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Die graphische Tabelle Seite 315 stellt die Entwicklung der einzelnen Hauptzweige nach Massgabe der bezahlten Prämien dar. Die Tabelle Seite 314 zeigt den Anteil der Kantone an der Versicherung im ganzen und der Lebensversicherung insbesondere, pro Haushaltung berechnet auf Mitte des Jahres 1905.
Ausser diesen vom Bunde beaufsichtigten Gesellschaften besteht eine grosse Zahl kleinerer Kassen für Krankenpflege und Krankengeld, Tod, Invalidität, Witwen- und Waisengelder etc. 1880 zählte man ihrer 1085 Gesellschaften mit rund 20000 Mitgliedern, welche jährlich an Beitragen über 2½ Millionen Fr. aufbrachten. 1903 waren es 1814 Kassen mit 435000 Mitgliedern, welche diesen Kassen ihre Ersparnisse von jährlich 9¼ Millionen Fr., d. h. über ¼ des im gleichen Jahre an Lebensversicherungsprämien bezahlten Betrages, anvertrauten.
Der Bund würde sich nach dem Entwurfe des Bundesrates dieser Kassen, sofern sie anerkannt werden, zur Förderung der Krankenversicherung bedienen, sie beaufsichtigen und subventionieren.
Die privatrechtlichen Beziehungen zwischen dem Versicherer und dem Versicherten sollen durch ein Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag geregelt werden. Der Entwurf hat noch die Beratung des Nationalrates zu passieren (Herbst 1907).
[Fritz Trefzer.]
XII.
Geschichte.
A. Die Urgeschichtlichen Perioden.
Einleitung.
Die Prähistorie oder Urgeschichte zeigt die Entwicklung des menschlichen Geschlechts vom ersten Auftreten desselben bis zu der Zeit, da der Mensch imstande ist, seine Schicksale durch das geschriebene Wort der Nachwelt mitzuteilen. Die ersten Spuren des Menschen in der Schweiz schliessen sich an das Phänomen der Eiszeit an. Während aber z. B. in Frankreich menschliche Ueberreste bekannt sind, welche aus Interglazialzeiten stammen, haben sich die sog. Wetzikonstäbe aus interglazialen Kohlen im Kanton Zürich nicht als Reste von Menschenhand erwiesen.
Der Diluvialmensch tritt bei uns erst in postglazialer Epoche auf. Es ist zwar nicht unmöglich, dass während der letzten Interglazialzeit in der Schweiz menschliche Ansiedlungen vorhanden gewesen seien. Sichere Beweise liegen dafür aber nicht vor. Während z. B. in der Höhlenstation am Wildkirchli (Säntis) Höhlenbär und Mensch zugleich vorkommen, fehlt letzterer in der interglaziale Höhlenbärreste führenden Ablagerung der Höhle von Cottendruz oberhalb Trois Rods (Neuenburg). Seine Geräte und Waffen verfertigte er hauptsächlich aus Stein; erst später wurde das Metall bekannt. Die ersten Metallobjekte bestanden aus Bronze, einer Mischung von Kupfer und Zinn. Das Eisen wurde erst im Anfang des letzten vorchristlichen Jahrtausends bekannt und bald allgemein bevorzugt. So unterscheiden wir denn eine Steinzeit, eine Bronzeperiode und eine Eisenzeit, an welch letztere sich die geschichtlichen Perioden anschliessen.
I. Die Steinzeit.
Nachdem die Gletscher sich vom Flachland der Schweiz zurückgezogen und das Land sich mit einem Pflanzenteppich überdeckt hatte, konnte sich auch die Tierwelt entfalten. Manche Tiere jener Zeit, wie das Mammut, der Höhlenbär und der Urstier, sind jetzt ausgestorben; andere, wie z. B. das Rentier, der Vielfrass, das Elen und der Eisfuchs haben sich nach Norden verzogen; dritte, wie die Gemse, der Steinbock, der Alpenhase wanderten nach dem Hochgebirge, und nur ein kleiner Teil der diluvialen Tierwelt hat sich bis heute bei uns erhalten. Nach und nach erschienen die heutigen Tiere und Pflanzen, endlich brachten die Menschen noch Haustiere und Kulturpflanzen. Die Zeit der ausgestorbenen Tiere und Pflanzen nennt man die ältere Steinzeit oder die paläolithische Periode; die Epoche der steinzeitlichen Haustiere und Kulturpflanzen wird als jüngere Steinzeit oder neolithische Periode bezeichnet.
a) Paläolithische Periode.
Die Menschen lebten damals bei uns in Höhlen oder unter überhängenden Felsen. Zahlreiche Ueberbleibsel dieser Zeit fanden sich am Mont Salève bei Veyrier, in der Grotte du Scé bei Villeneuve, bei Liesberg und Grellingen, in der Thiersteiner Höhle bei Büsserach, im Käsloch bei Winznau unfern Olten, im Schweizersbild und im Freudenthal bei Schaffhausen, sowie endlich in der durch ihre Funde berühmt gewordenen Höhle Kesslerloch bei Thaingen an der Eisenbahnlinie von Schaffhausen nach Singen.
Die im Grund dieser Höhlen erhalten gebliebenen Geräte der Paläolithiker bestehen hauptsächlich aus Feuerstein. Es sind Schaber, Sägen, Messer, Bohrer, Stichel, Dolche, Speer- oder Lanzenspitzen, Schlagsteine u. dergl. Auch die Kernstücke, von welchen jene Objekte abgeschlagen wurden, haben sich erhalten und mit ihnen tausende von Abfallsplittern. Knochen und Horn wurden ebenfalls zu Werkzeug zurecht gemacht. Man findet Speerspitzen und Dolche aus Rentierhorn, Ahlen aus Knochen, Nadeln aus Elfenbein, Spateln, Harpunen, Haken etc.
Auch Schmucksachen sind zum Vorschein gekommen. Sie bestehen in durchbohrten Zähnen, Muscheln, Schnecken, sowie in bearbeiteten und als Hängeschmuck getragenen Amuletten und Perlen aus Kohle.
Die Höhlenbewohner haben uns sogar eigentümliche Kunstwerke hinterlassen. Wie viele primitive Völkerschaften von heute, liebten es auch die Rentierjäger der Urzeit, zu zeichnen, zu malen und zu schnitzen. Unter den Funden vom Mont Salève befindet sich ein durchlochtes Rentierhorn, ein sog. Kommandostab. Er weist auf der polierten Oberfläche einerseits eine pflanzliche Darstellung, andrerseits die Figur eines Steinbocks auf. Im Schweizersbild bei Schaffhausen kam ein Kommandostab zum Vorschein, auf welchem zwei Pferde eingraviert sind. Ein Steinplättchen von demselben Fundort zeigt auf der einen Seite einen Wildesel und zwei Rentiere, auf der andern Seite ein Gewirr von Linien, in welchen man z. B. zwei Pferde erkennen kann.
Der berühmteste schweizerische Fundort von Höhlenzeichnungen ist das Kesslerloch bei Thaingen. Neben Rentierhornstücken, welche einfache Ornamente aufweisen oder unvollkommene Tierbilder zeigen, gibt es künstlerische Zeichnungen sind sogar Skulpturen. Unter den Gravüren lassen sich das Diluvialpferd, der Wildesel und besonders das Ren nachweisen. Eine der schönsten paläolithischen Zeichnungen, nicht bloss der Schweiz, sondern von ganz Europa, stellt ein weidendes Ren dar, und fast ebenso schön ist die Darstellung eines Füllens oder jungen Pferdes. Die meisten Zeichnungen wurden in Renhorn graviert, einige auch auf Kohle und Stein. So ist bei der abschliessenden Ausgrabung des Kesslerlochs ein Pferdebild, auf Kohle gezeichnet, aufgefunden worden. Im Kesslerloch fand man auch die leider beschädigte Schnitzerei eines Ochsenkopfes und diejenige eines fein ausgeführten Pferdeköpfchens.
Gegenwärtig (1906/07) werden die Höhlen des durch Scheffels Ekkehard berühmt gewordenen Wildkirchli im Säntisgebiet erforscht. Man fand daselbst, in nahezu 1500 m Meereshöhe, die ältesten bis jetzt in der Schweiz entdeckten Geräte von Menschenhand. Sie entsprechen dem französischen Moustérien.
b) Neolithische Periode.
Die Höhlenbewohner der ältern Steinzeit verschwanden, und lange Zeit scheint die Schweiz nicht bewohnt gewesen zu sein. Da erschienen Leute, welche imstande waren, Hütten zu bauen, zahme Tiere und Kulturpflanzen mitbrachten, den Ton zu Gefässen formen konnten und zierliche Geflechte, Gewebe, ¶
Die Schweiz zur Steinzeit
Lief. 204.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 0’ O; 47° 0’ N; 1:2300000]
◠ Höhle
π Pfahlbau
⊙ Ansiedlung
д Befestigter Platz
▭ Flachgräber
◗ Hügelgräber
Mce. Borel & Cie.
Attinger, sc.
DIE SCHWEIZ ZUR STEINZEIT ¶
Die Schweiz zur Bronzezeit
Lief. 204.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 0’ O; 47° 0’ N; 1:2300000]
π Pfahlbau
⊙ Ansiedlung
д Befestigter Platz
● Depotfund
▭ Flachgräber
◗ Hügelgräber
… Pässe
Mce. Borel & Cie.
Attinger, sc.
DIE SCHWEIZ ZUR BRONZEZEIT ¶
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ja sogar Stickereien zu erstellen wussten. Ihre wichtigsten Geräte und Waffen bestanden zwar auch aus Stein, aber sie benutzten nicht mehr einseitig den Feuerstein und schliffen ihre steinernen Werkzeuge zurecht. Sie waren nicht mehr blosse Jäger, sondern Viehzüchter und Ackerbauer. Selbst ein primitiver Handel lässt sich bei ihnen nachweisen.
1. Pfahlbauten. Im Winter 1853/54 kamen bei dem ausserordentlich niedrigen Wasserstand in Obermeilen am Zürichsee alte, ganz weiche Pfähle im Seegrund zum Vorschein, und als man den dieselben umgebenden Schlamm durchstach, fanden sich Steinbeile, Feuersteinmesser, Hirschhorngeräte, Tierknochen, Scherben aus Ton, Sämereien, ja sogar etwas Bronze. Der Lehrer des Dorfes, Joh. Aeppli, erkannte in den Funden Reste alter Wohnungen und berichtete der antiquarischen Gesellschaft in Zürich darüber.
Man suchte nun auch anderwärts nach dergleichen Dingen und fand solche in fast allen Seen der Schweiz, ferner in Frankreich, Italien, Oesterreich, Baiern u. s. w. Heute sind in der Schweiz allein etwa 200 Pfahlbaustationen bekannt, wovon die Mehrzahl der Steinzeit, ein anderer Teil der Bronzeperiode angehört. Der Bodensee birgt an seinen Ufern in Deutschland und der Schweiz Reste von etwa 50 solcher Seedörfchen, der Zürichsee 10, der Greifensee 6, der Zugersee 10, der Sempachersee 8, der Bielersee mindestens 20, der Neuenburgersee mehr als 70 und der Genfersee etwa 50. Selbst kleine Seen, wie derjenige von Niederwil bei Frauenfeld, von Wauwil im Kanton Luzern, von Moosseedorf bei Bern, von Inkwil und Burgäschi, von Luyssel oberhalb Bex enthalten eine oder mehrere Stationen.
Die Pfahlbauten wurden auf verschiedene Art konstruiert. Entweder trieb man die Pfähle reihenweise in den weichen Seegrund und verband sie oben mit Querbalken, auf welche der Boden zu liegen kam, der dann die Hütten trug. Oder man erstellte ein Floss und baute die Hütten auf dasselbe. Fing im Laufe der Zeit das Floss an zu sinken, so wurde ein zweites Floss über dem ersten errichtet und wie jenes durch Pfähle am Wegschwimmen gehindert. Später legte man ein drittes Floss über das Ganze u. s. f. So entstand der Floss- oder Packwerkbau, wie er in Niederwil, Wauwil und Inkwil nachgewiesen wurde. Die andern Pfahlbauten der Schweiz sind aber Rostpfahlbauten, so die bedeutenden Stationen Steckborn am Bodensee, Robenhausen am Pfäffikersee, Obermeilen am Zürichsee, Schötz im Kanton Luzern, Mörigen am Bielersee, Auvernier am Neuenburgersee etc.
In den neolithischen Seedörfern lebten nun Menschen und Tiere. Der Pfahlbauer war begleitet von seinem Hund, und in den Ställen hatte er Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen, für die er Winterfutter sammeln musste. Auf seinen kleinen Aeckern pflanzte er mehrere Sorten Gerste und Weizen, Hirse, Fennich und Flachs, dessen Fasern zu Gespinsten benutzt wurden.
Die Hausgeräte waren sehr einfach aus Stein, Holz, Horn und Ton erstellt. Man schlug und schliff aus verschiedenen Gesteinsarten Beile, Messer, Sägen, Hämmer, Meissel u. s. w. Man bildete aus Ton Gefässe in Form von Schalen, Schüsseln, Tellern, Töpfen und Krügen. Man fertigte aus Holz und Knochen Ahlen, Meissel, Dolche und Keulen, spann mit der Spindel und wob am Webstuhl die Stoffe aus Leinwand. Der Jäger und Krieger bedurfte der Waffen. Die Keule wurde aus Holz gemacht, die Hammeraxt aus zähem, hartem Stein, oft sogar aus edlem Nephrit. Lanzenspitzen und Dolche verfertigte man aus Knochen oder Feuerstein, die Pfeilspitzen aber wurden am liebsten aus dem letztern Material erstellt und mit Asphalt und Flachsschnüren im Schaft befestigt. Der lange Bogen bestand aus Eibenholz, seine Sehne war aus Gedärmen verfertigt.
Primitive Menschen haben grosse Freude an Schmuck. So haben uns denn auch die Neolithiker zahlreiche Schmucksachen hinterlassen. Man fand Nadeln aus Horn und Knochen, Kämme, Perlen aus Hirschhorn, Ringe, Gehänge und Amulette aus Stein, Holz, Horn und Zähnen. Selbst in der Kleidung wurde dem Schmuckbedürfnis Rechnung getragen. Man färbte die Leinwand; verfügten die Neolithiker doch über rote, blaue, gelbe, weisse und schwarze Farben, die sie vielleicht auch zur Körperbemalung verwendeten. Rot gewannen sie aus Roteisenstein (Hämatit), blau aus dem Attich, einer Art Hollunder, und gelb aus der Wau (Reseda luteola).
2. Landansiedlungen, Werkstätten. Die Pfahlbauten waren aufs Wasser hinausgestellt worden zum Schutz der Menschen und des Viehes gegen wilde Tiere und feindliche Menschen, sowie auch aus hygienischen Gründen. Der See bot auch Nahrung und war die Strasse, die den Nachbar zum Nachbarn führte. Man darf aber nicht glauben, dass die ganze Bevölkerung der jüngern Steinzeit in Seedörflein ansässig gewesen sei. Es gab auch Leute auf dem festen Lande. Freilich hat man noch nicht sehr viele Landansiedlungen entdeckt.
Eine solche fand sich z. B. hoch über dem Zusammenfluss von Aare, Reuss und Limmat auf der Terrasse über dem Dorf Siggingen (Aargau), eine andere bei Stammheim unfern des untern Bodensees. Manche Landansiedlungen waren an schwer zugänglichen Orten angelegt oder mit Wall und Graben, wohl auch mit Palisaden beschützt. Das sind die sog. Refugien, die in kriegerischen Zeiten als Zufluchtsorte dienten. Ein solches Refugium wurde im Aathal bei Seegräben, zwischen dem Pfäffiker- und Greifensee, entdeckt. Es bildet ein Dreieck, von welchem zwei Seiten wegen der Steilheit der Gehänge fast unzugänglich sind; die dritte Seite aber ist durch Wälle und Gräben sehr gut beschützt.
In manchen Pfahlbauten wurden gewisse Geräte oder Waffen in Menge hergestellt und die überflüssige Ware dann verhandelt. So hat man beim Pfahlbau Moosseedorf, zwei Stunden von Bern, eine Feuersteinwerkstätte entdeckt. In Maurach am Bodensee verfertigte man hauptsächlich Nephritbeile u. s. w. Derartige Werkstätten konstatierte man auch auf dem festen Lande. In Rümlang, nördlich von Zürich, fand man z. B. eine Töpferwerkstätte, die dem Ende der Steinzeit oder dem Beginn der Bronzeperiode angehört.
Gegen das Ende der Steinzeit wurden der Verkehr und der Tauschhandel lebhafter. Man vertrieb seltene Steine, wie die Nephritoide, auf weite Strecken, tauschte dafür grosse Feuersteinstücke ein oder gar Kupfer, das erste Metall, das bekannt wurde. Dieses ward mancherorts so häufig benutzt, dass man von einer eigentlichen Kupferzeit spricht.
3. Neolithische Gräber. In der Gegend von Pully und Lutry am Genfersee fand man Skelette in kleinen Steinkisten beerdigt. Oft waren es Mann und Frau, die gleichzeitig begraben worden; einigemale lagen auch Kinder dabei. Die Länge der Gräber betrug selten auch nur einen Meter; man hatte die Toten in zusammengekauerter Lage begraben. Ganz ähnliche Gräber in ebenso kleinen, aus Platten erstellten Steinkisten fanden sich am Nordfusse des Simplon bei Glis. Meistens lagen auch ¶