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derjenigen des St. Gallerlandes und des Thurgaues, welche sich direkt dem Rhein zuwenden, richten sich alle diese Rinnen deutlich konvergierend gegen den Aaredurchbruch bei Brugg. Dem Jurafuss entlang zieht sich auf eine lange Strecke ein Sammellauf parallel zum Gebirgsrande. Es ist dies die Thalsenke der Orbe-Zihl, welche sowohl die Gewässer des Jura, als diejenigen des anliegenden Mittellandes sammelt und dann der Aare zuleitet, welch' letztere bis zum Durchbruch bei Brugg ebenfalls der Streichrichtung des Jura parallel fliesst. Alle übrigen Thalrinnen sind dagegen mehr oder weniger quer zum Jura gerichtet. Deshalb erscheint das Mittelland von ganz verschiedenem orographischen Charakter, je nachdem wir dasselbe in der Südwestschweiz, dem Jurafuss entlang, im eigentlichen Herzen, d. h. zwischen Bern und Zürich, oder dem Alpenrand entlang kennen lernen.
In der Umgebung des Genfersees hat das Mittelland, von der tiefen Rinne der Rhone abgesehen, wohl noch am meisten den Charakter einer Hochebene behalten, indem hier nördlich der Wasserscheide die Thalrinnen verhältnismässig wenig zahlreich und auch weniger tief eingeschnitten sind. Dem Jurafuss entlang ziehen sich hingegen die Ueberbleibsel der früheren Hochebene in langgestreckten Rücken zwischen den Thalrinnen hin, so der Wistenlacherberg (Mont Vully), der Jolimont, der Brüttelenberg, der Jensberg und der Büttenberg.
Ganz anders erscheint der orographische Charakter wieder im zentralen Mittelland, woselbst die weitverzeigten Querthäler das Gebiet in unzählige, quer zur Streichrichtung von Jura und Alpen verlaufende Hügel und Kuppen zerlegen, an deren Halden oft senkrecht angeschnittene Schichten sichtbar sind. Durch die zahlreichen Verzweigungen sind die Querthäler miteinander in Verbindung gesetzt, aber selten in gleicher Höhe wie die Hauptfurchen. Wieder anders gestalten sich die Oberflächenformen in nächster Nähe der Alpen.
Hier treten, dank der bedeutenden Erhöhung der Molasseschichten, sowie besonders dank deren intensiver Faltung und des Vorhandenseins von mächtigen Nagelfluhlagern, fast alpine orographische Formen auf, so am Rigi, am Napf und im Gebiet des Toggenburgs. Immerhin ist der Kontrast mit den rein alpinen Ketten unschwer zu erkennen. Dass in allen diesen orographischen Gestaltungsformen ausser Flusserosion auch die Gletschertätigkeit von hervorragendem Einfluss war, braucht gewiss nicht besonders betont zu werden.
Die diluvialen Gletscher, welche viermal das Mittelland ganz oder doch zum grossen Teil bedeckten, haben in diesen verschiedenen Gebieten auch verschieden gewirkt. Am deutlichsten zeigt sich diese Erosionswirkung am Fusse der Alpen in der Ausweitung der Thalfurchen. Im zentralen Mittelland wurden die vorhandenen Thalrinnen zwar z. T. ebenfalls erweitert, aber besonders die dazwischen liegenden Hügel abgerundet und allfällig vorhandene grössere Flächen mit Grundmoränen überdeckt.
Die Thalfurchen wurden während den Vor- und Rückstossperioden abwechslungsweise aufgefüllt und wieder neu vertieft. Am Jurafuss zeigen sich hingegen ausser diesen Erscheinungen noch die beträchtlichen Wallmoränen des Stirngebietes der letzten Gletscherzeit, deren Höhe und Ausdehnung so bedeutend ist, dass dadurch ein besonderes orographisches Bild entsteht. Einzelne Gletscher haben im Verlauf der Rückzugsphase längere Zwischenstadien eingenommen, so der Aaregletscher bei Bern, der Linthgletscher bei Zürich etc. Auch der Rhonegletscher zeigt solche Zwischenstadien, doch liegen seine Stirnmoränen auf dem Boden des Lemansees, während seine Randmoränen auf der Abdachung des Jorat, wo sie die schroffe Topographie des Gehänges ausgleichen, deutlich sichtbar sind. Zwischen dem Lauf der Wigger und dem der Limmat, in welchem Gebiet die letzte Vergletscherung kaum den Jurafuss erreichte, bildet die Moränenlandschaft fast ausschliesslich das orographische Bild, indem die Molasse hier topographisch fast vollständig verwischt ist.
Bezüglich der Richtung der Flussläufe hat das Mittelland während der Eiszeiten ausserordentlich viele Veränderungen erlitten und zwar hauptsächlich infolge von Abdämmungen, weniger dagegen durch Erosionserscheinungen, vielleicht aber auch durch tektonische Vorgänge. So wurde vorerst die Aare, welche ursprünglich von Bern über Utzensdorf und Wangen nach N. floss, durch Moränen nördlich von Bern gegen W. abgelenkt und zwar zweimal, da auch das Trockenthal von Lyss-Zollikofen ein altes Aarebett darstellt.
Die vorglaziale Linth soll über Gossau und Bülach geflossen sein und durch Abzapfung der Sihl in Folge von rückschreitender Erosion in ihren jetzigen Lauf gebracht worden sein, während die Sihl selber durch Moränen gezwungen wurde, eine andere Richtung anzunehmen. Moränen sind es auch, welche die Seen des Mittellandes (Sempacher-, Hallwiler-, Baldegger-, Greifensee etc.) abgedämmt haben. Andererseits ist der Jurafuss der Westschweiz durch tektonische Vorgänge gründlich umgeändert worden. Hier ist infolge Einsenkung eines Teiles des Mittellandes und des Jurarandes ¶
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ein ganzes Thalsystem rückläufig und ganz wie beidseitig der Alpen in ein ausgedehntes Seebecken verwandelt worden. Es ist dies das Flusssystem der Zihl, der Broye und des Bielersees, von welchem jetzt nur noch drei durch ausgedehnte Sumpfböden voneinander getrennte Seebecken übrig bleiben. Die Ausfüllung und die daraus sich ergebenden Flussverschiebungen sind durch die Ablenkung der Aare in dieses Seebecken, sowie durch die Moränen- und die fluvioglazialen Ablagerungen bewirkt worden. Es könnten noch unzählige andere, weniger auffallende Flussverlegungen Erwähnung finden, doch müssen wir uns der Uebersichtlichkeit halber mit dieser kurzen Andeutung begnügen. Zu gedenken ist hier aber noch des Rheinstromes, welcher eigentlich von Schaffhausen an nicht mehr zum Mittelland gehört, sondern im Tafeljura weiter westwärts fliesst. Auch er hat Verlegungen seines Laufes erlitten, wodurch Stromschnellen und besonders der Rheinfall bei Schaffhausen entstanden sind. In vorglazialer Zeit floss der Rhein südlich der Vogesen der Sâone zu, und erst während der Zeit der diluvialen Vergletscherungen verlegte er seinen Lauf in den inzwischen tief genug abgesunkenen Einbruch zwischen Vogesen und Schwarzwald.
3. Jura.
Die Juraketten weisen einen besondern, frappant hervortretenden orographischen Charakter auf, der vor allem durch die tektonischen Verhältnisse bedingt wird. Die welligen Juraketten sind Falten der Schichten. Die kalkige Beschaffenheit der diese Falten bildenden Felsarten, die weisse oder gelbe Farbe derselben und ihre mergeligen Einlagerungen verleihen sowohl den äusseren Teilen der Falten, als auch den Böschungen, welche die geborstenen und erodierten Antiklinalen begleiten, ein ganz eigenes orographisches Aussehen. Schon Thurmann hat diese Verhältnisse erschöpfend beschrieben und gezeigt, wie eng im Jura bei der Herausbildung des orographischen Charakters Tektonik und Erosion zusammenwirken.
Jede Falte kann eine Kette bilden. Durch Aufbrechen der Antiklinalen treten abwechslungsweise tieferliegende weiche und harte Schichtenglieder zu Tage, wodurch eine einzelne Falte sich in 2, 4 oder 6 und noch mehr Isoklinalgräte zerlegen kann. Zwischen solchen Gräten liegen entweder einfache zentrale Antiklinalthäler oder auch seitliche Isoklinalthäler, sog. Comben. Die Synklinalen oder Mulden sind meist als Hauptentwässerungsfurchen ausgebildet und öffnen sich gewöhnlich seitlich durch je nach der Anzahl der durchschnittenen Antiklinalen einfache oder zusammengesetzte Klusen.
Bei den Antiklinalthälern kann ein ursprüngliches Anbrechen des Gewölbescheitels als erste Ursache der Austiefung betrachtet werden, während bei den Isoklinalthälern Erosion die einzige kausale Einwirkung ist, welche zur Thalbildung führt. Bei den Synklinalthälern hat dagegen die ursprüngliche Einbuchtung der Schichten Veranlassung zur Ansammlung der Oberflächenwasser gegeben. Die Erosion hat dann diese Mulden sehr tief ausgegraben, besonders auch infolge der weichen und wenig ¶