schönenwerd. Im Winter 1839/40 stiess ein Bauer von Balsthal (Kanton Solothurn) beim Holzschlitteln auf mehrere Silbermünzen, die wahrscheinlich von den gallischen Stämmen der Sequaner und Aeduer geprägt worden waren. Noch bedeutender ist der Münzfund von Nunningen in demselben Kanton, der kleine dicke Silbermünzen mit behelmtem Kopf und springendem Pferd lieferte. Manche dieser «Nunninger Erbschen» weisen sogar Namen von gallischen Häuptlingen auf. Aehnliche Funde machte man am Mont Terri im Berner Jura. In der berühmten Station La Tène wurden bohnenartige Goldstücke gefunden, die man als Wertmesser, d. h. als Münzen betrachtet. Daneben kamen goldene Philippermünzen zum Vorschein, besonders aber Potinmünzen. Münzen aus Gold und Elektron (Mischung ¶
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von Gold und Silber) fanden sich auch in der Gegend von Vindonissa. Aventicum, das heutige Avenches, scheint wirklich, wie der römische Geschichtschreiber Tacitus sagt, das Haupt des helvetischen Landes gewesen zu sein; denn man fand daselbst einen Prägestock für Münzen. Merkwürdig ist, dass die Münzen, welche Orgetorix, der ehrgeizige Häuptling der Helvetier, schlagen liess, bis jetzt fast nur im östlichen Frankreich gefunden worden sind.
Sehr zahlreich sind die Münzen, die man auf und am Grossen St. Bernhard entdeckte. Es sind zumeist Münzen der am Südabhang des Bernhard wohnenden Salasser. In dem Heiligtum, das die im Norden des Berges sitzenden Veragrer in der Nähe des heutigen Hospizes errichtet hatten, kamen ausserdem Münzen verschiedener gallischer Stämme und Häuptlinge, Münzen von Massilia etc. zum Vorschein. Vereinzelte vorrömische Münzen sind in der Schweiz häufig, grosse Münzschätze nicht allzu selten; wirklich selten kommen dagegen Inschriften aus der Zeit vor Beginn unserer Zeitrechnung vor.
Eigentlich sind es nur das Misox und der Kanton Tessin, die uns solche geliefert haben. Vereinzelte Worte und Buchstaben finden sich auf Helmen, Sicherheitsnadeln und Gefässen der Gräberfunde, die wir besprochen haben. Die bis jetzt gefundenen Steininschriften liegen fast alle im rätischen Museum in Chur. In Mesocco wurden zwei Inschriftsteine entdeckt. Der eine derselben trägt, wenigstens teilweise, römische Buchstaben; der andere enthält die Worte VALAVNAL RANENI. In Davesco unfern Lugano kam eine 170 cm lange Granitplatte zum Vorschein, welche offenbar als Grabstein gedient hatte und in sog. lepontischer (nordetruskischer) Schrift die Worte enthält: «Der SLANIA VERKALA Grab» und «des TISIOS PIVOTIALOS Grab». Zwei ähnliche Inschriftsteine wurden in Mendrisio entdeckt. Der eine derselben ist lesbar und enthält die Worte: «ALKOMINOS, des ASCONETES (Sohn)». Beide Steine scheinen Grabsteine gewesen zu sein.
B. FRÜHGESCHICHTLICHE PERIODEN.
I. Die ältesten geschichtlichen Nachrichten über die Schweiz.
Fast gleichzeitig mit den ersten Münzen und Inschriften finden wir auch Spuren der Schrift. Die Priester der Helvetier, d. h. der La Tène-Leute der Schweiz im letzten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, scheinen die Kunst des Schreibens verstanden zu haben. Das helvetische Volk war eben im Begriff, in die Reihe der zivilisierten Nationen einzutreten, als sein Unglück und Ende kam. Kein Geringerer als der grosse römische Feldherr Julius Cäsar erzählt uns die letzten Schicksale der tapfern Helvetier.
Hören wir, was der Besieger derselben über sie berichtet: Die Helvetier, welche zwischen dem Rhein, dem Jura und den Alpen wohnten, wünschten eine neue, schönere Heimat zu erwerben. Ihr rauhes Land war zu klein, und von jenseits des Rheins drängten die Germanen heran. Ein Land, wie sie es sich wünschten, gab es im südlichen Frankreich. Dorthin wies der Häuptling Orgetorix oder, wie er sich auf den Münzen nennt, Orcitirix. Dorthin waren die alten Krieger der Helvetier einst auf einem Kriegszug gekommen und priesen das Land. Dort hatten sie sogar ein Römerheer besiegt.
Man beschloss, drei Jahre lang Vorräte zu sammeln und dann auszuwandern. In der Zwischenzeit wurde bekannt, dass Orcitirix darnach trachte, König zu werden: ein todeswürdiges Verbrechen. Man wollte ihn zur Verantwortung ziehen; aber es gelang nicht. Orcitirix verschwindet; er hat sich wohl das Leben genommen, um der Volksstrafe zu entgehen. Aber die Auswanderung fand dennoch statt. Im Jahre 58 v. Chr. bewegten sich schwerfällige Züge von Menschen und Tieren nach dem Genfersee. Es waren die Helvetier und ihre Nachbarn, die sich sammelten, um der Rhone nach in das südliche Gallien (Frankreich) zu wandern, im ganzen 368000 Menschen. Hinter ihnen lagen 400 Dörfer und 12 Städte in Schutt und Asche. Man hatte sie verbrannt, um jedem die Lust zur Heimkehr zu benehmen. Auf Ochsengespannen wurden Kranke, Vorräte, Schmuck und Waffen mitgeführt. An der Spitze des ganzen Zuges stand der greise Feldherr Diviko. Unter seinem direkten Befehl befanden sich etwa 92000 gutbewaffnete, kampfgeübte Krieger.
Der ungeheure Zug bewegte sich nach Genf. Dort stiess man auf die Römer, die von Cäsar kommandiert wurden. Die Helvetier baten, man möge sie ruhig ziehen lassen; sie werden strenge Mannszucht halten. Cäsar erbat sich Bedenkzeit; er wollte die Festungswerke vervollständigen. Als die helvetischen Gesandten wieder kamen, schlug er ihr Begehren rundweg ab. Diviko versuchte, den Durchpass mit Gewalt zu erzwingen; aber er fand einen überlegenen Gegner. Wohl oder übel musste er sich entschliessen, über den Jura zu gehen.
Unterdessen eilte Cäsar nach Oberitalien, liess die Legionen aus den Winterquartieren aufbrechen, hob neue Truppen aus und eilte über die Alpen zurück, um sein Heer in Lyon zu vereinigen. Dort hörte er, die Helvetier seien oben an der Saône mit dem Uebergang über diesen Fluss beschäftigt. Er eilte hinauf, schlug den zurückgebliebenen Stamm der Tiguriner und folgte dem helvetischen Heere. Er vermied jedes grössere Gefecht und suchte den Feind im kleinen möglichst zu belästigen.
Erst bei Bibrakte (heute Mont Beuvray) im mittleren Frankreich, in der Nähe der Stadt Autun, kam es zur entscheidenden Schlacht. Den ganzen Tag wurde heiss gekämpft. Es mass sich die ungestüme Tapferkeit der sieggewohnten Helvetier mit der Disziplin der waffentüchtigen Römer und dem Genie eines Cäsar. Am Abend kamen neue Scharen: es war die Vorhut der Helvetier, die von ihrem Vormarsch zurückgerufen worden war. Wieder begann das Ringen. Die Helvetier wurden in ihre Wagenburg zurückgedrängt.
Selbst Frauen nahmen am Kampfe teil. Das Schicksal entschied gegen die Auswanderer; die Römer siegten. Von den 368000 Seelen, die hoffnungsfroh aus unserm Lande ausgezogen, waren nur noch 110000 am Leben, meist Greise, Frauen und Kinder. Cäsar schickte die Reste des helvetischen Volkes in ihre alte Heimat zurück. Sie sollten die niedergebrannten Ortschaften wieder aufhauen und das Land neu besiedeln. Es muss ein trauriger Anblick gewesen sein, als die Trümmer des tapfern Volkes wieder in ihrer Heimat anlangten, und manche ¶