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Luft aufbrausende Schneestrom in den engen Thälern eine gewaltige Luftbewegung hervorbringt, wodurch Wälder, Hütten, Menschen und Vieh einfach weggeblasen werden (sog. Windwurf). b) Grundlawinen sind die Lawinen im engern Sinn und entstehen bei warmem, «lauem» Wetter dadurch, dass der wasserschwere Schnee sich vom Boden loslöst und einem Strom gleich zu Thal bewegt. Sie gleiten entweder auf dem Boden selber, denselben oft aufreissend und mitschleppend, oder auf einer Schicht alten und noch am Boden anhaftenden Schnees ab. Grundlawinen stürzen mit Krachen zu Thal und verheeren alles auf ihrer Bahn. Luftdruck entsteht meist nur beim Abstürzen über Felswände.
Staub- und Grundlawinen sind fast immer an dieselben Stellen der Gehänge gebunden, welche man deshalb Lawinenzüge (couloirs d'avalanches) nennt. Der Lauf solcher Lawinen kann 2 Kilometer übersteigen. Die Bewohner der Alpen kennen die Lawinenzüge recht wohl und richten die Lage ihrer Wohnstätten darnach ein, indem sie dieselben entweder ausserhalb des Bereiches der Lawine anlegen oder hinter Felsblöcken bergen oder gar durch massive künstliche Steinbauten vor dem Lawinenstoss schützen.
Die Lawine stürmt dann oft über die niedrigen Gebäulichkeiten weg, wenn sie durch den Schutzbau nicht einfach geteilt wird. Viele Bergstrassen und Eisenbahnen mussten zur Sicherung des Verkehrs mit Galerien gegen die Lawinen versehen werden, so z. B. die Strassen über den Gotthard, Simplon, Lukmanier, Bernina, Ofenpass etc., sowie die Albula- und Gotthardbahn etc. Seit etwa 30 Jahren wird in der Schweiz mit Bundeshilfe an der Verhütung von Lawinenstürzen durch Verbauungen gearbeitet. Zweck dieser Arbeiten ist, dem Schnee im Abrissgebiet den nötigen Halt zu verleihen und so die Bildung von Lawinen zu verhindern. Sie bestehen - wo dies überhaupt möglich ist - in Erdgräben, meist aber in Mauer-, Holz- oder Flechtwerken, die dem Schnee einen genügenden Halt verschaffen sollen. Solche Verbauungsarbeiten haben sich bis jetzt meist glänzend bewährt.
Die Mehrzahl der Lawinen stürzt im Februar und März. Im Winter 1887/88 gingen im schweizerischen Hochgebirge zwischen dem 1. Oktober und 16. Mai 675 Lawinen nieder, nämlich
1887. | Oktober | 3 |
. | November | - |
. | Dezember | 5 |
1888. | Januar | 3 |
. | Februar | 381 |
. | März | 205 |
. | April | 60 |
. | Mai | 18. |
Die Lawinen des Februar waren meist Staublawinen, später stellten sich Grundlawinen ein.
Die von Lawinen heimgesuchten Kantone sind Bern (18), Uri (50), Obwalden (5), Glarus (6), St. Gallen (25), Graubünden (274), Tessin (212), Waadt (8), Wallis (77). Die beigefügten Zahlen beziehen sich, als Beispiele für die Frequenz, auf den Winter 1887/88. Selbstverständlich stürzen nicht alljährlich dieselben Lawinen. Der Schaden während dem genannten Jahr belief sich auf 81 ha geworfenen Wald mit 9147 m3 Holz;
34 zerstörte Wohnhäuser und 172 zerstörte Stallungen und Scheunen;
verschüttete Personen 33, wovon nur 10 gerettet werden konnten;
verschüttetes Vieh 422 Stück (worunter 51 Stück Grossvieh), wovon nur 57 Stück gerettet werden konnten. Es muss bemerkt werden, dass der Winter 1887/88 ein an Lawinen und Schneeverheerungen besonders reicher war und dass so grosser Schaden nicht jedes Jahr zu entstehen pflegt.
Die bei dieser Gelegenheit aufgenommene Statistik mag daher als ein Maximum der normaler Weise möglichen Lawinenzahl und des daraus entstehenden Schadens gelten. Die immer zunehmende Zahl der Verbauungen und Aufforstungen, deren trefflicher Nutzen in vielen Fällen dargetan wurde, wird wohl dazu führen, dass später unter ähnlichen Verhältnissen viel weniger Lawinenstürze stattfinden und auch weniger Schaden entsteht.
6. Palæogeographie (Geogenie).
Die stratigraphische und tektonische Beschreibung hat uns schon mit einigen der wichtigsten geologischen Ereignisse bekannt gemacht, welchen die Schweiz ihre Bodenbeschaffenheit und Oberflächengestalt verdankt. Wir wollen nun diese Ereignisse, um ein richtiges Bild von ihnen zu erhalten, noch in ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge näher betrachten. Bekanntlich wird allgemein angenommen, dass der Erdball ursprünglich feuerflüssig war und sich infolge der allmähligen Abkühlung mit einer Erstarrungskruste umhüllte, wodurch die ununterbrochene Schicht der Urgneise entstand.
Auf diesen letzteren sammelten sich dann die ersten, durch Kondensation von Wasserdampf aus der Luft entstandenen Wassermassen an, in welchen auch die ersten Lebewesen sich bilden konnten. Hohe Temperatur, grosse Ausdehnung und ganz geringe Tiefe müssen die charakteristischen Eigenschaften jener Urozeane gewesen sein, während die daraus hervorragenden Kontinente flach und wenig erhaben waren. So lagen die Verhältnisse zu Anfang der paläozoischen Aera. Das Fehlen von sicher als solchen erkannten silurischen und devonischen Sedimenten, ja die fast unzweifelhafte Abwesenheit derselben macht es sehr wahrscheinlich, dass ¶
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unser Land damals zu einem Kontinentalgebiet gehörte, einem flachen Land, von welchem in die umliegenden Ozeane sich ergiessende erodierende Ströme herabflossen. Ueber die genaue Gestalt unseres Landes wissen wir aus jener Zeit selbstverständlich nichts. Zu einem klareren Bilde kommen wir erst mit der Karbonformation.
Karbonperiode.
Schon das silurisch-devonische Festland hatte sich gefaltet. Bedeutende Erhöhungen trennten einzelne Depressionen, in welchen sich Binnenwasser ansammelten. Von den stark erhöhten Gebirgen flossen Ströme herunter, die durch Sand- und Geröllanhäufungen, in welchen wir die Trümmer des Urgebirges erkennen, die Seen verlandeten. So entstanden die aus wechsellagernden Schichten von Ton, Sandstein und Konglomeraten bestehenden Sedimente dieser Zeit. Bis jetzt wurden in unserm Land blos an zwei Gebieten Steinkohlenflöze entdeckt, nämlich im Wallis, südlich vom Mont Blanc Massiv und zwischen diesem und dem Massiv der Aiguilles Rouges, sowie noch in der Tödigruppe.
Diese Bildungen sind durch das Vorhandensein von Landpflanzen von tropischem Charakter gekennzeichnet und enthalten auch Insektenreste. Die Pflanzen waren Landpflanzen und die Seen Süsswasserbecken. Marines Karbon, wie es in Nord- und Nordosteuropa so verbreitet ist, fehlt in der Schweiz. Die Karbonzeit und die kurz vorhergehende Zeit fallen mit den bedeutenden sog. herzynischen Dislokationen zusammen, während eine noch frühere Umwälzungsperiode unter dem Namen der kaledonischen Dislokationen ausgeschieden wird. Sehr wahrscheinlich hat das Alpengebiet den Einfluss beider Dislokationen erlitten, denn im Wallis liegt z. B. am Fusse der Dent de Morcles das Karbon diskordant auf den krystallinen Schiefern, was beweist, dass letztere vorher aufgerichtet waren; dann liegen auch die Triasgebilde ihrerseits wieder diskordant auf dem obern Karbon, welches also ebenfalls vorher aufgerichtet worden war.
Ueber der eigentlichen Kohlenformation, welche hie und da (Collonges, Sitten, Grône) Anthrazit enthält, folgen rote, oft grünlich gefärbte Schiefer und Konglomerate. Diese unter dem Namen Sernifit oder Verrucano bekannten Schichten bilden das obere Karbon. Die in diese Zeit fallenden Erdumwälzungen waren von vulkanischen Ausbrüchen begleitet, was daraus hervorgeht, dass sich Porphyre, Porphyrite und Diabase sowie deren Tuffe mit den Karbonsedimenten verbinden. Es scheint nicht, dass die Kohlenformation sich überall gleichmässig ablagerte; vielmehr ist es wahrscheinlich, dass sie sich nur lokal in grösseren oder kleineren Seen bildete, während das erhobene und dislozierte Land zu gleicher Zeit auf grosse Strecken hin der Erosion preisgegeben war.
Die Triasperiode
beginnt mit einer allgemein zunehmenden Ueberflutung. An Stelle der Süd- und Ostalpen lag ein Tiefmeer oder doch wenigstens ein Flachmeer, und nördlich der Alpen sowie in Zentraleuropa waren kontinentale Erosionen und Flussablagerungen tätig, welche die Buntsandsteinbildung erzeugten. Das Land war abwechslungsweise trocken oder überschwemmt. Auf dem niedrigen und schon zur Karbonzeit stark eingeebneten Festland lebten Landtiere, meist Sumpfbewohner (wie z. B. Labyrinthodon, ein grosser Batrachier). Gegen Süden nimmt diese untere Triasbildung an Mächtigkeit ab. In den Nordalpen wird sie besonders durch harte Quarzitlager oder sog. Arkosen, die wie der Buntsandstein ein Erosionsprodukt sind, vertreten.
Die mittlere Triasformation entspricht im Jura und in den Alpen der Nordschweiz einer Zeit abwechslungsweiser Flachmeer- und Lagunenbildungen. So entstanden einerseits der Muschelkalk und andererseits die demselben eingelagerten Dolomit-, Salzton- und Anhydrit- oder Gipsschichten. Der Muschelkalk ist mit seinen zahllosen Schaltieren in der Tat eine Flachmeerbildung. Aehnliche Verhältnisse bestanden auch während der oberen Triaszeit, mit dem Unterschied jedoch, dass sich neben Lagunenbildungen noch Festlandssedimente ablagerten, was zur Entstehung der Keupermergel und -sandsteine mit ihren Gipseinlagerungen Veranlassung gab.
Der Keuper enthält bekanntlich Landpflanzen und Reste von Landtieren, während die Gipslager Lagunenbildungen sind. Erst mit Schluss der obern Trias stellte sich durchgehends eine Seichtmeerbildung ein, das sog. Rät, welches aus Mergeln, Lumachellenkalken und auch Sandsteinen besteht. In den nördlichen Kalkalpen ist die Aufeinanderfolge der Triasschichten der des Jura ganz ähnlich, nur dass mit Ausnahme des Rät die Schichten fast fossilleer sind. Dagegen war das östliche und südliche Alpengebiet während der ganzen Triaszeit durchwegs von Meer bedeckt, in welch' letzterem sich eine ununterbrochene Reihenfolge von meist sehr fossilführenden Schichten (mit unzähligen Ammoniten und anderen Schaltieren) bildete, deren Abschluss ebenfalls die Rätstufe, hier Kössenerschichten genannt, ist. ¶