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Grenze zu ziehen. Zahlreiche Mineralwässer könnten in der Tat sehr gut auch als Trinkwasser verwendet werden, und eine ganze Anzahl derselben wird als rein hygienisches Getränk auch wirklich regelmässig genossen. Trinkwasser soll nicht über 0,5 gr feste Mineralsubstanz per Liter enthalten und diese nur in Gestalt von erdigen Salzen, wie z. B. kohlensaurem Kalk, kohlensaurer Magnesia und, in geringer Menge, auch schwefelsaurem Kalk. In Wirklichkeit ist aber immer auch ein gewisser, allerdings sehr schwacher Gehalt von verschiedenen anderen Salzen (alkalinischen Karbonaten) nachgewiesen, die von geringen Mengen von Kieselsäure begleitet werden.
Daraus ergibt sich, dass die Zusammensetzung eines aus dem Erdboden kommenden Wassers, selbst wenn es sich um Trinkwasser handelt, stets sehr komplex ist. Noch in weit höherm Grade trifft dies natürlich auf die eigentlichen Mineralwässer zu, die auf den Liter oft mehrere Gramme gelöster Salze enthalten und diesen auch fast immer einen besondern Geschmack verdanken. Wir fügen bei, dass die unterirdischen Wässer ohne Ausnahme immer auch gelöste Gase enthalten, von denen hauptsächlich die Kohlensäure Erwähnung verdient, deren Vorhandensein in erster Linie auf die Löslichkeit der Mineralsubstanzen (Kalk, Eisen, Magnesia etc.) beschleunigend einwirkt.
Sauerstoff, Stickstoff und Schwefelwasserstoff, die sich in den Quellwässern so häufig vorfinden, müssen gleichfalls zu den Mineralbestandteilen der unterirdischen Wässer gerechnet werden. Obwohl viele Mineralwässer, (die sog. Thermen) eine oft sehr hohe Temperatur aufweisen, steht doch die Thermalität in keiner Beziehung weder zur chemischen Beschaffenheit noch zu den medizinischen Eigenschaften des Wassers. Dies geht auch daraus hervor, dass die zu Badezwecken verwendeten Mineralwässer in den meisten Fällen vor Gebrauch erwärmt und umgekehrt die sehr warmen Thermalquellen abgekühlt werden, bevor sie als Getränk dienen können.
Die Thermen fassen wir nicht als eine besondere Gruppe von Mineralwässern auf, was sich umso mehr rechtfertigt, als auch gewöhnliches Trinkwasser thermal sein kann. Dabei bleibt freilich anzuerkennen, dass die steigende Temperatur ein wirksames Hilfsmittel zur leichteren Löslichkeit der Mineralsubstanzen ist, woraus folgt, dass die Thermalquellen, die, eben um die Eigenschaft der Thermalität zu erlangen, einen ziemlich weiten und tiefgehenden unterirdischen Weg zurückzulegen haben, meist auch stark mineralhaltig erscheinen.
Die Schätzung der Thermalität einer Quelle wird nicht durch die absolute Temperatur derselben bedingt, sondern vielmehr durch den Unterschied zwischen der Wasser- und der Ortstemperatur. Die Wärme des gewöhnlichen, d. h. nicht thermalen Quellwassers ist der mittleren Jahrestemperatur des Ortes, an dem es entspringt, entweder gleich oder dann um höchstens 1° überlegen. Immerhin werden solche Quellwässer, deren Temperatur diejenige ihrer Umgebung bloss um wenige Grade übertrifft, noch nicht als eigentliche Thermen betrachtet, sondern bis zu einer Wasserwärme von 18-20° C. als subthermale Quellen (Subthermen) bezeichnet.
Thermen treten in der Schweiz verhältnismässig nicht in grosser Zahl auf, weil das Wasser hier entweder nicht aus genügender Tiefe heraufkommt oder dann, bei genügend tiefem Eindringen, auf dem Wege zur Erdoberfläche sich wieder abkühlt. Diese letztere Erscheinung macht sich besonders bei schwachen Quellen geltend. Thermen sind fast ausnahmslos sehr starke Quellen, was sich leicht daraus erklären lässt, dass das in der Tiefe erhitzte Wasser schnell und in mächtigem Strom zur Erdoberfläche aufsteigen muss, wenn es sich auf diesem Wege nicht annähernd bis zur Temperatur seiner Austrittsstelle abkühlen soll.
In folgender Tabelle stellen wir einige schweizerische Quellen hinsichtlich der Höhe ihrer Austrittsstelle, der mittleren Jahrestemperatur dieser letztern, der Temperatur des Quellwassers und der Thermalität, d. h. des Unterschiedes zwischen der Wasser- und Ortstemperatur zusammen:
Quellen. | Höhe ü. M. m | Quellentemperatur. °C. | Ortstemperatur °C. | Thermalität °C. |
---|---|---|---|---|
1. Quelle beim Schutzhaus VII an der Simplonstrasse | 1860 | 4.5 | 2.4 | +2,1 |
2. Quelle von Les Avants über Montreux | 1000 | 7.0 | 6.05 | +0,94 |
3. Quelle der Bouverette (Genfersee) | 375 | 7.8 | 9.8 | -2,0 |
4. Stromquelle der Serrière | 470 | 8.5 | 8.9 | -0,4 |
5. Rufiwasser bei Susten-Leuk | 594 | 8.6 | 8.8 | -0,2 |
6. Kirchquelle in Montreux | 450 | 10.6 | 10.0 | +0,6 |
7. Quellen im Pfinwald bei Leuk | 560 | 10.8 | 9.3 | +1,5 |
8. Quelle des Bras bei Bex (Waadt) | 400 | 11.2 | 9.74 | +1,46 |
9. Fontaine de l'Ours in Montreux | 385 | 12.5 | 10.3 | +2,2 |
10. Teniger Bad im Val Somvix (Graubünden) | 1273 | 14.3 | 5.5 | +8,8 |
11. Laurenzenbad im Aargau | 518 | 17.5 | 8.5 | +9,0 |
12. Bovernier über Martigny (Wallis) | 622 | 21.3 | 8.2 | +13,1 |
13. Bad Yverdon | 440 | 24.0 | 9.0 | +15,0 |
14. Bad Saxon | 470 | 25.0 | 9.2 | +15,8 |
15. St. Petersquelle in Vals (Graubünden) | 1248 | 25.6 | 6.0 | +19,6 |
16. Bad Weissenburg im Simmenthal | 878 | 27.5 | 8.0 | +19,5 |
17. Bad Schinznach im Aargau | 351 | 36.0 | 10.0 | +26,0 |
18. Pfäfers (Mittel aus den verschiedenen Quellen) | 685 | 38.0 | 7.5 | +30,5 |
19. Leukerbad | 1415 | 43.0 | 5.0 | +38,0 |
20. Baden im Aargau | 382 | 47.0 | 10.0 | +37,0 |
21. Bad Lavey in der Waadt | 422 | 52.0 | 9.5 | +42,5 |
22. Quellen bei km 8.700 vom Nordwestportal des Simplontunnels | - | 52.0 | 54.0 | 2.0 |
23. Quelle bei km 4.400 vom Südostportal des Simplontunnels | - | 10.0 | 16.0 | -6,0 |
Diese Zusammenstellung zeigt die Abnahme der Temperatur mit zunehmender Höhe einerseits und die Unabhängigkeit der Quellentemperatur von der mittleren Ortstemperatur andrerseits. Die Quellentemperatur erscheint vielmehr als das Ergebnis der Tiefe des unterirdischen Quelllaufes und der Geschwindigkeit, mit der das Wasser an die Erdoberfläche aufsteigt. Einzig die aus einer Tiefe von nicht mehr als etwa 20 m kommenden Quellen zeigen die mittlere Ortstemperatur. Die beiden Beispiele aus dem Simplontunnel beweisen ferner, dass auch sehr heisse Quellen unter Umständen doch nicht thermal und sogar von negativer Thermalität sein können, indem der Fels noch etwas höhere Temperatur hat als das ihm entspringende Wasser.
b) Mineralquellen.
Mit Bezug auf die chemische Zusammensetzung (Mineralisation) der Mineralwässer lässt sich sagen, dass man in den unterirdischen Wässern die Anwesenheit von fast allen bekannten chemischen Substanzen in grösserer oder geringerer Menge ¶
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festgestellt hat. Sie finden sich in der grossen Mehrzahl der Fälle in gelöstem Zustand und nur selten in Suspension, in welchem Falle das Wasser dann trüb erscheint.
Chemische Elemente und ihre Verbindungen in den Quellwässern:
Sauerstoff (O). Im freien Zustand oder in Verbindung mit andern Elementen als Säuren und saure Salze
vorhanden. Das Wasser selbst enthält übrigens Sauerstoff als chemischen Komponenten im Verhältnis von 9,99999% ^[Berichtigung:
88,888%] seines Gewichtes. Die im Wasser am häufigsten auftretende Sauerstoffverbindung ist die Kohlensäure (CO2).
Wasserstoff (H). Selten im freien Zustand, häufig dagegen in Verbindungen (namentlich als H2S oder Schwefelwasserstoff).
Das Wasser selbst enthält Wasserstoff im Verhältnis von 0,11111% ^[Berichtigung: 11,111%.] seines Gewichtes.
Stickstoff (N). Im freien Zustand häufig gelöst, seltener dagegen in Verbindungen (Nitraten, Nitriten, Ammoniak).
Schwefel (S). In Form von Schwefelwasserstoff (H2S), sowie von Natrium- und Calciumsulfhydraten etc., dann besonders auch in Form von gelösten Salzen der Schwefelsäure (den sog. Sulfaten). Hierher gehören die zahlreichen Schwefelwässer, wie diejenigen der Lenk, von Leuk und Schinznach, vom Gurnigel etc., dann die von Lavey, Leissigen, Stachelberg, Schimberg etc.
Brom (Br). In geringen Mengen in Form von Alkali- und Magnesiumsalzen.
Jod (I). Wie das Brom. In den Thermen von Saxon, Rotenbrunnen, Solis, Tarasp, Wildegg.
Fluor (Fl). In vielen Mineralquellen nachgewiesen, aber stets nur in sehr geringer Quantität vorhanden. Thermen von Baden, St. Moritz, Tarasp etc.
Phosphor (P). In Gestalt von Eisen- und Calciumphosphaten in sehr geringen Mengen nachgewiesen. Wasser von Schwefelberg, Seewen (Schwyz), Solis und Passugg (Graubünden).
Arsen (As). Selten und nur in sehr geringen Mengen. Quellen im Val Sinestra (Graubünden).
Bor (B). In Form von borsauren Salzen in bemerkenswerten Mengen nachgewiesen im Wasser von Baden, des Val Sinestra etc. Spuren in verschiedenen andern Wässern.
Silicium (Si). Als freie Kieselsäure (SiO2) oder in Form von Natrium- und Calciumsilikaten etc. in fast allen Wässern in geringen Mengen nachgewiesen.
Kohlenstoff (C). Neben den in kleinen Mengen in zahlreichen Wässern vorhandenen organischen und bituminösen Substanzen ist als häufigste und in grösster Menge auftretende Kohlenstoffverbindung das Kohlendioxyd oder Kohlensäureanhydrid (CO2) zu nennen. Man findet es im gelösten Zustand in allen Wässern, und zwar in Mengen, die je nach der Temperatur und dem Druck schwanken. Sein Vorhandensein erhöht die Löslichkeit der erdigen Karbonate und des Eisens.
Die an Kohlendioxyd reichen Wässer werfen bei ihrem Erscheinen an der Erdoberfläche Blasen und werden Säuerlinge genannt. Ein grosser Ueberschuss an diesem durch Druck gelösten Gas bewirkt ein eigentliches Kochen des Wassers (Sprudel), welche Erscheinung bei den schweizerischen Quellen jedoch kaum zu beobachten ist. Als an Kohlendioxyd reichste Wässer der Schweiz sind zu nennen die Säuerlinge von St. Moritz, Belvedra, Schuls, Tarasp, San Bernardino und des Val Sinestra, die alle mehr als 1000 cm3 CO2 auf den Liter Wasser enthalten.
Kalium (K) und Natrium (Na), die beiden bekannten Alkalimetalle, finden sich in der Form von Chlorverbindungen
und oft in grossen Mengen (besonders das Kalium) ^[Berichtigung: Natrium] in den salinischen Quellen. Ihre Karbonate bestimmen
die besondern Eigenschaften der sog. alkalinischen Quellen. Ihre Sulfate (besonders diejenigen des Natrium) bilden einen
ziemlich starken Bestandteil von gewissen Quellen mit abführender Wirkung. Zu der ersten Gruppe gehören
die Wässer von Wildegg, Schweizerhalle, Rheinfelden und Sulzthal, zur zweiten die zahllosen, mehr oder weniger ausgesprochen
alkalischen Quellen (Schuls, Passugg etc.), zur dritten das Wasser von Mülligen.
Lithium (Li). Dem Auftreten dieses Alkalimetalles in den Mineralwässern wird selbst da eine grosse Wichtigkeit beigelegt, wo es nur in sehr kleiner Menge vorhanden ist. Spuren desselben lassen sich tatsächlich in allen Wässern nachweisen, doch ist keine der schweizerischen Quellen reich an diesem Element. Zu nennen sind in dieser Beziehung namentlich die Wässer von Baden (mit 0,0043 gr Li auf den Liter Wasser), Stachelberg, Yverdon etc. Meistens ist aber der Gehalt an Lithium bis jetzt noch nicht ziffernmässig festgestellt worden, was auch für die noch seltener vorkommenden Metalle Caesium, Rubidium und Thorium zutrifft.
Strontium (Sr) und Baryum (Ba), zwei Erdalkalimetalle, sind in den Mineralwässern nur selten und immer nur in kleinen Mengen vertreten, und zwar nur in Gestalt von Karbonaten und Sulfaten. Strontium ist mit 0,006 gr. auf den Liter Wasser in den Thermen von Baden nachgewiesen.
Calcium (Ca), das dritte Erdalkalimetall, erscheint neben dem Magnesium als die in gewissen Wässern am stärksten in Lösung vertretene Mineralsubstanz. Es fehlt sozusagen in keinem Wasser, da überall in grösserer oder geringerer Menge kohlensaurer Kalk (CaCO3) vorhanden erscheint. Dieser tritt in den an gasförmiger Kohlensäure nicht reichen Wässern im Verhältnis von 0,20-0,30 gr und in den eigentlichen Säuerlingen im Verhältnis von bis auf 3 gr und mehr pro Liter Wasser auf, fällt aber, der Luft ausgesetzt, durch Entweichen der Kohlensäure wieder aus und bildet dann den sog. Sprudelstein, Tropfstein, Kalktuff, Kalksinter etc. Das Tarasper Wasser enthält 2,447 gr CaCO3 pro Liter.
Ebenso häufig ist der schwefelsaure Kalk (CaSO4), der sich aber weder von selbst noch beim Kochen des Wassers abscheidet. Diejenigen Wässer, welche, neben einer gleichwertigen Menge von kohlensaurem Kalk, mehr als 0,2-0,3 gr schwefelsauren Kalk pro Liter Wasser enthalten, werden Gipsquellen genannt. Gipsquellen mit 1,5-2,0 gr schwefelsaurem Kalk pro Liter Wasser sind in grosser Menge vorhanden. Ausnahmsweise erscheint auch Chlorcalcium (CaCl2), und zwar mit Vorliebe in gewissen salinischen Quellen.
Magnesium (Mg). Die Karbonate und Chloride dieses Metalles begleiten fast immer die entsprechenden Calciumverbindungen, sind aber in weit geringeren Mengen als diese vorhanden. Eine vorherrschende Rolle spielt dagegen das Magnesiumsulfat (MgSO4) oder Bittersalz (auch Epsomit genannt), das in den abführenden salinischen Quellen in grosser Menge vorhanden sein kann und z. B. im Birmensdorfer Bitterwasser im Verhältnis von 22 gr auf den Liter Wasser auftritt.
Aluminium (Al). Die Verbindungen dieses Leichtmetalles sind in den schweizerischen Mineralwässern nur von untergeordneter Bedeutung und kommen, wahrscheinlich in Form von Silikaten und Sulfaten oder auch von Aluminaten, immer in sehr kleinen Mengen vor. Wirkliche Alaunwässer, d. h. Quellen mit Doppelsalzen des Aluminium, sind in der Schweiz nicht bekannt.
Eisen (Fe). Eisen enthalten sehr zahlreiche Quellen, und zwar hauptsächlich in Form von Karbonat (Stahlwässer), seltener auch von Sulfat (Vitriolwässer). Jener Gruppe gehören an die Quellen von St. Moritz, Grimmialp, St. Peter, Schuls, Sassal, Morgins etc., ein Vitriolwasser stellt dagegen die Quelle von Scerina (im Tessin) dar.
Spuren von Nickel, Kobalt, Mangan, Zinn, Zink, Wismut, Blei etc. haben zwar in einigen Mineralwässern nachgewiesen werden können, geben aber diesen Quellen keinerlei besondere Eigenschaften oder Vorzüge.
Eine Klassifikation der Mineralquellen erscheint wegen der oft zahlreichen chemischen Bestandteile, die sie zugleich in Lösung enthalten, recht schwierig. Die von Daubrée nach den elektronegativen Bestandteilen (Säuren) aufgestellte chemische Klassifikation leidet an dem Uebelstand, dass neben jede, durch einige typische Beispiele charakterisierte Gruppe noch eine sog. «gemischte» Unterabteilung, welche stets die weitaus grössere Zahl der Quellen umfasst, gestellt werden musste. Eine solche Klassifikation kann nur von wissenschaftlichem Interesse sein, abgesehen davon, dass man als Einteilungsprinzip ebenso gut auch die elektropositiven Bestandteile (Metalle oder Basen) wählen könnte.
Da die in der Schweiz so zahlreich vertretenen Mineralwässer namentlich vom medizinischen und therapeutischen Standpunkt aus von Bedeutung sind, erscheint es ¶