mehr
gegen SW. (besonders im Chablais) stark verschmälert.
4, und 5. Mesozoische Fetzen der Gurnigelzone und Passzone (Sattelzone). Beide Flyschzonen, die Gurnigelzone am äussern Rand und die Niesenzone im Innern der Präalpen, werden von zu Fetzen zerrissenen und vielfach ineinander verwickelten und gekneteten mesozoischen Schichtgliedern, die von der Trias (stellenweise auch vom Perm-Karbon) bis zur Kreide reichen, begleitet. Diese Gebilde sind ganz regellos zerstreut und zeigen keinerlei tektonische Einheitlichkeit.
Die einzige Konstanz besteht in der unregelmässigen Aufeinanderfolge der Schichten in beiden Regionen. Ihren Höhepunkt erreichen diese Verwickelungen in der nach innen zu gelegenen Passzone. Stellenweise sind die mesozoischen Schichtenpakete in den Flysch hineingeknetet und weithin mitten in diesen hinein verschleppt worden. Zwischen der äussern Flyschzone (Gurnigel) und der Passzone besteht der Unterschied, dass dort Kreidegesteine und Malm, hier dagegen Dogger, Lias und Trias vorherrschen, wenn auch in der Passzone Neokom und Kreide und in der Gurnigelzone Lias und Trias nicht ganz fehlen.
Beide Zonen gehören einer und derselben Schichtenmasse an, indem im Verlauf der Dislokationsbewegung die gleichen Fetzen sedimentären Gesteins überschoben worden sind. Es bildet somit der Flysch der Niesen- und der Gurnigelzone die Unterlage und den Rand der gesamten Präalpen, während sich zwischen ihn und die Hochalpen mesozoische Schichtfetzen einschieben und zwar in der Passzone vorwiegend die untern Stufen, in der Gurnigelzone dagegen vorwiegend die rezenteren Stufen.
Wir haben schon gesehen, dass sich die einzelnen Fetzen der vierten Faltendecke der Hochalpen, d. h. derjenigen des Mont Bonvin, über den Stock des Wildstrubel fortsetzen, um sich offenkundig mit den zerrissenen Fetzen der Passzone zu verknüpfen. Es sind daher die mesozoischen Schichten der Passzone keine eigentlichen präalpinen Gesteine, indem sie einer Faltendecke der Hochalpen angehören, welche im Wallis am Innenrand der Glanzschieferzone wurzelt. Die grosse Decke der Präalpen hat bei ihrem Gleiten über die Hochalpen hinüber diese vierte Faltendecke angerissen, mit sich gezogen und buchstäblich in den Flysch eingewickelt. Dabei sind die Stirnpartien (Malm und Kreide) dieser Faltendecke besonders in der Gurnigelzone, die Wurzelpartien (Trias und Dogger) dagegen vorzüglich in der Passzone liegen geblieben. Diesen Tatsachen entsprechend befindet sich die Wurzelregion der Faltendecke des Mont Bonvin zwischen den Präalpen helvetischer Fazies und den Glanzschiefern.
Die inmitten dieser ausserordentlich stark dislozierten und zerrissenen Umrandung gelegene Ueberfaltungsdecke der medianen Präalpen zieht sich in Gestalt von beinahe regelmässigen Faltenketten vom Moléson bis zum Langenegggrat, von den Verreaux bis zum Gantrisch-Kaiseregg und von den Rochers de Naye über den Vanil Noir bis zum Stockhorn. Eine vierte Kette, diejenige der Tour d'Aï-Gastlosen, ist noch durch das Auftreten von einer oder zwei schuppenförmigen Ueberschiebungen von 1-2 km Sprunghöhe kompliziert.
Noch grösser sind die Verwicklungen in der Gruppe Mont d'Or-Rübli-Gummfluh-Spillgerten-Niederhorn, wo sich keine liegenden Falten mehr, sondern blos noch ziemlich schwierig zu überblickende Ueberschiebungen vorfinden. Dieses zwischen den beiden Flyschrandzonen und der medianen Flyschmulde (Zone Ayerne-Rodomont-Hundsrück) der Präalpen eingeengte Gebiet muss während oder nach dem Schub, der die Schichten an ihre heutige Stelle geschafft hat, noch energischen Pressungen und Dislokationen unterworfen gewesen sein.
6. Zone der Hornfluhbreccie. Die Ueberfaltungsdecke der Präalpen trägt im Grenzgebiet zwischen der innern Zone und der Flyschzone des Niesen als zweite Decke noch diejenige der sog. Hornfluhbreccie, die eine vollständig verschiedene Fazies aufweist (vergl. die Formationstabelle). Diese Gesteine treten in der Gegend der Hornfluh und im Chablais in sehr ausgedehnten Decken auf, die - wie dies auch in den medianen Präalpen der Fall ist - immer mit ihren ältesten Schichtgliedern (Trias oder Karbon) auf Flysch oder Kreide sitzen. Im Chablais bildet die Hornfluhbreccie eine mehr als 30 km lange und 12 km breite Decke, während sie nordöstlich der Rhone stärker eingeengt erscheint, so dass hier zwischen den eingeklemmten Mulden der tiefer gelegenen Decke blos noch Schuppen und enggepresste Fetzen sich finden.
7. Zone der rätischen Decke. Endlich sind auch Gründe für die Annahme vorhanden, dass über der Decke der Hornfluhbreccie einst noch eine weitere Decke oder wenigstens Ueberreste einer solchen vorhanden gewesen sein müssen, welche sich durch das Vorkommen von Radiolaritenschichten und basischen Eruptivgesteinen (Gabbro, Spilit, Variolith, Porphyrit etc.) in Form von exotischen Blöcken auszeichnete. Wir werden nachher sehen, dass sich diese Decke im Gebiete des Rätikon heute noch erhalten hat.
8. Klippen. Die grosse Zone der Präalpen erstreckt sich als zusammenhängende Masse oder Decke vom Giffre und der Arve bis zur Aare hin, indem sie offenkundig einen Teil der Ueberfaltungsdecke der Hochalpen bedeckt. Diese Lage erklärt sich daraus, dass die beiden diese Zone im Nordosten und im Südwesten begrenzenden Linien den Rändern einer Senkungszone entsprechen. Es gab aber eine Zeit, in der sich diese Decke sowohl sw. der Linie Giffre-Arve, als auch nö. des Aarethales über die Alpen mit helvetischer Fazies hinüber noch weiter fortsetzte. Die Ueberreste und Fetzen dieser Decke bauen im Südwesten den Mont des Annes und Mont de Sullens, im Nordosten die Giswilerstöcke, das Buochserhorn, das Stanserhorn, den Chlewen, die Mythen und die Ibergerklippen auf und bilden daneben als Zwischenglieder noch eine grosse Menge von zerstreut gelegenen sog. exotischen ¶
mehr
Blöcken, die die Klippenzone, besonders im NO. gegen den Rätikon hin, fortsetzen. Die Klippen sind somit als Ueberreste oder Relikte einer Decke aufzufassen, die derjenigen der Hochalpen aufgesetzt war, sich als Fortsetzung der Präalpen einst vom Fuss des Rätikon bis in den Dauphiné hinein erstreckte und deren Abtragung die Molassesedimente von der aquitanischen bis zur pontischen Stufe mit Geschiebematerial versorgt hat. Die vollständige Zerstückelung dieser ehemaligen Decke muss durch die Erosion im Laufe der Pliozän- und der Pleistozänzeit erfolgt sein. Mit dieser Annahme lässt sich auch das Vorkommen von Gesteinen ostalpiner Fazies in der miozänen Nagelfluh sehr leicht erklären.
VI. Gebiet des Rätikon und der Graubündner Kalkalpen.
Die tektonische Darstellung dieses Gebietes wird uns zum Abschluss der Untersuchungsreihe führen, die bis dahin so bemerkenswerte, ja sogar ganz unerwartete und eigentümliche Resultate ergeben hat. Nördlich vom Rätikon sieht man die Falten der dreilappigen Glarnerdecke und diejenigen der Säntisdecke unter den Flysch eintauchen. Die letzteren setzen sich noch auf eine ziemliche Länge durch das Vorarlberger Land fort, während die Schichtenglieder der Glarner Decke sich zum letztenmal am Fläscherberg zeigen.
Nun tritt die hauptsächlich aus Triasgliedern ostalpiner Fazies bestehende Masse des Rätikon auf, die die Fortsetzung der österreichischen Kalkalpen bildet und sich wie eine Aussenbastion derselben zwischen die Thäler des Prätigaues und des Montafon einschiebt. Auf den ersten Blick könnte man versucht sein, die überall auf dem Flysch schwimmende triadische Scholle des Rätikon als die Fortsetzung der Klippendecke der Ostschweiz aufzufassen. Es haben aber neuere Untersuchungen gezeigt, dass wir es hier mit einer neuen und eigenen Ueberschiebungsdecke zu tun haben, zwischen welcher und dem Fläscherberg noch alle Glieder der Präalpen und der Klippen konstatiert werden können, während sie selbst in ihren obern Partien sich mit den Engadineralpen und den österreichischen Alpen im Allgemeinen verknüpft.
Zwischen dem den Fläscherberg bedeckenden Flysch und der Gipfeldecke des Rätikon findet man die zerquetschten und ausgewalzten Reste von drei verschiedenen Faltendecken. Diese sind:
1. Die Falknisdecke; Schuppen von Jurakalken (Tithon und krystalline sog. Falknisbreccie) mit roten Schichten der obern Kreide als Vertreter der Decke der medianen Präalpen.
2. Die Brecciendecke, die der Zone der Hornfluhbreccie entspricht.
3. Die rätische Decke mit Aptychenschiefern, Radiolaritenschichten und basischen Eruptivgesteinen.
Darüber folgt die ostalpine Decke. Alle diese auf fast unglaubliche Art ineinandergekneteten Schuppen werden einerseits von Flysch und andererseits von krystallinen Gesteinen begleitet und zeigen sich unwiderlegbar als überschobene grosse Komplexe. Das gleiche trifft auch für die grosse Decke des Rätikon oder die ostalpine Decke zu, an deren Aufbau krystalline oder sogar granitische und dioritische Gesteine in Gestalt von schwimmenden Massen einen so grossen Anteil nehmen.
Wir haben von dieser Erscheinung schon bei der Betrachtung der Zone der krystallinen Alpen gesprochen, in der man von nun an zwei verschiedene Regionen unterscheiden muss: die primären, d. h. an Ort und Stelle gebildeten krystallinen Zentralmassive und die überschobenen Massen an sekundärer Lagerstätte. Dieser letztern Kategorie gehört die Mehrzahl der krystallinen Gneis- und Granitmassive Bündens, vom Julier über die Sesvenna bis zum Silvrettamassiv, an, die von paläozoischen (Casannaschiefer, Verrucano) und mesozoischen (Trias und Jura) Sedimenten begleitet werden und in Gestalt von unzähligen Schuppen dem Flysch oder dem Bündnerschiefer aufsitzen. Die Ueberschiebung dieser Felsarten ist besonders klar zu erkennen zwischen Schuls und Ried im Unter Engadin, wo der tief eingeschnittene Inn unter der ostalpinen Decke die Bündnerschiefer des nördlichen und mittleren Graubündens wieder blosgelegt hat. Die Splügener Kalkberge bilden triadische und liasische Ueberschiebungsfetzen, während das Julier- und das Silvrettamassiv überschobene Fetzen von krystallinen Gesteinen sind.
Rückblick auf das tektonische Gesamtsystem der Schweizer Alpen. Die verschiedenen von uns festgestellten Dislokationserscheinungen, namentlich die grossen vom Innern des Gebirges gegen seinen Aussenrand hin geschobenen und überkippten Faltendecken oder Deckfalten, müssen mit Bezug auf ihren Ursprung und ihre Entstehungsweise noch etwas näher betrachtet werden. Die Falten der Hohen Kalkalpen von der Dent du Midi bis zu den Churfirsten fügen sich mit ihren Wurzeln alle zwischen und im Süden der krystallinen Massive der Aiguille Rouge, des Mont Blanc, der Aar und des St. Gotthard ein, d. h. also nördlich der breiten zentralen Muldenzone der Glanzschiefer.
Die Präalpen- und Klippendecke, sowie auch die Decke der Hornfluhbreccie müssen ihre Wurzeln südlich der Glanzschieferzone und zwar wahrscheinlich zwischen den liegenden Falten der Walliser Gneisdecken gehabt haben. Die Zone der «Pietre Verdi», die sich unter und auch über der Decke der Dent Blanche (Arollagneis) fortsetzt, zeigt eine gewisse Analogie mit den Serpentingesteinen der rätischen Decke. Die Wurzeln der ostalpinen Decke endlich dürften noch weiter südwärts gelegen haben, nämlich südlich der sog. Amphibolitzone von Ivrea, welche sie vom Addathal an überdeckt.
Auch die nördlicheren Gneiszonen und die Glanzschieferzone, sowie die Klippenzone werden von ihr überflutet, bis sie an die helvetische Fazies anstösst. Es scheint sogar, als ob diese grosse horizontale Bewegung der Erdkruste die bis an den Rhein zu verfolgenden nördlicheren Ueberschiebungen zuerst überdecke und dann vertrete. Es sind diese Annahmen bis jetzt aber blosse Hypothesen, da die betr. Gebiete geologisch noch zu wenig bekannt sind, um jetzt schon völlig beweiskräftige Schlüsse ziehen zu lassen. Die einzige sichere Tatsache ist der Ursprung der Decken mit helvetischer Fazies nördlich der Zone der Glanzschiefer und derjenige der Präalpendecken bis zum Rätikon südlich dieser Zone. Ein eigentliches Rösselsprungspiel hat diese letzteren dann an ihre jetzige Stelle nordwärts vor die erstgenannten zu stehen gebracht. ¶