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ja sogar Stickereien zu erstellen wussten. Ihre wichtigsten Geräte und Waffen bestanden zwar auch aus Stein, aber sie benutzten nicht mehr einseitig den Feuerstein und schliffen ihre steinernen Werkzeuge zurecht. Sie waren nicht mehr blosse Jäger, sondern Viehzüchter und Ackerbauer. Selbst ein primitiver Handel lässt sich bei ihnen nachweisen.
1. Pfahlbauten. Im Winter 1853/54 kamen bei dem ausserordentlich niedrigen Wasserstand in Obermeilen am Zürichsee alte, ganz weiche Pfähle im Seegrund zum Vorschein, und als man den dieselben umgebenden Schlamm durchstach, fanden sich Steinbeile, Feuersteinmesser, Hirschhorngeräte, Tierknochen, Scherben aus Ton, Sämereien, ja sogar etwas Bronze. Der Lehrer des Dorfes, Joh. Aeppli, erkannte in den Funden Reste alter Wohnungen und berichtete der antiquarischen Gesellschaft in Zürich darüber.
Man suchte nun auch anderwärts nach dergleichen Dingen und fand solche in fast allen Seen der Schweiz, ferner in Frankreich, Italien, Oesterreich, Baiern u. s. w. Heute sind in der Schweiz allein etwa 200 Pfahlbaustationen bekannt, wovon die Mehrzahl der Steinzeit, ein anderer Teil der Bronzeperiode angehört. Der Bodensee birgt an seinen Ufern in Deutschland und der Schweiz Reste von etwa 50 solcher Seedörfchen, der Zürichsee 10, der Greifensee 6, der Zugersee 10, der Sempachersee 8, der Bielersee mindestens 20, der Neuenburgersee mehr als 70 und der Genfersee etwa 50. Selbst kleine Seen, wie derjenige von Niederwil bei Frauenfeld, von Wauwil im Kanton Luzern, von Moosseedorf bei Bern, von Inkwil und Burgäschi, von Luyssel oberhalb Bex enthalten eine oder mehrere Stationen.
Die Pfahlbauten wurden auf verschiedene Art konstruiert. Entweder trieb man die Pfähle reihenweise in den weichen Seegrund und verband sie oben mit Querbalken, auf welche der Boden zu liegen kam, der dann die Hütten trug. Oder man erstellte ein Floss und baute die Hütten auf dasselbe. Fing im Laufe der Zeit das Floss an zu sinken, so wurde ein zweites Floss über dem ersten errichtet und wie jenes durch Pfähle am Wegschwimmen gehindert. Später legte man ein drittes Floss über das Ganze u. s. f. So entstand der Floss- oder Packwerkbau, wie er in Niederwil, Wauwil und Inkwil nachgewiesen wurde. Die andern Pfahlbauten der Schweiz sind aber Rostpfahlbauten, so die bedeutenden Stationen Steckborn am Bodensee, Robenhausen am Pfäffikersee, Obermeilen am Zürichsee, Schötz im Kanton Luzern, Mörigen am Bielersee, Auvernier am Neuenburgersee etc.
In den neolithischen Seedörfern lebten nun Menschen und Tiere. Der Pfahlbauer war begleitet von seinem Hund, und in den Ställen hatte er Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen, für die er Winterfutter sammeln musste. Auf seinen kleinen Aeckern pflanzte er mehrere Sorten Gerste und Weizen, Hirse, Fennich und Flachs, dessen Fasern zu Gespinsten benutzt wurden.
Die Hausgeräte waren sehr einfach aus Stein, Holz, Horn und Ton erstellt. Man schlug und schliff aus verschiedenen Gesteinsarten Beile, Messer, Sägen, Hämmer, Meissel u. s. w. Man bildete aus Ton Gefässe in Form von Schalen, Schüsseln, Tellern, Töpfen und Krügen. Man fertigte aus Holz und Knochen Ahlen, Meissel, Dolche und Keulen, spann mit der Spindel und wob am Webstuhl die Stoffe aus Leinwand. Der Jäger und Krieger bedurfte der Waffen. Die Keule wurde aus Holz gemacht, die Hammeraxt aus zähem, hartem Stein, oft sogar aus edlem Nephrit. Lanzenspitzen und Dolche verfertigte man aus Knochen oder Feuerstein, die Pfeilspitzen aber wurden am liebsten aus dem letztern Material erstellt und mit Asphalt und Flachsschnüren im Schaft befestigt. Der lange Bogen bestand aus Eibenholz, seine Sehne war aus Gedärmen verfertigt.
Primitive Menschen haben grosse Freude an Schmuck. So haben uns denn auch die Neolithiker zahlreiche Schmucksachen hinterlassen. Man fand Nadeln aus Horn und Knochen, Kämme, Perlen aus Hirschhorn, Ringe, Gehänge und Amulette aus Stein, Holz, Horn und Zähnen. Selbst in der Kleidung wurde dem Schmuckbedürfnis Rechnung getragen. Man färbte die Leinwand; verfügten die Neolithiker doch über rote, blaue, gelbe, weisse und schwarze Farben, die sie vielleicht auch zur Körperbemalung verwendeten. Rot gewannen sie aus Roteisenstein (Hämatit), blau aus dem Attich, einer Art Hollunder, und gelb aus der Wau (Reseda luteola).
2. Landansiedlungen, Werkstätten. Die Pfahlbauten waren aufs Wasser hinausgestellt worden zum Schutz der Menschen und des Viehes gegen wilde Tiere und feindliche Menschen, sowie auch aus hygienischen Gründen. Der See bot auch Nahrung und war die Strasse, die den Nachbar zum Nachbarn führte. Man darf aber nicht glauben, dass die ganze Bevölkerung der jüngern Steinzeit in Seedörflein ansässig gewesen sei. Es gab auch Leute auf dem festen Lande. Freilich hat man noch nicht sehr viele Landansiedlungen entdeckt.
Eine solche fand sich z. B. hoch über dem Zusammenfluss von Aare, Reuss und Limmat auf der Terrasse über dem Dorf Siggingen (Aargau), eine andere bei Stammheim unfern des untern Bodensees. Manche Landansiedlungen waren an schwer zugänglichen Orten angelegt oder mit Wall und Graben, wohl auch mit Palisaden beschützt. Das sind die sog. Refugien, die in kriegerischen Zeiten als Zufluchtsorte dienten. Ein solches Refugium wurde im Aathal bei Seegräben, zwischen dem Pfäffiker- und Greifensee, entdeckt. Es bildet ein Dreieck, von welchem zwei Seiten wegen der Steilheit der Gehänge fast unzugänglich sind; die dritte Seite aber ist durch Wälle und Gräben sehr gut beschützt.
In manchen Pfahlbauten wurden gewisse Geräte oder Waffen in Menge hergestellt und die überflüssige Ware dann verhandelt. So hat man beim Pfahlbau Moosseedorf, zwei Stunden von Bern, eine Feuersteinwerkstätte entdeckt. In Maurach am Bodensee verfertigte man hauptsächlich Nephritbeile u. s. w. Derartige Werkstätten konstatierte man auch auf dem festen Lande. In Rümlang, nördlich von Zürich, fand man z. B. eine Töpferwerkstätte, die dem Ende der Steinzeit oder dem Beginn der Bronzeperiode angehört.
Gegen das Ende der Steinzeit wurden der Verkehr und der Tauschhandel lebhafter. Man vertrieb seltene Steine, wie die Nephritoide, auf weite Strecken, tauschte dafür grosse Feuersteinstücke ein oder gar Kupfer, das erste Metall, das bekannt wurde. Dieses ward mancherorts so häufig benutzt, dass man von einer eigentlichen Kupferzeit spricht.
3. Neolithische Gräber. In der Gegend von Pully und Lutry am Genfersee fand man Skelette in kleinen Steinkisten beerdigt. Oft waren es Mann und Frau, die gleichzeitig begraben worden; einigemale lagen auch Kinder dabei. Die Länge der Gräber betrug selten auch nur einen Meter; man hatte die Toten in zusammengekauerter Lage begraben. Ganz ähnliche Gräber in ebenso kleinen, aus Platten erstellten Steinkisten fanden sich am Nordfusse des Simplon bei Glis. Meistens lagen auch
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gaben neben den Skeletten, so z. B. aus Muscheln herausgeschnittene Armringe, Gehänge in Form von gespaltenen Eberzähnen, Marmorknöpfe mit eigentümlicher Durchlochung etc. In Glis fand man auch eine Steinaxt und Waffen aus Feuerstein, worunter Beile, Speer- und Pfeilspitze. Die Höhle Dachsenbühl bei Herblingen (Schaffhausen) enthielt innerhalb eines trockenen Mäuerchens zwei Skelette in ausgestreckter Lage, und ausserhalb dieses Doppelgrabes kamen angebrannte menschliche Knochen nebst tierischen Resten zum Vorschein. Durch die Beigabe von Steinperlen, Tonscherben und Knochenmeissel sind diese Gräber als steinzeitliche charakterisiert. Desselben Alters waren die teils in einer Art Kiste, teils in freier Erde liegenden Skelettgräber vom benachbarten Schweizersbild. Sie lagen in dem vor dem Wohnsitz der paläolithischen Bewohner dieses Felsdaches durch die weggeworfenen Abfälle gebildeten Wall in verschiedener Tiefe und enthielten Skelette von zum Teil so unbedeutender Grösse, dass man diese Leute als Pygmäen bezeichnet hat. Auch in den andern Steinzeitgräbern sind solche Pygmäen nachgewiesen. Ein Volk, das seine Toten ehrt, ist kein wildes Volk mehr. Es besitzt schon eine gewisse Kultur und kann sich unter günstigen Verhältnissen weiter entwickeln.
4. Die Kupferzeit. Gegen das Ende der Steinzeit, also im dritten vorchristlichen Jahrtausend, wurde in der Schweiz das erste Metall benutzt: das Kupfer. Aber dieses weiche Material vermochte nicht, die Steingeräte zu verdrängen, die immer noch benutzt wurden. Es waren vielleicht neue Einwanderer, die von Norden kamen, welche Kupfer mitbrachten. Im Pfahlbau Vinelz am Bielersee, in Saint Blaise am Neuenburgersee u. a. O. sind Kupferzeitstationen nachgewiesen worden. Neben zahlreichen Objekten aus Stein fanden sich daselbst Dolche, Lanzen, Beile, Ahlen, Meissel u. dergl. aus Kupfer. Es erscheinen neue Formen von knöchernen Schmucknadeln, sowie Perlen und Gehänge aus Kupfer. Die Töpfer wenden das Schnurornament an zur Verzierung der Töpfe oder sie stechen Punkte in die Aussenseite derselben. Aber all diese Anzeichen einer andern Kultur verschwanden beim Hereinbrechen einer neuen Zeit.
II. Die Bronzeperiode.
Um das Jahr 2000 v. Chr. wurde in Mitteleuropa die Bronze bekannt, die aus etwa 90% Kupfer und 10% Zinn besteht. Ihr Glanz machte sie zu Schmucksachen geeignet, ihre Härte und ihr Gewicht aber liess ihre Verwendung als Material zu Waffen und Geräten zu. Die Kenntnis der Bronze verdanken wir wohl dem Orient, und von Süden her, der Rhone nach, mögen die ersten Händler, die das golden aussehende Metall nach der Schweiz brachten, gekommen sein. Mit der Bronze traten Blei, Gold, Glas und Bernstein auf.
a) Pfahlbauten. Auch in der Bronzezeitwohnten die meisten Leute über dem See. Aber die Bronze-Pfahlbauten befinden sich gewöhnlich weiter im See draussen als die Steinstationen. Man hatte ja auch bessere Werkzeuge, die Ansiedlungen zu bauen, als früher. Es scheint, als ob die Zahl der Seedörfchen abgenommen habe; dafür sind die meisten Bronzestationen viel grösser. Einige derselben haben Tausende von Fundstücken geliefert, so z. B. Genf und Morges im Genfersee, Corcelettes, Estavayer und Auvernier im Neuenburgersee, Vallamand und Montelier im Murtensee, Mörigen und Nidau im Bielersee, Wollishofen bei Zürich, Bodmann am Nordende des Bodensees u.s.w.
Die Pfahlbauer der Bronzezeit beschäftigten sich auch noch mit Fischfang und Jagd; aber viel mehr Bedeutung hatten für sie die Viehzucht und der Ackerbau, Gewerbe und Handel. Ihre Haustiere hatten sich durch neue Rassen vervollkommnet und um das Pferd vermehrt. Das Ackerland war ausgedehnter geworden und im Handwerk grössere Arbeitsteilung durchgeführt. Es ist begreiflich, dass die Hand, die den Pflug führte, nicht sehr geeignet erschien für die feinen Bronzearbeiten.
Der Bronzegiesser wird nicht auch Töpfe geformt haben, es seien denn metallene Gefässe gewesen. Der Künstler, der die feinen Verzierungen auf den Schmucksachen anbrachte, wird nicht auch als Händler durchs Land gezogen sein. Man hatte Arbeitsteilung. Die Waffen der damaligen Leute bestanden aus Bronze. Neu war das Schwert, eine Verlängerung des metallenen Dolches. Häufig wurden Schwertklingen und Schwertgriffe verziert, indem man auf denselben lineare Ornamente anbrachte.
Auch auf Dolchen, Lanzen, ja sogar auf Beilen und besonders oft auf Messerklingen findet man diese Verzierungen. Eine ganz vorzügliche Gelegenheit zur Anwendung von Ornamenten bot die Töpferkunst. Die bronzezeitlichen Schüsseln, Schalen, Teller, Töpfe bestehen aus gut geschlemmtem und gut gebranntem Ton. Manche Gefässe haben einen spitz zulaufenden Boden, so dass sie auf Tonringe oder in Sand gestellt werden mussten. Unter den Verzierungen erscheinen Kreise, Kreisbogen, Guirlanden und sogar Mäander.
Die Töpferarbeit wurde von den Frauen besorgt. Man hat in einigen Gefässen Abdrücke von Fingern der Töpferinnen, die bei der Arbeit den weichen Ton festhielten, entdeckt. Die Geräte aus Bronze waren sehr verschiedener Art und häufig ebenfalls verziert. Da finden sich mehrere Arten von Beilen, aber keines von der jetzt gebräuchlichen Form. Alle haben Schaftlappen statt eines Loches zum Befestigen des Stiels. Die Messer haben fast immer eine schön geschweifte Klinge und sind oft verziert. Dazu kommen Meissel und Ahlen, Hammer und Amboss, Sägen, Feilen, Durchschläge, Nägel etc. Hie und da sind sogar Meissel, Hämmer und Ambosse verziert. Die bronzezeitlichen Leute müssen sehr geschickt gewesen sein in der Metallarbeit. Sie liebten das Schöne.
Zahlreich sind die Schmucksachen in den Bronzestationen. Im Pfahlbau Wollishofen-Zürich hat man z. B. nicht weniger als 1500 Schmucknadeln gefunden, und doch ist derselbe nicht einmal zur Hälfte ausgebeutet. Die Stationen Mörigen und Auvernier lieferten besonders viele Armringe und Spangen. In Estavayer wurden Gürtelbeschläge in grosser Zahl gefunden. Wie in der Steinzeit, haben auch in der Bronzeperiode manche Stationen gewisse Waren nicht bloss für den eigenen Bedarf hergestellt, sondern auch für den Verkauf, d. h. den Export.
Nach und nach verliessen die Pfahlbauer ihre gebrechlichen Seedörfchen. Sie siedelten sich auf dem Lande an, und als die Eisenzeit anbrach (etwa 800 v. Chr.) war kaum ein Pfahlbau der Schweiz noch bewohnt. Es gab nur noch Landansiedlungen. Welchem Volk gehörten nun aber die Pfahlbauer an? Man weiss es nicht man kennt nur ihre Kultur. Soviel kann man sagen: In der Steinzeit haben meistens Leute mit breitem Schädel in der Schweiz gewohnt, sogenannte Brachycephalen. Am Ende dieser Periode treten mehr und mehr langschädelige
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Leute, Dolichocephalen, auf und werden in der Bronzezeit herrschend. Ob aber dieses Eindringen fremder Volkselemente in friedlicher Weise, langsam vor sich ging, oder ob die Dolichocephalen als Feinde in unser Land kamen, wer vermag das zu sagen?
b) Landansiedlungen, Werkstätten. Je mehr die Leute ihre Pfahldörfer verliessen, um so zahlreicher wurden die Landansiedlungen. Eine solche entdeckte man vor etwa 50 Jahren am Ebersberg, einem Vorberge des Irchel. Am Abhang gegen den Rhein erhob sich dort zur Bronzezeit auf weitschauendem Punkte ein von Palisaden beschütztes Dörflein. Auch dort kamen die oben erwähnten Gegenstände zum Vorschein, wenn freilich nicht in gar grosser Zahl. Die interessantesten Fundstücke bildeten Hörner aus Ton und Stein.
Man nennt sie ihrer der Mondsichel ähnelnden Form wegen Mondhörner. Solche Mondhörner fand man später auch in Gräbern als Totenbeigaben. Sie hatten wohl eine religiöse Bedeutung. Viel stärker war der aussichtsreiche Uetliberg bei Zürich befestigt. Von drei Seiten war die Kuppe desselben für Feinde fast unnahbar, und auf der einzigen leicht zugänglichen Seite waren zum Schutz der Bewohner des Refugiums, das über eine Weidefläche für das Vieh und eine starke Quelle verfügte, Wälle u. Gräben erstellt.
Gelang es dem Feind aber dennoch, diese zu erstürmen, so zogen sich die Verteidiger auf den Kulm zurück, der, nur von Nordwesten her zugänglich, auf dieser Seite durch drei Wälle und zwei Gräben sehr gut befestigt war und auch noch über eine kleine Quelle verfügte. Aehnliche Refugien finden sich in allen Teilen des schweizerischen Mittellandes in grosser Zahl. An vielen Orten sind noch Wälle und Gräben erhalten, besonders schön z. B. in der sog. Teufelsburg bei Rüti im Berner Amtsbezirk Büren; an andern Orten erinnert noch ein Flurname an die einstigen festen Werke, wie z. B. der Ausdruck «Châtelard» in der Westschweiz oder der Name «Burg» im Osten unseres Landes.
Anderwärts waren wichtige Strassendurchgänge befestigt, so bei Vorbourg unfern Delsberg, oder man sicherte Heiligtümer. Der Châtelard bei Bevaix am Neuenburgersee hat vielleicht schon in der Steinzeit als heiliger Platz Besucher von nah und fern erhalten; in der Bronzeperiode dehnte sich an seinem Abhang eine grosse Ansiedlung aus.
Wie man in einigen Pfahlbauten, z. B. in Genf und Zürich, Gusswerkstätten nachweisen konnte, so gab es auch auf dem festen Lande Plätze, wo die Bronze verarbeitet wurde. In Échallens (Waadt) wurde eine Bronzegiesserei entdeckt, in Kerzers, nordöstlich vom Murtensee, die Werkstätte eines Bronzearbeiters gefunden. Beim Bad Heustrich am Fusse des Niesen im Berner Oberland kamen Kupfermasseln zum Vorschein, und ebensolche Reste von Werkstätten fand man in Tschugg im Berner Seeland. Grenchen besass in der Bronzeperiode auch eine Werkstätte für Metallverarbeitung. In Wülflingen und Veltheim bei Winterthur wurden ähnliche Plätze nachgewiesen. In den Giessereien der Bronzeperiode fand sich nicht bloss Rohmaterial an Kupfer, Zinn und Blei, sondern es kamen auch Gussformen zum Vorschein, in welchen die neuen Gegenstände geschmolzen wurden. Sie bestanden meist aus Sandstein, hie und da auch aus Ton oder gar aus Bronze. Ausserdem barg die Werkstätte Gusstigel, halbfertige Ware, «gefehlte» Stücke und Material, das zum Einschmelzen bestimmt war.
Man hat sich lange den Kopf zerbrochen über die Frage, wie die Bronzeschmiede die feinen Verzierungen in die Bronze eingraviert haben, da sie ja keine Stahlgeräte besassen. Praktische Versuche ergaben aber, dass es ganz wohl möglich ist, Bronze mit Bronze zu bearbeiten. Zudem hat man das Härten der Bronze gewiss auch schon verstanden und mit gehärteter Bronze graviert.
c) Schatz-, Depot- und Bergfunde. Beim Hofe Illau, Gemeinde Hohenrain, an der luzernisch-aargauischen Grenze, zersprengte man vor einigen Jahrzehnten einen grossen Findling. Da kamen unter demselben etwa 20 Schwerter aus Bronze zum Vorschein. Sie waren radial angeordnet, d. h. die Spitzen gegen den Mittelpunkt gekehrt, und alle hatten dieselbe Form. Hat vielleicht ein Händler vor 3000 Jahren hier seine Waren vergraben, oder haben wir eine Göttergabe vor uns? In Salez im St. Galler Rheinthal fand man über 50 Bronzebeile in der Erde.
Sie lagen in regelrechten Reihen. Alle waren von gleicher Grösse und Form, alle von nahezu demselben Gewicht. Ein ganz ähnlicher Fund wurde bei Sigriswil nördlich vom Thunersee gemacht. Dort wollte man einen Felsblock wegschaffen, der so gross war wie ein Häuschen. Auf einem Absatz desselben fanden sich, etwa 60 cm tief in der Erde, eine Menge von Bronzen: 2 Speerspitzen, 2 Dolche, 11 Beile der ältesten Form (Salezertypus) u. s. w. Spätere Nachgrabungen ergaben noch Scherben von Tongefässen, Kohlen und Asche.
War man da auf einen Opferplatz gestossen? In allen Teilen unseres Landes werden vereinzelte Bronzen gefunden. Besonderes Interesse erregen dabei aber diejenigen Funde, die auf Bergen und Pässen zum Vorschein kommen. Sie weisen auf alte Verkehrswege und zeigen, dass schon vor mehreren tausend Jahren die Berge kein unüberwindliches Hindernis bildeten für den Verkehr mit dem sonnigen Süden, der frühe eine hohe Kultur zeitigte, und von welchem aus neue Gedanken auch in unser Land kamen.
Auf der Höhe des Flüelapasses fand man bei Strassenarbeiten eine prächtige Lanzenspitze aus Bronze. Am Südfusse dieses Passes wurde bei Süs eine ähnliche Lanze entdeckt, und auf der Drusatscha-Alp bei Davos kam ein Bronzebeil zum Vorschein. Wie der Flüela-, so scheint auch der Albulapass schon sehr früh begangen worden zu sein. In Scanfs im Engadin fand man nämlich ein Bronzemesser mit verziertem Griff, in Bergün (am Nordfuss der Albula) wurde eine ornamentierte Armspange aus Bronze zutage gefördert.
Noch weiter unten im Thal, bei Filisur, entdeckte man sogar Spuren einer Bronzegiesserei. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist ein im Frühjahr 1907 gemachter Fund in St. Moritz. In der Mauritiusquelle daselbst fand man die bronzezeitliche Fassung und in derselben mehrere Bronzen, die als Votivgaben betrachtet werden müssen. Auch am Weg über den Bernhardin kamen Bronzen zum Vorschein. In Lostallo im Misox wurde ein Bronzebeil gefunden. Ein anderes Beil fand sich bei Andeer, und vom Ausgang der Viamala an werden Bronzefunde geradezu häufig. Schon auf und am Hügel, der die Ruinen von Hohenrätien trägt, entdeckte man Schmucknadeln aus Bronze. Unweit der Anstalt Realta bei Cazis wurde ein Bronzebeil ans Tageslicht gebracht, in Tomils fanden sich bronzezeitliche Gräber, bei Rotenbrunnen scheint eine Bronzegiesserei bestanden zu haben, bei Reichenau fand man eine Bronzeschwert-Klinge, und bei Ems unfern
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Chur dürfte eine Ansiedlung der Bronzezeit existiert haben. Wenn man vom Bernhardin aus, statt gegen das Schams hinunter zu steigen, über den Berg nach Norden wandert, so gelangt man ins Vals. Auch dieser Weg war schon in der Bronzezeit bekannt. Als man kürzlich im Dorfe Vals die Heilquelle besser fasste, stiess man in 4,5 m Tiefe auf prähistorische Knochen und eine Tonscherbe altitalischer Form. Oberhalb Vals, am Uebergang gegen Safien, entdeckte ein Hirt zwei Bronzedolche, von denen der eine ebenfalls eine italische Form besitzt. Bei Ilanz fand sich ein Bronzeschwert von einer Form, wie sie nur in Italien vorkommt, und in der Nähe dieses Städtchens, bei Ruis und Waltensburg, kamen Bronzebeile zum Vorschein, die auch nach Süden weisen. Das Beil von Waltensburg gleicht ganz demjenigen von Lostallo. Wir haben also hier einen uralten Verkehrsweg zwischen dem Rhein- und Tessinthal.
Ebenso alt ist der Weg über den Grossen St. Bernhard. Auch er ist schon in der Bronzezeit begangen worden. Ueber den Bernhard gelangten Bronzen vom Genfersee in die Gegend von Aosta, und umgekehrt wurden italische Bronzen ins Rhonethal gebracht. Man hat in Martigny sogar ein Bronzeschwert gefunden, das den ungarischen gleicht. Noch interessanter ist eine andere Form: In oberitalischen Fundorten findet man nicht allzu selten eine Art dreieckiger Bronzedolche mit massiven Griffen.
Diese Dolche trifft man in der Ostschweiz und in Oesterreich nie, ebenso wenig im westlichen Frankreich, wohl aber im Wallis, im Berner Oberland, an der Rhone, am Rhein und in grosser Menge in Norddeutschland. Offenbar ist diese Dolchform in der ersten Bronzezeit in Italien entstanden, gelangte dann über den Grossen St. Bernhard ins Wallis, von dort über Leukerbad und den Gemmipass nach dem Berner Oberland (nach Sigriswil) und zuletzt an den Rhein. Sie kann auch längs der Rhone in die Rheinlande gelangt sein.
Man findet sie in der Rheinebene von Basel bis Mainz; von Mainz zieht sie sich an die Elbe und breitet sich dann in Norddeutschland weithin aus. Während man in Italien nur einfache Formen dieses Dolches findet, trifft man in Norddeutschland hoch entwickelte Stücke von guter Technik und mit geschmackvollen Verzierungen. Ueber den Grossen St. Bernhard zog sich also ein Völker verbindender Weg vom Süden Europas nach dem Norden. Auf diesem Wege drangen auch andere Dinge nach dem Norden, z. B. Diademe, Schwerter u. s. w. Womit aber bezahlten die Nordländer die aus dem Süden kommenden Waren? Im Pfahlbau Corcelettes am Neuenburgersee wurde ein nordisches Hängegefäss und eine Sicherheitsnadel (Fibel) aus Bronze gefunden; beide Stücke stammen aus dem Norden. Andere Pfahlbauten haben unter ihrem Inventar Bernsteinperlen: es ist nordischer Bernstein. Wir sehen, der bronzezeitliche Handel hatte eine grosse Ausdehnung.
d) Bronzezeit-Gräber. Bei den bronzezeitlichen Gräbern kann man einen auffallenden Gegensatz zwischen dem Osten und dem Westen unseres Landes bemerken. In der Westschweiz begegnet uns, wenigstens im Anfang der Bronzeperiode, das Steinkammergrab wieder; in der Ostschweiz dagegen sind aus der Bronzezeit nur verbrannte Leichen bekannt. Bei einer Baute in Auvernier am Neuenburgersee stiess man in der Erde auf grosse Steinplatten. Als man dieselben abhob, grinsten zahlreiche Totenschädel den Grabenden entgegen.
Man war auf alte Gräber gestossen. Die Toten waren in Kammern beigesetzt worden. Man hatte das ganze Grab folgendermassen gebaut: Je drei Steinplatten waren der Höhe nach in parallele Reihen gestellt. Der Zwischenraum wurde durch zwei Querplatten in 3 Räume oder Kammern geteilt. Seitwärts errichtete man noch 2 Kammern, so dass ein fünfkammeriges Grab entstand. Die menschlichen Knochen befanden sich fast alle in der Mittelkammer. Die Schädel sollen den Wänden nach gelegen haben.
Die Grabbeigaben bestanden in Schmucksachen und Geräten. Besonders zahlreich war der Hängeschmuck. Es fanden sich durchbohrte Zähne von Wolf, Bär und Eber, Steingehänge, ein Knochenscheibchen, ferner Perlen aus Bronze. Dazu kamen eine Bronzenadel mit durchlochtem und geschwollenem Hals, Bronzeringe und Bronzespangen, Knöpfe aus Bronze und Bronzemesser. Ein Feuerstein mag zum Feuerschlagen benutzt worden sein. Nur wenig weit von diesem Massengrab entfernt stiess man auf ein Kindergrab. Aber da lag das Skelett in freier Erde, und bei demselben befanden sich zwei Paar Armspangen aus Bronze, ein Bronzeknopf und eine Bernsteinperle.
Auch das von hohen Bergen eingeschlossene Wallis muss in der Bronzezeit dicht bevölkert gewesen sein, besonders in der Gegend von Sitten. Spuren einer bronzezeitlichen Ansiedlung daselbst glaubt man zwischen den Hügeln Valère und Tourbillon entdeckt zu haben. Auch Gräber wurden gefunden. Häufiger aber sind die letztern in Lens, Ayent, Savièse und Conthey. Bei Rebarbeiten sind in der Nähe des letztgenannten Dorfes in den letzten Jahren mehrere Bronzezeitgräber zum Vorschein gekommen. Unter den Funden fallen prächtig verzierte Nadeln auf, deren flacher Kopf die Form einer Scheibe hat. Ausserdem lagen Diademe, verzierte Bronzegehänge, Muschelschmuck etc. in den Gräbern. Verwandte Funde wurden auch im Waadtland gemacht, wie z. B. in Vers Chiez bei Ollon, Villeneuve etc.
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Da das Berner Oberland, wie wir gesehen, schon in der Bronzezeit über die Gemmi Verbindungen mit dem Wallis unterhielt, finden wir z. B. am Renzenbühl bei Strättligen am Thunersee dieselbe Form des Grabes wie im Rhonethal und neben den Skeletten ebenfalls Diademe von Bronze, eine Art Schaufelnadel und dreieckige Dolche. Besonders interessant sind ein Gürtelhaken italischer Form und ein Bronze-Flachbeil mit eingesetzten Goldstiften. Wenden wir uns nun dem schweizerischen Mittelland zu, so begegnen wir in den deutsch sprechenden Kantonen ganz andern bronzezeitlichen Grabgebräuchen als in der West- und Südwestschweiz.
Das zeigt sich schon bei den Gräbern von der Hohliebe bei Belp, die nur wenige Stunden vom eben genannten Renzenbühl zum Vorschein kamen. In Belp fand man keine Skelette, sondern verbrannte Leichen, deren Asche in Urnen geborgen war. Als Beigaben erschienen einfache Bronzespangen, Knöpfe, Schmucknadeln, die wegen der den Mohnkapseln gleichenden Form der Köpfe als Mohnkopfnadeln bezeichnet werden, und ein Messer aus Bronze, dessen Griff stilförmig und mit einem Nietnagel versehen ist.
Ein anderer Bronzezeit-Grabfund stammt aus Binningen in Basel Land. Bei verbrannten menschlichen Knochen fand man daselbst Spangen mit verdickten Enden oder Stollen, Schmucknadeln mit mehrteiligen Köpfen, Ringe, Ketten, ein Messer mit Flachgriff und ein getriebenes Gürtelbeschläge aus Gold. Als man den Bahnhof Glattfelden an der Linie Zürich-Schaffhausen erstellte, kam eine Tonurne, gefüllt mit verbrannten menschlichen Knochen, zum Vorschein. Als Beigaben fanden sich Stollenspangen mit Kerbverzierungen, die in ein Oval eingeschlossen waren, und eine Mohnkopfnadel.
Ganz ähnliche Funde machte man in Thalheim (Kanton Zürich), wo in Bronzezeitgräbern mit Leichenbrand auch Stollenspangen mit Kerbverzierung und Mohnkopfnadeln gefunden wurden, ferner ein 8förmiger Gürtelhaken, dessen Enden eingerollt waren. Ein anderes Urnengrabfeld kam bei Mels im St. Galler Oberland zutage. Im Weiler Heiligkreuz daselbst (früher Tscherfingen genannt) wurden neben dem sog. Heidenkirchlein am Fuss des Gonzen Urnen mit verbrannten Menschenknochen angetroffen. Die Beigaben bestanden in Mohnkopfnadeln, verzierten Ringen und Spangen, Messerchen und einem Dolch aus Bronze.
Neben Urnengräbern, deren Beispiele sich leicht vermehren liessen, gibt es aber in der Ostschweiz noch andere Begräbnisse aus der Bronzezeit. Wenn der Scheiterhaufen, auf welchem der Tote lag, niedergebrannt war, brauchte man die menschlichen Reste ja nicht zu sammeln und in einer Urne zu begraben; man konnte die Erde auch über dem zusammengebrannten Holzstoss aufwerfen. So entstand ein Hügel, ein Grabhügel, wie deren zu hunderten in allen Ländern Europas entdeckt worden sind.
Bei den Urnengräbern wussten nur wenige, wo sie sich eigentlich befanden; den Grabhügel sieht jedermann. Starb z. B. ein mächtiger Häuptling, so wollte man die Stelle auch den Nachkommen zeigen können; man wollte dem Verstorbenen vielleicht sogar Opfer darbringen. Zu diesem Zwecke musste man genau wissen, wo er begraben lag. Die Grabhügel der Bronzezeit sind bei uns nicht häufig die Sitte der Hügelbestattung kam erst in der Eisenzeit recht auf. Man hat indessen doch einige Grabhügel entdeckt, die sicher in der Bronzeperiode entstanden sind. Am Altenberg bei Gossau im Kanton Zürich lagen einige kleine Grabhügel. In einem Derselben wurden zwei glattgeschliffene Steine, mehrere Armspangen aus Bronze und eine Schmucknadel aus demselben Metall gefunden.
Schon das Aussehen dieser Bronzen deutet auf Leichenbrand. Im Hard bei Weiach unfern Kaiserstuhl wurden ebenfalls Bronzespangen, Nadeln und zudem ein Bronzedolch in Grabhügeln entdeckt. Sie lagen bei verbrannten menschlichen Knochen und waren durch einen Steinkern gegen aussen geschützt. Das Oberholz bei Rickenbach in der Nähe von Winterthur birgt eine Gruppe von eisenzeitlichen Grabhügeln. Zwischen denselben liegen einige ältere, kleinere Hügel. En einem der kleinsten fand man Spuren von Leichenbrand unter einem Steinlager. Dabei kamen eine Tonscherbe, Bronzespangen, eine Schmucknadel und knopfartige Besatzstücke, eine Spirale aus Bronze und eine Bernsteinperle zum Vorschein.
Woher rührt nun die Verschiedenheit der bronzezeitlichen Gräber in der Ost- und der Westschweiz? Haben dazumal Leute verschiedenen Stammes, vielleicht gar verschiedener Religion unser Schweizerland bewohnt? Erst eine Anzahl neuer, genauerer Untersuchungen kann die Antwort auf diese Fragen geben.
III. Die Eisenzeit.
In den jüngsten Pfahlbaustationen, z. B. in Mörigen am Bielersee, erscheint neben Bronze, Blei und Gold auch das Eisen, aber sehr selten. Da fand man u. a. ein Schwert mit weidenblattförmiger Klinge. Es besass einen Bronze-Vollgriff. Aber die Klinge bestand nicht aus Bronze, sondern aus Eisen, und im Bronzegriff waren zur Zier papierdünne Eisenplättchen eingelegt worden. Alles hatte sich im Seeschlamm wohl erhalten. Da konnte man sehen, wie sehr jene Leute Unrecht haben, die behaupten, das Eisen sei schon in der eigentlichen Bronzezeit bekannt gewesen. Es sei nur verrostet, und darum finde man es nicht. In dem eben erwähnten Schwert von Mörigen haben sich ganz dünne Eisenlamellen nahezu 3000 Jahre erhalten, und da sollten eiserne Aexte und Beile spurlos verschwunden sein? Das ist einfach unmöglich. Ein Bronze-Armband von Mörigen trägt ebenfalls Eiseneinlagen von grosser Feinheit. Das Eisen muss also teuer gewesen sein; sonst hätte man es nicht als Schmuck, als Einlage benutzt. Teuer war es seiner Seltenheit wegen.
Das Eisen erscheint also im Anfang als seltenes, neues Metall. Nach und nach wurde es häufiger. Man lernte das Eisenerz unseres Landes benutzen und bezog nicht mehr, wie in der Bronzeperiode, alles Rohmaterial aus der Fremde. Am Gonzen ob Sargans mag schon sehr früh Eisen gewonnen worden sein, und das Bohnerz des Jura hat man wohl ebenfalls benutzt. Aber wie wurde das Erz dem Gestein entnommen? Am Gonzen sieht man uralte Gänge, welche mit Meissel und Pickel gehauen worden sind.
Manchmal aber schichtete man Holzhaufen an die erzführende Gesteinswand, entfachte ein grosses Feuer und kühlte dann die erhitzte Wand mit kaltem Wasser rasch ab. Dadurch wurde das Gestein locker, mürbe und konnte nachher leicht mit dem Pickel in Brocken abgelöst werden. Wenn das Eisenerz gewonnen war, musste es geschmolzen werden. Zu diesem Zwecke errichtete man eine Art Ofen aus Ton, der mit harten Steinen ausgekleidet und mit einem dicken Erdmantel umgeben war. Die Höhlung dieses im Freien befindlichen Schmelzofens zog sich vom Feuerloch, von der «Türe», horizontal bis zur Mitte
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des Bodens und stieg dann empor, zwar nicht in ganz gerader Richtung. Wollte man Erz schmelzen, so wurde eine Schicht Kohle, dann eine Schicht zermalmten Erzes, hierauf wieder Kohle, dann Erz u. s. w. von oben eingeschüttet. Endlich fachte man das Feuer an. Durch das Oeffnen der «Türe» entstand ein lebhafter Zug, und die Kohle fing Feuer. Beim Feuerloch wurden die Schlacken herausgezogen, und endlich blieb ein Eisenklumpen zurück, der beim Ausschmieden ein stahlähnliches Eisen lieferte. In fast gleicher Weise wird in manchen Teilen Afrikas heute noch ein vorzügliches Eisen erzeugt. Das Eisen verdrängte die Bronze mehr und mehr. Ums Jahr 800 v. Chr. herrschte auch in der Schweiz die volle Eisenzeit. Wallen und Geräte wurden jetzt zumeist aus Eisen gefertigt; die Bronze verwendete man aber immer noch mit Vorliebe zu glänzendem Schmuck.
a) Eisenzeitliche Ansiedlungen. Bei Beginn der Eisenzeit waren die Pfahlbauten fast ausnahmslos schon verlassen. Die Leute wohnten auf dem festen Lande in durch Wall und Graben, Palisaden und Dornhecken wohlgeschützten Dörfchen. Daneben wurden die auf schwer zugänglichen Felsvorsprüngen und Höhenzügen angelegten Refugien immer noch, besonders in Kriegszeiten, gern benutzt. Wir haben schon früher von dem grossen Refugium auf dem Uetliberg gesprochen; es ist auch in der Eisenzeit benutzt worden, wie besonders ein Friedhof aus der Zeit um 400 v. Chr., der beim grössten Wall der Anlage zum Vorschein kam, beweist.
Eine grössere, gleichfalls befestigte Ansiedlung der Eisenzeit aber lag am Fuss jenes Berges mitten in der Stadt Zürich. Durch diese Stadt zieht sich, heutzutage freilich nicht mehr überall erkennbar, ein Moränenwall. Ein Teil desselben bildet den sogenannten Lindenhof, einen Hügel hart am linken Ufer der Limmat. Auf diesem Hügel haben sich schon zur Bronzezeit Leute angesiedelt, und als die Pfahlbauten am untern Ende des Zürichsees verlassen wurden, erhielt er erst recht viele Bewohner.
Die Ansiedlung wuchs während der Eisenzeit und dehnte sich aus. Manches Hüttchen, das tief unten an der Moräne stand, wurde von den Hochwassern der wilden Sihl, die in Zürich mündet, erfasst und zerstört. Der Inhalt solcher Hütten wurde dann vom Wasser fortgeschwemmt. So kann man sich erklären, dass da, wo Sihl und Limmat sich vereinigen, zahlreiche Funde aus der Bronze- und Eisenzeit zum Vorschein kamen. Die ältesten derselben bestehen in Bronzeschwertern, Beilen, Nadeln etc., ganz wie wir sie aus Pfahlbauten kennen. Dazu kommen nun aber eiserne Beile, eiserne Schwerter, eiserne Schmucksachen, Zeugen der Eisenzeit. Die Ansiedlung auf dem Lindenhof hat also schon in der Bronzeperiode bestanden und sich durch Jahrhunderte erhalten. Gewiss ist Zürich eine der 12 Städte oder eines der 400 Dörfer gewesen, welche die Helvetier bei ihrem Auszuge verbrannt haben.
Ein noch wichtigerer Fundort der Eisenzeit ist eine einsame Stelle am Neuenburgersee, La Tène, etwa eine halbe Stunde vom Dörflein Marin und 2 Stunden von Neuenburg, am Ausfluss der Thièle gelegen. Da vermutete man einen Pfahlbau, weil man allerlei urgeschichtliche Dinge fand, besonders Sicherheitsnadeln aus Bronze und Eisen, sowie eiserne Schwerter. Auch Pfähle, Spuren von Brücken etc. kamen zum Vorschein. Aber die Funde waren ganz verschieden von denjenigen der eigentlichen Pfahlbauten.
Sie glichen vielmehr den Objekten, die man auf Schlachtfeldern aus der Zeit Cäsars in Frankreich ans Tageslicht gefördert hatte. Nach und nach brach sich die Erkenntnis des wahren Sachverhaltes Bahn. La Tène war ein befestigter Platz aus der jüngern Eisenzeit, erbaut zum Schutz des Weges, der von Helvetien durch den Jura nach dem östlichen Gallien führte, und zugleich als Grenzwache. Die Festungswerke lagen auf einer Kiesinsel der Thièle und waren durch Brücken mit dem Lande verbunden.
Nicht friedliche Pfahlbauer, sondern kriegerische «Eisenleute» bewohnten den Platz. Darum findet man hauptsächlich Waffen, daneben wenig Geräte, wenig Schmuck, fast keine Gefässe, Sämereien, Küchenabfälle. Auch Münzen kamen zum Vorschein. Sie bestehen aus Gold, Silber oder Potin, einer Mischung von Kupfer, Zinn und Blei. Die wichtigsten Funde vom La Tène sind die Schwerter. Sie bestehen aus ziemlich weichem Eisen und sind höchstens einen Meter lang. Man unterscheidet drei Formen derselben.
Die ältesten sind noch ziemlich kurz, haben eine lange Spitze und tragen eigentümliche Verzierungen an der Spitze der Scheide. Man nennt diese Form Früh-La Tène-Schwerter. Die Mittel-La Tène-Schwerter haben an der Stelle, wo der Griffdorn in die Klinge übergeht, einen Bügel. Sie besitzen eine kurze Spitze. An der Scheide finden sich «gallische» Ornamente beim Griff, nicht mehr an der Spitze. Solche Schwerter benutzten die Helvetier bei Bibrakte. Wie dieses Schwert länger ist als das Früh-La Tène-Schwert, so wird es selbst wieder an Länge übertroffen vom Spät-La Tène-Schwert.
Dieses besitzt keine Spitze mehr; die Scheide ist oben ebenfalls gerade abgeschnitten und besteht häufig aus Bronze. In ganz ähnlicher Weise unterscheidet man Früh-, Mittel- und Spät-La Tène-Fibeln (Sicherheitsnadeln). Die erstern gehören dem 4. und 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung an, die Mittel-La Tène-Fibeln und Mittel-La Tène-Schwerter der Zeit vor dem Auszug der Helvetier (58 v. Chr.) und die Spät-La Tène-Fibeln, wie die Spät-La Tène-Schwerter der Zeit um Christi Geburt.
Unter den übrigen Eisenzeit-Ansiedlungen der Schweiz wollen wir nur einige wenige anführen, so Sitten und Siders im Wallis, Saint Triphon bei Ollon in der Waadt, Avenches, wo ein helvetischer Münzstempel zum Vorschein kam, Brügg am Aarekanal unfern Biel, ein wichtiger Brückenkopf. Jedenfalls sass auch bei Bern zur Eisenzeit eine zahlreiche Bevölkerung, und das am Zusammenfluss von Aare, Reuss und Limmat gelegene Windisch existierte ebenfalls schon in vorrömischer Zeit. Selbst im rätischen Lande hat man eisenzeitliche Ansiedlungen nachgewiesen, so in Mels und Vilters bei Ragaz.
b) Die Grabhügel des schweizerischen Mittellandes. Während zur Bronzezeit in der Westschweiz die Beerdigung, in der Ostschweiz der Leichenbrand üblich gewesen zu sein scheint, wird in der ersten Eisenzeit das Verbrennen der Toten im schweizerischen Mittelland allgemeiner Brauch, und ebenso allgemein wurden vom Genfersee bis zum Bodensee zu Ehren der Verstorbenen Grabhügel errichtet.
Das bedeutendste bis jetzt bekannte Grabhügelfeld der Schweiz befindet sich oberhalb des Dorfes Unter Lunkhofen an der Reuss im Kanton Aargau. Da waren über 60 Grabhügel beisammen, und manche derselben enthielten mehrere Bestattungen. Fast jeder Grabhügel mochte ursprünglich mit einem Steinkranz umgeben gewesen sein. Unter dem Rasen stiess man gewöhnlich zuerst auf einen Steinkern, und erst unter demselben befanden sich die Reste der Urzeit. Den verbrannten Toten waren Schmucksachen, zahlreiche Tongefässe, hie und
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da auch Geräte und Waffen ins Grab mitgegeben worden. Die Tongefässe bestanden in kleinen Schalen, Näpfen, Tellern, Schüsseln und in Töpfen, die manchmal sehr gross waren. Nicht selten hatte man die Gefässe bemalt oder sonst verziert. Alle waren von freier Hand gemacht. Die Töpferscheibe war noch unbekannt.
Die Leute, welche diesen Friedhof angelegt, scheinen im Frieden gelebt zu haben. Nur ein einziges Mal fand sich ein Schwert. Dasselbe gleicht einigen Eisenschwertern aus dem berühmten Grabfelde von Hallstatt in Ober Oesterreich, nach welchem man die ganze erste Eisenzeit (etwa 800-400 v. Chr.) auch etwa Hallstattperiode nennt, während die zweite Eisenzeit (ca. 400-50 v. Chr.) die La Tène-Zeit geheissen wird.
Unter den Schmucksachen von Lunkhofen befinden sich Ringe und Spangen, Ohr- und Brustgehänge und Gürtelschmuck. Sehr interessant sind zwei mit Aufhängeringen versehene Bronzefigürchen, Mann und Frau, die wahrscheinlich südwärts der Alpen verfertigt worden sind und durch den Handel in unser Land kamen, ähnlich wie der Bernstein aus dem Norden hieher gelangte.
Grosses Aufsehen erregte ein Fund aus einem Grabhügel bei Grächwil, nordwestlich von Bern. Da fand man im Mantel des Hügels ein Kriegergrab aus alemannischer Zeit. Unter dem Steinkern aber scheint ein Stammesfürst begraben gewesen zu sein. Er war verbrannt worden. Seine Asche lag in einer grossen Urne aus Bronze, deren Henkel von Leoparden gebildet werden, die rechts und links von einer Palmette liegen. Am Hals des Kessels sitzt ein merkwürdiges Bildnis aus Bronze. In der Mitte desselben befindet sich eine Göttin, auf einer Palmette stehend.
Sie ist beflügelt und hält mit den Händen zwei Hasen. Zu Seiten derselben sitzen zwei Löwen. Das Haupt der Göttin ist mit einer Krone geschmückt, auf welcher ein adlerartiges Tier sitzt. Von der Krone winden sich zwei Schlangen horizontal nach links und rechts, und auf denselben ruhen zwei Leoparden (oder Löwen?), im Gegensatz zu den untern nach aussen gewendet. Ausser der wahrscheinlich etruskische Arbeit verratenden Urne mit dem Bildwerk fand man im Grächwiler Hügel noch Bronzereste, ein Hufeisen, ein Tongefäss und Reste eines Wagens, wohl des Streitwagens des verstorbenen Häuptlings.
Das Berner Seeland hat noch andere Hallstattfunde geliefert, die zum Schönsten gehören, was man in den Grabhügeln der Schweiz angetroffen hat. Im Grossholz bei Ins (Anet) liegen 5 Tumuli, denen man Goldschmuck, Bronzekessel, Wagenreste etc. enthob. Sehr schöne Funde lieferten auch die Grabhügel von Subingen im Kanton Solothurn. Neben den verbrannten menschlichen Knochen fand man daselbst Halsschmuck aus Bronzespiralen, Gagatperlen und Menschenzähnen, 250 Emailperlen, Schmuckrädchen, Ketten, Rasseln, Ringe, Spangen, Armschlaufen, Fibeln, Gürtelblechstücke, Eisenmesser und -dolch, Gewebereste, Urnen, Schalen, Töpfe etc., zum Teil mit Bemalung. Auch die West- und Ostschweiz sind reich an Grabhügeln, und in manchen derselben traf man Funde, welche aus dem Süden stammten.
c) Die Gräber der Südschweiz. In den Gebirgsgegenden der Schweiz fehlen die Grabhügel. Was hätten denn auch diese Hügelchen für einen Eindruck gemacht gegenüber den Riesenhügeln der Natur! Selbst in den flachern Teilen des Wallis, des Tessin und Graubündens treffen wir während der ganzen Eisenzeit Gräber in flacher Erde. Nur der Zufall lässt diese Friedhöfe finden; keine äussere Spur zeigt, wo die Toten ruhen.
Dieser Zufall hat uns aber schon mit einer ansehnlichen Zahl solcher Flachgräber bekannt gemacht. Wir wissen deshalb, dass im Wallis die Gräber der Eisenzeit recht häufig sind, dass sie sich nicht bloss im eigentlichen Rhonethal, sondern auch in den Seitenthälern finden. So besitzen wir z. B. prächtige Funde vom Leukerbad am Gemmipass. Beim Bau der zahlreichen Hotels daselbst kamen hie und da Gräber zum Vorschein. Manche derselben enthielten Fibeln, worunter Früh-La Tène-Fibeln nicht selten sind, Ringe und Armspangen mit Kreisverzierung, dem sogenannten Walliserornament. Dieses Ornament heisst so, weil es nur im Wallis in dieser derben Form vorkommt. Statt der auch anderwärts vorkommenden feinen Kreisverzierung sind bei den Walliserspangen und -ringen häufig scharf markierte Kreise mit Mittelpunkt zu sehen. Diese Verzierungsart wird mit der Zeit immer massiver; die Spangen werden schwer, unförmlich, bis sie endlich zu Beginn der Römerzeit verschwinden. Das Unschöne erhält sich nicht.
Wie das Rhonethal, so ist auch das Tessinthal reich an eisenzeitlichen Gräbern, besonders die Gegend von Bellinzona. Dort vereinigen sich die Wege vom Bernhardin, vom Lukmanier und vom Gotthard und treten die Hügel so nahe zusammen, dass sie eine natürliche Thalsperre bilden. Schon lange vor der Zeit der kriegerischen Römer haben Leute bei dieser Sperre sich niedergelassen, um die Alpenstrassen zu beherrschen und mit den rauhen Alpenvölkern in Verbindung zu treten. Es darf also nicht wundernehmen, wenn wir in der Nähe von Bellinzona eisenzeitliche Gräberfelder antreffen in Arbedo, Molinazzo, Castione, Cerinascia, Pianezzo, Giubiasco u. s. w. Es ist ein eigentliches Kulturzentrum daselbst entdeckt worden, und noch immer liefert der Boden neue Funde, die vom Beginn der Eisenzeit bis in die römische Epoche hinein geleiten.
Auch aus andern Teilen des Tessin, sowie des angrenzenden Misox besitzen wir solche Funde. Das Schweizerische Landesmuseum, das die grossartigste Sammlung derselben birgt, ist in den Besitz einer eisenzeitlichen Kollektion gekommen, um die es sogar die grossen Museen des Auslandes beneiden können. Was diese Tessiner Gräber auszeichnet, ist ihr grosser Reichtum an wertvollen Objekten. Da finden sich ganze Colliers von Bernstein- u. Glasperlen, Hängeschmuck aus Bronze und Silber, Schlangenfibeln, Certosa- und La Tène-Fibeln in grosser Zahl, Armringe aus Bronze oder Silber, Fingerringe, zum Teil mit Gemmen geschmückt, Gürtelbleche und -beschläge, oft mit getriebener Arbeit, Gürtelhaken, Spangen, Ketten u.s.w. Unter den Gefässen begegnen wir allen möglichen Formen in Ton, oft mit Bemalung. Manche Geschirre sind mit der Drehscheibe erstellt oder imitiren die Technik der römischen Kaiserzeit. Daneben erscheinen zylindrische Kessel aus Bronze, sog. Cisten; andere Bronzekessel, die Situlae, haben die Form eines abgestumpften Kegels, und neben ihnen finden sich prächtige Schnabelkannen.
An Waffen nennen wir La Tène-Schwerter, Lanzen, Schildbuckel und kostbare Helme von Bronze und Eisen. Endlich seien die Münzen nicht vergessen. Auf manchen Fibeln erkennt man Einlagen von verschiedenfarbigem Email, an Helmen und Tongefässen finden sich hier und da Inschriften in sog. nordetruskischer Schrift. Die meisten Leichen sind verbrannt; Skelettgräber sind selten. Die Aschenurnen samt den Beigaben liegen manchmal in Steinkisten, hier und da auch nur in freier Erde.
Die Kultur, die sich in den Tessiner Flachgräbern offenbart, ist diejenige des Nordrandes der Poebene. Auch in der Gegend von Como zeigt sie sich, ebenso westlich des Langensees. Sie ist ganz verschieden von derjenigen der Gegenden diesseits der Alpen, obwohl auch hier eine Zeit lang, wie in Oberitalien, Kelten wohnten.
In jüngster Zeit sind nun auch im schweizerischen Mittelland Flachgräber der ersten Eisenzeit gefunden worden, so in Schötz. Besonders hervorzuheben ist das
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Fürstengrab von Zürich, welches eine Goldschüssel barg, auf deren Bauch Tierfiguren zu sehen sind. Es ist ein Unikum.
d) Die La Tène-Gräber der Nord- und Westschweiz. Die ältern Grabhügel bergen nur verbrannte Leichen. Nach und nach aber erscheinen auch wieder Skelettgräber, und gegen das Ende der 1. Eisenzeit oder der Hallstattperiode verschwindet der Leichenbrand ganz. Bei Beginn der 2. Eisenzeit oder der La Tène-Periode, also im fünften Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, wird auch der Grabhügel verlassen, und man bettet die Toten in freie Erde und zwar in ausgestreckter Lage. Höchstens wird ein trockenes Mäuerchen (ohne Mörtel) um die Leiche aufgeführt. Die jüngsten La Tène-Gräber dürfen den Helvetiern zugeschrieben werden.
In Horgen am Zürichsee wurde bei einer Strassenkorrektion ein Grab gefunden, das wohl eine Frau beherbergt hat. Beim Skelett, welches in freie Erde gebettet war, lagen viele Schmucksachen, ein auf der Töpferscheibe erstellter Topf und eine goldene Münze. Unter den Schmucksachen ist zuerst zu nennen eine silberne Mittel-La Tène-Fibel. Bei den Früh-La Tène-Fibeln ist der Fuss nur aufgebogen und gegen den Bügel zurückgelegt; hier umfasst er den Bügel mit einer Zwinge.
Während die Sicherheitsnadel aus Silber besteht, fand sich daneben ein Stück eines Kettchens aus Bronze. Ausserdem enthielt das Horgener Grab zwei Armringe aus Glas, welche mit Kobalt blau gefärbt waren, und einen Ring aus Pechkohle oder Gagat. Glasarmringe finden sich nur in Gräbern der mittlern La Tène-Zeit, also in solchen der letzten zwei Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung. Sie weisen verschiedene Farben auf. Am schwierigsten herzustellen war durchsichtiges Glas. Es gibt indessen schon in der Mittel-La Tène-Zeit durchsichtige Glasringe; aber sie erscheinen gelb, weil auf der Innenseite eine gelbe Folie eingebrannt wurde. In Horgen fand man auch Fingerringe.
Zwei derselben bestehen aus Gold, ein dritter aus Silber. Der letztere trägt einen geschnittenen Stein. Wichtiger als diese Ringe ist ein Topf aus unserm Grabe, der auf der Töpferscheibe hergestellt wurde. Die Drehscheibe ist also in unsern Gegenden seit der Mittel-La Tène-Zeit bekannt. Endlich müssen wir noch die Münze erwähnen. Es ist eine Goldmünze. Sie zeigt auf der Vorderseite einen lorbeerbekränzten Kopf, ähnlich den griechischen Münzen. Auf der Rückseite erblickt man ein Zweigespann und darunter einige griechische Buchstaben, Teile des Namens Philippos. Wir haben also hier eine gallische Nachahmung der Münzen des Königs Philipp von Makedonien vor uns.
Im Dickehof bei Schlatt (Kanton Thurgau) wurde ein Kriegergrab der La Tène-Zeit entdeckt. Neben dem Skelett lagen ein Mittel-La Tène-Schwert von 1 m Länge mit eiserner Scheide, der Schwertkoppelring ebenfalls aus Eisen, und eine breitblätterige La Tène-Lanze von etwa 30 cm Länge.
Gräber wie diejenigen von Horgen und Schlatt finden sich nicht bloss vereinzelt, sondern in ganzen Grabfeldern beisammen im schweizerischen Mittelland. Eines der bestuntersuchten ist dasjenige vom Boulevard Saint Martin in Vevey. Dasselbe enthielt etwa 30 Gräber, welche der Früh- und Mittel-La Tène-Zeit angehören. Die in diesen Gräbern liegenden Toten gehörten zu den Dolichocephalen mit langem schmalem Gesicht. Die mittlere Grösse der Männer wurde zu 167 cm, diejenige der Frauen zu 156 cm bestimmt.
Ein Grab enthielt die Leiche einer jungen Frau in freier Erde, von NNO. nach SSW. liegend. Auf der Schulter fand man eine Fibula, bei den Hüften eine Bronze-Gürtelkette. Am linken Arm kamen ein Bronzering und zwei Glasarmringe zum Vorschein, am rechten Arm ein Eisenring. Die rechte Hand trug einen goldenen Spiralring, die linke einen Silberring. Zwischen den Unterschenkeln fanden sich etwa 6 Fibeln der Mittel-La Tène-Zeit. Grab 17 barg in einem von NNO. nach SSW. liegenden viereckigen Holzsarg eine Kinderleiche.
Auf der linken Schulter lag eine eiserne La Tène-Fibel, und ausserdem fand sich ein Glasarmring wie in Grab 8. Ein wohlerhaltenes Kriegergrab der Mittel-La Tène-Zeit war Nr. 26. In einem viereckigen Sarge lag ein Mann, dessen Unterkörper mit dem. Schilde überdeckt worden war. Auf dem rechten Arm befand sich das Schwert, das Schwertband um die Klinge gewickelt. Daneben lag die Lanze, deren Spitze gegen die Füsse des Toten gerichtet war. Bei jeder Schulter wurde eine Eisenfibel entdeckt. Sie haben wohl zum Zusammenhalten des Leichentuches gedient. In andern Gräbern fanden sich Fibeln mit Emaileinlagen, Perlen aus Glas und Bernstein; ja sogar eine massaliotische Silbermünze kam zum Vorschein.
Das grösste bis jetzt in der Schweiz entdeckte La Tène-Gräberfeld wurde in Münsingen (Kanton Bern) bekannt, wo über 200 Gräber zum Vorschein kamen. Die Funde bestehen in Schwertern, aber auch in zahlreichen Schmucksachen. Besonders Fibeln, Ringe und Spangen waren häufig. Die meisten Schmucksachen bestanden aus Bronze, einige aus Gold, Bernstein etc. Die Waffen bestehen aus Eisen. Diese Funde von Münsingen befinden sich jetzt im Historischen Museum von Bern.
La Tène-Friedhöfe fand man auch in Gempenach, Bern, Spiez, Steinhausen u. a. O.; ja in der Tiefenau bei Bern glaubte man sogar ein Schlachtfeld aus helvetischer Zeit entdeckt zu haben.
e) Die ältesten Münzen und Inschriften. Im Jahr 1786 sah ein Fuhrmann, der vom Julier gegen Chur hinunter fuhr, in der Nähe des Hofes Burvagn (Burwein) bei Conters etwas in der Erde glänzen. Er grub nach und fand zwei ineinandergestülpte Kessel, in welchen Armbänder aus Silber und Gold, ein kleiner Kessel, «griechisches Erz» und besonders Münzen lagen. Der ganze Schatz wurde dann später von einem Goldschmied eingeschmolzen; nur einige Münzen haben sich erhalten. Es sind Silbermünzen aus Massilia (Marseille). Ein anderer interessanter Münzfund aus vorrömischer Zeit wurde neben dem Börsengebäude in Zürich gemacht, wo etwa 100 Kilo zusammengeschmolzener Potinmünzen ans Tageslicht kamen. Es scheint also da schon vor 2000 Jahren eine Art Börse bestanden zu haben.
Zahlreiche Goldmünzen aus der Zeit, die uns hier beschäftigt, stammen aus dem Freiamt, aus der Gegend von Windisch, Aarau und Schönenwerd. Im Winter 1839/40 stiess ein Bauer von Balsthal (Kanton Solothurn) beim Holzschlitteln auf mehrere Silbermünzen, die wahrscheinlich von den gallischen Stämmen der Sequaner und Aeduer geprägt worden waren. Noch bedeutender ist der Münzfund von Nunningen in demselben Kanton, der kleine dicke Silbermünzen mit behelmtem Kopf und springendem Pferd lieferte. Manche dieser «Nunninger Erbschen» weisen sogar Namen von gallischen Häuptlingen auf. Aehnliche Funde machte man am Mont Terri im Berner Jura. In der berühmten Station La Tène wurden bohnenartige Goldstücke gefunden, die man als Wertmesser, d. h. als Münzen betrachtet. Daneben kamen goldene Philippermünzen zum Vorschein, besonders aber Potinmünzen. Münzen aus Gold und Elektron (Mischung
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von Gold und Silber) fanden sich auch in der Gegend von Vindonissa. Aventicum, das heutige Avenches, scheint wirklich, wie der römische Geschichtschreiber Tacitus sagt, das Haupt des helvetischen Landes gewesen zu sein; denn man fand daselbst einen Prägestock für Münzen. Merkwürdig ist, dass die Münzen, welche Orgetorix, der ehrgeizige Häuptling der Helvetier, schlagen liess, bis jetzt fast nur im östlichen Frankreich gefunden worden sind.
Sehr zahlreich sind die Münzen, die man auf und am Grossen St. Bernhard entdeckte. Es sind zumeist Münzen der am Südabhang des Bernhard wohnenden Salasser. In dem Heiligtum, das die im Norden des Berges sitzenden Veragrer in der Nähe des heutigen Hospizes errichtet hatten, kamen ausserdem Münzen verschiedener gallischer Stämme und Häuptlinge, Münzen von Massilia etc. zum Vorschein. Vereinzelte vorrömische Münzen sind in der Schweiz häufig, grosse Münzschätze nicht allzu selten; wirklich selten kommen dagegen Inschriften aus der Zeit vor Beginn unserer Zeitrechnung vor.
Eigentlich sind es nur das Misox und der Kanton Tessin, die uns solche geliefert haben. Vereinzelte Worte und Buchstaben finden sich auf Helmen, Sicherheitsnadeln und Gefässen der Gräberfunde, die wir besprochen haben. Die bis jetzt gefundenen Steininschriften liegen fast alle im rätischen Museum in Chur. In Mesocco wurden zwei Inschriftsteine entdeckt. Der eine derselben trägt, wenigstens teilweise, römische Buchstaben; der andere enthält die Worte VALAVNAL RANENI. In Davesco unfern Lugano kam eine 170 cm lange Granitplatte zum Vorschein, welche offenbar als Grabstein gedient hatte und in sog. lepontischer (nordetruskischer) Schrift die Worte enthält: «Der SLANIA VERKALA Grab» und «des TISIOS PIVOTIALOS Grab». Zwei ähnliche Inschriftsteine wurden in Mendrisio entdeckt. Der eine derselben ist lesbar und enthält die Worte: «ALKOMINOS, des ASCONETES (Sohn)». Beide Steine scheinen Grabsteine gewesen zu sein.
B. FRÜHGESCHICHTLICHE PERIODEN.
I. Die ältesten geschichtlichen Nachrichten über die Schweiz.
Fast gleichzeitig mit den ersten Münzen und Inschriften finden wir auch Spuren der Schrift. Die Priester der Helvetier, d. h. der La Tène-Leute der Schweiz im letzten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, scheinen die Kunst des Schreibens verstanden zu haben. Das helvetische Volk war eben im Begriff, in die Reihe der zivilisierten Nationen einzutreten, als sein Unglück und Ende kam. Kein Geringerer als der grosse römische Feldherr Julius Cäsar erzählt uns die letzten Schicksale der tapfern Helvetier.
Hören wir, was der Besieger derselben über sie berichtet: Die Helvetier, welche zwischen dem Rhein, dem Jura und den Alpen wohnten, wünschten eine neue, schönere Heimat zu erwerben. Ihr rauhes Land war zu klein, und von jenseits des Rheins drängten die Germanen heran. Ein Land, wie sie es sich wünschten, gab es im südlichen Frankreich. Dorthin wies der Häuptling Orgetorix oder, wie er sich auf den Münzen nennt, Orcitirix. Dorthin waren die alten Krieger der Helvetier einst auf einem Kriegszug gekommen und priesen das Land. Dort hatten sie sogar ein Römerheer besiegt.
Man beschloss, drei Jahre lang Vorräte zu sammeln und dann auszuwandern. In der Zwischenzeit wurde bekannt, dass Orcitirix darnach trachte, König zu werden: ein todeswürdiges Verbrechen. Man wollte ihn zur Verantwortung ziehen; aber es gelang nicht. Orcitirix verschwindet; er hat sich wohl das Leben genommen, um der Volksstrafe zu entgehen. Aber die Auswanderung fand dennoch statt. Im Jahre 58 v. Chr. bewegten sich schwerfällige Züge von Menschen und Tieren nach dem Genfersee. Es waren die Helvetier und ihre Nachbarn, die sich sammelten, um der Rhone nach in das südliche Gallien (Frankreich) zu wandern, im ganzen 368000 Menschen. Hinter ihnen lagen 400 Dörfer und 12 Städte in Schutt und Asche. Man hatte sie verbrannt, um jedem die Lust zur Heimkehr zu benehmen. Auf Ochsengespannen wurden Kranke, Vorräte, Schmuck und Waffen mitgeführt. An der Spitze des ganzen Zuges stand der greise Feldherr Diviko. Unter seinem direkten Befehl befanden sich etwa 92000 gutbewaffnete, kampfgeübte Krieger.
Der ungeheure Zug bewegte sich nach Genf. Dort stiess man auf die Römer, die von Cäsar kommandiert wurden. Die Helvetier baten, man möge sie ruhig ziehen lassen; sie werden strenge Mannszucht halten. Cäsar erbat sich Bedenkzeit; er wollte die Festungswerke vervollständigen. Als die helvetischen Gesandten wieder kamen, schlug er ihr Begehren rundweg ab. Diviko versuchte, den Durchpass mit Gewalt zu erzwingen; aber er fand einen überlegenen Gegner. Wohl oder übel musste er sich entschliessen, über den Jura zu gehen.
Unterdessen eilte Cäsar nach Oberitalien, liess die Legionen aus den Winterquartieren aufbrechen, hob neue Truppen aus und eilte über die Alpen zurück, um sein Heer in Lyon zu vereinigen. Dort hörte er, die Helvetier seien oben an der Saône mit dem Uebergang über diesen Fluss beschäftigt. Er eilte hinauf, schlug den zurückgebliebenen Stamm der Tiguriner und folgte dem helvetischen Heere. Er vermied jedes grössere Gefecht und suchte den Feind im kleinen möglichst zu belästigen.
Erst bei Bibrakte (heute Mont Beuvray) im mittleren Frankreich, in der Nähe der Stadt Autun, kam es zur entscheidenden Schlacht. Den ganzen Tag wurde heiss gekämpft. Es mass sich die ungestüme Tapferkeit der sieggewohnten Helvetier mit der Disziplin der waffentüchtigen Römer und dem Genie eines Cäsar. Am Abend kamen neue Scharen: es war die Vorhut der Helvetier, die von ihrem Vormarsch zurückgerufen worden war. Wieder begann das Ringen. Die Helvetier wurden in ihre Wagenburg zurückgedrängt.
Selbst Frauen nahmen am Kampfe teil. Das Schicksal entschied gegen die Auswanderer; die Römer siegten. Von den 368000 Seelen, die hoffnungsfroh aus unserm Lande ausgezogen, waren nur noch 110000 am Leben, meist Greise, Frauen und Kinder. Cäsar schickte die Reste des helvetischen Volkes in ihre alte Heimat zurück. Sie sollten die niedergebrannten Ortschaften wieder aufhauen und das Land neu besiedeln. Es muss ein trauriger Anblick gewesen sein, als die Trümmer des tapfern Volkes wieder in ihrer Heimat anlangten, und manche
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stille Träne mag in den Bart der harten Krieger gerollt sein, die nie ein Feind weich gesehen. Die Blüte des Volkes lag tot auf den Feldern von Bibrakte. Und die Ueberlebenden? Nicht als freie Männer kehrten sie heim, sondern als Untertanen; hinter ihnen dröhnte der Schritt der erzgepanzerten Legionäre des weltbeherrschenden Rom.
II. Die römische Periode.
a) Besitznahme des Landes durch die Römer. Schon ein Jahr nach der Unterwerfung der Helvetier schickte Cäsar seinen Unterfeldherrn Galba ins Wallis, um den Pass über den Grossen St. Bernhard in seine Gewalt zu bringen. Trotz des Sieges der Römer bei Martigny scheint aber im Jahr 57 v. Chr. das Wallis nicht unterworfen worden zu sein; das geschah wohl erst unter Augustus. Im Jahr 15 v. Chr. eroberten Drusus und Tiberius auch noch Rätien, so dass von dieser Zeit an die ganze heutige Schweiz unter dem Szepter Roms stand.
Genf, das alte Genava, gehörte mit dem Allobrogerlande zur Provincia (Provence) und der heutige Kanton Tessin zum Stadtbezirk Como (Comum). Nun galt es, die Grenzen des Römerreiches definitiv zu sichern. Augustus erklärte den Rhein und die Donau als Grenzflüsse, und so bildete denn der Rhein von seiner Mündung bis zum Bodensee die Nordgrenze Roms. Vom Bodensee zog die Grenzlinie zur Quelle der Donau und diesem Strom entlang bis zu seiner Mündung. Helvetien war also Grenzland und wurde durch ein kunstvoll angelegtes System von Militärstrassen mit Italien, d. h. mit Rom verbunden.
Von Mailand (Mediolanum) aus führten zwei Hauptstrassenzüge nach Norden: der eine nach Como, der andere nach Aosta (Augusta Praetoria). Am letztgenannten Orte teilte sich die Strasse. Der eine Weg führte über den Kleinen St. Bernhard nach Lyon, der andere über den Grossen St. Bernhard nach Martigny (Octodurum). Auf der Passhöhe, dem Summus Peninus, hatten schon lange vor den Römern die Veragrer ein Heiligtum errichtet. Unweit desselben, durch den Mont Joux (Mons Jovis) vor den Nordstürmen, die das heutige Hospiz umtoben, einigermassen geschützt, fand man die Reste des römischen Tempels. In Martigny erreichte die Bernhardstrasse das Rhonethal und vereinigte sich, wenigstens im dritten Jahrhundert, mit dem Wege, den die Römer über dem Simplon erstellt hatten.
Gemeinsam zogen diese Wege nach der Rhonepforte (Saint Maurice) zur Zollstation Tarnaiae und von dort an den Genfersee zur Station Villeneuve (Penneloci) und nach Vevey (Vibiscum). Hier teilte sich die Strasse. Ein Strang führte nach Lausanne (Lousanna), wo ein Seitenweg über den Jura und nach Yverdon abzweigte, und dann gings über Nyon (Noviodunum) nach Genf (Genava) und Lyon (Lugdunum). Die Hauptstrasse von Vevey überstieg die Höhen, welche den Lemansee im Norden begrenzen, und führte über Promasens (Bromagus) und Moudon (Minnodunum) nach der Hauptstadt Helvetiens, Aventicum, dem heutigen Avenches, wo auch die Strasse von Yverdon (Eburodunum) einmündete.
Von Aventicum zog sich die Militärstrasse dem Murtensee entlang und durch das Grosse Moos nach Petinesca, dessen Reste am Studenberg südlich von Biel wieder aufgefunden wurden. Von Petinesca zweigte der Weg durch die Pierre Pertuis nach dem Birsthal ab; die Hauptstrasse aber führte nach Solothurn (Salodurum) und Oensingen, wo der Weg über den obern Hauenstein sich abzweigte, nach Olten und endlich nach dem Standlager der Legion, Vindonissa (Windisch).
Die Strasse, welche von Mailand nach Como gezogen wurde, teilte sich, wie der westliche Strang, ebenfalls in mehrere Arme, und man glaubt, auf dem Bernhardin, dem Splügen, Septimer und Julier Spuren von römischen Strassen gefunden zu haben. Die Tabula Peutingeriana, eine Militärkarte des alten Rom, verzeichnet zwischen Como und Chur, an welch letzterm Orte jene Strassen zusammenliefen, die Stationen Summus lacus (Samolaco), Clavenna (Chiavenna), Murus (Castelmur?), Tinnetio (Tinzen), Tarvessede (Madesimo?), Cunus aureus (Splügenpasshöhe?) und Lapidaria.
Von Chur (Curia) führte die Heerstrasse der Römer nach Magia (Maienfeld?), wo eine Seitenstrasse an den Walen- und Zürichsee zog, an letzterm sich teilte und einerseits über Irgenhausen bei Oberwinterthur, andrerseits über die Zollstätte Zürich (Turicum), bei Baden die Hauptstrasse wieder erreichte. Diese letztere stieg von Maienfeld über die Luzisteig hinunter nach Clunia und Brigantium, dem heutigen Bregenz.
In Brigantium teilte sich die Römerstrasse. Ein Arm zog nach Augsburg (Augusta Vindelicorum), der andere aber über Ad Renum (Rheineck?) nach Arbon (Arbor Felix), Pfin (Ad Fines), Oberwinterthur (Vitodurum) und Baden (Aquae) nach dem Zentralwaffenplatz Vindonissa. Von diesem militärisch so ausserordentlich wichtigen Punkte führte eine Strasse über Zurzach (Tenedo) und Schleitheim (Juliomagus) an die Donau; die andere über den Bözberg nach Baselaugst (Augusta Raurica) und Basel (Basilea) nach Strassburg etc.
Wer diesen kurzen Ausführungen aufmerksam gefolgt ist, hat ersehen, dass die vom Genfersee bis zum Bodensee reichenden Strassen eine von starken Kastellen bewahrte Verteidigungslinie vorstellen, die durch mehrere Alpenstrassen mit dem Reichsmittelpunkt Rom verbunden war und als Operationsbasis gegen die Germanen diente. Aber vor dieser ausgezeichneten strategischen Linie lag eine zweite: die Vorpostenkette am Rhein.
In der Tat hat man am Rhein zwischen Basel und Stein a. Rh. etwa 40 römische Wachttürme entdeckt, mit deren Untersuchung die eidgenössische archäologische Kommission beschäftigt ist. Diese Wachttürme oder speculae waren so angelegt, dass sie durch optische Signale miteinander in Verbindung treten konnten. Als Verstärkung der ganzen Linie dienten die Kastelle von Basel Augst, Zurzach und Stein a. Rh., die durch Strassen mit der vorhin besprochenen zweiten Etappenlinie in Verbindung standen.
Unter Domitian (oder Trajan) wurde die Rheingrenze verlassen und eine künstliche Grenzlinie besetzt, der Limes, der, weit ins Germanenland vorgeschoben, mit Kastellen, Warten, Wassergräben etc. in ausgesuchter Weise beschützt war. Hinter dieser Grenzwehr genoss Helvetien eine lange Zeit der Ruhe und des Friedens. Es gelangte zu neuer Blüte.
b) Kultur des römischen Helvetien. Mit den römischen Heeren zog auch die Kultur der weltbeherrschenden Roma in unser Land ein. Besonders die Städte wurden Mittelpunkte der feinen Lebensweise und des römischen Luxus. Aber auch in den nach hunderten zählenden sog. Villen der Römer, deren Reste man im schweizerischen Mittelland entdeckt hat, kann man erkennen,
Die Schweiz zur rœmischen Zeit
Lief. 202.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 0’ O; 47° 0’ N; 1:2300000]
д Kastell
∎ Warte, Specula
o Ansiedlungen
▭ Grab
△ Inschriften
x Steinbruch, Bergwerk
- Strassen
Bodengestaltung nach dem Relief von C. Perron.
DIE SCHWEIZ ZUR RŒMISCHEN ZEIT
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welcher Fortschritt in materieller und geistiger Hinsicht eingetreten ist. Man kleidete und schmückte sich nach römischer Weise, Geräte und Werkzeug wurden nach italischer Art verfertigt. Man bezog neue Obstsorten und Gemüse aus Italien, und am Genfersee wurde die Rebe gepflanzt. Der Handel nahm einen neuen Aufschwung. Man schickte Pelze, Käse, Wachs, Honig, Rheinfische und wohl auch Sklaven nach dem Süden, um dafür die feinen Produkte dieses Landes zu erhalten.
Wie überall im Römerreich, wurde auch in der Schweiz die lateinische Sprache herrschend und die römische Schrift benutzt. Römische Gottheiten wurden verehrt, den alten Göttern gab ruan römische Namen. Selbst die Gräber zeigen das römische Wesen: die Leichen werden nicht mehr, in trockene Mäuerchen eingefasst, in die Erde versenkt, sondern verbrannt. Kunst und Wissenschaft sind römisch geworden. In allen Villen finden sich Bronzestatuetten, in den öffentlichen Gebäuden sah man Säulen und herrliche Marmorfiguren.
Die Städte, von denen einige Veteranenkolonien erhielten, andere mit dem lateinischen Stadtrecht bedacht wurden, bauten Theater, Amphitheater, Tempel, Ehrenbogen. Längs der Strassen befanden sich Meilensteine, über Flüsse wurden steinerne Brücken gebaut. Wasserleitungen entstanden. In Aventicum bestand sogar eine hohe Schule. Aus dieser dürfte jener Claudius Cossus hervorgegangen sein, der nach dem Aufstand der Helvetier im Jahr 69 die Soldaten Caecina's, die den Tod der Empörer forderten, mit seiner hinreissenden Beredsamkeit so zu gewinnen wusste, dass sie, von Mitleid bewegt, selbst die Barmherzigkeit ihres Feldherrn anriefen.
Vergleicht man nun die in unsern Museen liegenden Reste aus der Zeit der römischen Okkupation, deren Zahl sich fast täglich mehrt, so erkennt man die damaligen Zentren des Landes. Im Westen nimmt unbedingt Aventicum die erste Stelle ein, die Stadt, in der der Kaiser Traian einen Teil seiner Jugend verlebte, die mit dem ganzen Luxus einer reichen Provinzialstadt ausgestattet gewesen zu sein scheint und in deren Ruinen heute durch die Gesellschaft Pro Aventico mit Hilfe des Bundes Jahr für Jahr neue interessante Funde, besonders auch Inschriften und Gräber, zutage gefördert werden. In der deutschen Schweiz steht in erster Linie das am Zusammenfluss von Aare, Reuss und Limmat gelegene Standlager der Legion: Vindonissa, eine befestigte Stadt mit Amphitheater, Kasernen, Thermen, Tempeln, Ehrenbogen etc., wo ebenfalls eine Gesellschaft mit Hilfe der Eidgenossenschaft und mit grossem Erfolg seit Jahren ihre Nachforschungen betreibt.
c) Geschichte Helvetiens in spätrömischer Zeit. Die Blüte des römischen Helvetien sollte einen jähen Abbruch erfahren durch die Germanen. Diese drängten immer mehr nach Süden, und am Limes musste oft genug gekämpft werden. Nach dem Tode des Kaisers Maximin durchbrach der germanische Stamm der Alemannen jene Grenzwehr, und im Jahr 264 verwüsteten diese blondlockigen Söhne des Nordens auch Helvetien. Aventicum sank in Trümmer. Wenn auch die Grenzlinie des Limes noch einige Zeit nachher gehalten werden konnte, so war doch keine Sicherheit mehr, und die Ueber- und Einfälle mehrten sich.
Nach dem Tode des Kaisers Probus musste ums Jahr 280 der Limes ganz aufgegeben werden. Wieder wurde der Rhein zur Grenze und die Schweiz ein Grenzland. Nun galt es, die Kastelle und Warten am Rhein wieder herzustellen, die in Trümmer gesunkenen festen Werke neu aufzubauen. An Stelle von Baselaugst erhob sich Kaiseraugst (Castrum Rauricense), an der Stelle von Vindonissa das Castrum Vindonissense (Altenburg). Stein a. Rh. und Oberwinterthur wurden neu befestigt, wie Inschriften uns lehren.
Noch Valentinian errichtete neue Kastelle am Rhein. Um 370 entstand Basilea (Basel). Trotzdem muss eine grosse Unsicherheit in den Grenzländern Platz gegriffen haben. Das beweisen die zahlreichen Münztöpfe, die im 4. Jahrhundert vergraben wurden. Gar nicht selten stösst man nämlich bei Ausgrabungen auf Töpfe voller römischer Münzen, die der Mehrzahl nach zu Ende des 3. und im Anfang des 4. Jahrhunderts geborgen wurden und deren Besitzer diese Schätze später nicht mehr heben konnten, vielleicht, weil sie plötzlich fliehen mussten und nie mehr zurückkehrten.
Zwar versuchten einige Kaiser, das rechtsrheinische Land wieder zu erobern. Julian gelangte 359 sogar bis zum Limes, aber es war an keine dauernde Besetzung mehr zu denken. Der letzte römische Kaiser, der siegreich den Boden Germaniens betrat, war Gratian. Zu den steten Kriegen in den Grenzbezirken kam noch die Neueinteilung des Landes unter Diokletian, wodurch Helvetien zur Maxima Sequanorum geschlagen wurde. Seit dem