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Hauptthal sehr schöne Wasserfälle zeigen. Das Hauptthal selbst ist meist ebenfalls durch Gletschererosion erweitert, nicht aber ausgetieft worden. Dank der unverhältnismässig grossen Geschiebemenge mussten sich solche Thäler viel schneller vertiefen als die Nebenthäler, und es konnte sogar der Fall eintreten, dass das Vorhandensein der Eismasse im Hauptthal einfach die Vertiefung der Seitenthäler verhinderte und zu blosser Ausweitung derselben Veranlassung gab.
Das sind dann eben solche Thäler mit Wasserfällen beim Eintritt in das Hauptthal. Jetzt wirkt die vertiefende Arbeit des Wassers nur noch in den oberen Teilen der Thäler und ganz besonders in den höchsten Thalrinnen, wo die Gräte durch vielverzweigte Furchen angegriffen werden. In diesen letztern fliesst übrigens nicht beständig Wasser, so dass hier in der Hauptsache durch Frost und Erwärmung, sowie durch die sprengende Wirkung der Pflanzenwurzeln Trümmer losgelöst werden, welche entweder direkt abstürzen oder durch die zeitweise Einwirkung des Wassers - bei Schneeschmelze oder Regen - weggeführt werden und durch ihr Anprallen die Rinnen vertiefen.
Diese langsame aber unaufhaltsame Zerstörung des Gebirges führt zu den ruinenhaften Formen der höchsten Kämme. Dieselben sind ausserdem noch der unterwaschenden Wirkung der sich immer mehr eingrabenden grösseren Bäche ausgesetzt, wodurch Bergstürze verursacht werden. Auch die seitlich tätige ehemalige Gletschererosion hat unzählige bedeutende Bergstürze verursacht, welche kurz nach der Gletscherzeit oder auch während der Interglazialzeiten niedergegangen sind.
Hierher gehören z. B. die grossen Bergsturzmassen von Flims in Graubünden und diejenigen von Siders in Wallis. Bei Vugelles oberhalb Grandson liegt auf Moräne und Molasse ein interglazialer Bergsturz vom Chasseron. Aber auch in neuerer Zeit haben grössere Bergstürze stattgefunden, z. T. infolge langsamer Auslösung eines seit langer Zeit labil gebliebenen Gleichgewichts (Diablerets, Rossberg), oder auch infolge von unbedachtem Eingreifen des Menschen (Elm). Flusserosion ist besonders bei Trümmer-, Schutt- und Moränenanhäufungen verhängnisvoll, indem dadurch ganz gewaltige Massen solchen Gesteines in gleitende Bewegung geraten können (Campo im Tessin). Gegen Bodenbewegungen letzterer Art wird neuerdings durch Verbauungen energisch angekämpft.
Ueberall sehen wir in den Alpen, sowohl an den Thalgehängen als an den höchsten Gräten, die zerstörende Wirkung der Erosion als Verwitterung und Abtrag durch Wasser, oder als blosses Abstürzen tätig. Viele Spitzen, welche von weitem aus festem Gestein aufgebaut zu sein scheinen, sind tatsächlich durch und durch faul - daher auch die häufige Bezeichnung Faulhorn, Faulengrat etc. Die Felsoberfläche ist geborsten; auf Metertiefe und mehr ist das Gestein disloziert und lässt sich blockweise losbrechen. Oftmals stellt sich bei näherer Besichtigung heraus, dass ein von weitem blos etwas zernagt aussehender Grat oder eine Spitze weiter nichts als ein Blockhaufen ist. Der feste, gewachsene, Fels liegt unter den Trümmern begraben (sog. Blockgipfel).
Das Endergebnis dieser Tätigkeit wird die zunehmende Erniedrigung des Alpenkörpers sein.
Alle die mächtig erhobenen krystallinen Massive der nördlichen Zone waren wie die aufeinandergetürmten Gneismassen des südlichen Gebietes ursprünglich mit Sedimenten bedeckt. Ja sogar auf den normal dazugehörenden Sedimentdecken lagen früher noch mehrere überschobene Faltendecken. Es ist kaum möglich, die einstige Höhe des ursprünglichen Alpenkörpers anzugeben. Dass aber infolge der Erosion schon während der Miozänzeit ungeheure Gesteinsmassen fortgeschleppt wurden, beweisen die Trümmeranhäufungen der Nagelfluhablagerungen dem ganzen Alpenrande entlang. Ein grosser Teil der feineren Niederschläge der Miozänzeit stammt ebenfalls aus den Alpen. Die Gletscherzeit und die dieser Epoche vorangegangene Pliozänzeit, während welchen die aktivste Erosion herrschte, sowie die noch fortdauernde Erosion und Verwitterung haben also zu der jetzigen orographischen Gestalt der Alpen geführt, nachdem der Alpenkörper aufgefaltet und zu seiner ursprünglichen Höhe gehoben worden war.
Es muss noch als weitere Tatsache der Umstand hervorgehoben werden, dass nach der Hebung der Alpen und nach der pliozänen Erosionsphase, während welcher die alpinen Thäler zum grossen Teile (wenigstens in ihrem untern Abschnitt) definitiv ausgetieft wurden, der ganze Alpenkörper um eine 500-1000 m betragende Höhe einsank, d. h. die Erdkruste dem vermehrten Druck unter dem überhöhten Teil des Gebirges nachgab und zurücksank. Dadurch wurden die unteren Thalrinnen z. T. rückläufig und verwandelten sich in Seen. Am Südrand der ¶
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Alpen sind diese Seen weit tiefer, weil hier das Absinken des Alpenkörpers beträchtlicher war als am Nordrand und daher eine vor dem Einsinken horizontale Ebene nachher im Süden um 500 m tiefer zu liegen kam als eine solche im N. Wo in Thalrinnen keine Seen entstanden, sind doch wenigstens die Gefälle so reduziert worden, dass sich Alluvialanhäufungen bilden mussten, indem der Fluss nicht mehr das nötige Gefälle zur Wegführung seiner Geschiebe hatte.
Die Thalrinnen haben sich im Laufe der Zeit gegenseitig in ihrer Entwicklung gestört. Rückwärts einschneidende Flüsse konnten höher gelegene Wasserläufe seitlich anzapfen und so einen Flusslauf ablenken und dessen Unterlauf fast trocken legen. Auch Moränen haben zu solchen Flussverlegungen beigetragen, und anderswo waren es Bergstürze, welche die gleiche Erscheinung verursachten. Daraus erklären sich die oft recht tief gelegenen Trockenthäler, welche einzelne Thalrinnen miteinander verbinden und als Pässe benutzt werden, so z. B. die Lenzerheide, der Kunkelspass, das tief gelegene Thal des Walensees. In der Westschweiz sind solche Flussverschiebungen weniger häufig, weil hier die tief eingeschnittene alte Thalrinne der Rhone beizeiten alle Gewässer des Wallis und der Südwestschweiz dem Mittelmeer zuleitete.
Dass die Rhone, wie behauptet wurde, früher über Attalens und Moudon nach Norden geflossen sei, ist absolut unmöglich. Der Einschnitt von Attalens ist eine zufällige Vertiefung im Jorat, welche durch Gletschererosion entstanden ist. Ebensowenig kann der Vermutung Raum gegeben werden, dass die Rhone in der Längsrichtung über den Col de la Forclaz jemals das Thal von Chamonix erreicht habe. Dass die verschiedenen Nebenflüsse hin und wieder durch Bergstürze, Moränen etc. lokale Verlegungen erlitten haben, ist selbstverständlich, waren ja nach der Gletscherzeit die meisten Nebenthäler, besonders an ihren untern Enden und hauptsächlich auch beidseitig des untern Teiles der Hauptthäler, bis hoch hinauf mit Moränenschutt aufgefüllt. In diesem musste sich nachher eine neue Rinne austiefen, wobei der Fluss oder Bach oft den früheren Thalweg verfehlte und sich seitlich in den Felsboden ein neues Bett eingrub, sodass gewisse Strecken seines alten Bettes mit Moräne ausgefüllt blieben (Entstehung von Grundwasserquellen in dem ausgefüllt gebliebenen alten Thalstück).
Die jetzige Gestalt der Alpen ist auch noch weiterhin zu Veränderungen bestimmt. Die hohen Gräte gehen sicherer Zerstörung entgegen; das Gefälle der Thalrinnen nimmt ab im Verhältnis zu der mehr und mehr zunehmenden Vertiefung im obern Teil und der anwachsenden Auffüllung im untern Teil. Zuletzt werden zwischen schwach geneigten Thalrinnen nur noch in ihrem eigenen Schutt begrabene Bergrücken übrig bleiben, denen der träge dazwischen hinfliessende Fluss nichts mehr anhaben kann, auf welche aber die Verwitterung noch so lange einwirkt, bis die Verwitterungskruste so mächtig geworden ist, dass sie den innern Felskern vor weiterer Zerstörung zu schützen vermag. Die Gletscher, welche heute als glänzende Zierde der Alpen die oberen Thalrinnen ausfüllen oder hoch oben an den Flanken der Gräte hängen, werden dann infolge der Abtragung des Gebirges schon lange verschwunden sein.
2. Mittelland.
Die Orographie des Mittellandes geht aus den beschriebenen tektonischen Verhältnissen und der vorangeschickten Darstellung des landschaftlichen Bildes hervor. Einer schwach geneigten Hochebene gleich senkte sich das Mittelland ursprünglich vom Alpenrand - 800-1000 m (ausnahmsweise mehr als 1200 m bis nahezu 2000 m; Pélerin 1216 m, Napf 1408 m, Rigi 1800 m, Speer 1950 m) - gegen den Jura zu, wo zwischen 500 und 300 m der Uebergang zwischen diesen beiden tektonischen Gliedern unseres Landes sich vollzieht.
In dieses von SO. nach NW. geneigte Plateauland haben sich die Gewässer ihre Thalrinnen eingeschnitten und so den spezifischen Charakter unseres Molasselandes geschaffen, welches nunmehr als ein von unzähligen Furchen durchzogenes Hügelland vor uns liegt. Am auffallendsten ist die auf ein beschränktes Einzugsgebiet fallende Thalfurche des Lemansees *) (* Diese Form [anstatt Genfersee] wird hier auf ausdrücklichen Wunsch des Verfassers gebraucht. [Red.]) und des unteren Rhonelaufes mit ihren steilen Böschungen.
Zuerst quer verlaufend, senkt sich diese Furche, halbkreisförmig umschwenkend und parallel zwischen Alpen und Jura hinziehend, mitten in das Molasseland, um dann wieder quer zur Streichrichtung des Gebirges dem Jura sich zuzuwenden, welcher in enger Kluse durchbrochen wird. Nur wenige und mit steilen Gefällen versehene Bachrinnen münden in diese tiefe Senke ein; einige derselben (Venoge, Aubonne, Versoix, London) zeigen indessen eine ziemlich bedeutende horizontale Entwicklung und schwächere Gefälle. Sie leiten die Gewässer vom Jurafuss nach der Hauptrinne.
Die im übrigen Mittelland vorhandenen Thalrinnen sind in von den Alpen ausgehender und annähernd quer zu deren Streichen ziehender Richtung in die Tertiärablagerungen eingeschnitten. Mit Ausnahme ¶