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so manche andere sekundäre oder Spezialindustrien sind hier stark vertreten, wie denn überhaupt das industrielle Leben des ganzen Landes in diesem mittleren Teile der Nordschweiz zwischen Schaffhausen im N. und Zug im S., dem Tössthal im O. und Brugg im W. seine höchste Intensität und seine grösste Mannigfaltigkeit aufweist und von hier aus mehr und mehr auch nach der katholischen Zentralschweiz und darüber hinaus bis ins Berner Oberland und nach Bern selbst ausgreift.
Als kleine aber deutlich lokalisierte Berner Oberländer Industrien sind zu nennen die Holzschnitzerei von Brienz, die Zündholzindustrie des Frutigthals und die Töpferei von Heimberg bei Thun. Im alten Kantonsteil Bern hat neben der Wollweberei des Mittellandes und der Leinenindustrie des untern Emmenthals auch noch die Baumwollindustrie, insonderheit die Buntweberei im Oberaargau festen Fuss gefasst.
Spezifisch aargauische Industrien sind die Strohflechterei des Reuss- und des Seethals (auch in den Kantonen Freiburg und Tessin vertreten) und die Zigarrenfabrikation. Daran reiht sich westwärts die Schuhindustrie von Schönenwerd und Olten, sowie die Seidenbandweberei, die Schappezwirnerei und die chemische Industrie von Basel.
Wir stehen damit bereits auf der Grenze der Uhrenindustrie, die von Hölstein und Waldenburg im Kanton Basel Land bis nach Genf den ganzen Jura durchsetzt und namentlich den gesamten Jura der welschen Schweiz beherrscht. In enger Verbindung damit steht die Erzeugung von Präzisionsapparaten im Kanton Neuenburg, sowie von Musikwerken und Phonographen in Sainte Croix, die Steinschleiferei von Genf, Lucens und Maisprach und die blühenden Juwelier-, Emaillier- und Gravierkünste von Genf. (Näheres über das industrielle Leben im Jura enthält der Art. «Jura» von Dr Rollier im 2. Band dieses Lexikons).
Mehr oder weniger über alle Landesteile verbreiten sich heute die Maschinen- und die Elektrizitätsindustrie im weitesten Umfang, die Ziegelei und Zementindustrie, die Zellulose und Papierfabrikation, die Woll- und die Wirkwarenindustrie, namentlich aber die grossen Nahrungs- und Genussmittelindustrien der Müllerei und der Bierbrauerei, die Milchkondensation, die Schokoladenfabrikation, die Herstellung von Likören, Limonaden, Mineralwassern, von Frucht- und Gemüsekonserven. Enger lokalisiert ist die Wermutbereitung im Kanton Genf, die Absinthdestillation im Val de Travers, die Kirschenbrennerei in den Kantonen Zug, Schwyz und Basel Land, die Zigarrenfabrikation im Aargau und in der welschen Schweiz, einschliesslich des Kantons Tessin.
Eine Reihe ursprünglicher Handwerke, wie die Konfektion im weitesten Sinne, die Gerberei und die Schuhmacherei, die Möbelschreinerei, die Bau- und Kunstschlosserei, die Herstellung von Verpackungsmaterial aus Eisen und Holz u. a. m. wachsen in den grösseren Schweizerstädten, entsprechend den immer höher gehenden Anforderungen, über ihren hergebrachten Rahmen hinaus und bilden sich mehr und mehr zu kleineren oder grösseren Industrien aus.
3. Umfang und soziale Bedeutung der industriellen Tätigkeit.
Ueber den Umfang und die soziale Bedeutung der verschiedenen Industrien gibt die nachfolgende Uebersicht der in jeder derselben tätigen männlichen und weiblichen Arbeitskräfte und der durch sie ernährten Personen überhaupt auf Grund der eidgenössischen Berufszählung vom Aufschluss. Damals beschäftigte bezw. ernährte die industrielle Tätigkeit folgende Anzahl von Personen:
Personen tätig | Personen ernährt | |||
---|---|---|---|---|
Männer | Frauen | Total | Total | |
Seidenindustrie | 15663 | 43131 | 58794 | 88457 |
Stickerei | 21045 | 29216 | 50261 | 89588 |
Baumwollspinnerei und -weberei | 17958 | 20271 | 38229 | 63853 |
Wollindustrie | 2200 | 2601 | 4801 | 8749 |
Uebrige Textilindustrie | 4302 | 7763 | 12065 | 19497 |
Gesamte Textilindustrie: | 61168 | 102982 | 164150 | 270144 |
Uhrenindustrie u. Bijouterie | 36702 | 17899 | 54601 | 119213 |
Maschinenindustrie | 31764 | 229 | 31993 | 76054 |
Uebrige Metallgewerbe | 32443 | 1588 | 34031 | 80625 |
Gesamte Metallbearbeitung: | 100909 | 19716 | 120625 | 275892 |
Müllerei | 4813 | 154 | 4967 | 12807 |
Schokoladefabrikation | 1286 | 1101 | 2387 | 4229 |
Bierbrauerei | 3498 | 29 | 3527 | 9703 |
Andere Spirituosen | 1677 | 60 | 1737 | 4457 |
Tabakindustrie | 2428 | 4980 | 7408 | 11701 |
Uebr. Nahrungsmittelgewerbe (Bäcker, Metzger etc.) | 33793 | 5524 | 39317 | 86900 |
Nahrungsmittel insgesamt: | 47495 | 11848 | 59343 | 129797 |
Kleidung u. Putz | 40210 | 92417 | 132627 | 208757 |
Baugewerbe | 183962 | 2138 | 186100 | 426401 |
Chemische Industrien | 8796 | 734 | 9530 | 25925 |
Papier- und Lederindustrie | 4472 | 942 | 5414 | 13745 |
Vervielfältigung von Schrift, Zeichnung und dergl. | 13003 | 3135 | 16138 | 33035 |
und so fort. | ||||
Industrie und Handwerk überhaupt: | 460015 | 233912 | 693927 | 1383666 |
gegenüber 285486 Zugehörigen des Handels (wovon tätig 140867), 167278 der Verkehrsgewerbe (wovon tätig 61082), 1067905 der Landwirtschaft (wovon tätig 473297) und insgesamt 3128333 Berufszugehörigen, wovon 1470352 tätig, und einer gesamten Wohnbevölkerung von 3315443 Seelen.
Die seit dieser letzten Berufszählung verflossenen sieben Jahre sind indessen für die meisten Industrien der Schweiz und gerade für einige der wichtigsten eine Zeit ausnehmend starken inneren und äusseren Wachstums gewesen. Für einige der grösseren Exportindustrien wird dies am besten verdeutlicht durch folgende Ausfuhrziffern von einst und jetzt:
Ausfuhrwert in Millionen Franken:
1900 | 1906 | |
---|---|---|
Uhren | 123 | 150 |
Stickereien | 119 | 159 |
Maschinen etc. | 49.5 | 68.75 |
Schokoladen | 10.85 | 36.3 |
Teerfarben | 15.34 | 21.8. |
Diese Ziffern als richtig vorausgesetzt, müsste, nach dem Verhältnis gerechnet, auf folgende Zunahme der Berufszugehörigkeit geschlossen werden:
Bei der | also von: Seelen | auf Seelen |
---|---|---|
Uhrenindustrie um nahezu ¼ | 119000 | 146000 |
Stickerei um einen vollen Drittel | 90000 | 120000 |
Maschinenindustrie um nahezu 3/7 | 76000 | 106000 |
Farbenindustrie um nahezu 3/7 | 5000 | 7000 |
Schokoladenindustrie um nahezu das 2½fache | 4000 | 14000 |
In Wirklichkeit bleibt die Zahl der Berufszugehörigen wahrscheinlich unter diesen Ziffern, teils infolge des Fortschritts der mechanischen Betriebsmittel, der auf die Ersparnis an den menschlichen Arbeitskräften abzielt, teils deshalb, weil die Zunahme im innern Konsum nicht durchweg Schritt gehalten hat mit der ausserordentlichen Steigerung des Exports, so namentlich bei der Schokolade, deren Export zudem wohl um mehr als 10% zu hoch bewertet ist.
Den Umfang der Produktion unsrer wichtigeren ¶
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Grossindustrien wird man sich heute etwa folgendermassen zu denken haben:
(Werte in Mill. Fr.) | Export | Innerer Konsum eigener Produkte | Totalproduktion | Realer Anteil der schweiz. Arbeit u. Unternehmung (in roher Schätzung) |
---|---|---|---|---|
Stickereien | 159 | 11 | 170 | 119 |
Uhren | 154 | 8 | 162 | 89 |
Maschinen | 69 | 71 | 140 | 70 |
Seidenstoffe | 108 | 12 | 120 | 42 |
Baumwollspinnerei und -weberei, Baumwollfärberei und -druckerei | 53 | 47 | 100 | 50 |
Kondensierte Milch | 28 | 5 | 33 | 28 |
Schokolade (richtiger 32 statt 36) | 36 | 10 | 42 | 17 |
Teerfarben | 22 | 3 | 25 | 16 |
Bierbrauerei | ¾ | 35 | 35¾ | 16 |
Seidenbandweberei | 38 | 5 | 43 | 15 |
Tabak | 3½ | 18½ | 22 | 14 |
Schappe und Kordonnet | 31 | 5 | 36 | 9 |
Wollspinnerei und -weberei | 18½ | 16½ | 35 | ? |
Wirkwaren | 10 | 5 | 15 | ? |
Strohwaren | 12 | ? | ? | ? |
Schuhwaren | 8 | ? | ? | ? |
Im Ganzen dürfte der industrielle Export der Schweiz im Jahr 1906 nahe an die 800 Mill. Franken ausmachen. Noch weit höher steht natürlich die industrielle Gesamtproduktion für das In- und das Ausland. Die Schweiz ist damit zur Zeit auf einem Höhepunkt ihrer industriellen Entwicklung angelangt. So hohe Ziffern werden vielleicht in manchen Fällen nicht so bald wiederkehren. Gründlich verfehlt wäre es aber, dem industriellen Fortschritt und der starken industriellen Expansion der Schweiz entgegentreten zu wollen.
Denn auf keinem Gebiete gilt heute so sehr, dass Stillstand gleichbedeutend ist mit Rückschritt. Was die Schweiz von den ihr erreichbaren industriellen Absatzmöglichkeiten im In- und Ausland nicht für sich gewinnt, dessen bemächtigt sich die ausländische Industrie, um es nicht mehr loszulassen. Für die Schweiz gilt es vielmehr, ihre starke industrielle und Exportstellung auf jede Weise auszunutzen und unaufhörlich zu mehren nach dem grossen Gesetz alles Fortschritts: Wer da hat, dem wird gegeben.
[Dr T. Geering.]
B. Mineralprodukte, Steine, Erden und Erze.
Die Schweiz gilt als eines der an Schätzen des Mineralreiches am besten ausgestatteten Länder, und zwar sowohl mit Bezug auf den rein wissenschaftlichen Standpunkt als auch mit Hinsicht auf die industrielle Verwertung dieser Schätze. Trotzdem muss betont werden, dass der Abbau von Erzen bisher in den meisten Fällen nur wenig ermutigende Ergebnisse gezeitigt hat. Unsere Aufgabe besteht an dieser Stelle darin, zunächst einen Gesamtüberblick über die Mineralien der Schweiz zu geben und dann die Art und Weise zu erörtern, wie dieselben für Gewerbe und Industrie nutzbar gemacht werden.
1. Mineralien der Schweiz.
Eine vollständige Beschreibung und Aufzählung aller Mineralien der Schweiz würde einem eigentlichen Grundriss der Mineralogie gleichkommen und kann daher an dieser Stelle nicht in Betracht fallen. Wir beschränken uns vielmehr auf die unerlässlichsten Angaben über die wichtigsten Mineralien unseres Landes und einige historische Notizen über ihre erste Auffindung.
Von sehr alter Zeit her sind verschiedene Gebiete der Schweiz, namentlich die Alpen, durch das häufige Vorkommen von anderwärts seltenen Mineralien oder durch die ausserordentlichen Grössenverhältnisse der Kristalle berühmt gewesen. Der hauptsächlichste Wert der Mineralien als solcher liegt eben gerade in den auffälligen Kristallformen, ihrem Glanz und den grossen Dimensionen einiger derselben. Fundstellen von Edelsteinen (z. B. für wertvolle Schmucksachen) gibt es in der Schweiz kaum; so findet man weder Smaragden, noch Türkisen, noch edlen Opal etc. Dagegen verfügen wir über einige sog. Halbedelsteine, die in ziemlich grossen Mengen auftreten, während wieder andere Mineralien dadurch Anlass zu einem ziemlich intensiven Handel geben, dass sie von den unsere Berge besuchenden fremden Touristen als Andenken angekauft werden.
Endlich sind verschiedene Teile der Alpen auch durch ihren Reichtum an Mineralien, die in wissenschaftlicher Hinsicht grosses Interesse bieten, zu Weltruf gelangt, so z. B. das Gotthardmassiv, das Saas- und Nikolaithal, das Simplongebiet und das Binnenthal. Die Funde dieser Kategorie geben ebenfalls zur Entwicklung eines ziemlich lebhaften Handels Anlass, und gewisse Mineralien von besonderer Kristallform oder eigenartiger chemischer Zusammensetzung erzielen sogar ziemlich hohe Preise.
Bei der nachfolgenden Zusammenstellung der für unsere Zwecke hauptsächlich in Betracht kommenden Mineralien hat uns in erster Linie das ausgezeichnete Werk von Prof. Kenngott (Die Minerale der Schweiz, nach ihren Eigenschaften und Fundorten ausführlich beschrieben. Leipzig 1866) als Führer gedient.
a) Quarz. Der Quarz verdient sowohl wegen seines häufigen Vorkommens, als wegen der Schönheit und der oft gewaltigen Dimensionen seiner Kristalle an erster Stelle genannt zu werden. Der Ruhm der Quarzkristalle der Alpen geht bis ins Altertum zurück, indem sie schon von Plinius erwähnt werden. Der Reiz dieses Minerales liegt hauptsächlich in der Kristallform, die ein oben zu einer Pyramide zugespitztes, regelmässiges hexagonales Prisma darstellt, sowie in der an Abwechslung reichen Färbung der Kristalle.
Dazu gesellt sich das grosse Interesse an den zahllosen Variationen, denen die äussere Gestalt der Kristalle unterworfen sein kann. Der gewöhnliche Quarz ist eine milchig-trüb durchscheinende, glasige Masse, die als Füllmittel von Klüften und zwar oft in der Form von mehreren Meter mächtigen Adern und Gängen in den allerverschiedensten Gesteinsformationen auftritt. Kristallisiert, durchsichtig und wasserhell heisst er Bergkristall, der das bemerkenswerteste und in der Tat auch am meisten beachtete Mineral der Alpen darstellt.
Ist er farblos, so heisst er Bergkristall (im engern Sinn), erscheint er mehr oder weniger braun gefärbt, so trägt er den Namen Rauchtopas (oder Rauchquarz), ist er schwarz, so nennt man ihn Morion, und zeigt er violettblaue Farbe, so kennt man ihn als Amethyst. Alle diese Abarten des Bergkristalles umschliessen oft eine ganze Reihe von weiteren Mineralien, wie namentlich Rutil (Piz Aul in Graubünden), Glimmer, Eisenoxyd (Hämatit), Hornblende, Turmalin, Eisenglanz, verschiedene Feldspäte etc. Hauptfundstellen von Bergkristall sind das Oberwallis (Binnenthal), sowie das Gotthard- und das Aarmassiv. Hier hat man die zahlreichsten und grössten Quarzkristalle aufgefunden, so namentlich 1719 am Zinkenstock, 1868 am Galenstock und über dem Tiefengletscher, von welch' letzterer Stelle die grössten bekannten Rauchtopasindividuen der Welt (Gewicht des grössten Kristalls 127 kg) stammen (vergl. den ¶