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nur sehr unvollkommen beantwortet, sodass man auf eine Verarbeitung der erhaltenen Angaben verzichten musste. Die Zählung von 1860 bedeutet einen sehr ernsthaften Schritt nach vorwärts, so z. B. namentlich durch die Unterscheidung zwischen der ortsanwesenden Bevölkerung und der Wohnbevölkerung.
Neue Fortschritte zeigt dann wiederum die Zählung vom die sich nicht mit einer angenäherten Altersangabe begnügte, sondern das genaue Geburtsdatum verlangte. Ferner sieht man zum erstenmal Fragen sozialer und gemeinnütziger Art (Anzahl der Blinden, der Taubstummen, der Schwachsinnigen), sowie solche von volkswirtschaftlicher Bedeutung auftauchen. Die mit der Zählung betrauten Beamten mussten die Anzahl und die Art der Fabriken und der Mühlen mit ihren Motoren, die Zahl der Arbeiter, der Webstühle, Spuhlen etc. angeben.
Das statistische Bureau wollte auch noch Fragen über die Zustände der Landwirtschaft, über die Ernteergebnisse, über Waldungen etc. beifügen, wozu aber der Bundesrat die Ermächtigung versagte. Die Zählung der Fabrikbetriebe kam übrigens nicht zu Stande, so dass die erhaltenen Angaben nicht veröffentlicht worden sind. Ein Rückschritt gegenüber den frühern Zählungen lag darin, dass die zur Bestimmung der Volksverschiebung bedeutsame Frage nach dem Geburtsort weggelassen worden war.
1880 sah man von allen auf Gewerbe und Handwerk bezüglichen Fragen (betr. Arbeitslosigkeit, Lohnverhältnisse etc.) ab, wofür aber einige andere Punkte genauer gefasst wurden, wie z. B. die Fragen über berufliche Tätigkeit und über die Muttersprache, die nun für jedes einzelne Familienglied und nicht mehr blos für die Familie als Ganzes angegeben werden musste. Die Ergebnisse waren weitaus zufriedenstellender und die Lücken seltener als früher. So konnte man die Altersverhältnisse der schweizerischen Bevölkerung ermitteln und mit Hilfe der 1876 begonnenen Statistik der Sterbefälle endlich eine Sterblichkeitstabelle für die Schweiz aufstellen.
Die auf das Jahr 1890 entfallende Volkszählung wurde zum Zweck der Revision der Nationalratswahlkreise und der Vorarbeiten für das Unfallversicherungsgesetz um zwei Jahre früher angeordnet und fand somit schon 1888 statt. Als hauptsächlichste Neuerung dieser Zählung ist zu erwähnen die Ersetzung des Haushaltungsformulares durch die individuelle Zählkarte, die mit Bezug auf Forschungen betr. Alter, Beruf etc. weit bequemere statistische Zusammenstellungen erlaubt.
Die Zählung von 1900 endlich hat die individuellen Zählkarten beibehalten und sie für jede Haushaltung unter einem besondern sog. Haushaltungsumschlag gesammelt. Dieses Vorgehen zeigt Vorteile mit Bezug auf Untersuchungen über die Bedeutung der Haushaltungen und über die Anzahl der Personen, die direkt oder indirekt vom Ertrag der Berufstätigkeit des Haushaltungsvorstandes leben. Was die Art der gestellten Fragen anbetrifft, haben die beiden letzten Volkszählungen nichts eigentlich Neues vor den übrigen voraus; immerhin ist die 1870 und 1880 unterdrückte Frage nach dem Geburtsort wieder aufgenommen worden und bei der Zählung von 1900 auch noch eine Frage betr. die Nebenbeschäftigungen neu hinzugekommen.
II. Die Bevölkerung der Schweiz im Jahr 1900.
1. Vergleichende Zusammenstellung der Hauptresultate der eidgenössischen Volkszählungen von 1850 bis 1900 (nach Kantonen geordnet).
Dem ersten Band der «Ergebnisse der eidgenöss. Volkszählung vom 1. Dezember 1900» (Bern 1904) entnehmen wir folgende interessante und lehrreiche Tabelle 1): [1) Alle in der Folge gegebenen Zahlen beziehen sich stets auf die Wohnbevölkerung und nicht auf die ortsanwesende Bevölkerung, welch' letztere von besondern Umständen oft stark beeinflusst werden kann. So wies z. B. bei der Volkszählung von 1900 die Gemeinde Wiler ins Walliser Bezirk Oestlich Raron keinen einzigen ortsanwesenden Bewohner auf, da die 228 Köpfe zählende Wohnbevölkerung infolge der Feuersbrunst vom bis zum Wiederaufbau des Dorfes in der Nachbargemeinde Kippel Unterkunft gefunden hatte.]
Kanton | Wohnbevölkerung bei der Zählung vom: | |||||
---|---|---|---|---|---|---|
18.-23. III. 1850 | 10. XII. 1860 | 1. XII. 1870 | 1. XII. 1880 | 1. XII. 1888 | 1. XII. 1900 | |
1. Zürich | 250698 | 266265 | 284047 | 316074 | 337183 | 431036 |
2. Bern | 458301 | 467141 | 501501 | 530411 | 536679 | 589433 |
3. Luzern | 132843 | 130504 | 132153 | 134708 | 135360 | 146519 |
4. Uri | 14505 | 14741 | 16095 | 23744 | 17249 | 19700 |
5. Schwyz | 44168 | 45039 | 47733 | 51109 | 50307 | 55385 |
6. Obwalden | 13799 | 13376 | 14443 | 15329 | 15043 | 15260 |
7. Nidwalden | 11339 | 11526 | 11701 | 11979 | 12538 | 13070 |
8. Glarus | 30213 | 33363 | 35208 | 34242 | 33825 | 32349 |
9. Zug | 17461 | 19608 | 20925 | 22829 | 23029 | 25093 |
10. Freiburg | 99891 | 105523 | 110409 | 114994 | 119155 | 127951 |
11. Solothurn | 69674 | 69263 | 74608 | 80362 | 85621 | 100762 |
12. Basel Stadt | 29698 | 40683 | 47040 | 64207 | 73749 | 112227 |
13. Basel Land | 47885 | 51582 | 54026 | 59171 | 61941 | 68497 |
14. Schaffhausen | 35300 | 35500 | 37642 | 38241 | 37783 | 41514 |
15. Appenzell A. R. | 43621 | 48431 | 48734 | 51953 | 54109 | 55281 |
16. Appenzell I. R. | 11272 | 12000 | 11922 | 12874 | 12888 | 13499 |
17. St. Gallen | 169625 | 180411 | 190674 | 209719 | 228174 | 250285 |
18. Graubünden | 89895 | 90713 | 92103 | 93864 | 94810 | 104520 |
19. Aargau | 199852 | 194208 | 198718 | 198357 | 193580 | 206498 |
20. Thurgau | 88908 | 90080 | 93202 | 99231 | 104678 | 113221 |
21. Tessin | 117759 | 116343 | 121591 | 130394 | 126751 | 138638 |
22. Waadt | 199575 | 213157 | 229588 | 235349 | 247655 | 281379 |
23. Wallis | 81559 | 90792 | 96722 | 100190 | 101985 | 114438 |
24. Neuenburg | 70753 | 87369 | 95425 | 102744 | 108153 | 126279 |
25. Genf | 64146 | 82876 | 88791 | 99712 | 105509 | 132609 |
Schweiz: | 2392740 | 2510494 | 2655001 | 2831787 | 2917754 | 3315443 |
2. Verschiebung der Bevölkerung im Innern des Landes.
Die beigegebene graphische Darstellung des mittleren jährlichen Bevölkerungszuwachses auf je 1000 Einwohner während des Zeitraumes 1850-1900 ist sehr lehrreich und zeigt namentlich den Einfluss der Städte auf den Bevölkerungszuwachs der Kantone. Mit Ausnahme von Bern, dessen besondere Stellung wir noch erklären werden, findet sich keiner der eine bedeutende Stadt in sich schliessenden Kantone innerhalb der ersten Hälfte der graphischen Darstellung. Bei näherer Betrachtung lassen sich auf Grundlage der Zahlen von 1850 und unter Berechnung der seitherigen Zunahme in % folgende Schlüsse ziehen: Den geringsten Zuwachs zeigt der Aargau, dessen Bevölkerung in einem halben Jahrhundert blos um 3% zugenommen hat.
Dann folgt mit 7% Glarus, dessen verschiedene Industrien während des gleichen Zeitraumes mehrfachen Krisen unterworfen gewesen sind. Luzern, dessen Landschaft sich entvölkert, zeigt einen Zuwachs von blos 10%. Es folgen Obwalden mit 11%, Nidwalden mit 15%, Graubünden mit 16%, Schaffhausen und Tessin mit je 18%, Appenzell I. R. mit 20%, ferner 4 Kantone mit 25-29%: Schwyz, Appenzell A. R., Freiburg und Bern. Das ländliche Gebiet dieses letztgenannten Kantons ist umfassend genug, um die starke Bevölkerungszunahme der beiden Städte Bern und Biel teilweise aufheben zu können.
Uri verdankt seine Zunahme von 36% dem Bau und Betrieb der Gotthardbahn. Die Schweiz als Ganzes zeigt eine Bevölkerungszunahme von 39%, welche Mittelzahl von allen bisher noch nicht genannten Kantonen übertroffen wird. Wallis zeigt 40% (dank dem Bezirk Brig und der infolge der Arbeiten am Simplontunnel gesteigerten Volkszahl), Waadt 41% (infolge des Wachstums der Stadt Lausanne und des dicht besiedelten Uferstriches am obern Genfersee), Basel Land 43% (dank dem aus der Nähe der Stadt ¶
Lief. 189
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 0’ O; 47° 0’ N; 1:1500000]
Einwohner per Km2
░ 1-24
░ 25-49
▒ 50-74
▓ 75-99
░ 100-149
░ 150-199
▒ 200-299
▒ 300-399
▓ 400-499
▐ Mehr als 500
MCE. BOREL & CIE.
V. ATTINGER SC.
BEVŒLKERUNGSDICHTE DER SCHWEIZ ¶
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Basel Vorteil ziehenden Bezirk Arlesheim, ohne den der Halbkanton eine Zunahme von blos 17% aufweisen würde), Zug 44%, Solothurn 45%, St. Gallen 48% (industrieller Kanton). Es folgen endlich die Kantone mit grossen Städten: Zürich 72%, Neuenburg 78% (zwei grössere Städte), Genf (dessen Volkszahl sich mehr als verdoppelt hat) mit 107% und zuletzt Basel Stadt mit 278%, d. h. mit einer mehr als dreifachen Zunahme.
Noch deutlicher tritt diese Erscheinung der Anziehungskraft der städtischen Zentren hervor, wenn wir anstatt der Kantone die 187 Bezirke der Schweiz miteinander vergleichen. Von ganz besonderer Bedeutung erscheint diese Anziehung in den beiden Zeiträumen von 1850 bis 1860 und von 1880 bis 1888, während welcher 66 bezw. 80 ländliche Bezirke eine Abnahme zeigen. Dagegen weisen die Zählungen von 1870, 1880 und 1900 blos 29, 43 und 37 Bezirke auf, deren Bevölkerungsziffer gesunken war.
Wenn wir das halbe Jahrhundert in seiner Gesamtheit ins Auge fassen, sehen wir, dass im Jahr 1900 volle 41 Bezirke, d. h. also 22% oder fast ein Viertel aller Bezirke, weniger Einwohner zählten als im Jahr 1850. Selbstverständlich sind dies alles rein ländliche Bezirke oder solche mit nur kleinen Landstädtchen. Von den in der Zunahme begriffenen 146 Bezirken zeigen 30 eine solche von weniger als 10%, 27 eine solche von 10-20%, 16 eine solche von 20-30% und 33 eine solche von 30-50%; für 24 Bezirke beträgt die Zunahme 50-100%, und in 16 Bezirken hat sich die Bevölkerung mehr als verdoppelt.
Diese letztern sind Zürich (Stadt), Biel, der stark industrielle Solothurner Bezirk Kriegstetten (mit Biberist, Gerlafingen etc.), Basel Stadt, Arlesheim (Basel Land), die vier St. Galler Bezirke Gossau, Rorschach, Tablat und St. Gallen, ferner Lausanne, Vevey, Brig, La Chaux de Fonds, Neuenburg und endlich die beiden Genfer Landbezirke. Diese 16 Bezirke wiesen 1900 für sich allein 682150 Ew. (gegen 239679 im Jahr 1850) auf. Es bedeutet dies eine Zunahme von 185%, die nahezu der Hälfte (48%) der Gesamtzunahme des ganzen Landes entspricht.
Die 19 Städte von über 10000 Ew. zeigen folgende Zunahme: 1850: 255722 Ew.;
1860: 323751 Ew.;
1870: 382683 Ew.;
1880: 469670 Ew.;
1888: 533899 Ew.;
1900: 742205 Ew. Ihre Einwohnerzahl hat sich somit in fünfzig Jahren nahezu verdreifacht.
Während der letztvergangenen zwölf Jahre allein betrug der Zuwachs 208306 Ew. oder 39%, wovon 72755 auf den Ueberschuss der Geburten und 435551 auf den Ueberschuss der Einwanderung entfallen. Mit Ausnahme von La Chaux de Fonds, St. Gallen, Schaffhausen, Herisau und Le Locle ist die Einwanderung überall bedeutender als der Geburtenüberschuss.
Die 41 Bezirke mit Rückgang in der Bevölkerungsziffer verteilen sich auf 13 Kantone und sind alles ländliche Bezirke, die meist ungünstig, d. h. abseits der grossen Verkehrswege und der industriellen Strömungen, gelegen erscheinen. Fünf dieser Bezirke zeigen einen andauernden Rückgang, indem jede Zählung gegenüber der unmittelbar vorhergehenden eine Bevölkerungsabnahme ergibt. Es sind dies die beiden Luzerner Bezirke Entlebuch und Willisau, der Schaffhauser Bezirk Schleitheim, der Bündner Bezirk Hinterrhein und der Tessiner Bezirk Valle Maggia. Am ausgesprochensten zeigt sich der Rückgang in den drei letztgenannten Bezirken, die während eines Zeitraumes von 50 Jahren 31 und 30% ihrer Bewohner verloren haben. 27 dieser 41 Bezirke sind nicht um mehr als 10% zurückgegangen.
Am schärfsten erscheint die mit dem Anwachsen der städtischen Zentren parallel gehende Entvölkerung der Landbezirke ausgesprochen in den beiden Kantonen Luzern und Schaffhausen, die daher noch eine nähere Erwähnung verdienen. Sie weisen folgende Zahlen auf:
Ew. | Landbezirke | Stadtbezirk | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
1850 | 1900 | ±% | 1850 | 1900 | ±% | |
Luzern | 105154 | 92180 | -14 | 27699 | 54339 | +96 |
Schaffhausen | 28173 | 23280 | -17 | 12014 | 23341 | +94 |
Sehr deutlich tritt diese Anziehungskraft der Städte auf das platte Land in einer Tabelle der «Eidgenössischen Volkszählung vom 1. Dezember 1900» hervor, die die «Zu- oder Abnahme der Wohnbevölkerung infolge Geburten oder Wanderungen zwischen 1888 und 1900» darstellt. Indem während dieses 12 jährigen Zeitraumes alle Kantone und selbst alle Bezirke (exkl. Diessenhofen im Thurgau und Valle Maggia im Tessin) einen Geburtenüberschuss aufweisen, zeigen 15 von den 25 Ständen und 122 Bezirke, d. h. zwei Dritteile aller Bezirke, einen Ueberschuss der Auswanderung über die Einwanderung. So hat in diesem Zeitraum z. B. Appenzell A. R. mit einem Ueberschuss von 5144 Geburten über die Todesfälle doch infolge der Auswanderung blos eine wirkliche Zunahme von 1172 Köpfen aufgewiesen. Kantone mit starker Auswanderung sind Bern, Freiburg, Glarus, Appenzell A. R. und Aargau, während umgekehrt Zürich, Genf, Basel Stadt und Waadt eine starke Einwanderung zeigen. In Zürich, Genf und Basel Stadt übersteigt die Bevölkerungszunahme durch Einwanderung sogar diejenige durch den Geburtenüberschuss, was aus folgender Tabelle ersehen werden kann:
Kanton | Zunahme 1888-1900 | ||
---|---|---|---|
durch d. Ueberschuss der Geburten | durch d. Ueberschuss der Einwanderung | Total | |
Zürich | 41861 | 51992 | 93853 |
Basel Stadt | 13784 | 24694 | 38478 |
Genf | 1260 | 25840 | 27100 |
Waadt | 22331 | 11393 | 33724 |
Neuenburg verdankt seine starke Zunahme um 18148 ¶