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![vergrössern: Die in der Schweiz geborene Bevölkerung der Vereinigten Staaten (nach der Zählung von 1900). ^[Karte: 6° 0’ O; 47° 0’ N; 1:10000000]. vergrössern: Die in der Schweiz geborene Bevölkerung der Vereinigten Staaten (nach der Zählung von 1900). ^[Karte: 6° 0’ O; 47° 0’ N; 1:10000000].](/meyers/teile/45/45_0043-1-Die+in+der+Schweiz+geborene+Bevoelkerung+der+Vereinigten+Staaten+nach+der+Zaehlung+von+1900.jpg)
Im Deutschen Reich erreicht die Zahl der Schweizer (1900) 55494 Personen. Sie verteilen sich wie folgt: Preussen 14426, Elsass-Lothringen 11933, Baden 11305, Baiern 6106, Württemberg 4042, Sachsen 3883, Hessen 1036, Hamburg 929, in den andern Staaten und freien Städten zerstreut 1834.
Argentinien zählt 17700 Schweizer.
In Italien waren 1901 im Ganzen 9079 Schweizer niedergelassen, wovon 3619 in der Lombardei, 1241 in Piemont, 979 in der Toskana, 979 in Ligurien, 677 in Latium, 650 in Kampanien, 310 in Venetien, 255 in Sizilien etc.
Es folgen Grossbritannien mit 9006 Schweizern (8337 in England und Wales, 376 in Schottland und 293 in Irland), Oesterreich-Ungarn (1900; Oesterreich mit 7790, wovon 2123 in Nieder Oesterreich, 2204 im Vorarlberg etc.; Ungarn mit 1002) und Russland mit (1897) 5902 Schweizern (1948 in Grossrussland, 1700 in den Baltischen Provinzen, 835 in Südrussland, 162 im Kaukasus, 31 in Sibirien, 12 in Russisch Zentralasien).
Australien zählt 2372 Schweizer (Viktoria 903, Neu Süd Wales 454, Queensland 441, Neu Seeland 333 etc.). Belgien 2231, Aegypten 472, Chile 850, Dänemark 208, Japan 100, Mexiko 258, Norwegen 81, Rumänien 725, Schweden 51, Spanien 790, Luxemburg 116. Ziemlich viele Schweizer finden sich ferner in Brasilien, Kanada, Algerien und Tunis, sowie zerstreut in China, Südafrika, auf den Antillen etc.
Vorliegende kleine demographische Studie kann der Natur der Sache nach nicht mehr als eine kurze Uebersicht über das ganze weitschichtige Material bieten. Für alle weiteren Einzelheiten verweisen wir auf die Veröffentlichungen des eidgenössischen statistischen Bureaus und auf die über verschiedene Einzelfragen publizierten Originalarbeiten. Das Studium der unserm Artikel beigegebenen Karte und Diagramme wird es dem Leser gestatten, sich über manche im Text notwendigerweise nur kurz berührte Punkte noch nähern Aufschluss zu verschaffen.
[Emmanuel Kuhne.]
C. VOLKSKUNDE.
Die Volkskunde befasst sich mit sämtlichen aktiven Lebensäusserungen eines Volkes, sofern sie primitive bezw. altertümliche Kulturzustände und Anschauungen erkennen lassen. Diese weite Fassung umschliesst demnach folgende Gebiete: 1. Siedelung, 2. Wohnung, 3. Nahrung, 4. Tracht, 5. Hausindustrie und Volkskunst, 6. Physische und psychische Charakteristik des Volkes, 7. Sitten, Bräuche, Feste und Spiele, 8. Volksglauben und Aberglauben, 9. Dichtung des Volkes (Märchen, Sage, Schwank, Lied und Schauspiel), 10. Rede des Volkes (Witz und Spott, Sprichwort [einschliesslich Kalender-, Bauern- und Wetterregeln], bildliche Ausdrucksweise, Formel, Fluch, Schwur und Ruf), 11. Geberden, 12. Sprache.
Unter diesen zwölf Kapiteln können hier aus naheliegenden Gründen, nur einzelne und diese nur höchst summarisch behandelt werden.
I. Volkskunde im engern Sinn.
Wir wollen im Folgenden zunächst versuchen, in einigen ganz kurzen Zügen die schweizerischen Volksbräuche zu schildern, soweit sie besonders altertümlich oder charakteristisch sind. Bei der gewaltigen Masse von Stoff kann es sich natürlich nur um eine doppelt und dreifach gesichtete Auslese handeln.
Schweiz

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Seite 45.44.1. Sitten, Bräuche, Feste, Spiele (nebst zugehörigem Volksglauben).
a) Nicht-festliche Anlässe.
Wir beginnen mit Gebräuchen, die sich nicht an festliche Anlässe, bestimmte Ereignisse oder Kalenderdaten anknüpfen. Von Hausbräuchen erwähnen wir das Minorat im Emmenthal und andern Gegenden des Kantons Bern, wonach der jüngste Sohn den Bauernhof zu übernehmen hat. Die wohnrechtlichen Verhältnisse richten sich sonst auf dem Land je nach den Umständen und Bedürfnissen. Oft zieht sich der Vater auf den Altenteil zurück, sobald ein Sohn verheiratet ist und den Hof übernehmen will, oft behält er so lange als möglich die Leitung; oft haben die Geschwister Wohnung u. Anstellung bei ihrem Bruder, dem Herrn des Hofes, oft beziehen sie eine andere Wohnung ¶
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oder ergreifen einen selbständigen Beruf. Das Gesinde, dessen Hauptperson der «Meisterknecht» ist, wird je nach der Gegend zu verschiedenen Jahreszeiten gedungen. Der Gedungene erhält meist ein Haftgeld («Dinggeld», «Dingpfennig», «Drufgeld»).
Zum Schutze des Hauses gegen Wetter oder dämonische Einflüsse werden in katholischen Gegenden hie und da die Buchstaben C. M. B. (Caspar, Melchior, Balthasar) angemalt, sowie geschriebene oder gedruckte Haussegen angebracht, oder geweihte Gegenstände von Festtagen her (Palmen, Johannissträusse, Osterkohlen und ähnl.) verwendet. Früher befestigte man unter der Dachfirst einen Ochsenschädel. In Staufen (Kant. Aargau) steckte man gegen Behexung eine alte Sichel und Sense in die Stallwand, und im Kanton Appenzell nagelte man Kröten mit einem Dachnagel an die Hauswände. Von Pflanzen ist besonders Hauswurz unglückabwendend. Im Wallis befestigt man über der Haustüre einen geweihten Strauss von Ziegenbart (Aruncus silvester), den man hier «Johanniskraut» nennt, weil er vom Priester am Johannistag (Monat Juni) geweiht zu werden pflegt.
Leben ausser dem Hause, in Gesellschaft, Dorfleben. Während man sich im Sommer vorwiegend den Feldarbeiten zu widmen hat und höchstens an schönen Abenden sich gemeinsam im Freien vergnügt, spielen dagegen die Zusammenkünfte an Winterabenden im Dorfleben eine grosse Rolle (Lichtstubeten, z'Licht, z'Dorf, Spinnet, Hengert, Kilt, Kiltabend etc.). Ursprünglich kam man zum Spinnen zusammen; durch Erscheinen der jungen Bursche entwickelte sich aber allmählig ein reges geselliges Leben mit Spiel, Tanz, Erzählungen und Scherzen aller Art. Nicht selten stellen sich die männlichen Besucher erst später in corpore ein, nachdem sie sich zuvor an einem bestimmten Orte versammelt haben. Verstohlen nähern sie sich dem Versammlungsorte der Mädchen und necken dieselben durch allerhand Stichelreden mit verstellter Stimme (z. B. das «Einreden» im Goms, das «Geitschen» im Kanton Luzern), bis sie schliesslich eingelassen werden.
Anders gestaltet sich der noch jetzt über die ganze Schweiz verbreitete Kiltgang der Liebenden («zu Kilt gehen», «Gadensteigen», «auf die Karess gehen», «Hengertgehen»). Derselbe ist an keine Jahreszeit gebunden. Nachts begibt sich der Bursche («Kilter») vor die Schlafkammer des Mädchens, besteigt den Holzstoss, klopft an und bittet die Geliebte - oft in einer scherzhaften Ansprache - ihm aufzumachen. Ist der Bursche genehm, so öffnet das Mädchen und bietet ihm ein Glas Wein oder Schnaps an. Intimere werden auch eingelassen.
Oft aber wird die Zusammenkunft durch die herumschwärmenden «Nachtbuben» gestört und der Kilter - besonders wenn er aus einem andern Dorfe stammt - empfindlich gezüchtigt. Aber auch die Mädchen sind der Volksjustiz der Jungbursche ausgesetzt; als Schandenbezeugung gilt ein in der Nähe des Hauses angebrachter Strohmann; dagegen wird ein vor das Fenster gestelltes, mit Bändern geschmücktes Tännchen als Ehrung angesehen. Ein besonders interessanter Brauch im offenen Verkehr der Geschlechter ist der «Maitlisonntag» in einigen Dörfern des Kantons Aargau. Die Sitte besteht darin, dass die Mädchen diejenigen Bursche, von denen sie am Neujahr, Berchtoldstag und ersten Sonntag des Jahres gastiert worden sind, nun ihrerseits auf den zweiten Sonntag zum Tanz einladen. Die Rollen sind dann völlig vertauscht: die Mädchen holen die Bursche ab, bewirten sie und stimmen die Lieder an. Um 12 Uhr müssen sich die Bursche nach Hause begeben, während sich die Mädchen noch bis in die Morgenstunde hinein zusammen vergnügen. In gewissen Gegenden (z. B. im Kanton Graubünden) werden die Mädchen den Burschen noch durch das Los zugeteilt. Der Zugeteilte ist dann ihr Kavalier und Beschützer das Jahr hindurch.
Auch das Eheleben wird nicht selten an das Licht der Oeffentlichkeit gezogen. So werden einem unterdrückten Ehemann zur Schande Tannbüschel vor dem Hause aufgehängt (Estavayer); bei der Wiedervereinigung entzweiter Eheleute werden mancherorts Katzenmusiken dargebracht, und ebenso bei der Hochzeit einer Witwe. Eine besondere Strafe aber wird den Ehelosen zu teil: abgesehen davon, dass alte Jungfern und Junggesellen nach dem Volksglauben im Jenseits mannigfache Strafen zu erdulden haben, wird über sie von der Jungmannschaft in humoristischer Weise. Gericht gesprochen, wobei sie in das «Giritzenmoos» verbannt werden (Kantone Aargau und Luzern).
Solche Akte der Volksjustiz werden meist ausgeübt von den Knabenschaften eines Ortes, d. h. einer mehr oder weniger organisierten Gesellschaft lediger Bursche vom 16. oder 18. Altersjahr an. Man nennt sie «Ledige», «Jeunesse», «Garçons», «Gioventù», «Knabengesellschaft», «Ledige Gesellschaft», «Göttigesellschaft», «Société des Garçons», «Abbaye de la Jeunesse», «Compagnia dils Mats». Sie haben bestimmte Vorgesetzte, und jedes Mitglied muss sich durch eine Geld- oder Weinspende ein- bezw: auskaufen.
Sie üben eine Art niederer (inoffizieller) Gerichtsbarkeit aus, besonders über kleinere Sittlichkeitsvergehen. Daneben sind die Knabenschaften die Hauptveranstalter von Festlichkeiten und leiten den Tanz, sowie überhaupt den Verkehr der männlichen und weiblichen Dorfjugend. Besonders ausgebildet sind sie in den Kantonen Graubünden und Waadt, früher auch in andern Gegenden (z. B. Neuenburg). Mit ihnen dürfen nicht verwechselt werden die sogenannten Nachtbuben. Freilich setzen sich auch diese meist nur aus den ledigen Burschen eines Ortes vom 16. oder 18. Jahre an zusammen. Doch fehlt ihnen, heutzutage wenigstens, eine striktere Organisation, und ihre Tätigkeit besteht gewöhnlich, wie schon der Name sagt, in dem nächtlichen Umschwärmen, dem Belästigen der Kiltgänger und dem Verüben von allerhand Schelmenstreichen.
Hier mögen auch die grossen Kämpfe Erwähnung finden, die sich meist aus Anlass von Spottreden (Ortsneckereien, Gemeindespitznamen) zwischen ganzen Gemeinden oder Quartieren entspinnen.
Friedlicheren Charakter haben dagegen einige gemeinsame Unternehmungen der ländlichen Bevölkerung, die wir im Folgenden kurz darzustellen suchen. Schlittenfahrten ganzer Ortschaften kommen namentlich in Graubünden vor. Ebenda sind die Maiensässpartien, d. h. das Besuchen der Maiensässe durch grössere oder kleinere Gesellschaften im Frühjahr unter allerhand Vergnügungen gebräuchlich. In der Ostschweiz wird, wenn der junge Wein in das richtige Gährstadium gefallen ist, der Sausersonntag gefeiert. In Sargans und Umgebung findet Anfangs November das «Bettlauben» statt, wobei man karawanenweise mit Bettsäcken auszieht, um diese für den kommenden Winter mit Laub zu füllen.
Aehnlich der «Laubertag» in Niederweningen (Kt. Zürich). Die Bewohner von Abtwil (Freiamt) unternahmen noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Tannzapfenbrennen, zu welchem Zwecke die einzelnen Familien sich mit Destilliergefässen auf mehrere Tage in den Wald begaben, um aus den Tannzapfen Terpentin zu gewinnen. Aehnliche Bräuche sind das Haselnusssuchen um das Hörnli (Zürcher Oberland) vom Bettag an (früher auch am Chaumont über Neuenburg üblich), das Beerenlesen im Taminathal, das Ziehen (Holztransport) der Sarner Jungmannschaft, die Schneckenauflesete im Leberberg (Kanton Solothurn), das Fischschiessen in Weesen, die Tücheljagd (Wildente) in Greifensee u. a. m.
Rechts- u. Verfassungsbräuche. Eine besonders interessante und schöne Rechtsgepflogenheit ist das «Frieden» im Kanton Glarus (früher viel verbreiteter). Bei Streit und Schlägerei ist jeder Unbescholtene bei seinem Bürgereide verpflichtet, die Schlagenden auseinander zu bringen. Ist der Friedende zu schwach, um die Schlagenden zu trennen, so ruft er den Landfrieden aus. Alsdann sind sie verpflichtet, voneinander zu lassen. Leisten sie der Aufforderung keine Folge, so hat der Friedende sie zu verklagen als solche, die «über den Fried hinaus» geschlagen, worauf sie in die «grosse Landesbusse» verfallen (nach Heer: Der Kant. Glarus. St. Gallen 1846. S. 309). Im Glarner Hinterland bestand noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts das «Loben» (d. h. Geloben): Im Mai oder Juni versammeln sich sämtliche Bürger der «Tagwen», d. h. der ökonomischen oder politischen Gemeinde. Jeder tritt einzeln vor die Vorsteher und ist bei seinem Bürgereide verpflichtet, anzugeben, ob und was er während des Jahres gegen die Gesetze gefrevelt. Jeder muss seine Angaben durch Handschlag ¶