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rom. 2e série, t. VII). Lausanne 1906. - 2) Gruppierung und allgemeine Charakterzüge der Dialekte. Die Frage der Einteilung und Gruppierung der Dialekte hat bereits zu lebhaftem Meinungsaustausch Anlass gegeben. Ich habe meinen Standpunkt neulich in den Artikeln Gibt es Mundartgrenzen? (im Archiv für das Studium der neueren Sprachen. CXI), wo ich die hauptsächlichsten frühern Arbeiten anführe, und in Les limites dialectales dans la Suisse romande (im Bulletin du Glossaire des patois de la Suisse romande. III, 17) eingehend begründet. - Tappolet, E. Ueber die Bedeutung der Sprachgeographie (in: Aus roman. Sprachen und Lit. Halle 1905). - Gilliéron, J. Petit atlas phonétique du Valais roman. Paris (ohne Jahr). - Gilliéron, J., et E. Edmont. Atlas linguistique de la France. Paris (seit 1902 in Faszikeln erscheinend). Die Schweiz findet in diesem monumentalen Werk ebenfalls Berücksichtigung und ist durch 26 Ortschaften vertreten. - Die Redaktion des Glossaire des patois de la Suisse romande bereitet einen Atlas linguistique de la Suisse romande vor.
4. Charakterzüge unserer Dialekte.
Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, von dem Reichtum westschweizerischer Laute eine Vorstellung zu vermitteln, ohne auf die Einzelheiten einzugehen. Ich muss mich hier damit begnügen, zum Beweis der ausserordentlichen Verschiedenartigkeit unserer Dialekte einige wenige Proben zu geben. Es würde schwer fallen, in Frankreich eine in politischer Hinsicht einheitliche Landschaft vom Umfang der welschen Schweiz zu finden, die eine ebensolche Fülle sprachlicher Abwechslung bieten könnte. In der französischen Schweiz liegen die Dinge in sprachlicher Beziehung ganz anders als in der deutschen, wo zwei intelligente Personen sich schliesslich immer verständigen können, aus welchen Kantonen sie auch stammen mögen.
Bringt man aber einen Jurassier mit einem Waadtländer, oder selbst einen Bewohner des Val d'Illiez mit einem Anniviarden zusammen, so werden sie sich gegenseitig nicht verstehen. Es erklärt sich dies daraus, dass die Entwicklung der gallo-romanischen Mundarten eine weit raschere gewesen ist als im allgemeinen diejenige der deutschen Dialekte. Dazu kommt, dass die welsche Schweiz mit ihren Terrainhindernissen, wo verschiedene auch konfessionell getrennte Rassen miteinander in Berührung gekommen sind, mit ihren die verschiedensten Kulturzustände bedingenden Höhenunterschieden von 370 bis zu über 3000 Metern und mit ihrer Ecklage zwischen Frankreich, Deutschland und Italien ein für weitgehende Verzweigung und Zerstückelung in Dialekte ausserordentlich geeignetes Gebiet darbot.
Zum näheren Verständnis des eben Gesagten will ich die beiden Sätze 1: il ferme la fenêtre de la chambre und 2: il balaye devant la porte de la grange in einige westschweizerische Dialekte übersetzen. Dabei soll ausdrücklich bemerkt sein, dass sich die Aussprache noch weit abwechslungsreicher gestaltet, als es die hier angewendete allgemein verständliche Transskription (vergleiche die Tabelle der verwendeten Zeichen) erwarten lässt.
I. Saignelégier (Bern) | ę syō le fnētr di pwęy. - |
La Côte aux Fées (Neuenburg) | i kłū la fnē.tra du pœlu. - |
Le Landeron (Neuenburg) | ę tyū la fnītr du påel. – |
Montbovon (Freiburg) | i жtū la fənī.θra du päło. - |
Villars le Terroir (Waadt) | yə жtū la fənī.tra dao pā.elo. - |
Martigny (Wallis) | yœ жū la fœnī.tra dü pe.ilo. – |
Evolena (Wallis) | ü kłūt la fœnī.θra dou pe.iło. - |
Le Vernier (Genf) | i frê.mę la fənē.tra d la θã.bra. |
II. Saignelégier | ęl ẹkuv dəvẽ lę pō.ətš d le grẽdž. - |
La Côte aux Fées | i remę.s dəvã la pō.tša d la grẽdz. - |
Le Landeron | ęl ękē.v dəvę la pōrt d la grãdž. - |
Montbovon | ł ękā.ve dęvã la pwā.rta dę a grãdzə. – |
Villars le Terroir | yę ręma.se dęvã la pō.rta dę la grãŋdze. - |
Martigny | lę etyœ.ve dęvã la pō.rta də la grãdzə. - |
Evolena | ęhouve dəvan la pō.rta də la grãz. - |
Vernier | i rmas dəvã la pū.rta d la grãδe. |
Die nebenstehende Tabelle wird dem Leser einen noch klareren Einblick in die Phonetik unserer französischen Dialekte gestatten.
Unsere westschweizerischen Dialekte enthalten eine schöne Anzahl dem Französischen unbekannter Laute, so das θ und das δ, sowie ferner das жł, das unter Kombination des ж mit mouilliertem ł als einheitlicher Laut ausgesprochen wird; dann auch die im Neuenburger Bergland üblichen kakuminalen Konsonanten, die man unter Zurückschlagen der Zungenspitze nach hinten ausspricht. Von Vokalen finden wir im Berner Jura das nasale i und u (ou), den bei den Freiburger und Waadtländer Dialekten stark verbreiteten Laut å, ferner nasale Diphthonge und ganz besonders einen grossen Nüanzenreichtum bei den oralen Diphthongen: āi, āę, āo, œẅ u. s. w. Es bietet sich oft Gelegenheit zur Beobachtung von Uebergangslauten, so namentlich im Wallis, wo eine Unterscheidung zwischen ę und œ, u und ü schwer fällt, weil die Artikulation sich vielfach in der Mitte hält.
Die Betonung gibt zu den schwierigsten Problemen Anlass: neben zahlreichen Fällen, wo sich der Wortakzent offenkundig verschoben hat (vya = vie; pęrdwa, pęrdya = perdue; fa.rna = farine; kọ.dra = coutoure etc.) gibt es eine Menge von Wörtern mit schwankendem Akzent. Es kommt sogar vor, dass er vom Hauptwort auf den Artikel übertragen wird: la.lna = la lune etc. Unsere Dialekte behalten überhaupt demjenigen, der mit ihnen zum erstenmal Bekanntschaft macht, manche Ueberraschung vor. So wird man z. B. mit Erstaunen entdecken, dass im Wallis die Lautgruppe sp zu f wird (spina = ẹfę.na, vespa = wē.fa), dass das Wort maturus (mûr) in Montana sich zu mā°br und in Pinsec zu mavuk gestaltet, die faucille (Sichel) in Liddes fœẅfę.də, in Nendaz fowsę.la, in Pinsec fuksi.lə (mit zurückgezogenem l) heisst u. s. w.
Die Berner und Neuenburger Mundart hat mit ihren meistens ausgefallenen unbetonten Vokalen einen rauhen und herben Charakter, während die Dialekte des Mittellandes mit ihrem Silbenreichtum volltönend und wohllautend sind und diejenigen des Wallis schon etwas italienischen Tonfall aufweisen. Man pflegt von der Mundart oft mit der tiefsten Verachtung zu sprechen, sie hässlich, arm und roh zu finden, und noch viele Leute sehen in ihr nichts anderes als ein verdorbenes und verkommenes Französisch.
Doch hat die Wissenschaft ihre Ehrenrettung vollzogen und gezeigt, dass sie sich aus den selben Elementen, wie das Französische zusammensetzt und des selben Ursprunges rühmen darf. Unsre Zeit wird durch den Uebergang zum Französischen gekennzeichnet und ist wie alle Uebergangsepochen undankbar. Die von stets erneuten Wellen der Schriftsprache überschwemmten Dialekte haben ihre einstige Originalität und Kraft nicht zu erhalten vermocht; sie sind aufs Land hinausgedrängt worden und dienen bloss noch zur Unterhaltung der ungebildeten, d. h. einer höhern Schulbildung und sorgfältigen Erziehung entbehrenden Volksschichten.
Diese Tatsache hat zur Entstehung einer Menge von Vorurteilen Anlass gegeben. Als sich noch jedermann des Dialektes bediente, erschien er viel feiner, reicher und schöner. Hüten wir uns davor, die Sprache mit denjenigen zu identifizieren, die sie sprechen. Anderseits dürfen aber auch die Mundarten nicht überschätzt werden. Ihre Isoliertheit macht sie jeder literarischen Sprache gegenüber inferior. Während sie in einem Dorfe zum Ausdruck von unerwarteten Nüanzen dienen und sich den Bedürfnissen einer bestimmten Bevölkerungsschicht besser anpassen als irgendwelche Schriftsprache, werden sie, sobald ihre Träger ein neues Milieu aufsuchen, zu einer unnützen und den spontanen Ausdruck hindernden Geheimsprache. Das Französische steht ebenso hoch über ihnen, wie eine weitsichtige Politik über der kleinlichen Kirchturmpolitik steht.
Ein weiterer Vorwurf, der den Dialekten gemacht werden kann, besteht in ihrer Unregelmässigkeit in der Formenbildung. Zwar erscheint die mundartliche Morphologie im Prinzip von derjenigen des gesprochenen Französisch nicht verschieden; sie gestattet aber weit mehr Doppelformen und Schwankungen zwischen mehreren Möglichkeiten des Ausdruckes. Keine Akademie hat bis jetzt ihre Formen bestimmt und festgelegt. Gewisse Zeitwörter weisen zwei verschiedene Partizipien auf, so diejenigen auf -i des Freiburger Broyedialektes (füyi, fuir; Partizipien füyi oder füyāe); die Waadtländer Dialekte bilden das Imperfekt von pouvoir sowohl nach der zweiten als nach der ersten Konjugation; das im Französischen auf bestimmte Zeiten der Konjugation auf -ir beschränkte Inchoativinfix hat im Dialekt auch andere Gebiete erobert, ¶
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Vergleichende Tabelle der hauptsächlichsten Abstufungen in der Aussprache der westschweizerischen Dialekte.
(Die einzelnen Wörter wurden derart ausgewählt, dass sie sowohl für die Behandlung der Vokale wie der Konsonanten charakteristische Beispiele bieten).
Französischer Ausdruck: | toile | miel | fier | pré | sauter | œuf | heure | vendu | coucher | peau | tẽte | cõte | corde | peu | sel |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Lateinischer Ausdruck | tēla | měl | fěru | pratu | saltare | ŏvu | hōra | vendutu | collocare | pelle | testa | costa | corda | paucu | sale |
1. Pruntrut (Porrentruy): | twal | miə | fiə | prē | sātē | üə | ur | vãdü | kutšiə | pē | tēt | kōt | kuədż | po | sā |
2. Delsberg (Delémont) | " | " | " | " | " | " | " | " | kütšiə | " | " | kōt | kōərd | po | " |
3. Dombresson (Val de Ruz) | tēl | " | fiər | prā | sütā | œ | œr | vedü | kutšiə | " | " | kut | kōrd | pu | sō |
4. Noiraigue (Val de Travers) | tę.la | mey | fīr | prē | sütē | " | œ.ra | " | kütšī | pey | te.yta | ku.ta | kō.rda | " | sā |
4. Estavayer | tå.lä | må | fyę | prå | šọwtå | ä | ä.rä | vãdü | kütsī | pī | ti.tä | ku.tä | kō.rdä | " | sō |
6. Gruyères | tä.la | mä | " | " | šutå | ā | ā.ra | vẽdü | kütšī | " | ti.θa | ku.θa | kwå.rda | " | šō |
7. Lausanne | tā.ila | māi | " | prā | šọwtā | å | ọ.wra | vedü | tyütsī | pē (?) | ti.ta | ku.ta | kō.rda | " | sō |
8. Le Sentier (Vallée de Joux) | ta. ela | mẽ | fye | " | sọtā | œ(ü) | a.ora | v aẽdü | kaotše | pe i | te. ita | ko. uta | kwœ.rda | " (po) | " |
9. Leysin | ta. ila | māi | fyer | prō | šœtā | ō e | œ.ira | vedü | kœitsī | pē | " | ku.ta | kō.rda | " | šō |
10. Martigny | tẹ.ila | me i | fye | " | šœWtā | (kokõ) cfr. bœẅ = bœuf | œ.ra | vẽdü | tyœWtsi | " | ti.ta | " | " | " | " |
11. Grimentz (Val d'Anniviers) | ti.la | mi | fyer | prā | šuktā | us | o.wra | venduk | ku.ksye | pe i | té.θa | ko.wθa | kō.rda | pow | šā |
12. Hermance (Kt. Genf) | taę.la | myẹ | fyẹ | prå | šœtå | ua | œ.Wra | vãdü | kœθi | pē | te.ta | ku.ta | " | pu | så |
Französischer Ausdruck: | cinq | langue | pain | lundi | chanson | vieille | (je) pleure | gens | clef | glace | blanc | flamme | porte | guẽpe | femme |
Lateinischer Ausdruck | cinque | lingua | pane | die lunae oder lunae die | cantione | * vecla | ploro | gentes | clave | glacie | blancu | flamma | porta | vespa | * fem'na |
1. Pruntrut (Porrentruy): | sĩty | lãg | pẽ | yüdi | tšẽsû | vey | püər | džã | Xē | yes | byã | Xem | puətš | vwēpr | fan |
2. Delsberg (Delémont) | " | " | " | yüdę | tšẽsõ | " | püəre | " | šē | " | byẽ | anc. šem | pōərt | " | fån |
3. Dombresson (Val de Ruz) | sẽ | leg | pã | dłõ | tšãsõ | viəł | pyœr | dže | tyār | łas | byã | fyãm | pōrt | wēp | fen |
4. Noiraigue (Val de Travers) | " | le.ga | " | dlõ | " | vił | pyœ.ro | " | " | " | " | fyã.ma | pō.rta | vwe.ipa | fe.na |
5. Estavayer | sẽi | lã.gä | " | dəlõ | tsãsõ | viłə | pyä.ru | dzã | ktå | yesə | " | fyã.mä | " | wi.pä | fe.nä |
6. Gruyères | θẽ | lẽ.vwa | " | " | tsãθõ | " | płã.ro | dzẽ | Xłå | łeš | błã | Xłã.ma | pwå.rta | vwi.pa | fena |
7. Lausanne | sẽ | le.ga | " | " | tsãsõ | " | pyowro | dze | Xā | łas | byã | xã.ma | pō.rta | wi.pa | " |
8. Le Sentier (Vallée de Joux) | sẽi | laẽ.ŋga | " | " | tsãŋsõ | vyelə | pła.oru | dza | Xłœ (-Xłe) | " | błã | Xłã.ŋma | pwœ.rta | vwe.ipa | " |
9. Leysin | fẽ i | le.wa | " | " | tsãfõ | vīδə | pθœ.iro | dze | θō | δas | bδã | θã.ma | pōrta | " | " |
10. Martigny | " | lẽ.vwa | " | " | " | vīyə | plœ.ro | dzẽ | Xō(klō) | yaf | blã | Xā.ma | " | wi.pa | fœ.na |
11. Grimentz (Val d'Anniviers) | sĩŋ | le.ŋwa | " | délû | tsãsõ | vyel e * | plo.wro * | zen | klā * | lašə * | blã * | hlã.ŋma | pō.rta | we.ifa | fe.na |
12. Hermance (Kt. Genf) | fẽ | lã.ga | " | dəlõ | θãfõ | vit e | płœ.Wro | δã | kłå | głef e | błã | fła.ma | pœ.rta | we.pa | " |
* l retirée, alvéolaire. ¶