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Frankreich auf blos 16%, in Italien auf 20%, in Deutschland auf 26% und in Oesterreich endlich auf 33%.
Von den 4146870 ha Fläche der ganzen Schweiz sind somit volle 878489 ha mit Wald bedeckt. Dieser gehört zum grössten Teil (67%) einzelnen Gemeinden oder Korporationen, welches Verhältnis in unseren Nachbarstaaten bei weitem nicht erreicht wird; 28,5% sind Privatwald und blos 4,5% gehören dem Staat (d. h. den einzelnen Kantonen).
Das Flächenverhältnis zwischen Staats-, Gemeinde- und Privatwaldungen schwankt übrigens in den verschiedenen einzelnen Kantonen ziemlich stark, wie dies aus folgender Tabelle ersichtlich ist:
Heutige Waldfläche der Schweiz und einzelner Kantone.
(Mitgeteilt von Forstinspektor H. Badoux).
Kantone | Staatswald | Gemeindewald | Privatwald | Total | |||
---|---|---|---|---|---|---|---|
ha | % | ha | % | ha | % | ha | |
Zürich | 2246 | 4.8 | 19393 | 41.4 | 25221 | 53.8 | 46860 |
Bern | 3106 | 8.5 | 79438 | 51.9 | 60574 | 39.6 | 153118 |
Luzern | 472 | 1.5 | 6162 | 19.7 | 24569 | 78.8 | 31203 |
Uri | 75 | 0.5 | 10100 | 89.0 | 1210 | 10.5 | 11385 |
Freiburg | 3279 | 10.6 | 15126 | 49.0 | 12454 | 40.4 | 30859 |
St. Gallen | 982 | 2.4 | 24136 | 59.3 | 15603 | 38.3 | 40721 |
Graubünden | 265 | 0.2 | 116900 | 89.3 | 13200 | 10.5 | 130365 |
Tessin | 0 | 0 | 52630 | 76.0 | 16616 | 24.0 | 69246 |
Waadt | 8207 | 10.0 | 51954 | 62.7 | 22784 | 27.3 | 82945 |
Wallis | 0 | 0 | 72611 | 94.3 | 4450 | 5.7 | 77061 |
Neuenburg | 1933 | 8.4 | 11097 | 48.3 | 9938 | 43.3 | 22968 |
Schaffhausen | 1909 | 16.0 | 8126 | 68.3 | 1890 | 15.7 | 11925 |
Schweiz: | 38163 | 4.5 | 587335 | 67.0 | 252991 | 28.5 | 878489 |
.
Davon entfallen auf Schutzwald | 666739 |
Davon entfallen auf Nichtschutzwald | 211750 |
Total | 878489 |
Wallis, Tessin, Graubünden und Uri haben somit keine oder fast keine Staatswaldungen. Den grössten Prozentsatz an Gemeindewaldungen hat Wallis mit 91, 3% und den grössten Prozentsatz an Privatwaldungen Luzern mit 78,8%.
Mit Bezug auf die vertikale Verbreitung unserer Wälder beobachtet man je nach den einzelnen Lagen und nach der Exposition ziemlich bedeutende Schwankungen. Folgendes sind nach Ed. Imhof die obersten Waldgrenzen: Wallis und Engadin 2100-2200 m, Tessin und Graubünden 1800-2000 m, südliche Hochalpen 2050 m, nördliche Hochalpen 1800 m, Voralpen 1650 m, Jura 1500 m. Die in den meisten Fällen die Waldgrenze bildenden Bäume sind im Wallis, Tessin und Engadin die Lärche und die Arve, im Jura und den Nordalpen (inkl. Nordbünden) dagegen die Fichte. Am Crêt de la Neige im westlichen Jura steigt die Föhre in lichten Gruppen bis zum Gipfel (1723 m) hinauf, und auch der 1550 m übertreffende Gipfel der Aiguilles de Baulmes ist noch bewaldet. Der Höhenunterschied zwischen der Waldgrenze am Monte Rosamassiv (2250 m; höchster Betrag) und am Säntis (1550 m; tiefster Betrag) erreicht volle 700 m; zwischen der Nord- und der Südflanke der Alpen beträgt der Unterschied im Durchschnitt 100 m.
Ziemlich genau wird die obere Waldgrenze in den verschiedenen Teilen der Schweiz durch die Schneegrenze bestimmt, unter welcher sie sich je nach den einzelnen Gebieten um 700-1000 m oder im Mittel um 850 m hält. Dies veranschaulichen mit aller wünschenswerten Deutlichkeit die hier beigegebene Darstellung Imhofs über «die durchschnittliche Höhenlage der Wald- und Schneegrenze in den Schweizeralpen», sowie die Karte Imhofs über «die Waldisohypsen der Schweiz» und Jegerlehner's Karte der «Linien gleicher Höhenlage der klimatischen Schneegrenze (Isochionen) in der Schweiz».
Allgemein gesprochen, finden wir die ausgedehntesten Wälder und zusammenhängendsten Waldgebiete im Jura. Am besten bewaldet sind der Kanton Schaffhausen und die fast ganz im Jura gelegenen Kantone Solothurn, Neuenburg und Basel Land. Am schwächsten bewaldet sind Genf, Uri und Basel Stadt, welche Holz einführen müssen, während die Alpenkantone Graubünden, Wallis und Obwalden Holz über ihren Bedarf produzieren. Doch genügt auch diese Ueberproduktion dem gesamten Holzverbrauch der Schweiz noch bei weitem nicht, indem unser Land z. B. während des Zeitraumes 1896-1901 im Mittel jährlich für 17 Millionen Fr. Holz (Brennholz, Bauholz und Erzeugnisse der Holzindustrie) eingeführt hat. 1904 betrug die Einfuhr 26 Mill. Fr.
Die Angaben über den durchschnittlichen Zuwachs der Waldungen in der Schweiz genügen noch lange nicht, um eine etwas genauere Schätzung des möglichen Ertrages zu gestatten. Immerhin hat man überall da, wo solche Angaben vorhanden sind und einem rationellen Betrieb zu Grunde gelegt werden, eine hohe Rendite konstatiert, die des öftern diejenige der Wälder in unsern Nachbarstaaten übersteigt. So erreicht der Ertrag der Gemeindewaldungen von Aarau, Lenzburg und St. Gallen durchschnittlich 9 m3 pro Hektare und derjenige der städtischen Waldungen von Zürich und Winterthur rund 8 m3 pro ha. Eine von Elias Landolt, Professor an der eidgen. Forstschule, anlässlich der Landesausstellung von 1883 vorgenommene annähernde Schätzung stellte fest, dass die schweizerischen Waldungen im Ganzen etwa 33 Millionen m3 Holz lieferten, was einem durchschnittlichen Ertrag von rund 3,5 m3 pro ha entspricht. Es besteht kein Zweifel, dass diese Zahlen seit dem Inkrafttreten der neuen eidgenössischen und kantonalen Forstgesetzgebung sich fühlbar gehoben haben müssen.
Die Holzpreise werden natürlich durch eine Reihe von verschiedenartigen Umständen (Qualität des Holzes, Holzarten, Lage der einzelnen Wälder, Transportpreise, Bewirtschaftungsverhältnisse etc.) beeinflusst, doch kann man sagen, dass sie seit den letzten 50 Jahren mit Ausnahme einiger zeitweiser Krisen allgemein in die Höhe gegangen sind. 1861 betrugen die Durchschnittspreise für den m3 Werkholz: Nadelholz 25½ Fr., Eichenholz 37 Fr. und Buchenholz 25 Fr.;
1876 erreichten sie mit 36½, 44½ und 33½ Fr. ihr Maximum, während sie 1899 nach einem fühlbaren Rückgang wieder auf 34 Fr. für Nadelholz, 47½ Fr. für Eichenholz und 31 Fr. für Buchenholz standen.
In den Waldungen der Stadt Lausanne sind 1905 pro m3 folgende Preise erzielt worden: Tannenholz Fr. 23,40; Eichenholz Fr. 60; Buchenholz Fr. 25,70. In der deutschen Schweiz (speziell Zürich und Winterthur) sind die Preise im Allgemeinen merklich höher als in der welschen Schweiz. Alle diese Preise sind wesentlich höher als die während der letzten Jahre in Deutschland gezahlten Durchschnittspreise (Nadelholz im Maximum 25-30 Fr). Dank diesen Preislagen hat der Bruttoertrag gewisser Waldungen eine für die Hektare anderswo nicht bekannte Höhe erreicht. So ergeben die städtischen Waldungen von Aarau einen durchschnittlichen Bruttoertrag von 175 Fr. pro ha und diejenigen von Zürich, Murten und Winterthur einen solchen von 150 Fr. 1905 ist in den Stadtwaldungen von Winterthur der Bruttoertrag pro Hektare sogar bis auf 187 Fr. gestiegen. Diese Zahlen sind offenbar Ausnahmen, doch weisen die gesamten Staatswaldungen des Aargaues und von Zürich immer noch einen Bruttoertrag von 100 Fr. pro ha auf, während dieser für die reichsten Staatswaldungen Deutschlands kaum die Summe von 70 Fr. pro ha übersteigt. Im Jura und in den Alpen ist der Ertrag natürlich geringer und hält sich zwischen 40 und 60 Fr.
Eidgenössische Forstgesetzgebung.
Eine solche existiert seit kaum mehr als 30 Jahren. Sie fand ihren ersten Eingang in die Bundesverfassung von 1874, deren Artikel 24 dem Bund das Recht der Oberaufsicht über die Wasser- und Waldpolizei des Alpengebietes, und zwar speziell über alle die Korrektion und Verbauung der Wildbäche, sowie die Wiederaufforstung ihrer Sammelgebiete betreffenden Fragen, zusprach. Das die eidgenössische Intervention in diesen Sachen festlegende Gesetz trat 1876 in Kraft, und 1897 wurde die Beschränkung der Bundesrechte auf
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das Alpengebiet dadurch aufgehoben, dass man die Bestimmungen des Gesetzes von 1876 seit 1898 vorläufig auf das ganze Land ausdehnte. Es folgte das Bundesgesetz von 1902, das der Eidgenossenschaft das Recht der Oberaufsicht über die Forstpolizei der ganzen Schweiz wahrt und diese noch ganz besonders auf die Schutz- oder Bannwaldungen ausdehnt, die in von Wildbächen und Lawinen bedrohten Gebieten stehen. Neben den Subventionen, die er an Schutzbauten und Aufforstungen leistet, unterstützt der Bund die Kantone auch noch bei der Ausbildung und Bezahlung des subalternen Forstpersonales, sowie bei der Besoldung der Forstinspektoren. Dieses eidgenössische Forstgesetz von 1902 steht heute noch nicht so lange in Kraft, dass man seine Wirksamkeit schon endgiltig beurteilen könnte; doch steht ausser Zweifel, dass es für die Waldwirtschaft und eine rationelle Betriebsart von segensreichem Einfluss sein wird.
Klimatische Rolle des Waldes.
Der Wald spielt unabhängig von seinem volkswirtschaftlichen Wert auch noch eine bedeutende klimatische und hygienische Rolle. Die Nähe von ausgedehnten Waldungen wirkt ausgleichend auf die Temperaturschwankungen ein und erniedrigt z. B. im Mittelland die Sommermaxima im Vergleich zu denen der waldlosen Landstriche um 1 bis 1,5° C. Diese ausgleichende Wirkung lässt sich auch im täglichen Gang der Temperatur erkennen, indem das sommerliche Tagesmaximum erniedrigt und das Nachtmaximum erhöht wird. In der Nähe von grossen Waldungen scheint die Bodentemperatur im Sommer, Frühjahr und Herbst merklich höher und im Winter weniger tief zu sein als in waldlosen Gegenden.
Mit dem Sinken der Lufttemperatur wird der relative atmosphärische Feuchtigkeitsgrad erhöht, wie man auch trotz der zur Aufstellung von endgiltigen Zahlenreihen bis jetzt noch zu spärlich vorhandenen Ergebnisse der Regenmessstationen annehmen darf, dass die atmosphärischen Niederschläge in der Nähe von grossen Wäldern merklich reichlicher sind als in nicht bewaldeten Gebieten. Andererseits wird ein beträchtlicher Teil, d. h. etwa 25%, der Niederschläge von den Wurzeln der Bäume aufgesaugt.
Wenn daher auch der Waldboden weniger Wasser aufnimmt, so hält er dieses dafür dank dem schützenden Einfluss der Baumkronen gegen die Verdunstung um so länger zurück. In den Wäldern wird das gewöhnliche Mass der Verdunstung bis auf die Hälfte und mehr erniedrigt und bleibt der Boden lange Zeit feucht, wenn er von einer mächtigen Lage von Humus und allerlei abgestorbenem Material bedeckt ist. Dadurch, dass der Wald zugleich die Verdunstung und den oberflächlichen Abfluss der meteorischen Wasser behindert, begünstigt er das Eindringen und die Aufspeicherung des Wassers im Boden und übt auf diese Art einen hervorragenden Einfluss auf die Speisung der Quellen und die Gleichmässigkeit ihrer Wasserführung aus. Zum Schlusse sei noch der Schutzrolle gedacht, die der Wald gegenüber Lawinen, Bergstürzen, Wirbelstürmen etc. spielt. In gesundheitlicher Beziehung ist er deswegen von grosser Bedeutung, weil er beständig grosse Mengen von Sauerstoff an die Luft abgibt. Alle diese Momente rechtfertigen vollauf die Einführung einer forstlichen Bundesgesetzgebung zum Schutz und Unterhalt, sowie zur rationellen Ausbeutung unserer reichen Waldbestände.
Die Waldbäume und ihre Verbreitung.
1. Laubwald. Unsere Wälder lassen sich ihrer Zusammensetzung nach in Laubwald, Nadelwald und - wenn Laub- und Nadelholz zusammen vertreten sind - Mischwald einteilen. In der tiefern Region, d. h. bis etwa 1350 m Höhe hinauf, herrscht Laubholz und zwar ganz besonders die Buche vor, die oft für sich allein ausgedehnte Waldungen bildet. Da die Buche nach einem bekannten Ausspruch von Grisebach das ausgezeichnetste Kennzeichen des
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ozeanischen Klimas ist, bietet das Studium ihrer Verbreitung in der Schweiz ein grosses Interesse. Nach Sendtner bedarf die Buche zu ihrem Gedeihen einer Vegetationsperiode von 7-8 in ihrem Temperaturmittel über 0° C. sich haltenden Monaten und von mindestens fünf Monaten, deren mittlere Temperatur 8° C. übersteigt. Sie erträgt schlechtes Wetter und selbst Reif sehr gut, bedarf aber vieler Feuchtigkeit, weshalb sie zwar in Nordwesteuropa bis zum 59. Breitengrade vordringt, im Innern Russlands aber des kontinentalen Klimas wegen fehlt.
Diese besonderen Bedürfnisse erklären im Verein mit lokalen, durch die Konkurrenz von Seiten anderer Baumarten geschaffenen Bedingungen die Art der Verbreitung der Buche in der Schweiz. In vertikaler Hinsicht bildet sie oberhalb 1200 m kaum mehr reine Bestände, kann aber mit andern Baumarten gemischt bis zu 1500 m aufsteigen. Im Jura ist sie durch die in der höhern Region vorherrschende Weisstanne meist bis unter 900 m zurückgedrängt worden, findet sich aber vereinzelt oder mit andern Arten gemischt auch noch bis in Höhen von 1200 und sogar 1300 m. In gewissen geschützten Thälern des Tessin ist sie noch in 1800 m beobachtet worden.
Die untere Grenze ihrer Verbreitung erreicht sie blos im südlichsten Tessin, wo sie bis in die Nähe der Seen hinabsteigt. Nicht weniger interessant ist auch die horizontale Verbreitung der Buche. Zwischen 400 und 900 m findet sie sich nahezu ununterbrochen im ganzen Jura, im grössten Teil des Mittellandes und auch in allen Thälern und an sämtlichen Gehängen der Nordflanke der Alpen. Dagegen fehlt sie in den zentralen Alpen grösstenteils und reicht im Reussthal nur bis Wassen, im Aarethal nur bis Gadmen und im Rheinthal blos bis in die Umgebung von Chur.
Sie fehlt ferner im ganzen zentralen Abschnitt Graubündens und im ganzen Wallis oberhalb der Klus von Saint Maurice, mit Ausnahme eines Standortes am Mont Chemin über Ardon und Saxon, wo sich der Einfluss des von Südwesten herkommenden und über den Genfersee streichenden feuchten Windes noch geltend macht. Endlich fehlt sie auch noch in den Thälern der Kander, der Simme und der Saane fast ganz. Im Tessin ist sie ziemlich stark verbreitet und oft sogar mit der Lärche vergesellschaftet. Ihre Abwesenheit in der Nähe der hohen Alpenmassive, sowie im Wallis und in Mittelbünden erklärt sich vor allem aus dem schon ausgesprochener kontinentalen Klima dieser Gebiete, d. h. aus der nicht genügend vorhandenen Feuchtigkeitsmenge und der Einwirkung von austrocknenden Winden.
Als Begleiter der Buche spielen in der Zusammensetzung des Laubwaldes noch einige weitere Baumarten eine untergeordnete Rolle. Die Hain- oder Weissbuche (Carpinus betulus) findet sich in der untern Zone zerstreut vor, so besonders in den Umgebungen des Vierwaldstättersees, im Berner Oberland, im Wallis und längs dem Jurafuss, wo sie an Wuchs mit der Buche rivalisiert. Der Spitzahorn (Acer platanoides) tritt, in den Buchenwald eingestreut, meist nur vereinzelt auf und steigt nirgends über 1000 m Höhe.
Die Stechpalme (Ilex aquifolium), die einzige so weit gegen Norden vorstossende immergrüne Baumart, ist in ihrer Verbreitung eng an die Buche und die Weisstanne gebunden, unter deren Schatten sie sich für gewöhnlich flüchtet. Sie fehlt daher im mittleren Wallis und in Graubünden, während sie um den Thuner-, Sarner- und Vierwaldstättersee eine Höhe von bis zu 5 m erreichen kann. Als Begleiter der Buche nennen wir ferner noch die gefiederte Pimpernuss (Staphylaea pinnata), einen bei uns die Westgrenze seiner Verbreitung erreichenden 1-2 m hohen Strauch; dann den im Wald und Gebüsch der untern Region vereinzelt auftretenden breitblätterigen Spindelbaum (Euonymus latifolius) und endlich den Alpen-Goldregen (Cytisus alpinus) und den
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schneeballblätterigen Ahorn (Acer opalus), welche beiden in den Buchenwäldern der Westschweiz, denen sie einen vom Berner Jura an nicht mehr zu beobachtenden südlichen Anstrich verleihen, sich häufig finden.
Die Buche wird gewöhnlich auch von mehreren interessanten Kräutern begleitet. Solche sind die gemeine Schmerwurz (Tamus communis), die Asperula taurina und das Sedum hispanicum, drei aus dem Süden stammende Arten, von denen die zwei letztern allerdings nur in der östlichen Schweiz zu finden sind; ferner Carex pilosa und C. polyrrhiza, Melica uniflora, Campanula cervicaria und C. persicifolia, Orobus niger, Scilla bifolia, Crepis praemorsa (fehlt im Westen) etc.
Die nächstgrösste Rolle spielt in der Zusammensetzung des Laubwaldes neben der Buche die Eiche, wenn auch zugegeben werden muss, dass dieser schöne Baum in der Schweiz mehr und mehr im Abnehmen begriffen ist. Er kommt in der untern Region nur noch in Gruppen oder wenig umfangreichen Beständen vor und bildet selten wirkliche Waldungen. Einzelne Exemplare finden sich dagegen an zahlreichen Stellen. Nach Thurmann stösst man in den Hochmooren des Berner Jura bis in eine Höhe von 1000 m auf abgestorbene Eichenstämme. Am verbreitetsten ist die Eiche am Jurafuss, d. h. am Westufer des Bieler- und Neuenburgersees, wo sie auch noch ansehnliche Wälder bildet.
Der Wald von Sauvabelin oberhalb Lausanne besteht ebenfalls noch zum grossen Teil aus Eichen, wird aber wie alle andern Eichenwaldungen durch die siegreich vordringende Buche bedroht. Die beiden in natürlichen Wäldern der Schweiz vertretenen Eichenarten sind die Stieleiche (Quercus robur) und die Steineiche (Quercus sessiliflora). Die erstere, eine zentraleuropäische Art, findet sich häufiger als die andere und steigt im Jura bis zu 500 m, sowie in vereinzelten Exemplaren bis zu 700 und 800 m hinauf, während man sie am Beatenberg und in Wengen sogar noch bis in 1200 und 1300 m Höhe beobachtet. Die Steineiche bevorzugt im Allgemeinen tiefer gelegene Gebiete und tritt besonders am Rand des südlichen Jura und im Rhonethal, sowie auch in den Thälern an der Südflanke der Alpen auf. Beide Arten bedürfen eines reichen und tonigen Bodens und gedeihen im Jura nur ausserhalb des Gebietes der anstehenden Kalksteine.
Die noch verbleibenden andern Laubholzarten spielen in der Zusammensetzung des Waldes eine nur geringe Rolle, tragen aber zur Abwechslung und zur Verschönerung der Landschaft viel bei und sind z. T. auch von nicht zu unterschätzender volkswirtschaftlicher Bedeutung. Wir nennen die Esche, die in der ganzen Schweiz gruppenweise oder vereinzelt an den verschiedensten Standorten und bis zu einer Höhe von 1300 m auftritt; die in drei Arten vorhandene Ulme, von denen die Feldulme am häufigsten ist und sich in Gesellschaft des Feldahorns und der Linde längs der Strassen und Wege, sowie am Rand und im Innern von Wäldern in der ganzen Schweiz bis zu 1200 m hinauf überall findet, während die Bergulme im Jura und im Wallis vereinzelt vorkommt und die gestielte Ulme (Ulmus pedunculata) nur in der nordöstlichen Schweiz, besonders im Kanton Schaffhausen, zu treffen ist. Von den beiden Lindenarten ist die herzblätterige Linde (Tilia cordata) die weniger verbreitete und erscheint namentlich im Südwesten, d. h. längs dem Jurarand. Einzelne Exemplare der Linden erreichen ein hohes Alter und beträchtliche Dimensionen (historische Bäume: Murtnerlinde in Freiburg etc.).
Im Mittelland ist die Schwarzerle (Alnus glutinosa) der charakteristische Begleiter von Flussniederungen und Wasserläufen; in den Thälern der Zentralalpen tritt an ihre Stelle die Weisserle (Alnus incana), die zusammen mit mannigfaltigen Weiden an sandigen und kiesigen Uferstrichen bis 1500 m hinauf geht. Ebenfalls in der Nähe von fliessenden Gewässern und an frischen und feuchten Standorten gedeihen die Schwarz- und die Silberpappel, während die Zitterpappel in der Auswahl ihrer Standorte weniger gebunden erscheint. Häufig und überall (besonders im Jura) trifft man die Wildkirsche, den Holzapfel und wilden Birnbaum, sowie den Mehlheer-, Vogelbeer- und Elsbeerbaum (Sorbus aria, S. aucuparia und S. torminalis).
Im Gegensatz zu den eben genannten Arten spielt die Weissbirke trotz ihrer ausserordentlich unregelmässigen Verteilung über unser Land stellenweise noch in der Zusammensetzung der Waldungen eine gewisse Rolle, so vor allem in der alpinen Zone, wo sie häufig in Gesellschaft von Nadelholz, besonders der Föhre und der Lärche, auftritt. Bei Kipfen im untern Nikolaithal bildet sie zusammen mit der Lärche auf dem Schuttfeld eines alten Bergsturzes sogar einen eigentlichen Wald; mit der Föhre vergesellschaftet erscheint sie an der Simplonstrasse zwischen Schallberg und Bérisal und zusammen mit der Weisserle in der Leventina oberhalb Faido, während sie im Bagnesthal und anderswo oft längs der obern Waldgrenze beobachtet wird. Ihre weichhaarige Abart, die sog. Moorbirke (Betula alba var. pubescens) bildet in Gemeinschaft mit der Bergföhre einen der charakteristischsten Bestandteile der merkwürdigen Hochmoore des Mittellandes, der Alpen und des Jura.
Mit Hinsicht auf ihre Zusammensetzung verdienen die Wälder der insubrischen Zone eine gesonderte Betrachtung. Von hervorragender Bedeutung ist hier die Kastanie, die man beim Abstieg vom Gotthard in die Leventina zum erstenmal bei Faido (800 m) antrifft, während sie an sonnigen und geschützten Gehängen bis über 1000 m hinauf gedeihen kann. Im ganzen Gebiet der drei insubrischen Seen bildet sie an den untern Berghängen überall da, wo sie nicht vom Weinstock verdrängt worden ist, grosse und üppige Waldungen. An der Nordflanke der Alpen erreicht die Kastanie zwar nicht die gleiche Verbreitung wie in der insubrischen Zone, kann aber doch auch noch in bedeutenden Beständen auftreten, so namentlich im untern Wallis und an den Ufern des Genfersees, sowie am Zuger- und Vierwaldstättersee (Vitznau).
Eine Uebersicht über die Verbreitung der Kastanie in der Zentralschweiz hat Engler (Schweizer. Zeitschrift für Forstwesen. 1900, Nr. 3 und 8) gegeben. Am Jurafuss findet man sie stellenweise vom Kanton Genf bis zur Petersinsel im Bielersee; ferner sieht man sie auch noch bei Murg am Walensee und im Rheinthal. Eine bedeutende Rolle als Volksnahrungsmittel spielt die Kastanie blos im Tessin und im untern Wallis von Martinach bis zum Genfersee, während die am Vierwaldstättersee gereiften Früchte nur ausnahmsweise essbar sind. In den warmen Teilen des Tessin leben mehrere interessante südliche Arten in Gemeinschaft mit der Kastanie, so die an den Gehängen des Monte Generoso sich findende Zerreiche (Quercus cerris) und die Manna-Esche (Fraxinus ornus) und Hopfenbuche (Ostrya italica), welche beiden letzteren im ganzen tiefer gelegenen Kantonsgebiet verbreitet sind.
2. Nadelwald. Während die Laubhölzer namentlich die Waldungen der untern Zone zusammensetzen, herrschen in der obern Bergregion die Nadelhölzer (Föhren, Fichten, Tannen und Lärchen) vor. Der wichtigste Waldbaum dieser Region ist die Fichte oder Rottanne (Picea excelsa), die von der obern Baumgrenze bis in die untere Region hinabreicht, wo sie für sich selbst oft sehr ausgedehnte Waldungen bildet. Der besonders an den Berggehängen stehende Fichtenwald ist schon von weitem an seiner dunkeln Farbe kenntlich, die mit dem hellen Grün der Alpweiden und Sennberge in einem so auffallenden Kontrast steht. Im Jura herrscht die Fichte erst oberhalb 1300 m vor, während sie in den tiefern Lagen oft mit der Weisstanne vermischt oder durch sie ersetzt erscheint.
In den Alpen erreicht ihre obere Grenze im Mittel etwa 1800 m, doch kann sie in Graubünden und im Wallis auch oft bis zu 2050 m hinaufsteigen; am Praghorn im Oberwallis findet sich noch ein Bestand bei 2000 m. An ihren höchsten Standorten zeigt sie sich vielfach in Gestalt eines verkümmerten Strauches, der hundert und mehr Jahre ausdauern kann, wobei der Stamm eine Dicke von 3-4 cm und eine Höhe von 2 m nicht übersteigt. Eine prachtvolle Entwicklung zeigt sie dagegen auf weniger hoch gelegenen Alpweiden und Sennbergen, wo sie in vereinzelten Exemplaren mächtige Wettertannen oder Schirmtannen (französisch gogants) bildet, unter denen das Vieh gerne Schutz sucht. Die ebenfalls in Gestalt von solchen Wettertannen auftretende Weisstanne gleicht, wenn sie durch Blitzschlag ihrer Krone beraubt worden ist, oft einem mehrarmigen Leuchter oder Kandelaber, indem ihre untern Aeste senkrecht in die Höhe streben. Die Fichte ist
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noch besonders durch ihre grosse Vielgestaltigkeit bemerkenswert. In seiner Studie über Die Vielgestaltigkeit der Fichte hat Prof. Schröter mehr als 37 Varietäten, Unter-Varietäten und zufällige Formen dieses Baumes zusammengestellt.
Während die Heimat der Fichte in den Ebenen des Nordens liegt, stammt die Weisstanne aus den Bergländern des Südens, weshalb sie auch in unsern Wäldern eine ganz andere Rolle spielt als die Fichte. In den Alpen bevorzugt sie tiefer gelegene Standorte und bildet selten für sich allein einen wirklichen Wald. Vermischt mit der Fichte trifft man sie namentlich an schattigen Gehängen mit Kalk- oder Schieferboden. Ganz verschieden davon ist ihre Verbreitung im Jura, wo sie zwischen 700 und 1300 m den vorherrschenden Waldbaum darstellt, oft auch reine Bestände bildet und vielfach beträchtliche Dimensionen erreicht. Gegen die Ebene zu dringt sie dagegen weniger weit vor als die Fichte, da sie zu ihrem Gedeihen eines geneigten Untergrundes bedarf. Zudem ist sie in den verschiedenen Gebieten unseres Landes weniger gleichmässig verbreitet. Während sie in Graubünden und im Wallis eher selten vorkommt, zeigt sie für den Westen der Schweiz eine ausgesprochene Vorliebe.
Neben der Fichte und der Weisstanne ist als wichtigster Nadelwaldbaum der Schweiz sicherlich die Lärche zu betrachten, die den charakteristischen Baum der Hochalpenketten bildet und dank dem periodischen Wechsel ihrer Nadeln mehr als jede andere Art an das kontinentale Klima dieser Region angepasst erscheint. Allerdings tritt sie selten in reinen Beständen auf, indem sie mit Ausnahme des Oberwallis, wo sie namentlich in den obern Abschnitten des Saasthales und des Nikolaithales grosse Waldungen bildet, meist mit der Fichte und der Arve vermischt ist.
In den Urkantonen (exkl. das obere Reussthal) und im Kanton Glarus fehlt sie fast ganz, ebenso in den Voralpen und den tiefer gelegenen Thälern der Berner Alpen, während sie dagegen in den Hochthälern dieses Gebietes nicht selten angetroffen wird. Ihre nördlichste Grenze erreicht sie in der Schweiz am Osthang des Gäbris in 1250 m. In den Zentralalpen und im Engadin reicht sie bis zur obersten Waldgrenze hinauf und übersteigt sie die obere Fichtengrenze oft noch um 100 bis 200 m. In vereinzelten Exemplaren ist sie schon bis in eine Höhe von 2400 m beobachtet worden. Im Unterwallis steigt sie bis in die Zone des Nussbaumes und der Kastanie, im mittleren Wallis dagegen nicht bis unter 1400 m hinab.
Noch mehr als die Lärche ist die sie oft begleitende Arve eine dem kontinentalen Klima eigene Art. Ihre am weitesten gegen Nordosten vorgeschobenen Standorte hat sie in Russland und Sibirien. Temperaturextreme erträgt sie sehr gut, weshalb sie auch noch in Gegenden gedeiht, wo das Thermometer während mehrerer Wochen bis auf 20° unter Null sinkt. An einzelnen Standorten begnügt sie sich sogar mit einer Vegetationsdauer von blos 2½ Monaten. Im Ober Engadin, dem von der Arve vor allem bevorzugten Gebiete der Schweiz, hat man an der obern Arvengrenze in etwa 2250 m folgende Temperaturen beobachtet: Sommermittel 8,7° C., Julimittel 9,6° C. und Jahresmittel 0,1° C. Obwohl die Arve in den Alpen sozusagen überall angetroffen wird, tritt sie doch nur im Oberwallis und im Engadin eigentlich waldbildend auf.
Die grössten schweizerischen Arvenwälder sind der 70 ha bedeckende Wald von Tamangur im Scarlthal (Engadin), der Aletschwald oberhalb des Gletschers zwischen 1600 m und bis zum Gipfel des Riederhorns (2235 m), auf der Ergischalp (Turtmanthal) zwischen 1680 und 2100 m! (nach H. Jaccard Cat. flore val.). Die Waldungen von Findelen bei Zermatt und von Arolla sind schon weniger rein und auch weniger ausgedehnt. Mit der Lärche gemischt, zusammen mit welcher sie die obere Waldgrenze darstellt, zieht sich die Arve im Ober Engadin auf eine Länge von mehreren Kilometern ununterbrochen dahin.
Während sie kaum tiefer als bis 1800 m hinabreicht, steigt sie im Mittel bis zu 2200 m hinauf. Am Wormserjoch (Münsterthal) findet sie sich sogar noch in 2426 m und an den Hängen von Zmutt über Zermatt in 2350 m. Sie steigt also höher hinauf als die Lärche und macht erst 500-600 in unterhalb der Schneegrenze Halt. In den Berner Alpen erscheinen stellenweise ziemlich lichte, dafür aber oft ganz reine Arvenbestände. In den Waadtländer Alpen bildet die Arve nur ganz kleine Büschel oder wächst sie vereinzelt. Während sie bis in die Freiburger Alpen vordringt, ist sie gegen Osten im ganzen nördlichen Alpengebiet sehr selten und fehlt sie auch im Tessin.
Es kann nicht bezweifelt werden, dass die Arve einst bei uns stärker verbreitet gewesen ist. Es beweisen dies ihre fossilen Reste, die man an Stellen aufgefunden hat, wo sie heute nicht mehr vorhanden ist. Zeugen für ihre einstige weite Verbreitung sind die noch aufrecht stehenden toten Stämme, die man 100-200 m über der heutigen obern Arvengrenze findet, die in Torfmooren zu Tage gekommenen Reste und nicht am wenigsten auch die zahlreichen nach der Arve benannten Lokalitäten, an denen man heute vergebens nach ihr suchen würde. Zu diesem Rückgang haben verschiedene Ursachen beigetragen und tragen heute noch dazu bei. Zu erwähnen sind in dieser Hinsicht neben der unüberlegten Ausrottung durch den Menschen, die man - besonders gegen die obere Waldgrenze hin - leider auch für andere Waldbäume zu oft konstatiert, die Waldbrände, die durch den Wert des Arvenholzes für die Schreinerei bedingte übertriebene Ausbeute, ferner die Anziehungskraft, die die Arvennüsschen auf die Mäuse, die Eichhörnchen und auch auf den Menschen selbst besitzen, sowie endlich die an vielen Stellen infolge der Konkurrenz durch andere Baumarten und infolge der von Ziegen und Schafen angerichteten Verheerungen sehr erschwerte natürliche Fortpflanzung oder Besämung.
Die Waldföhre oder Rotföhre (Pinus silvestris) gedeiht nur auf sandigem Boden und hat daher in der Schweiz nicht die grosse Verbreitung gefunden, die sie in den Ebenen von Süd- und Norddeutschland zeigt, wo sie oft ganz allein Waldungen von mehreren Quadratkilometern Fläche bildet. Die einzigen bei uns vorhandenen reinen Bestände der Waldföhre stehen auf Alluvionen, fluvioglazialen Schottern und Moränenschutt an den Flanken oder der Ausmündung der Thäler.
Beispiele sind die Waldungen von Ems oberhalb Chur und diejenigen auf dem Wildbachschuttkegel des Bois Noir zwischen Martinach und Saint Maurice, sowie namentlich der schöne Pfinwald (Bois de Finges) nahe Siders, der auf den Trümmern der vor dem Illgraben liegenden mächtigen Stirnmoräne steht. In Gruppen wächst die Waldföhre dann noch stellenweise in den Thälern an der Nordflanke der Alpen, im Berner Oberland und Reussthal, sowie im Mittelland. Nicht selten sieht man sie auch an felsigen Standorten der untern Region, wo sie oft gleichsam wie in der Luft hängend erscheint.
Nur selten steigt sie dagegen höher als bis 1500 m, mit Ausnahme des Ober Engadin und der Walliseralpen, wo sie ihre höchsten schweizerischen Standorte hat und in Gesellschaft von Arve und Bergföhre bis gegen 1800 m und noch höher vorstösst: Chandolin (Eifischthal) 1950 m, Bietsch- und Binnenthal Bestände bis 1800 m. (H. Jaccard, Cat. flore valais.). Im Jura trifft man sie oft auch an Steilabfällen von kompakten Kalkschichten. Im Engadin erscheint sie in einer Form (Pinus silvestris var. raetica oder var. engadinensis), die derjenigen, welche sie in Lappland zeigt, durchaus ähnlich ist. In der obern Bergregion wird die Waldföhre durch die Bergföhre ersetzt, die oft als «Krummholz» auftritt.
Die Bergföhre erscheint in einzelnen Gruppen oder wenig umfangreichen Beständen über das ganze Alpengebiet verbreitet und auf einigen Juragipfeln (Crêt de la Neige, Aiguilles de Baulmes). Die einzigen grössern Bergföhrenwälder findet man bei Grächen im Oberwallis, oberhalb Lens und zwischen Oberwald und Furkapass. Stark mit Lärchen, Arven und Fichten gemischt tritt die Bergföhre an der Südflanke des Lukmanier auf, und auch auf der Lenzerheide und an mehreren Stellen des östlichen Bündens ist sie ziemlich gut vertreten. Während sie im Westen einen geraden und kräftigen Stamm von 6,8 und sogar 10 m Höhe entwickelt, erscheint sie gegen Osten zu nur noch als ein mehr oder weniger kriechender Strauch. Hier in der Schweiz vollzieht sich der unmerkliche Uebergang zwischen diesen zwei extremen Gestaltungsformen, ohne dass man die äussern Ursachen dieser Umwandlung bestimmt nachzuweisen vermöchte. In den Torfmooren, wo sie zusammen mit der Birke eine der
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am meisten bezeichnenden Baumarten darstellt, nimmt sie eine oft gewundene oder kriechende Zwergform (Pinus montana var. uliginosa) an, die in ihrem Aussehen an die östliche Zwergform, das eben erwähnte sog. Krummholz (Pinus montana var. pumilio) erinnert.
Unsere nach Christ gezeichnete «Karte der Verbreitung einiger Waldbäume» gestattet einen raschen Ueberblick über die relative Verbreitung einiger der bei uns waldbildend auftretenden Arten, nämlich der Buche, der Lärche, der Kastanie, der Bergföhre und der Waldföhre, sowie über die Verbreitungsbezirke der südlichen Arten Goldregen, Alpen-Goldregen und schneeballblätteriger Ahorn (Cytisus laburnum und C. alpinus, Acer opalus).
Zum Schlusse müssen wir auch noch der Eibe gedenken, die allerdings in den Koniferenwäldern nur eine sehr geringfügige Rolle spielt. Sie tritt blos in vereinzelten Stöcken oder dann in stark mit andern Arten gemischten Gruppen auf. Da sie ziemlicher Feuchtigkeit und eines milden Klimas bedarf, findet man sie kaum anderswo als an den tiefern Berghängen von Martinach bis zum Jorat, an den Ufern des Genfersees, an den Jurahängen in der Waadt und über dem Neuenburger- und Bielersee, sowie über der Aare, im Rheinthal unterhalb Ilanz, sowie in der Nähe des Thuner-, Vierwaldstätter-, Zuger-, Zürich-, Walen- und Bodensees und der insubrischen Seen. Auch im St. Galler und im Zürcher Oberland wird sie noch oft angetroffen. Im Gegensatz zu der oft ausgesprochenen Ansicht, dass die Eibe bei uns im Rückgang begriffen sei, glaubt P. Vogler (Die Eibe in der Schweiz. St. Gallen 1904) nachgewiesen zu haben, dass sie an allen ihren heutigen Standorten wohl gedeihe und sich erhalte.
Dem Nadelwald mischt sich neben den verschiedenen ihn zusammensetzenden Koniferenarten noch eine Anzahl von Laubbäumen bei, die ziemlich konstant angetroffen werden. In erster Linie ist es der Vogelbeerbaum (Sorbus aucuparia), der im Herbst mit seinen lebhaft roten Beerendolden aus dem dunkeln Grün der Tannen hervorleuchtet. Nur selten fehlt er gegen die obere Grenze des Waldes hin, und oft steigt er als mehr oder weniger verkümmerter Strauch bis in die Felswüsten der Hochalpen hinauf.
Immerhin liegt seine mittlere obere Grenze gegen 1600 m. Häufig tritt in den Bergwäldern, deren schönster Schmuck er bildet, auch noch der Bergahorn (Acer pseudoplatanus) auf. Man findet ihn gewöhnlich am Waldrand in geschützten Thälchen und in vereinzelten Exemplaren in der Nähe von Höfen und Hütten. Er erreicht oft beträchtliche Dimensionen, bildet aber nur selten grössere Bestände. Gruppenweise in die Nadelwaldregion eingesprengt, zeigt er sich besonders in Höhen zwischen 1000 und 1600 m, welch' letztere Höhe er nur selten übersteigt, Wallis ausgenommen, wo er oft bis 1800 m steigt (Rawil, Lötschenthal, Zinal) und sogar bis zu 1850-1860 m (oberhalb Saint Luc und unter der Riffelalp).
Fossile Flora.
Dank der reichen orographischen Gestaltung finden sich in unserem Land beinahe sämtliche Sedimentschichten vertreten, von denen wiederum die meisten fossile Reste enthalten. Diese Abdrücke gestatten trotz einiger bedeutender Lücken die mehr oder weniger vollständige Rekonstruktion des Charakters der Floren, die auf unserem Boden bis zur heutigen Pflanzendecke aufeinander gefolgt sind. Die ältesten Urkunden dieser Art liefern uns die hauptsächlich bei Collonges und Outre Rhône abgebauten Anthrazitflöze des Unter Wallis. Die in diesen aus der Karbonzeit stammenden Schichten eingeschlossenen Abdrücke von Blättern und Reste von Baumstämmen zeigen, dass unser Land zu dieser weit zurückliegenden Zeit die Mehrzahl der damals auf der Erde vorhandenen Pflanzenarten beherbergte. Es waren dies hauptsächlich Baumfarne (Pecopteris, Neuropteris, Cyclopteris etc.), ähnlich denen, die sich jetzt noch an feuchten Lagen der tropischen Gegenden finden; ferner riesige Schachtelhalme (Calamites) oder Wasserpflanzen wie Annularia und Sphenophyllum, sowie mächtige Lykopodiazeen (Lepidodendron, Sigillarien), von deren riesigen Dimensionen unsere heutigen Bärlappgewächse keine Vorstellung ahnen lassen. Mitten in dieser hauptsächlich aus Gefässkryptogamen zusammengesetzten Flora treten auch einige Gymnospermen auf, die sich entweder den Zykadeen oder den Koniferen annähern (Cordaites und Walchia).
Die triadischen Sedimente liefern uns trotz ihrer grossen räumlichen Verbreitung blos in der Umgebung von Basel, wo die Keuperschichten zahlreiche Reste enthalten, Aufschlüsse über die Flora ihrer Zeit. Es sind Schachtelhalme (Equisetum und Schizoneura), namentlich mächtige Kalamarien, deren kannelierte Stämme an Säulenschäfte erinnern; dann Koniferen der Gattung Voltzia, mit den Zykadeen verwandte Arten von Pterophyllum und endlich auch Baumfarne (Pecopteris, Neuropteris, Sphenopteris), während die Lykopodiazeen (Lepidodendron, Asterophyllites, Sigillaria) völlig verschwunden sind. In dieser Keuperflora herrschen die Gefässkryptogamen zwar immer noch vor, doch spielen auch die Phanerogamen bereits eine bedeutende Rolle.
Während des grössten Teiles der Sekundärzeit oder der mesozoischen Sedimentgruppe, d. h. besonders zur Zeit der Ablagerung der mächtigen Juraformation, lag unser Land fast gänzlich unter Wasser, sodass Ueberreste der damaligen Landflora äusserst selten sind. In einigen Schichten, die wahrscheinlich Uferbildungen von Korallenriffen darstellen, findet man Stämme und Blattabdrücke von Zykadeen (Zamites und Cycadopteris), ferner den Föhren und Araukarien verwandte Nadelhölzer und endlich auch einige Farne. Gymnospermen herrschen mehr und mehr vor, während die grossen Lykopodiazeen nun endgiltig verschwunden sind. Dagegen haben die Meeresalgen (besonders Zoophykos und Chondrites) zahlreiche Abdrücke hinterlassen, die von der grossen Bedeutung der Algenvegetation in den Meeren dieser Zeit zeugen.
Die Flora behält bis zum Ende des Mesozoikums, d. h. auch noch während der ganzen Kreideperiode, im allgemeinen denselben Charakter bei; doch fügen sich den den Grundstock der damaligen Pflanzendecke bildenden Farnen und Gymnospermen allmählig auch Palmen und einige Dikotyledonen als Vorläufer einer Flora zu, die ihre vollste Entwicklung während der eben zu besprechenden Tertiärzeit genommen hat. Leider sind in der Schweiz
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fast keine fossilen Landpflanzen der Kreideperiode aufgefunden worden, sodass wir uns von dieser Flora blos mit Hilfe von anderswo (besonders bei Aachen) gemachten Funden eine Vorstellung bilden können. Das gleiche gilt für die Flora des Eozin, d. h. des ältesten Abschnittes der Tertiärzeit, die wir blos nach den Funden am Monte Bolca, eines ausserhalb der Grenzen unseres Landes gelegenen, aber noch zum südlichen Alpensystem gehörenden Berges, beurteilen können.
Diese Flora des Monte Bolca, von der man einzelne Vertreter au in andern zeitgenössischen Ablagerungen Europas entdeckt hat, muss im Allgemeinen der Pflanzendecke entsprochen haben, die die festen Teile unseres Landes zur Zeit der Ablagerung der Nummulitenschichten und des Flysches der Waadtländer Alpen, sowie der eozänen Glarnerschiefer trugen. Die Baumfarne werden seltener, und die Zykadeen, sowie die Mehrzahl der Gymnospermen überhaupt sind nicht mehr von der früheren Bedeutung, sodass nun die durch tropische Gattungen vertretenen Dikotyledonen vorherrschen. Von diesen letztern erscheinen Feigenbäume, Eukalypten, Myrten, Guajakbäume, Araliazeen, die unsern Eichen verwandte Dryandra, Cassiaarten etc., denen sich auch einige Palmen beigesellen.
Im Gegensatz zu der bei uns in spärlichen Vertretern vorhandenen Eozänflora ist die Miozänflora, d. h. die Flora der Molassezeit, sehr reichlich vertreten. «Während der Miozänzeit», sagt Oswald Heer, «wurden solche Massen von Pflanzen in die Erde gelegt und dieselben stellenweise so wunderbar schön uns erhalten, dass sie uns einen tiefen Blick in die Pflanzenschöpfung jener fernen Zeit gestatten. Es ist kein Land der Erde bekannt, das bis jetzt einen solchen Reichtum miozäner Pflanzen zu Tage gefördert hat, wie unsere kleine Schweiz.» Bei uns sind bis jetzt an mehr als 80 Stellen Pflanzen in der Molasse gesammelt worden.
Die wichtigsten sind die Mühle Monod bei Rivaz mit 193, die Paudèze und die Umgebungen von Lausanne mit mehr als 100, Le Locle mit 140, der Hohe Ronen mit 142 und besonders Oeningen mit 465 Arten. Im ganzen hat Oswald Heer in seinem monumentalen Werk über die Tertiäre Flora der Schweiz nahezu 1000 Arten beschrieben und abgebildet. Es ist leicht ersichtlich, dass diese Zahl noch lange nicht alle Pflanzen umfasst, die damals den Boden unseres Landes bedeckten. Die Reichhaltigkeit der Flora Oeningens, die mit wenigen Ausnahmen blos Vertreter von einer oder zwei Pflanzengesellschaften (Uferwald, sowie Sumpf- und Wasserpflanzen) aufweist, lässt uns darauf schliessen, dass aller Wahrscheinlichkeit nach auch an andern, für die fossile Erhaltung weniger geeigneten Stellen zahlreiche Arten wuchsen, deren Reste zu Grunde gegangen sind.
Bei einer nähern Betrachtung der miozänen Flora fällt in erster Linie die grosse Anzahl von Holzpflanzen auf, die etwa drei Vierteile aller Phanerogamen umfassen, während dieses Verhältnis in der heutigen Flora auf etwa ein Zehntel zurückgegangen ist. Von der gesamten uns bekannten Miozänflora entfallen 6% auf die Gefässkryptogamen, 3-4% auf die Gymnospermen, 15% auf die Monokotyledonen und 75% auf die Dikotyledonen. Die artenreichsten Familien der Miozänzeit sind in erster Linie die Schmetterlingsblütler (Papilionazeen), dann die Kupuliferen, Zyperazeen, Laurazeen, Gramineen, Rhamnazeen, Myrtazeen, Salikazeen, Proteazeen und Acerazeen. Andererseits ist zu beachten, dass die Lippenblütler (Labiaten), Skrophulariazeen, Rosazeen, Umbelliferen, Karyophyllazeen und die Kruziferen, die ohne Zweifel ebenfalls schon vorhanden waren, in den fossilen Resten ganz oder fast fehlen, was wohl grossenteils von der krautartigen Beschaffenheit der Pflanzen dieser Familien herrühren mag.
Während die erhalten gebliebenen Pflanzenreste der Steinkohlen- und der Keuperzeit eine von der heutigen vollständig verschiedene Vegetation aufgezeigt und uns auch die Floren der Jura- und der Kreidezeit keine Art geliefert haben, die genau mit einer der jetztlebenden Arten verglichen werden kann, nähert sich die miozäne Flora im Gegenteil der heutigen Pflanzendecke, indem sie so ziemlich die gleiche Physiognomie aufweist. Die Mehrzahl der miozänen Arten kann direkt mit heute noch
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lebenden in Beziehung gebracht werden. In den so gut erhaltenen Abdrücken der Blätter, der Stengel und der - seltener vorhandenen - Blütenstände und Früchte erkennt der geübte Botaniker oft schon auf den ersten Blick Föhren, Zypressen, Sequoien, Pappeln, Platanen, Ulmen, Feigen- u. Lorbeerbäume, Ahorne, Eichen etc. Mit Ausnahme einiger ausgestorbenen Arten geht also die Uebereinstimmung der miozänen Pflanzen mit den heute lebenden bis auf die Gattungen herab.
Die Arten sind von den jetzigen zwar fast alle verschieden, weisen aber im Vergleich zu diesen oft nur derartig geringe Abweichungen auf, dass man sie als ihre direkten Vorfahren auffassen kann. Die meisten der eben genannten Gattungen waren in unserer miozänen Flora durch Arten vertreten, die den heute bei uns lebenden Arten sehr nahe verwandt erscheinen. Neben diesen Gattungen und Arten haben uns die miozänen Sedimente aber auch noch Reste solcher Pflanzen überliefert, die zur heutigen Stunde in unserem Land vollständig verschwunden sind. Solche sind die Lorbeer-, Kampher-, Zimmtbäume etc., mehrere Feigenarten und ganz besonders die Palmen. Alle diese jetzt auf die heissen Länder beschränkten Gattungen lebten damals bei uns in Gemeinschaft mit den hier jetzt noch vorkommenden und mit einzelnen Vertretern auch noch in nördlicher gelegenen Gegenden sich findenden Gattungen.
Während uns die reiche miozäne Flora der Schweiz in so vorzüglicher Weise erhalten geblieben ist, besitzen wir leider keine fossilen Urkunden über die Pflanzendecke unseres Landes zu Ende der Tertiärzeit. Da pliozäne Sedimente mit Pflanzenabdrücken bei uns fast völlig fehlen, zeigt sich nach der subtropischen Uferflora des Molassemeeres ohne Uebergang sofort die subarktische Flora der interglazialen Schieferkohlen. Solche Flöze sind namentlich bei Dürnten, Wetzikon und Uznach in der Umgebung des Zürichsees, sowie bei Mörswil zwischen St. Gallen und Rorschach abgebaut worden und haben im allgemeinen ziemlich schlecht erhaltene Reste von einigen zwanzig Pflanzenarten geliefert, von denen die Fichte, Wald- und Bergföhre, Eibe, Lärche, Steineiche, Weissbirke, sowie der Bergahorn und Haselstrauch genannt sein mögen.
Von krautartigen Pflanzen hat man den Fieberklee (Menyanthes trifoliata), das Schilfrohr (Phragmites communis), die Seebinse (Scirpus lacustris), die Wassernuss (Traps natans), die Preisselbeere (Vaccinium vitis idaea), die Himbeere (Rubus idaeus), eine Seerose (Holopleura victoria), einige Moose und Torfmoose, sowie einen Schachtelhalm erkennen können. Man sieht also, dass die interglaziale Flora von Dürnten und Wetzikon eine vollständig andere ist als diejenige, die sich während der Molassezeit in Oeningen entwickelt hat.
Während die Oeningerflora auf ein warmes Klima hinweist, deckt uns diejenige der Schieferkohlen von Dürnten nach ihrer Zusammensetzung ein gemässigt kaltes Klima auf. Welche Ereignisse hatten sich nun aber in der Zwischenzeit abgespielt? Die grossen Gletscher der Alpen, die sich seit dem Beginn der Quartärzeit aus noch nicht genügend erklärten Ursachen über unser ganzes Land und bis gegen die Hochebenen Zentraleuropa's hin ausdehnten, hatten für lange Zeit jede Pflanzendecke vernichtet oder vor sich her geschoben.
Einzig auf den Felsgipfeln, die gleich Inseln aus dem weiten Eismeer aufragten, vermochten sich noch einige nivale Pflanzen zu halten. Nachdem dann diese eiszeitlichen Gletscher infolge günstigerer klimatischer Bedingungen bis in die Nähe der Hochgipfel zurückgeschmolzen waren, siedelte sich auf dem soeben eisfrei gewordenen Boden eine Flora mit nördlichem Charakter an, von der uns die Kohlenflöze von Dürnten und Wetzikon Vertreter überliefert haben. Bis in die tiefsten Lagen unseres Landes hinunter wuchsen damals rein arktische Arten, wie die Zwergbirke (Betula nana), die Polarweide (Salix polaris), die Krautweide (Salix herbacea), die Netzweide (Salix reticulata), die gestutzte Weide (Salix retusa), sowie die Salix hastata var. alpestris; und Salix myrtilloides.
Mit Ausnahme der heute auf die arktische Zone beschränkten Polarweide und der bei uns blos noch in den Torfmooren des Jura, von Einsiedeln und des Kantons Freiburg anzutreffenden Zwergbirke, einer für die zirkumpolare Region typischen Art, sind alle die genannten Typen jetzt noch in der ganzen alpinen Zone unseres Landes verbreitet. Das gleiche trifft zu für den zwiebeltragenden Knöterich (Polygonum viviparum), die Bärentraube (Arctostaphylos uva ursi), die kriechende Alpenheide (Loiseleuria procumbens) und die achtkronblätterige Dryade (Dryas octopetala). Die wenigen in den Glazialablagerungen aufgefundenen Moose und Wasserpflanzen (Myriophyllum und Potamogeton) gehören ebenfalls arktischen Typen an. Die fossilen Reste von Nadelhölzern betreffen die Bergföhre (Pinus montana) und die Arve (Pinus cembra), welche beiden Arten zusammen mit der Lärche heute die höchsten Standorte in der Schweiz behaupten.
Pflanzenreste der Pfahlbauten und der Torfmoore.
Die nicht bis in die geologische Vorzeit zurückreichenden Pfahlbaustationen und Torfmoore liefern uns die ältesten Urkunden betr. die Pflanzendecke der Schweiz zur prähistorischen Zeit, deren Klima schon demjenigen der Jetztzeit sich näherte. An etwa 50 Stationen hat man bis jetzt bestimmbare Reste von 220 Pflanzenarten aufgefunden, die alle auch heutzutage noch in unserm Land vorkommen. Die zwei in botanischer Hinsicht bedeutendsten Stationen sind Robenhausen und Steckborn, deren jede die Ueberreste von je rund hundert Arten geliefert hat.
Dann folgen die Stationen von Saint Blaise, Moosseedorf und Möringen. Während die in den Pfahlbauten gefundenen wildwachsenden Pflanzen mit den noch heute vorkommenden Arten vollkommen übereinstimmen, weisen die Kulturpflanzen, besonders die Getreidearten, ziemlich beträchtliche Unterschiede auf. Diese betreffen in erster Linie die Grösse der Körner, die etwa um die Hälfte kleiner sind als die heute geernteten. Folgendes ist die Liste der aufgefundenen Kulturpflanzen: der Weizen (Triticum vulgare var. antiquorum Heer; mit kleinen Früchten), der Emmer (Triticum dicoccum), das Einkorn (Triticum monococcum), der englische Weizen (Triticum turgidum), die zweizeilige Gerste (Hordeum distichon), die sechszeilige Gerste (Hordeum hexastichon form. sanctum Heer; mit kleiner Frucht), die gemeine Hirse (Panicum miliaceum) und die Kolbenhirse (Setaria italica). Weitaus am häufigsten wurden damals der gemeine Weizen und die sechszeilige Gerste angebaut, während die übrigen Arten seltener waren. Spelz (Korn), Roggen und Hafer, die im Mittelland heute eine so grosse Rolle spielen, fehlen vollständig. Dagegen wurden ferner noch der Lein, Erbsen und Bohnen gebaut. Einige zu jener Zeit stark verbreitete wildwachsende Arten sind heute im
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Verschwinden begriffen, so Trapa natans, Nuphar pumilum, Scheuchzeria palustris und in gewissem Mass auch die Eibe (Taxus baccata).
Bibliographie der wichtigsten zusammenfassenden Werke über die heutige, die prähistorische und die fossile Flora der Schweiz.
Christ, H. Das Pflanzenleben der Schweiz. Zürich 1879. - Gremli, A. Exkursionsflora für die Schweiz. Zahlreiche Auflagen. - Schinz, Hans, und Robert Keller. Flora der Schweiz. 2. Aufl. 2 Teile. Zürich 1905. - Schröter, C. Fortschritte der schweizer. Floristik (erscheint seit 1891 in den Berichten der schweiz. botanischen Gesellschaft). - Beiträge zur Kryptogamenflora der Schweiz. (Algen von Chodat, Niedere Pilze von Fischer, Moose von Amann etc.). Erscheinen seit 1898. - Schröter, C. Das Pflanzenleben der Alpen. Zürich 1907. (Grundlegendes Werk für die Flora der Alpen). - Fischer, E. Flora Helvetica 1530-1900 (in der Bibliographie der schweiz. Landeskunde). Eine Bibliographie aller die Flora der Schweiz betreffenden Arbeiten bis zum Jahr 1900. - Heer, Osw. Die Urwelt der Schweiz. Zürich 1865. - Schröter, C. Die Flora der Eiszeit. (85. Neujahrsblatt der Naturforsch. Gesellsch. in Zürich). Zürich 1882. - [Heer, Osw.]. Die Pflanzen der Pfahlbauten. (68. Neujahrsstück der Naturforsch. Gesellsch. in Zürich). Zürich 1866. - Schröter, C. Neue Pflanzenreste aus der Pfahlbaute Robenhausen. (Berichte der schweiz. botan. Gesellschaft. IV, 1891). - Neuweiler, E. Die prähistorischen Pflanzenreste Mitteleuropas, mit besonderer Berücksichtigung der schweizer. Funde. Zürich 1905. - Früh, J., u. C. Schröter. Die Moore der Schweiz. Bern 1901.
[Prof. Dr. Paul Jaccard.]
V. Fauna.
Ueber die Tierwelt der Schweiz war bereits bei früheren Gelegenheiten die Rede, so bei den Artikeln über die Alpen, den Jura und das Mittelland; die Abschnitte über die fossile Fauna, die Jagd und die Fischerei werden andere Seiten behandeln, so dass die folgende Schlussbetrachtung ergänzend und kurz ausfallen kann. Trotzdem die Schweiz zu den kleinsten Ländern Europas gehört, birgt sie in ihrer Fauna doch nahezu die gesamte Tierwelt des Erdteils. Sie bietet davon gleich einem Museum auf ihrem beschränkten Raum eine fast vollständige Darstellung.
Dies hängt teils mit ihrer geographischen Lage, teils mit ihrer Oberflächengestaltung zusammen. Den mittleren Gebieten des Kontinentes angehörig, teilt sie mit ihnen ihre tierischen Bewohner, den Hauptbestandteil der Fauna, vollständig. Ihr Süden reicht in die Mittelmeerzone hinein, deren Ausstrahlungen unsere politischen Grenzen überschreiten und uns manchen eigenartigen Vertreter der Fauna abgeben. Ausser einer Reihe von Mollusken und Kerfen, deren Aufzählung zu weit führen würde, gehören dazu ein volles Halbdutzend Fische, ein Amphibium (Rana graeca);
6 Reptilien, worunter die Viper-, die Würfel- und die Aeskulapnatter, sowie die Redische Viper, die grosse Smaragdeidechse;
gegen 40 Vögel, so einige Reiher, das Rothuhn (Perdix rubra), der Rosenstaar (Pastor roseus), der italische Sperling, einige Sylvien und andere Singvögel, sowie endlich der Aas- und Mönchsgeier etc.;
eine Maus (Arvicola Savii), der blinde Maulwurf (Talpa coeca);
mehrere Fledermäuse, so Vespertilio capacini und Vesperugo Kuhli u. a.; - ein nicht unbeträchtliches Kontingent.
Im Gegensatz dazu finden wenigstens einige wenige Vertreter der höhern Tierwelt aus der arktischen Zone auch bei uns passende Existenzbedingungen, so der Schneehase (Lepus alpinus) und das Schneehuhn (Lagopus alpinus). Grösser ist deren Zahl aus den niederen Tierklassen. Der Fuchs dehnt seine Jagden aus den mittleren Waldgegenden in den hohen Norden wie in die unwirtlichen Gebirgshöhen aus. Dass die Alpen im Murmeltier, der Gemse, dem Steinbock und der Alpenspitzmaus charakteristische Gestalten besitzt, die auch andern Gebirgen zukommen, ist bereits früher hervorgehoben worden. Das Steinhuhn dagegen (Caccatis saxatilis) gehört nur ihnen an.
Aber auch das Meer ist uns tributpflichtig, so auffällig das erscheinen mag. Eigentliche Meeresbewohner erscheinen in regelmässigen Zügen, um in unsern Gewässern zu laichen, wie der Salm, Lachs (Salmo salar), oder sie begeben sich zu diesem Zweck aus unsern Flüssen ins Meer, wie der Aal (Anguilla vulgaris). So erhalten wir Zuzug aus der Nordsee sowohl als aus dem Mittelmeer. Viel bedeutender jedoch ist dieser Zuzug von Seite der Vögel, denn ein grosser Teil der nordischen Schwimm- und Strandvögel kommt über Winter in unsere Sumpfgebiete, Seen und Flüsse, oder passiert das Land bei den regelmässigen Frühjahrs- und Herbstwanderungen. Es sei von den Wintergästen nur erinnert an die Tafelente (Nyroca ferina), die Reiherente (N. cristata), die Schellente (N. glaucion), den grossen Säger (Mergus merganser) und den Haubensteissfuss (Podiceps cristatus), von den Durchzügern an die Gänse, die Strandläufer (Tringa) und die Wasserläufer (Totanus).
Endlich treffen einzelne Vögel zufällig hie und da bei uns ein, sei es, dass sie von Stürmen verschlagen werden oder dass sie auf Wanderungen zu weit von ihrem Ziele abgehen. So kann uns gelegentlich aus Osteuropa die grosse Trappe (Otis tarda), aus Asien das Steppenhuhn (Syrrhaptes paradoxus), aus dem hohen Norden der Seidenschwanz (Ampelis garrula) oder aus Nordafrika endlich eine Trappe (Otis houbara) zukommen. In gleicher Weise besuchen uns etwa in meist vereinzelten Exemplaren eine Lumme (Uria) oder ein Alk von den deutschen Küsten her, ja sogar zwei Strandläufer (Tringa melanotus und Tringites rufescens) aus den nördlichen transatlantischen Gebieten. Solche Erscheinungen werden als Irrgäste bezeichnet. Demgemäss beherbergt unser Land Tiere aus Länderstrecken, die seine eigene Ausdehnung um das 10, ja das 20fache übertreffen. Dies in recht groben Strichen die Zusammensetzung der Fauna der Schweiz in Beziehung auf diejenige der umgebenden Gebiete.
Wie ungleich sich das tierische Leben über die einzelnen Gegenden verteilt, ist bereits in früheren Artikeln berührt worden, sowie auch der Umstand, dass hiebei ausser den Höhendifferenzen eine Reihe von weiteren Faktoren, einzeln oder im Verein mit anderen, das Vorhandensein der einzelnen Arten an ihren speziellen Standorten beeinflussen oder geradezu bedingen. Solche Faktoren sind Feuchtigkeit, Wind, Wärme, Besonnung, die Boden- und die Kulturverhältnisse.
Die meisten Mollusken, Myriapoden, Isopoden (Asseln) und die Amphibien z. B. lieben feuchte Standorte;
die Mehrzahl der Insekten und die Reptilien sind im allgemeinen Liebhaber von Trockenheit und Wärme;
viele Schnecken verlangen unbedingt kalkreichen Boden;
einzelne der höhern Tiere, Vögel und Säuger, fliehen die menschlichen Wohnsitze, andere suchen sie geradezu auf.
Vor allem wichtig aber ist die Pflanzenwelt in ihrer Wechselbeziehung zum tierischen Leben, da sich dieses enge an jene knüpft. Ohne Pflanze kein Tier. Selbstverständlich also, dass an den Stätten reichster Entwicklung der Flora, d. h. in den Wäldern, die Tierwelt die grösste Entfaltung zeigt. Die Moosdecke und das Krautwerk des Bodens, das Gebüsch, der Nieder- und der Hochwald bieten ihr eine unendliche Fülle von Nährgelegenheiten. Uni keine, sei sie noch so bescheiden und verborgen, geht unbenutzt verloren.
Das unendliche Heer der Pflanzenfresser endlich deckt den Tieren mit räuberischer Lebensweise den Tisch. Den zahllosen Hilfsmitteln jener, durch Farbe, Form und durch die Wahl von Verstecken den Nachstellungen zu entgehen, setzen diese ebenso grosse Schärfe der Sinnesorgane, Behendigkeit, Schlauheit und List entgegen, um doch ihrer Beute habhaft zu werden. Aber die Magenfrage ist es nicht allein, die ein intensives tierisches Leben in das Bereich des Waldes fesselt; nirgends sonst finden die Vertreter aller Tierklassen so gute Gelegenheiten, sich vor jeglicher Unbill zu bergen und bieten sich so viele Höhlen und Schlupfwinkel als geeignete Ruhe-, Nist- und Brutplätze.
Die moderne Forstwirtschaft allerdings entzieht ihnen davon einen guten Teil und trägt nicht wenig zur Entvölkerung der Wälder bei. In gleicher Weise macht sich der Einfluss des intensiven landwirtschaftlichen Betriebes in Wiese und Feld geltend; ja selbst die Sumpfgebiete, in denen, den besondern Verhältnissen entsprechend, eine eigenartige Fauna sich ansiedelt, sind der menschlichen Nutzung unterzogen. So verbleiben dem Tierleben fast keine Gebiete mehr, in dem es sich in voller Ursprünglichkeit entfalten kann; es muss sich mit der zunehmenden Kultur abfinden oder zu Grunde gehen. Grossartig sind die Umwälzungen, die der Kreislauf des Jahres in der Tierwelt mit sich bringt. Die ganze
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Menge Kleingetiers, die Schnecken, die Heerscharen der Gliederfüsser, die Amphibien und Reptilien verschwinden beim Anbruch des Winters vollständig vom Schauplatz, indem sie sich zur Winterruhe in sichere Verstecke, meist in den Boden, zurückziehen, sofern sie nicht ihren Lebenszyklus vollzogen haben. Ihrem Beispiele folgen auch höhere Tierformen, so einzelne Nager, wie der Gartenschläfer, (Myoxus quercinus), der Siebenschläfer (M. glis), die Haselmaus (M. avellanarius) und mitunter auch das allbekannte Eichhörnchen; von den Insektenfressern der Igel, ferner die ganze Gesellschaft der Fledermäuse und selbst einige Raubtiere, wie der Dachs und der Bär.
Der Grossteil unserer Vogelwelt zieht dem sonnigen Süden zu; was aus nördlichen Gegenden zur Ueberwinterung von Norden her sich einstellt, bildet einen schwachen Ersatz für die abgegangene Ornis. Diese Wintergäste sind hauptsächlich Schwimmvögel, unter ihnen fast ein Dutzend Enten, etwa halb so viele Möven, einige Steissfüsse und einige Seetaucher, die mit einem sehr häufig eintreffenden Watvogel, dem Blässhuhn (Fulica atra), so viel zur Belebung unserer Gewässer beitragen.
Blässhuhn und Wildente (diese seit etwa 40 Jahren) sind in Luzern auch den ganzen Winter zu Hause. Die Fulica kennt schon Cysat als im Winter heimischen Vogel. Von Singvögeln kann nur etwa ein halbes Dutzend als solche Wintergäste angesprochen werden, unter andern der schon erwähnte Seidenschwanz, die Wachholderdrossel (Turdus pilaris), die Rotdrossel (T. iliacus), der Bergfink (Fringilla montifringilla), der Berghänfling (Acanthis flavirostris), die Nebelkrähe (Corvus cornix) und endlich von Raubvögeln gar nur zwei, der rauhfüssige Bussard (Archibuteo lagopus) und der grosse Schreiadler (Aquila clanga).
Alle diese letztern sind aber kaum im Stande, das faunistische Gesamtbild unserer Gegenden wesentlich zu modifizieren. Dass die Schweiz im Herbst und anfangs Winter auch eine wichtige Wanderroute für nordische Zugvögel bildet, wurde schon erwähnt; es schlagen diesen Weg von solchen Vögeln, die bei uns nicht ihre Nistgebiete haben, besonders viele Watvögel ein. Vertreter hier nistender Vogelarten passieren in gleicher Weise unsere Gebiete in ungezählten Scharen, aber nur der gewiegte Ornithologe ist im Stande, sie als Fremdlinge zu erkennen, wenn sie zur kurzen Rast sich niederlassen. Im Frühling vollziehen sie vielfach - nicht durchweg - die Rückreise auf den gleichen Routen.
Die bedeutendste Zugstrasse, die die Schweiz durchquert, folgt dem Thal der Aare über den Neuenburger- und Genfersee und führt der Rhone entlang dem Mittelmeer zu. Dieser westlichen Ausgangspforte stehen südliche zur Seite, denn allem Anschein nach werden auch die Gotthard-Einsenkung und das Engadin als weitere Wege benutzt. Die erstgenannte, westschweizerische Route scheint aber doch von allen die am meisten begangene zu sein; so erklärt sich, dass eine Reihe von Durchzügern, namentlich von Watvögeln, entweder nur in der Westschweiz oder doch häufiger hier zur Beobachtung gelangt sind als im östlichen Bodensee- und Rheingebiet.
Eine kürzere Wanderung beschreiben, wie im Abschnitt über die Alpen berührt wurde, viele Bewohner des Gebirges, um in niederen Regionen die kalte Jahreszeit zu verbringen: Gemse, Hase, Fuchs, von Vögeln die Heckenbraunelle (Accentor modularis), das goldköpfige Goldhähnchen (Regulus cristatus), der Mauerläufer (Tichodroma muraria), der Schneefink (Montifringilla nivalis) und die Alpendohle (Pyrrhocorax alpinus).
Wenn die Wärme wieder zunimmt, beleben sich die Fluren aufs Neue; die Schläfer verlassen, nach Massgabe ihrer geringern oder grössern Empfindlichkeit, früher oder später ihre Schlupfwinkel, die alten bekannten Sänger kehren, ihre früheren Wohnplätze beziehend, aus dem Süden zurück, und die nordischen Wintergäste nehmen Abschied. War seitens der Vögel der Fortgang im Herbst still, lautlos und zögernd, so vollziehen sie die Rückkehr in aller Eile und Hast, und in gehobener Stimmung mit Gesang und Jubel. Bald erreicht mit der reichsten Entwicklung der Pflanzenwelt auch das tierische Leben seinen Höhepunkt. Dieser jährliche Wechsel in den Erscheinungen bietet eine unendliche Fülle von Abwechslung, von lokalen Besonderheiten, von Szenen, die nach den jeweiligen Verhältnissen variieren und die den forschenden Menschengeist immer wieder vor neue, fesselnde Tatsachen stellen.
[Dr. K. Bretscher.]
Jagd.
Die Jagd und der Fischfang waren die Hauptbeschäftigungen der ersten nachweisbaren Bewohner der Schweiz, d. h. der sog.
Höhlenbewohner, die gegen das Ende der Diluvialzeit, während welcher der grösste Teil unseres Landes und ganz Europas
vergletschert war, an den wenigen eisfreien Stellen einige Hohlen bewohnten. Im Kanton Schaffhausen
sind drei solcher Höhlen nachgewiesen worden,
und die darin gefundenen Reste (Knochen vieler Tiere, Waffen und Skelette von Menschen) gaben Aufschluss über dieses Urjagdvolk.
Es sind die Höhlen «Kesslerloch» bei Thaingen, sowie «Freudenthal» und «Schweizersbild» bei Schaffhausen.
Ausser diesen
kennt man in der Schweiz nur noch zwei solcher Höhlen, die Wildkirchlihöhle im Säntisgebirge und eine Höhle bei Les Verrières
im Kanton Neuenburg.
^[Berichtigung: Veyrier am Fuss des Salève (nahe der Schweizergrenze auf französischem Boden gelegen).]
Mit den vom Nordpol her vordringenden Gletschern waren in unserem Lande als Flüchtlinge auch nordische Tiere erschienen. Zugleich mit dem Menschen wohnten hier das Mammuth und das wollhaarige Rhinozeros (beides schon längst ausgestorbene Typen). Das Hauptjagdwild aber bildete das Rentier. Neben diesen und andern nordischen Vertretern der Fauna kamen Steppentiere nur in beschränkter und untergeordneter Anzahl vor. Zu diesen gehörten der Edelhirsch, die Gemse und der Steinbock, sowie das Schwein und der Dachs, von welch' beiden letztern sich aber nur in der Höhle zu Verrières Reste vorfanden. Der Umstand, dass sich in dieser Höhle etwas mehr Reste solcher aus Asien stammender Steppentiere erhalten haben, zeigt, dass sie noch viel später bewohnt war als die übrigen Höhlen.
Die Waffen der vorgeschichtlichen Ureinwohner der Schweiz waren primitivster Art. Das Hauptmaterial lieferten die Knochen der erlegten Tiere und der Feuerstein. Aus letzterem wurden rohe Pfeilspitzen geschlagen, die man mit Tiersehnen an die Pfeile befestigte. Aus passenden Geröllsteinen stellte man durch Befestigen an starken Hölzern Keulen her, während andere, rundliche und schwere, Gerölle als Wurfgeschosse dienten. Man kann sich vorstellen, dass mit diesen Waffen die Jagd eine schwere und gefährliche Beschäftigung war, zumal wenn es sich etwa um eines der damaligen Riesentiere handelte.
Mit dem Rückzug der Gletscher nach Norden einerseits und in die Alpen andererseits verschwanden auch die nordischen Tiere, oder es zogen sich einige Arten in die Alpen zurück. Zugleich trat eine zahlreichere Bevölkerung auf, die ihre Wohnsitze nun am und auf dem Wasser aufschlug. Auf eingerammten Pfählen wurden über den Wasserflächen Wohnungen errichtet, die durch Brücken mit dem Lande in Verbindung standen.
Die Ueberbleibsel dieser zweiten Bewohner unseres Landes, der Pfahlbauer, finden sich an den Ufern der meisten Schweizerseen. Ob sie ihre Wohnungen zum Schutze gegen wilde Tiere ins Wasser hinausbauten, ist nach neuern Forschungen zweifelhaft geworden, indem es sich als wahrscheinlich herausgestellt hat, dass bei dieser Bauart das Beseitigen der von der Jagd herrührenden massenhaften Abfälle sowie der Exkremente eine Hauptrolle spielen musste. Die Waffen der ältesten Pfahlbauer waren dieselben wie diejenigen der Höhlenbewohner.
Aus der Steinkeule aber wurde nach und nach das Steinbeil, und später verstanden es diese Leute, ihre Waffen noch weiter zu verbessern und künstlicher zu bearbeiten. Die Pfeilspitzen erhielten eine elegantere Form und die Steinbeile wurden geschliffen, bis noch später Waffen aus Bronze und sogar aus Eisen erstellt wurden. Neben Jagd und Fischfang traten auch Ackerbau und Viehzucht auf. Auch die Tierwelt hatte sich verändert, indem nun die aus dem Norden stammenden Arten blos noch die Minderheit bildeten und dagegen die aus Asien eingewanderten Steppentiere das Hauptkontingent stellten. Neben dem Edelhirsch waren das Reh, die Gemse, der Elch, der Auerochs und das Wildschwein, sowie von nordischen Arten der Bär, der Wisent, der Wolf u. a. das hauptsächlichste Jagdwild.
Nach der Zeit der Pfahlbauten und zum Teil schon während derselben begann die historische Zeit. Es ist anzunehmen, dass bei der Besitznahme der Schweiz durch die Römer an abgelegenen Seen noch Pfahlbauten
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existierten. Die Tierwelt hat sich seither nur insofern geändert, als sie sich vermindert hat. Viele Arten starben infolge der Zunahme der Bevölkerung und wohl auch aus andern Ursachen aus. Hiezu gehören von den grössern Arten namentlich der Höhlenbär, der Auerochs, der Bison und der Elch. Doch kann nachgewiesen werden, dass noch im frühen Mittelalter innert der Grenzen der Schweiz oder doch nicht weit davon entfernt der Elch vorgekommen ist, während der Bison und Auerochs schon früher verschwanden.
Gegenwärtig finden sich in Europa noch Bestände vom Elch in Norwegen und Finnland und ein kleiner Bestand vom Auerochs im Bialowiczer Walde in Russland (Litauen), wo dieses Tier sich aber nur durch intensivste Schonung und dadurch halten kann, dass die grosse Waldung als unantastbarer Urwald erhalten bleibt. Der Bison existiert noch in Amerika, steht aber dort auch auf dem Aussterbeetat. Der Edelhirsch und der Bär kommen dagegen in der Schweiz heute noch vor. Jener vermehrt sich im letzten Jahrzehnt wieder, während dieser nur noch in wenigen Exemplaren im Kanton Graubünden lebt. Der Steinbock und die Gemse haben sich in die Alpen zurückgezogen. Ersterer findet sich nur noch in einem starken Rudel in der Umgebung der Grivela (Thäler von Cogne und Savaranche), von wo aus sich etwa ein Exemplar auf Schweizerboden verirrt; letztere ist dagegen infolge der Anstrengungen, die zur Verhütung ihres Aussterbens in der Schweiz gemacht wurden, wieder in grösserer Anzahl vorhanden.
Im Mittelalter war in der Schweiz die Jagd zum Teil frei; zum Teil wurde sie aber durch die adeligen Geschlechter in Beschlag genommen und zum Teil war sie auch schon Staatsregal. Am Besten ersieht man die damaligen Zustände aus einer Arbeit von Dr. Th. v. Liebenau in Luzern über die Geschichte der Jagd im Entlebuch nach Cysat, die im Jahrgang 1897 der Diana erschienen ist und der die folgenden Notizen entnommen sind:
Im Jahr 1588 gab es im Entlebuch noch viele Hirsche, Rehe, Gemsen, Wölfe, Luchse, Füchse u. s. w. Die Obrigkeit bezahlte für Wolf und Bär 20 Fr. Schussgeld. Aber auch schon früher war man bemüht, mit dem Raubzeug aufzuräumen. Im Jahr 1466 erhielt der «Heger» von Malters für 4 junge Wölfe 24 Schilling, 1491 erhielt ein Mann, Namens Römler, vom Rat in Luzern für drei junge Bären einen Gulden und 1509 Hans zur Buchen für einen Wolf ein Kleid. Das sind nur wenige zufällig gefundene Notizen. Es wurden auch Landesteile in Bann getan, damit man «bei festen, malzyten und dergleichen frömbde Herren, wie auch etwas heimbsche in sölchen fälen eeren könnte.»
Von kleinen wilden Tieren kamen Murmeltier, Iltis, Hermelin, Eichhörnchen und Biber vor, letztere noch Ende des 16. Jahrhunderts. An das Vorhandensein des Bibers im Entlebuch erinnert der Flussname der «Bibern» bei Hasle, sowie die «Bibermühle». Aber auch noch an andern Stellen der Schweiz deuten Orts- und Flussnamen auf das Vorkommen des Bibers, wie z. B. «Biberstein» im Aargau, die Biber bei Einsiedeln, der dem Murtensee zufliessende Biberenbach etc. Auffällig im Cysat'schen Werke ist es, dass der Dachs nirgends als im Entlebuch vorkommend erwähnt wird.
Die Jagd wurde dort damals von den Freiherrn von Wolhusen ausgeübt, denen der grösste Teil des Landes gehörte. Sie betrieben auch Falknerei. Die «Sperwerzucht by Plattegg» im Gericht Entlebuch, Pfarrei Malters, wurde als Mannlehen gegen eine jährliche Abgabe von einem Pfund Schilling verliehen und zwar noch 1471. Als Cysat seine Beschreibung des Entlebuchs verfasste, war diese Falknerei schon eingegangen; doch wurde noch 1576 davon gesprochen und sogar noch 1582 bei 10 Pfund Busse verboten, Sperber und Habichte zu schiessen. Durch einen Vertrag von 1514 hatte die Regierung von Luzern dem Lande Entlebuch den Hochwald abgetreten, sich dagegen den Wildbann und die Fischereirechte vorbehalten.
Der Rat von Luzern verordnete am Samstag nach Jakobi 1583, dass niemand im Eigentum eines dritten «vische, krebse, noch vogle». «Wär aber sich des Birsens, voglens, vischens und krebsens annehmen wöllte, der sol das menderst, denn usserhalb in den wildenen, allmenden, und da es gemein oder erlaubt ist, auch an keinem sonn- oder gebannten fyrtag tryben, by vermeydung unser schwären straff.»
Das Instruktionenbuch für die Landvogtei Entlebuch aus der Mitte des 17. Jahrhunderts bestimmt dagegen im Artikel 34: «Es soll auch Niemand in unseren Gerichten und Gebieten keine Räbhühner weder fahen, schiessen noch sonst anderer gstalt jagen by 10 Gulden buss, one nachlass und gnad, es wäre denn, dass iemand dessen von uns erlaubtnuss hatte. Und wo es frömde thatent, sollent yr sy gefengklich annemmen und uns überantworten. Und weil das hochgewild der Oberkeit zustendig, zugljch auch gebürlich ist, dass wegen des Fischens in alt gebannten Wässeren, und wo sonderbare grechtigkeiten sind, so solle es by dem alten Härkommen und Uebung sein Verblyben haben, ussert dem aber dem gemeinen Landsäss zu rechter Zeit nutzit verbotten noch genommen syn.» - Artikel 41: «Es soll Niemand der Fuchsfallen und Kloben gebruchen by unser Straf, aber allein vorbehalten in den Wildenen und Höchinen».
Als Pfarrer Schnyder im Jahr 1782 den zweiten Band seiner Geschichte der Entlibucher veröffentlichte, waren im Wildstande jener Gegend bedeutende Veränderungen eingetreten. Etwa 60 Jahre vorher hatte man am Schüpferberg noch die letzten Luchse erlegt. In die gleiche Zeit, also ins erste Viertel des 18. Jahrhunderts fiel auch das Verschwinden der Hirsche und Wildschweine; dagegen sah man noch Rehe und Gemsen, Auer- und Gugelhahnen, Pernisen, Perlhühner (?), Schneehühner, Fasanen, Birkhühner, Schnepfen, Rebhühner, Wachteln und Reckholdervögel, Falken, Habichte, Sperber und Riestern. Selbst der Lämmergeier zeigte sich zum Schrecken der Hirten auf den stillen Berghöhen. Im Volk ging die Sage, dass selbst noch Biber an den Flüssen (wenn auch selten) ihre Bauten anlegten.
Allerdings berichtete noch Leopold Cysat in seiner Beschreibung des Vierwaldstättersees 1709, dass der Biber an der Aare, Reuss und Limmat, wie auch an der Birs zu Basel vorkomme. Die gleiche Nachricht finden wir auch in Dr. Joh. Jak. Wagner's Historia Naturalis Helvetiae, die 1680 in Zürich erschien. Allein die treffliche Untersuchung von Dr. Girtanner in St. Gallen über dieses interessante Nagetier scheint eher dafür zu sprechen, dass diese Nachrichten beim jüngern Cysat und bei Wagner nur aus der Schweizer-Chronik des Johann Stumpf von 1548 entlehnt sind und dass die Erinnerung an das Vorkommen dieses Tieres durch eine erhebliche Anzahl von Ortsnamen im Gebiete der genannten Flüsse sich forterhielt.
In Bezug auf die Hirsche und die Wildschweine ist daran zu erinnern, dass noch 1732 und 1736 die Bestimmung über Auszahlung von Schussgeldern für diese Tiere erneuert wurde. 1651 bot man die Jäger von Entlebuch, Kriens, Malters und Littau zur Verfolgung eines ungeheuern Bären auf, der sich am Pilatus zeigte, und 1681 wurden wegen eines bei der grossen Kälte ins Land eingebrochenen Rudels von Wölfen Jagden veranstaltet. So weit Dr. Th. von Liebenau.
Aehnlich wie im Entlebuch waren die Jagdzustände in jenen Jahrhunderten auch in andern Gegenden der Schweiz. Es war eine Menge Wild vorhanden, und zwar sowohl Raubwild als auch Nutzwild. Zu Konrad Gessner's Zeit (1516-1565) gab es auf dem Pilatus noch zahlreiche Gemsen und sogar noch Steinböcke, wenn auch nur wenige; im Kloster St. Gallen fehlten im 16. und 17. Jahrhundert bei den Mahlzeiten weder Gemsbraten noch «Bärentoppen».
Das 18. und die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die Zeiten des schnellen Niederganges alles Wildes in der Schweiz, wodurch viele Wildgattungen ganz verschwanden. Das Verschwinden der grossen Raubtiere ist weniger zu beklagen als dasjenige des Nutzwildes.
Der Wolf trat am Anfang des 19. Jahrhunderts noch vereinzelt in den Alpen und im Jura auf, ist jedoch gegenwärtig nur noch in den Vogesen zu finden, von wo aus er in strengen Wintern infolge Nahrungsmangels etwa Streifzüge in den schweizerischen Jura unternimmt. Auch in Graubünden war der Wolf in frühern Zeiten nicht selten. Am 9. Christmonat 1639 wurden in der Ochsenweid bei
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Zizers 4 Wölfe gefangen (Chronik rhätischer Sachen von Hans Kaiser). Ferner befindet sich unter Handschriften im Landesarchiv eine Bescheinigung des Landammannes Caprez vom dass Christ. Caduff in der Landschaft Disentis einen Wolf erlegt habe. Es scheint in diesem Jahr eine Invasion von Wölfen stattgefunden zu haben, die grossen Schaden anrichteten. Die letzten Nachrichten über den Wolf finden sich in einer Chronik, die Pfarrer Christ. Parli in Flims im Kirchenbuch niedergelegt hat: «Im März 1820 hat einer von Katzis einen Wolf geschossen, der 10 Jahre lang Schaden angerichtet hatte. Er erhielt 30 Gulden Schussgeld». Am alten Rathaus in Davos sieht man heute noch (oder sah man wenigstens noch vor wenigen Jahren) ausgestopfte Köpfe von Wölfen angebracht, die in der dortigen Gegend erlegt worden waren. Aus den Büchern des Bürgermeisters Pierre Sylvestre in Aigle (Waadt) ersieht man, dass dort im Jahr 1642 für 30 erlegte Wölfe Prämien bezahlt worden sind.
Der Luchs ist in der Schweiz erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschwunden. Ein Paar befindet sich im Luzerner Museum. Das Männchen ist im Winter 1863 und das Weibchen im Sommer des gleichen Jahres erlegt worden. Nach einer Nachricht von Präparator Stauffer in Luzern sind bis 1870 noch zwei weitere Luchse erlegt und ihm zugeschickt worden, deren Felle aber leider verdorben waren.
Der Bär hat sich im Kanton Graubünden, wo er in den entlegensten Alpenthälern noch ein problematisches Dasein führt, bis heute erhalten. Am Gemeindehaus in Isenthal (Uri) sieht man heute noch zwei Vorderfüsse eines Bären aufgehängt. Von der Wildkatze existierte noch 1880 eine Kolonie im Rheinfelder Revier im Kanton Aargau.
Bedauerlicher ist das Verschwinden des Lämmergeiers, einer grossen Zierde unserer Alpenwelt, und die drohende gänzliche Vernichtung des Steinadlers.
Noch im 18. Jahrhundert war das ganze Alpengebiet vom Lämmergeier besetzt. Seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts machte dann aber seine Ausrottung rasche Fortschritte. Von 1801 bis 1859 fand er sich noch in grössern Gebieten der Walliser, Berner, Tessiner und Graubündner Alpen, während nach 1859 in diesen Gebieten nur noch wenige Exemplare beobachtet worden sind. Das letzte Exemplar, von dem man sichere Nachricht hat, wurde im Februar 1886 im Wallis vergiftet und lag wochenlang unter dem Schnee, bis es im Frühling gefunden wurde. Präparator Stauffer in Luzern konnte es noch präparieren. Seither sind in der Schweiz noch zwei weitere Exemplare beobachtet worden, und zwar das eine am am Piz Roseg und das andere ebenfalls 1887 am St. Bernhardin.
Der Steinadler hält bis heute das ganze Gebiet der Alpen besetzt und fand sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts auch im Jura. Er wird aber ebenfalls immer seltener, da man ihm auf jede erdenkliche Weise nachstellt. Alljährlich wird eine ziemliche Anzahl geschossen, in Fallen gefangen oder vergiftet. Die Jungen holt man von den gefährlichsten Felsen mit Lebensgefahr aus dem Horste. Es droht somit dem Steinadler das gleiche Schicksal gänzlicher Ausrottung, wie es den Lämmergeier betroffen hat.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts waren in den Schweizeralpen die Gemsen, Rehe und Murmeltiere sehr selten geworden, nachdem der Steinbock schon im 18. Jahrhundert gänzlich ausgerottet war. Von diesem letzteren wird im Aostathal durch jagdmässige Schonung noch ein Rudel gefristet, das im Jahr 1901 noch aus etwa 500 Individuen bestand. Die vielen Versuche, die zur Wiedereinbürgerung dieses Wildes in der Schweiz gemacht wurden, hatten bis jetzt keinen Erfolg. Solche Versuche unternahm seit 1869 die Sektion Rätia des S. A. C. mit Unterstützung des Bundes, des Kantons Graubünden und des Schweizer Alpenklubs.
Erst 1879 gelang es aber, aus dem königlichen Gehege in Aosta 13 Stück Bastardwild zu erhalten, die im Welschtobel im Parpaner Rothorngebiet ausgesetzt wurden. Es zeigte sich jedoch, dass die im Februar und März geworfenen Jungen dem Klima nicht gewachsen waren und umkamen. Nach verschiedenen Unfällen und Misserfolgen war die Kolonie bis im Oktober 1886 auf 3 Stück zusammengeschmolzen, worauf man die Versuche mit Bastardwild aufgab. Im Mai 1887 schenkte die schweizerische Jagdgesellschaft «Diana» der Sektion Rätia eine ächte Steingeiss, zu der noch anderswoher zwei weitere bezogen werden konnten.
Man hoffte nun auf bessere Erfolge. Leider war kein ächten Bock erhältlich, so dass man zu den Geissen einen Dreiviertelblutbock bringen musste. Dieses Wild wurde bei Filisur ausgesetzt, bezw. eingehegt, doch legten die Geissen keine Jungen. Nun brachte man sie nach Basel, wo sich im zoologischen Garten ein 7/8-Blutbock befand. Aber auch hier erfolgte keine Paarung, da die Tiere zu schwächlich waren. Hierauf gab die Sektion Rätia die Versuche als aussichtslos auf.
Der Rest der Steinbockkolonie wurde in den Sihlwald verbracht, wo man die Versuche unter Aufsicht des schweizerischen Departementes für Landwirtschaft fortsetzte. Von Resultaten hörte man bis jetzt noch nichts, während aus dem Ausland günstige Berichte über die Neueinbürgerung des Steinwildes gemeldet werden, so aus dem Tännengebirge, wo im Jahr 1893 schon 30 Geissen und 8-10 Böcke existierten, und aus Oberkram, wo Freiherr von Born Ende 1902 eine Kolonie von 17 Stück gezüchtet hatte, worunter sich ein sechsjähriger Bock befand.
Mit der Niederjagd stand es um die Mitte des 19. Jahrhunderts ebenfalls schlimm. Nur der Hase und der Fuchs waren noch Wild, das sich trotz uneingeschränkter Verfolgung halten konnte, obschon auch sie schon selten zu werden begannen. In vielen Kantonen war die Jagd völlig frei, so dass Sonntags jedermann mit einem Schiessgewehr bewaffnet in den Wald ging. An solchen Orten war der Wildstand sozusagen ausgestorben. Im Kanton Aargau, wo von jeher das Reviersystem in Anwendung kam, war der Wildstand noch ein besserer, und im Frickthal hatte sich ein ordentlicher Rehbestand erhalten. Es zeigte sich allgemein das Bedürfnis, die jagdlichen Verhältnisse in der Schweiz zu verbessern und den Wildstand zu heben, und als im Jahr 1874 eine neue Bundesverfassung kam, war darin auch der Jagd gedacht. Sie wurde dem Bunde unterstellt, immerhin so, dass die Kantone über die Art und Weise ihrer Ausübung noch freie Hand hatten. Der betreffende Artikel der neuen Verfassung lautete:
«Der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen über die Ausübung der Fischerei und Jagd, namentlich zur Erhaltung des Hochwildes, so wie zum Schutze der für die Land- und Forstwirtschaft nützlichen Vögel zu treffen.» Im Jahr 1876 trat dann das eidgenössische Jagdgesetz in Kraft, das die Kantone verpflichtete, auf ihrem Gebiete das Jagdwesen durch Gesetze und Verordnungen zu regeln, und «demselben durch die zuständigen Organe den nötigen Schutz angedeihen zu lassen.» Namentlich wurde die Zeit der geöffneten Jagd auf Hochwild geregelt und auf einen Monat beschränkt. Die Niederjagd durfte bis auf 3½ Monate ausgeübt werden.
In den Gebirgskantonen wurden Bannbezirke ausgeschieden, um den Bestand an Gemsen, Rehen und Murmeltieren, sowie anderem Wild der Alpen zu heben, und zwar in den Kantonen Appenzell, St. Gallen, Glarus, Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern, Freiburg und Waadt je eines, in Bern und Tessin je zwei, in Wallis und Graubünden je drei, zusammen also 19. In diesen Bannbezirken oder Freibergen durfte zu keiner Zeit gejagt werden, und das Tragen von Schiesswaffen in denselben wurde als Jagdfrevel bestraft. Die vom Bundesrat bestimmten und subventionierten Bannbezirke bleiben jeweilen 5 Jahre unverändert bestehen und werden dann neu bestimmt, wobei aber oft bisherige Bannbezirke auf weitere 5 Jahre bestätigt oder nur teilweise freigegeben, sowie auch neue geschaffen werden können.
Im Jahr 1901 bestimmte der Bundesrat für die sechste der 5jährigen Perioden folgende Gebiete als Bannbezirke:
Bern: 1. Faulhorn, bisheriger Bezirk; 2 Kander-, Kien- und Suldthal, neu umgrenzt.
Luzern: Schratten-Rothorn, unverändert.
Uri und Unterwalden: Hutstock-Uri Rotstock, neu. Schwyz: Silberen-Räderten, neu umgrenzt.
Glarus: 1. Kärpfstock, unverändert; 2. Wiggis und Hirzlikette, neu umgrenzt.
Freiburg: Schopfenspitze, neu umgrenzt.
Appenzell A. R. und I. R.: Säntis, unverändert.
St. Gallen: 1. Graue Hörner, neu umgrenzt; 2. Churs
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fersten (1901 aufgehoben und 1902 wieder hergestellt).
Graubünden: 1. Spadlatscha, unverändert; 2. Traversina, erweitert; 3. Bernina, unverändert.
Tessin: 1. Campo Tencia, unverändert; 2. Simano, neu umgrenzt.
Waadt: Diablerets-Muveran, teilweise abgeändert. Wallis:
Mont Pleureur und Mont Blanc de Seillon, unverändert;
2. Mont Dolent und Col de Balme, teilweise abgeändert. 3. Mont Ruan, unverändert.
Neuenburg: Montagne de Boudry (seit 1899).
Am hat der schweizerische Bundesrat die Jagdbannbezirke für die Dauer von weiteren 5 Jahren wie folgt abgegrenzt:
Bern: 1. Faulhorn, unverändert beibehalten; 2. Kander-Kien-Suldthal, unverändert beibehalten.
Luzern: Schratten-Rothorn, unverändert beibehalten.
Uri und Unterwalden: Hutstock-Uri-Rotstock, unverändert beibehalten.
Schwyz: Silberen-Räderten, unverändert beibehalten.
Glarus: Wiggis-Hirzlikette, unverändert beibehalten.
Freiburg: Dent de Broc, neu begrenzter Bezirk.
Appenzell A. R. und I. R.: Säntis, unverändert beibehalten.
St. Gallen: 1. Graue Hörner, unverändert beibehalten; Wildasyl Churfirsten, unverändert beibehalten.
Graubünden: 1. Piz d'Aela, neu begrenzter Bezirk; 2. Traversina, unverändert beibehalten; 3. Bernina, unverändert beibehalten.
Tessin: Campo Tencia, reduzierter Bezirk; 2. Simano, unverändert beibehalten.
Waadt: Diablerets-Muveran, bisheriger Bezirk mit kleineren Grenzverlegungen.
Wallis: 1. Mont Pleureur und Mont Blanc de Seillon, abgeänderter Bezirk; 1 Mont Dolent, abgeänderter Bezirk; Mont Ruan, abgeänderter Bezirk.
Neuenburg: Montagne de Boudry-La Tourne, neu begrenzter Bezirk.
Gemsen- und Wildabschuss im Kanton Graubünden.
(Vor 1876 dauerte die offene Jagd 6 Wochen, von 1876 an 4 Wochen).
Jahr | Gemsen | Rehe | Hirsche | Murmeltiere | Hasen | Hühner | Bären | Füchse | Fischotter | Marder | Adler | Uhu | Sperber | Habichte | Elstern | Tannhäher | Iltisse | Wiesel | Dachse |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1872 | 763 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1873 | 696 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1874 | 918 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1875 | 730 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1876 | 823 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1877 | 920 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1878 | 779 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1879 | 921 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1880 | 905 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1881 | 1072 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1882 | 764 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1883 | 1198 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1884 | 1396 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1885 | 1300 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1886 | 1700 | - | - | - | - | - | 1 | - | 15 | - | 6 | 17 | 115 | 56 | 174 | - | - | - | - |
1887 | 1365 | 48 | 4 | - | - | - | 2 | - | 19 | - | 7 | 9 | 151 | 43 | 227 | - | - | - | - |
1888 | ? *) | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - |
1889 | 1309 | 44 | 6 | - | - | - | - | - | 16 | - | 12 | 30 | 180 | 70 | 320 | - | - | - | - |
1890 | 1153 | 58 | 6 | 2381 | 1610 | 755 | - | ? | 14 | - | 14 | 23 | 71 | 62 | 243 | - | - | - | - |
1891 | 1558 | 25 | 4 | 2944 | 1409 | 1066 | 3 | 352 | 16 | - | 6 | 10 | 99 | 46 | 212 | - | - | - | - |
1892 | 1344 | 64 | 3 | 2989 | 2214 | 1291 | 2 | 407 | 6 | - | 11 | 10 | 292 | 60 | 155 | - | - | - | - |
1893 | 1479 | 72 | 8 | 3352 | 2426 | 1611 | 2 | 552 | 7 | - | 19 | 31 | 204 | 118 | 283 | - | - | - | - |
1894 | 1213 | 64 | 7 | 3122 | 2403 | 1920 | - | 637 | 8 | - | 18 | 20 | 249 | 89 | 383 | - | - | - | - |
1895 | 1457 | 71 | 5 | 4338 | 3001 | 1788 | 5 | 499 | 6 | - | 15 | 25 | 292 | 116 | 211 | - | - | - | - |
1896 | 1091 | 108 | 15 | 3254 | 3422 | 1318 | - | 554 | 12 | - | 13 | 15 | 284 | 166 | 369 | - | - | - | - |
1897 | 1448 | 149 | 13 | 3906 | 3253 | 1914 | 1 | 702 | 11 | - | 18 | 24 | 345 | 135 | 398 | - | - | - | - |
1898 | 1433 | 120 | 14 | 2603 | 1999 | 1591 | 1 | 460 | 6 | - | 12 | 19 | 172 | 137 | 462 | 91 | - | - | - |
1899 | 1346 | 193 | 19 | 4322 | 2740 | 2016 | - | 767 | 12 | - | 21 | 24 | 275 | 195 | 398 | 448 | - | - | - |
1900 | 1311 | 132 | 13 | 4636 | 3465 | 1640 | - | 615 | 9 | - | 20 | 11 | 162 | 127 | 286 | 480 | - | - | - |
1901 | 1203 | 145 | 29 | 4603 | 3321 | 1682 | - | 721 | 9 | - | 15 | 26 | 182 | 129 | 306 | 719 | - | - | - |
1902 | 967 | 112 | 20 | 3789 | 2670 | 1333 | - | 798 | 9 | 134 | 12 | 15 | 135 | 56 | 322 | 3 | 25 | 71 | 13 |
1903 | 1321 | 125 | 25 | 4592 | 3067 | 1230 | - | 1052 | 4 | 197 | 7 | 17 | 156 | 119 | 305 | - | 19 | 86 | 7 |
1904 | 1178 | 272 | 29 | 4634 | 3961 | 1887 | 1 | 1071 | 7 | 180 | 4 | 17 | 145 | 110 | 194 | - | 17 | 282 | - |
Bemerkungen: Vor 1890 wurde nur über den Abschuss von Gemsen eine vollständige Statistik verzeichnet. Für Tannhäher bezahlte man von 1898 an in zwei Bezirken einige Jahre eine Schussprämie von 1 Fr. Iltis, Wiesel und Dachs wurden erst später in die Statistik miteinbezogen. *) Die Statistik von 1888 fehlt.
Die Kosten des Unterhaltes dieser Bannbezirke werden zu ⅔ durch die Kantone, zu ⅓ durch den Bund bezahlt; die Wildhüter, meistens zwei per Bannbezirk, werden durch die Kantone gewählt und beziehen eine fixe Besoldung, wozu noch Schussgelder für den Abschuss von Raubwild kommen. Die Grösse der Bannbezirke schwankt zwischen 50 und 200 km2. Im Laufe der Jahre sind sie eher etwas kleiner geworden. 1904 hatten sie einen Flächeninhalt von 1789 km2, während sie in frühern Perioden bis auf 3000 km2 umfasst hatten.
Die mit den Bannbezirken erzielten Erfolge waren sehr günstige, indem durch sie der Bestand an Gemsen, Rehen und Murmeltieren ein befriedigender geworden ist.
Im Jahr 1884 versuchte man, die noch in der Schweiz vorhandene Gemsenzahl festzustellen, wobei man zu folgenden Resultaten gelangte: Im Kanton Bern existierten etwa 1085, in Graubünden etwa 1500, in St. Gallen 450, Wallis und Waadt zusammen etwa 2000, Freiburg etwa 900, Appenzell etwa 180, in den übrigen noch in Betracht kommenden Kantonen nur wenige Gemsen.
Das war zu einer Zeit, da die Bannbezirke schon acht Jahre bestanden hatten. Die Zahl der Gemsen hob sich von nun an beständig. Anfangs der 90er Jahre beobachtete man auch eine Zunahme in der Stärke der einzelnen Tiere. Im Kanton Uri erlegte mancher Jäger anfangs der 90er Jahre während der offenen Jagdzeit (1 Monat) 12, 13 und sogar bis 16 Stück. Im Bezirk Gifferhorn zeigten sich 1893 Rudel von bis zu 70 Stück. Am Hohgant und in den Luzerner Bergen, wo die Gemsen gänzlich ausgerottet waren, erschienen solche 1893 wieder zahlreich und auch auf der Schrattenfluh sah man ein Rudel von 14 Stück.
Statistik über den Abschuss von Gemsen und anderem Wild wurde nur im Kanton Graubünden geführt. Aus dieser ist ersichtlich, dass auch in diesem wildreichsten und grössten Kanton der Schweiz sich der Wildstand seit Einführung der Bannbezirke stark gehoben hat. Dies zeigt obige Tabelle, in welcher zugleich auch alle andern