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nöf, aber nova = nọva, lat. folia = föja;
mailändischem pyasa und męza entspricht noch pya.tsa, me.dza (mit nicht reduzierten ts, dz);
nach betontem e wird n zu ñ, so in bene = beñ gegenüber lombardischem bẽ;
s vor Konsonant wird zu š: špọs («Gatte») gegenüber mailändisch spos.
Damit ist freilich nicht gesagt, dass nun jedes Merkmal überall vorkommen müsse und zwar schon deshalb nicht, weil für viele Ortschaften noch keine sichern Nachrichten vorhanden sind. b) Von den Merkmalen, die den alpinen Dialekten allein zukommen, seien die folgenden hervorgehoben, wobei wiederum zu beachten ist, dass für verschiedene Gegenden noch genaue Konstatierungen des Lautstandes fehlen und dass diese Merkmale nicht alle über das ganze alpine Gebiet verbreitet sind: k, g vor a und andern Vokalen wird palatalisiert (wie schon bemerkt);
betontes a hat die Tendenz, sich in e zu verwandeln, z. B. in levent. čęf = ital. chiave;
-atu und -ati werden zu -au, -ai, woraus in den heutigen Mundarten -ọw, ọu, -o, -u bezw. -ęy, ẹy, -ę, -ẹ entstehen, z. B. prai = ital. prati, purtau = ital. portato (dies findet sich auch vereinzelt im Sottoceneri);
dem geschlossenen e von ital. potere entspricht hie und da der Diphthong ey, so pudey etc.;
dem lombardischen pyazę, fazö = ital. piacere, fagiuolo stehen im Val Maggia und anderswo gegenüber pyaže, fažöw;
mailändischem pęs = ital. pesce entspricht die Form pęš;
für ital. maggio, lombard. maģ haben wir manž mit eingeschobenem n, das sich seinerseits in mayž oder maynž auflöst.
Andere Charakterzüge verbinden einzelne Untergebiete miteinander, die meistens benachbart sind: wir sehen aber bisweilen auch entfernte Thalschaften miteinander gehen, so z. B. die Bündnerthäler mit dem Anzascathal im Ossolagebiet. Soweit wir heute unterrichtet sind, ist es nicht möglich, einen einzigen lautlichen Charakterzug anzugeben, welcher der gesamten italienischen Schweiz ausschliesslich eigentümlich wäre, ja nicht einmal für die alpinen Varietäten gibt es einen solchen.
Nur für das Ensemble der Mundarten des Tessin, von ^[Ergänzung: Locarno und] Bellinzona aufwärts, und der Mesolcina besteht ein solcher, soviel man weiss, in der Verwandlung des auslautenden -l vom Suffix -ọl[o] in w: fazöw = fagiuolo. Die Bündnerthäler des Addagebietes besitzen für sich allein die syntaktische Konstruktion «si pentire» und «si pentendo» statt pentirsi, pentendosi, wie im ^[Ergänzung: lombardischen und] italienischen. Eine grössere Einheit war bei der politischen Zerstückelung und den gewaltigen Schranken, welche die Gebirge und Seen darstellen, nicht zu erwarten.
Endlich wäre eine lange Reihe von Sonderzügen aufzuzählen, welche die enger begrenzten Sprachlandschaften von einander unterscheiden. Hierbei machen die Merkmale nicht immer genau an der politischen Grenze Halt, sondern sie überspringen oft die Schranke oder erreichen sie diesseits nicht ganz. Schärfere Abgrenzungen lassen sich da beobachten, wo die politischen Grenzen älter sind und stärkere geographische Einschnitte durchgehen. So zwischen Puschlav und Veltlin, zwischen Bergell und Chiavenna.
Die Mundart von Poschiavo stellt geradezu eine ältere Phase des Veltliner Dialekts dar, wobei die Aussprache -u der Katholiken für -atu gegenüber -a des Dialektes von Chiavenna und Veltlin besonders charakteristisch ist. Die Protestanten von Poschiavo sprechen ebenfalls -a. Das Bergell hebt sich auffallend scharf ab, nicht nur von Chiavenna, das ganz lombardisch ist, sondern auch von den einheimischen Mundarten der Umgebung und des San Giacomo-Thales. Dieser Gegensatz erklärt sich nicht allein durch alte politische und kirchliche Grenzen, durch die Beziehungen des Bergell zu Bünden, sondern, in den letzten Jahrhunderten, durch die Verschiedenheit der Konfession.
Ziemlich scharf ist auch der sprachliche Unterschied zwischen dem Misoxerthal und dem benachbarten Gebiet von Bellinzona. Daran ist die alte politisch-kirchliche Grenze schuld, denn Lumino, das letzte bellinzonesische Dorf, gehört eigentlich geographisch schon zum Misox und ist durch kein Terrainhindernis vom ersten Bündnerdorf San Vittore getrennt. Und doch unterscheidet sich Lumino durch zwei wichtige Lautzüge lombardischen Charakters von diesem Dorfe; durch das ü für u (mür), das zwar in Lumino dem Klange nach sich etwas dem u nähert, und durch die Verwandlung von intervokalischem l in r (škara = scala). Vittore hat u und l.
Auf die Phonetik der einzelnen Untergebiete können wir hier nicht eingehen. Wir zitieren nur einige besonders frappante Einzelheiten. Dem Gebiet von Mendrisio, dessen Dialekt sich vom allgemeinen Lombardisch am wenigsten unterscheidet, ist die Aussprache ọ für a vor l+ Konsonant eigen, z. B. in kọlt, ital. caldo;
im Luganesischen treffen wir hier und da noch alpine Züge, wie natürlich;
so hat Isone, das übrigens politisch noch zum Sopraceneri gehört, Spuren der Palatalisation von ka. Im Sottoceneri finden sich auch einige u- Inseln im ü- Gebiet, z. B. in Bidogno und Breno;
im Val Colla und anderwärts wird zweikonsonantischer Ausgang der Wörter nicht geduldet und entweder ein -e oder ein -a angehängt: ka.mpe für campo, -i, volpe = volpe, -i, ga.mbe = gamba, etc.;
padra = padre, ka.vre = capre, kwa.tre = quattro, dọ.bya = doppio, -ppi, -ppie, -ppia, etc. Im Gebiet von Locarno erwähnen wir einige interessante Flexionen, wie das Perfekt kanto.ba = ital. cantei, das Futur kantaro.ba = ital. canterô;
auch das Maggiathal kennzeichnet sich durch sonderbare Formen, wie den Kondizional farü.sba = ital. farebbe;
die Mundart von Bellinzona wandelt ọ vor Konsonantengruppen in ọ (mọška, mosca) und, auf dem Lande, fy in š, z. B. in Sementina, f in h z. B. in hil da hęr = ital. filo di ferro (in Gorduno);
die Leventina hat, wie Poschiavo, sem für io sono, sie kennt im untern Teil die Wiederholung des Pronomens vor dem Zeitwort nicht: al gal kanta, la galina kanta = lomb. el gal el kanta, la galina la kanta;
ferner sind die Vokalassimilationen in der untern Leventina und der Riviera auffallend: so gleicht sich auslautendes a regelmässig dem Tonvokal an: va.ka = vacca, tęrę = terra, pye.ne = piena, pọ.rtọ = porta, ọ.rọ = ora, du.ru = dura, lü.nü = luna, gali.ni = gallina.
Im Adda-Gebiet spürt man etwas deutlich die Nähe des Rätoromanischen, wie in der Erhaltung der Gruppen pl, bl, fl, des auslautenden -s unter gewissen Bedingungen u. s. w. Auch das Vokabular verrät den Einfluss des Engadins, wie aus folgenden Wörtern hervorgeht: er, auch;
davent, weg;
terz, Praepos. = neben;
or, dador = hinaus;
gügent, gern;
uscia, so;
edüna, immer;
bier, sehr (im Puschlav biglier);
bap, Vater;
fi, Sohn (ebenso in der Mesolcina);
sor, Schwester (in der Mesolcina sew);
frär, Bruder (in der Mesolcina fra);
neif mask., nezza fem., Neffe, Nichte;
cianciär, sprechen;
tatlär, hören (auch im Veltlin);
norsa, Schaf;
muntanela, Murmeltier (ebenso im Puschlav und Bormio);
penk, Butter (auch im Veltlin);
sdun, Löffel;
böil, Darm;
vig, Dorf, etc., welche Wörter dem Bergell angehören (für das Puschlav vergl. zont, völlig; daús, hinten, in geschützter Lage; inténtar, zwischen).
Als Sprachproben lassen wir für die einzelnen Dialekte den ersten und zweiten Vers des Gleichnisses vom verlornen Sohn (Lukas XV, 11 & 12) folgen, wobei wir bemerken, dass die Texte z. T. in phonetischer und z. T. in traditioneller Umschreibung gegeben sind, d. h. so, wie sie mir von meinen Quellen geboten wurden. Zum Vergleich fügen wir ausser dem deutschen Text auch noch die französische, rätoromanische (oberengadinische und surselvische), mailändische u. schriftitalienische Version bei.
Deutsch: | Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne; und der jüngste unter ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört. Und er teilte ihnen das Gut. |
Französisch: | Un homme avait deux fils, dont le plus jeune dit à son père: mon père, donne-moi la part de bien qui me doit échoir. Ainsi, le père leur partagea son bien. |
Oberengadinisch: | Ün hom avaiva duos figls. Ed il giuven da quels dschet al bap: bap, do'm la part della roba chi'm tuocha. Ed el partit ad els la roba. |
Surselvisch: | In hum haveva dus figls. Ad il giuven da quels schet al bap: bap, mi dai la part da la rauba ca auda a mi! Ad el partgit ad els la rauba. |
Italienisch: | Un uomo aveva due figliuoli. E il più giovine di loro disse al padre: padre, dammi la parte dei beni che mi tocca; e il padre sparti loro i beni. |
Mailänder Dialekt: | Una vọlta g'era un ọm ke'l g'aveva düü fyöö. E'l püsee ģuven de lur, el ge diz un di a sọ pa.der: papa, fam föra la part de rọba ke me tọka; e'l pader el ge l'a fada föra. ^[Berichtigt.] |
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Lombardische Dialekte des Kantons Tessin: | |
a. Mendrisio (Valle di Muggio): | Un omm al ghẹva düü fiö; e'l minur al g'a dii al sọ pa: Ó pa, dẹmni la mia part ca ma tọca. E'l pa l'a spartii sü la sua sustanza tra i sọ düü fiö. |
b. Lugano (Val Colla) | On ọm al gh'eva dü fioeu; e'l pussee punin l'a dič'al sọ pa: pa, dam era parte di ben ch'em to.ca. E'l pa a g'ra dacia. |
c. Lugano (Malcantone) | On padra o gheva duu fioeu. E or minor l'a digg ar so pa: Pa, dem ra mi part de sosctanza cam parto.ca. Er padra o ga scpartit intra de lor ra so sosctanza. |
d. Bellinzona-Stadt | Una vọlta g'era un ọm ke'l g'aveva düü fyöö. E'm bęl di'l pusée pinin al fa kul tsọ pa: o pa, dam la part da la tua rọba kę ma tọka mi; e'l pa'l ga l'a daya. |
e. Bellinzona-Land (Linkes Ufer des Tessin: Arbedo). | Umn'om el g'eva düü maton. El püsęę žun da šti düü el g'a dič al pa: pa, dam fọra la męę part da suštantsya ke m'tọka, e lü el g'a fač-fọra y part. |
f. Locarno (nach Biondelli: Saggio, S. 47). | On um l'à avüt dü fiö. E'l piü giòvan da costor o gh'à di al pádar: pa, dèm la mea part ch'a m'toca; e'l pàdar o gh'à fai fora i part. |
Alpine Dialekte der italienischen Schweiz: | |
a. Valle Maggia (Cavergno): | Sema'na vọlta u y'ęra um pa k'ęva düy tuzọy. Lu fyö minor um di u čapa-ša lu pa e u y dež: pà, a vöł la mę part ila špartitsyọm dla vọša rọba; e lu pà u y l'a dęča. |
b. Locarno (Valle Verzasca; nach Monti, S. 421). | On òmen o ghêva du tosôi. El pu pinign o ga dicc al pà: pà, dam êr tangenta dêr roba ca'm vegn a mi. E o gà scpartit fora êr sosctanza. |
c. Obere Leventina (Ossasco). | Un bọt u y eva um pa če dl'eva düy tuzu.y. E u pyunda pi.šan l'a dič un di al pa da dęj la sọ part ded rọba. U pa u y l'a dęča. |
d. Untere Leventina (Poleggio). | Um bọt g'era umn'om ke g'ęva düy fyöy. E un di kęl pyọnda piŋ ę štač-sü e g'a dič kul sö pa: pa, dam la part det la rọba kem špeta a mi. E'l pa gl'a dača. |
e. Bleniothal (nach Monti, S. 420). | On tàa om o gheva doi fant. E ol pu piscen de quigl l'àa dicc al pa: o pa, dam ra part dra roba co'm toca. E lu o g'a sparti ra roba. |
f. Riviera (Claro). | Omn'om al g'eve duu fyey. E al pisey žon da lọw l'a dič al so pa: pa, dam la part dala rọbọ ka'm tọkọ, e'l pa el g'a fač fọrọ a oñun la soo part. |
g. Bezirk Bellinzona (Rechtes-Ufer des Tessin: Gorduno). | On ọm ọ g'eve düü hiyi.i. E'l pise.e žọn ọ g'a dič al se pa: pa, dem họrọ la part da kęl kọ'm tọ.kọ. E lü ọ g'a špartit họrọ la sọ rọbọ da kęl k'ọ g'tuke.ve. |
h. Obere Mesolcina (Misox). | Un ọm ęl g'avevọ do mato.n; e'l čusẹ ğọvin de kušt ęl gę diz un di al tso pa: pā, dadum la part de rọbọ kę mę tọ.kọ; ę’l pā, buna.š, l'a špartu fọrọ tra dę lọ j so bęñ. |
i. Untere Mesolcina (San Vittore). | Nọ vọlta ę g'era omn'om kęl g'ayeva du fye. Om di el pise piniŋ el g'a dič al so pa: ti, pa, dam la mi part, ke mi a vey na a gira'l mont. E'l pa alọra el g'a fač fọra la sọ part. |
k. Bergell (nach Biondelli: Saggio, S. 42). | Un om veva düi fi. Ä plü giùvan dgét con sè bap: bap, dam la mè pärt da roba; ä'l lur špartit i sè ben. |
l. Puschlav. | Un ọm al gẹa dọi fiłöy. Al plü ğu.an al ga dis kun sę pa: pā, da.dum la part da rọba ki ma tọka; e'l pa al ga spartu la roba intra da lur. |
Es erscheint leicht verständlich, dass der Wortschatz unseres ganzen Gebietes rein lombardischen Charakters ist, namentlich in jenen Landschaften, die wir ausdrücklich als lombardische bezeichnet haben. Es handelt sich zum grössern Teil um den Mundarten ursprünglich eigene Gemeinwörter und nur zum weitaus kleineren Teil um von aussen eingeführte Wörter. Doch ist es nicht immer leicht, zwischen beiden zu unterscheiden; so erscheint z. B. der Leventiner Ausdruck šigera (Nebel) als mailändisch, weil das Wort nach den Grundsätzen der Leventiner Phonetik als šiera ausgesprochen werden sollte.
Aus klar liegenden historischen Gründen sind ferner von der Lombardei her verschiedene alte spanische Wörter eingeführt worden, wie z. B. caraco (ein Nichts), catzöla und mondegili (Namen von Speisen). Im alpinen Abschnitt sind eine grosse Anzahl von Ausdrücken üblich, die meist die Alpwirtschaft, Käserei und Landwirtschaft betreffen und alpiner Herkunft sind, d. h. die Dialekte der italienischen Schweiz eher mit denen der Alpen im Osten, Westen und Norden, als mit denjenigen der Ebene verbinden.
Solche Sprachformen, die sich einzig noch in den Alpen erhalten haben, sind z. B. [capra] bīma (= zweijährige Ziege), levent. bi.ma, calanc. bi.mba, aostan. bime, bellunes. bi.mba; haediolus, Deminutiv von haedus (= Zicklein), ossolan. und tessin. jö puschlav. und veltlinisch andzo.l, odzo.l, trientin. dzœl, bellunes. andola, engadin. anzöl, surselvisch ansiel; [fœnum] recidivum (= Emd), tessin. redezi, redžif, ossolan. ardzi, trientin. ardziva und erdziva friaul. ardziva, surselv. raschdif etc. Die speziellen lexikographischen Aehnlichkeiten zwischen der ladinischen Mundart und derjenigen des Bergell haben wir schon erwähnt; ebenso interessant, hier aber nicht weiter auszuführen, sind die lexikographischen Verwandtschaften zwischen dem Ladinischen und den alpin-lombardischen Dialekten.
Auf die Nachbarschaft der deutschen Schweiz und die engen politischen Beziehungen zu ihr sind die in den Dialekten der italienischen Schweiz vorhandenen vier oder fünf Dutzend von Germanismen zurückzuführen, die heute aber entweder zum grossen Teil schon wieder verschwunden oder im Verschwinden begriffen sind. Sie sind meistens Kulturwörter und beziehen sich auf Handwerke (ge.rber, kra.mer, žli.fer etc.) oder politische Stellen und Würden (ve.bel [Weibel], lanfo.k, landa.ma, in der Mesolcina landri.ter). Aus dem Ladinischen übernommene Lehenwörter finden sich dagegen nur sehr selten z. B. mesolcinisch nauš (schlecht, elend) und baze.lğa (verlassenes, ödes Haus).
Die Auswanderung nach Frankreich und den überseeischen Ländern mit spanischer und englischer Sprache führt ebenfalls einige neue Ausdrücke ein. In grosser Zahl treten namentlich die Gallizismen auf, die, durch eine alte Vorliebe Italiens und der ganzen Welt für ihre Anwendung begünstigt, rasch Bürgerrecht erlangen. Von den während der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts aus Australien importierten Anglizismen erwähnen wir das merkwürdige pi.žnis (business = Geschäft) von Cavergno. Die Männer von Cavergno pflegten einst als Kaminkehrer nach Holland auszuwandern, von wo sie den Ausdruck varda fọra beñ (gut aussehen) heimgebracht haben. Die Ziegelbrenner des Val Lugano gehen zur Ausübung ihres Berufes nach dem Piemont und bringen von dort Ausdrücke wie boğa.s (sich beeilen, französ. bouger), tampa (Grube) etc. mit.
4. Dialektliteratur.
Schriftwerke in dieser oder jener Mundart der italienischen Schweiz sind selten. Vom Vorhandenen erscheint allerdings manches durch sein Alter bemerkenswert, dafür aber auch gekünstelt und wenig natürlich. Im 16. Jahrhundert stiftete eine Mailänder Gesellschaft von Lebemännern, deren hervorragendste Stütze der Maler und Dichter Giampaolo Lomazzo war, eine Akademie der Poesie, die sich den äussern Anschein einer Zunft (badia) von Weinhändlern und Weinträgern aus dem Bleniothal, dessen Sprache angenommen wurde, gab.
Die künstlichen Erzeugnisse dieser Muse und Mundart finden wir gesammelt in dem kleinen Buch Rabisch (= «Arabesken», Spielereien) dra academiglia dor compá Zavargna, nabad dra val de Bregn ed tucch i su fidigl soghitt (1. Ausgabe, Mailand 1589; 2. Auflage, Mailand 1627; Neudruck in Ferd. Fontana's Antologia Meneghina. Bellinzona 1900). Nach der Errichtung des den übrigen Gliedern der Eidgenossenschaft gleichgestellten Kantons Tessin entstanden zur Verherrlichung von öffentlichen oder privaten Ereignissen zahlreiche Dialektpoesien, die sich in den Zeitungen zerstreut vorfinden oder auch als Einblattdrucke erschienen, von denen vielfach vielleicht kein einziges Stück mehr erhalten ist. Einige dieser mundartlichen Stücke haben zusammen mit kurzen Notizen über ihre Verfasser in der schon genannten Antologia Meneghina Aufnahme gefunden. Der Luganese Carlo Martignoni (1824-1903) behandelte seit 1873 die politischen Tagesereignisse in poetischen Dialektkompositionen, die jetzt in einem Band gesammelt vorliegen (Raccolta delle poesie in vernacolo luganese di Carlo Martignoni. Locarno 1903. 208 Seiten). Die Gedichte des aus ¶