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nur 3,9 Mill. per km zu stehen kommen. Unter den Opfern des Gotthardtunnels findet sich auch dessen grosser Werkmeister Louis Favre. Mitten in der Arbeit traf ihn im Innern des Tunnels am ein Herzschlag, und tot sank er in die Arme seines Begleiters. Ein schönes und sinniges Denkmal auf dem Friedhof zu Göschenen ehrt ihn und die am gleichen Werk gefallenen Arbeiter.
Abgesehen vom grossen Haupttunnel zählt die Gotthardbahn noch 55 kleinere Tunnels (27 nördl. und 28 südl. vom Gotthard) mit zusammen einer Länge von 40,7 km. Der kleinste derselben, der Mythensteintunnel bei Brunnen, misst 25,5 m, der längste, der Oelbergtunnel bei Sissikon, 1941,3 m. Ihrer 11 sind länger als 1 km, doch erreicht keiner mehr völlig 2 km. Von diesen 11 Tunneln liegen 2 am Urnersee: der Oelbergtunnel (1941 m lang) und der Axenbergtunnel (1118 m);
4 bei Wassen: der Pfaffensprung-Kehrtunnel (1471 m), der Wattinger-Kehrtunnel (1084 m), der Leggistein-Kehrtunnel (1088 m) und der Naxbergtunnel (1570 m);
4 und zwar lauter Kehrtunnels in der Leventina: diejenigen von Freggio (1568 m), Prato (1559 m), von Piano Tondo (1508 m) und von Travi (1547 m), die ersteren zwei im Monte Piottino, die letzteren in der Biaschinaschlucht.
Der letzte grössere Tunnel ist derjenige des Monte Cenere (1673 m lang). Dazu kommt dann allerdings noch der Olimpinotunnel (1900 m lang) unmittelbar vor Como auf italienischem Boden (bei den obigen 55 nicht mitgezählt). In den 4 grossen Tunneln bei Wassen steigt die Bahn um 111 m (oder mit den Zwischenstrecken um 293 m). in den 4 Kehrtunneln der Leventina um 142 m (mit den Zwischenstrecken um 452 m). Ausserdem zählt die Bahn 32 Brücken, 10 Viadukte und 24 Uebergänge. Viele dieser Brücken und Viadukte sind gewaltige Werke in Eisen- oder Steinkonstruktion.
Unter den Viadukten sind die bedeutendsten: der Brennstaudenviadukt am Zugersee mit 5 Oeffnungen zu 8 m, der Zgraggenthalviadukt bei Meitschlingen mit 3 Oeffnungen zu 30 m, der Viadukt in den Säcken ebendaselbst mit 6 Oeffnungen zu 10 m, der Kellerbachviadukt bei Wassen mit 2 Oeffnungen zu 31 m und der Piantorinoviadukt der Monte Cenere-Linie mit 9 Oeffnungen zu 12 m. Unter den Brücken ragen hervor: die Kärstelenbachbrücke samt Viadukt bei Amstäg, 138 m lang und 54 m hoch;
die Reussbrücke etwas oberhalb Amstäg, 75 m lang und 78 m hoch;
die mittlere Meienreussbrücke, die schönste und imposanteste der ganzen Bahn, beidseitig mit Viadukten mit je 3 Oeffnungen, 63 m lang und 79 m hoch;
die obere Meienreussbrücke, 54 m lang und 45 m hoch;
die Rohrbachbrücke, 61 m lang und 28 m hoch;
die Göschenenbrücke, 63 m lang und 49 m hoch;
die Stalvedrobrücke, 50 m lang;
die Dazio Grandebrücke 45 m, die Polmengobrücke 65 m, die Pianotondobrücke mit Viadukt in der Biaschina 104 m, die Travibrücke 61 m, die Brücke unterhalb Giornico 120 m, die beiden Brücken bei Biasca mit 70 und 100 m, die Moësabrücke bei Arbedo 80 in, die Tessinbrücke bei Cadenazzo 250 m und die Verzascabrücke bei Gordola 100 m lang.
Eine Fahrt auf der Gotthardbahn gehört wegen der grossartigen und unausgesetzt wechselnden Landschaftsbilder und wegen des Klima- und Vegetationswechsels zu den schönsten und genussreichsten, die man machen kann. Der Gotthard wird in dieser Beziehung den Simplon immer übertreffen. Auf dem jetzt wieder lebhaft gewordenen Trümmerfeld von Goldau vereinigen sich die von Luzern über Meggen-Immensee und von Zug (Zürich-Thalwil-Zug) kommenden Linien. Dann geht es angesichts der Mythen und des Rigi durch das schöne Gelände von Schwyz nach Brunnen, hierauf durch eine Reihe von Tunneln längs dem Urnersee nach Flüelen und weiter auf ebenem Thalgrund nach Altorf und Erstfeld.
Hier beginnt die grossartigste und technisch interessanteste Strecke der Bahn und wird die schwere Berglokomotive angespannt. Bis Göschenen folgen sich die herrlichen Bilder der Gebirgswelt und die kühnen Bauten der Bahn Schlag auf Schlag. Namentlich die Brücken und Tunnels nehmen die Aufmerksamkeit stetsfort in Anspruch, zuerst bei Amstäg, in erhöhtem Mass bei Wassen. Hinter der Station Amstäg passiert die Bahn den 172 m langen Windgällentunnel und gleich darauf die hoch über den Abgrund am Ausgang des Maderanerthals geschwungene Kärstelenbachbrücke.
Dann folgen sogleich die beiden Bristenlauitunnels (397 und 213 m lang), durch welche die Bahn den alljährlich mehrmals vom Bristenstock niederdonnernden Lawinen entgeht, worauf die Linie auf kühnem Brückenbau über das 78 m tiefe Felsenbett der wildbrausenden Reuss setzt. Alle Schrecken der wildesten Gebirgsnatur scheinen sich hier auf engem Raum vereinigen zu wollen. Doch stellen bald in der Gegend von Intschi, Ried, Meitschlingen und Gurtnellen auch wieder freundlichere Bilder sich ein mit frischgrünen Bergmatten, hübschen Baumgruppen und zerstreuten Wohnstätten.
Aber nicht lange geht es, so folgt die zweite Hauptserie der grossen Kunstbauten, diejenige der Kehrtunnels und Brücken bei Wassen. Die steile Thalstufe, die von der Station Gurtnellen bis zum Thalkessel von Göschenen zu überwinden ist, erforderte grosse Schlingen, die teilweise unterirdisch in Kehrtunnels ausgeführt sind. Die Bahn tritt in den Abhang ein, beschreibt einen Schraubengang und verlässt den Tunnel hoch über dem Eingang und nach der entgegengesetzten Seite hin: so zuerst im Pfaffensprung Kehrtunnel (1471 m lang), dann nach Ueberbrückung der Meienreuss und der Reuss im Wattinger-Kehrtunnel (1084 m), hierauf nach neuer Ueberbrückung der beiden Flüsse im Leggistein-Kehrtunnel (1088 m), um alsdann, mehr als 100 m über der ersten Brücke, die Meienreuss zum drittenmal zu passieren.
Die Windungen unter und über der Erde, die immer wieder an dieselbe Stelle, nur zu höhern Standpunkten führen, wirken so verwirrend, dass man alle Orientierung verliert. Erst wenn der Zug hoch über Wassen am Abhang weiter thalaufwärts fährt und man tief unten die durchlaufenen Windungen überblickt, löst sich das Rätsel. Vom Mühletunnel bei der untern Meienreussbrücke bis zum Eingang in den Naxbergtunnel ist man dreimal durch Wassen gefahren (zuerst etwa 60 m unter der Kirche, dann etwa in gleicher Höhe wie diese und zuletzt 60 m über ihr) und dabei auf einer 8 km langen Bahnstrecke (mit 2 Kehrtunneln) um 2 km weiter thalaufwärts gekommen.
Dann erst folgt bis Göschenen wieder eine geradere Strecke, wovon etwa die Hälfte im 1570 m langen Naxbergtunnel liegt. Die Fahrt durch den grossen Gotthardtunnel nach Airolo dauert je nach der Zugsgeschwindigkeit 15-30 Minuten. Von da durch das Livinenthal zum Luganer- oder Comersee gehört die Fahrt ebenfalls zum Unterhaltendsten und Spannendsten, was man in so kurzer Zeit (2¼-3½ Stunden) erleben kann. Zu den Wundern der Bergwelt und der Bahntechnik kommt hier noch der stetig zunehmende südliche Charakter der Vegetation und der Menschenwelt mit ihren Siedelungen.
Dem rauschenden, bald klargrünen, bald wildschäumenden Tessin, einem kräftigen Bergstrom, entlang führt die Bahn nach dem sonnigen Süden. Wenig unterhalb Airolo passiert sie im Stalvedrotunnel eine erste, wildromantische Schlucht und betritt dann die lange, reichbelebte ebene Thalsohle von Quinto. Hierauf folgt der Querriegel des Monte Piottino, der von der Bahn durch die Kehrtunnels von Freggio (1568 m) und Prato (1559 m) und von mehreren kleinern Tunneln (Dazio Grande 354 m, Monte Piottino 147 m, Pardorea 275 m, Polmengo 276 m und andere) und in der Schlucht auf mehreren schönen Brücken überwunden wird.
Endlich gelangt man, völlig desorientiert, in das offene, schon halb italienische Gelände des Thalbeckens von Faido, dessen unterer Abschluss, die Schlucht der Biaschina, die zwei letzten Kehrtunnels der Gotthardbahn aufweist, nämlich den von Piano Tondo (1508 m) und den von Travi (1547 m), wozu ebenfalls noch mehrere kleinere Tunnels (La Lume 466 m, Piantone 275 m etc.) und verschiedene Brücken kommen. Von Giornico abwärts gelangt die Bahn im breiter gewordenen Thal ohne besondere Schwierigkeiten an zahlreichen Ortschaften vorbei nach Biasca und dann durch die Riviera nach Bellinzona, wo sie noch den Tunnel des malerischen Castello di Svitto passiert.
Als grössere Kunstbauten fallen nur noch einige Brücken an den Mündungen des Brenno und der Moësa auf, ebenso weiter unten die Brücken bei Cadenazzo (250 m) und Gordola (100 m) an den Linien nach Pino und Locarno. Prächtig ist auch die Fahrt auf der Monte Cenere-Linie und zwar schon gleich anfangs im Aufstieg gegen den Passscheitel mit dem herrlichen Blick auf das ganze untere Tessinthal von Bellinzona bis Locarno, dann auch nach Passierung des Monte Cenere-Tunnels (1673 m lang) durch ¶
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das üppig-fruchtbare, dicht bevölkerte und an malerischen Partien ungemein reiche Thal des Agno und durch den Massagnotunnel (924 m), dann weiter längs dem Luganersee und bei Melide-Bissone über denselben nach Capolago, endlich über Mendrisio und Chiasso nach Como. Auch hier im südlichsten Teil des Gotthardbahngebietes ist das Hügelland immer noch so vielgestaltig gegliedert, dass südlich vom Monte Cenere noch 7 Tunnels nötig wurden, nämlich 2 bis Lugano und 5 südl. davon, darunter der Paradisotunnel (758 m) unter dem San Salvatore und der Olimpinotunnel (1900 m) bei Como.
Statistische Notizen über die Gotthardbahn
(nach gefl. Mitteilung der Gotthardbahndirektion):
Länge der Bahnstrecken: | km |
---|---|
Luzern-Chiasso | 225.100 |
Zug-Arth Goldau | 15.765 |
Giubiasco-Pino | 21.825 |
Cadenazzo-Locarno | 12.457 |
Zusammen | 275.147 |
Davon entfallen 169,815 km auf die Strecke Luzern-Bellinzona.
Fr. | |
---|---|
Baukosten auf Ende 1903 | 284352486 |
Anlagekapital auf Ende 1903 | 297958257 |
Vom letztern sind 50000000 Fr. Aktienkapital, 121030000 Fr. konsolidierte Anleihen und 119000000 Fr. Subventionen mit bedingtem Anrecht auf Dividenden oder Rückzahlung.
Finanzielle Ergebnisse 1903: | Fr. |
---|---|
Gesamteinnahmen | 23148992 |
Gesamtausgaben | 13026643 |
Ueberschuss der Einnahmen | 10122349 |
Entwicklung des Verkehrs:
1. Quantitäten des Gesamtverkehrs der Gotthardbahn:
1888 | 1893 | 1898 | 1903 | ||
---|---|---|---|---|---|
Personen | Anzahl | 1096819 | 1492196 | 2360607 | 2949736 |
Güter | Tonnen | 660241 | 791425 | 957467 | 1135608 |
Gepäck | Tonnen | 4500 | 5294 | 7284 | 9293 |
Tiere | Tonnen | 7814 | 9162 | 14992 | 24693 |
Tiere | Stück | 38604 | 53196 | 109408 | 158356 |
Im Jahr 1904 betrug die Zahl der Gotthardbahnreisenden 3106488 und die daherigen Einnahmen 9310915 Fr.
2. Speziell durch den Gotthardtunnel (Göschenen-Airolo) fuhren nach approximativer Berechnung der Gotthardbahnverwaltung:
1888 | 1893 | 1898 | 1903 | ||
---|---|---|---|---|---|
Personen | Anzahl | 185000 | 241000 | 398000 | 608000 |
Güter | Tonnen | 494000 | 616000 | 676000 | 798000 |
Gepäck | Tonnen | 2600 | 3300 | 4900 | 6200 |
Tiere | Tonnen | 7000 | 8100 | 12900 | 21500 |
Von den im Jahr 1903 auf der Gotthardbahn spedierten Gütern kommen auf Lebens- und Genussmittel (inkl. Hausrat, Bücher etc.) 37,57%, auf Brenn- und Baumaterialien 23,76%, auf Industriegegenstände (Rohstoffe und Fabrikate) 24,68% und auf andere Dinge (landwirtschaftliche und industrielle Hilfsstoffe, wie Salze, Oele, Düngemittel, Heu, Stroh, Futtermittel etc. und auf Ungenanntes 13,99%).
Bibliographie.
Rütimeyer, L. Der St. Gotthard. (Itinerarium für das Exkursionsgebiet des S. A. C.) St. Gallen 1871;
Christ, H. Notiz über die alpine Pflanzendecke des St. Gotthard (im Jahrbuch des S. A. C. 7);
Nüscheler, A. Historische Notizen über den St. Gotthardpass (im Jahrbuch des S. A. C. 7);
Müller, A. Der Gebirgsbau des St. Gotthard. Basel 1875;
Fritsch, Karl v. Das Gotthardgebiet. (Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz. 15).
Bern 1873; Baltzer, A. Der mittlere Teil des Aarmassivs nebst einem Teil des Gotthardmassivs. (Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz. 24). Bern 1888; Türler, E. A. St. Gotthard, Airolo und Val Piora. Bern 1891; Schulte, Aloys. Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland und Italien. Leipzig 1900. [St. Gotthard sehr ausführlich behandelt im 15. bis 18. und im 36. bis 40. Kapitel]; Reinhard, Raph. Topographisch-historische Studien über die Pässe und Strassen in den Walliser-, Tessiner- und Bündneralpen.
Luzern 1901; Bavier, S. Die Strassen der Schweiz. Zürich 1878; Hardmeyer, J. Die Gotthardbahn. (Europ. Wanderbilder. 30-32). Zürich 1888; Uri, Land und Leute. Altdorf 1902; Führer durch die Urner Alpen, verfasst vom Akadem. Alpen-Club Zürich, herausgeg. vom S. A. C. Bd 2. Zürich 1905; Wanner, M. Geschichte der Begründung des Gotthardunternehmens. Bern 1880; Wanner, M. Rückblick auf die Entstehung und den Bau der Gotthardbahn. Luzern o. J.; Wanner, M. Geschichte des Baues der Gotthardbahn.
Luzern 1885;
Egli, J. J. Zur Geschichte der Gotthardbahn (in Aus allen Weltteilen. 11);
Studer, B. Die Gotthardbahn (im Jahrbuch des S. A. C. 9);
Meyer von Knonau, Ger. Mittelalterlicher Handel und Verkehr über unsere Alpenpässe (im Jahrbuch des S. A. C. 36);
Spitteler, Carl. Der Gotthard.
Frauenfeld 1897. Touristische Artikel in den Bänden 5, 7, 8, 23, 28, 31, 33, 34 und 39 des Jahrbuches des S. A. C., am meisten in Band 7. Bechtle, Rich. Die Gotthardbahn; ihre Entstehung und Verwaltung, ihr Bau und Betrieb. Stuttgart 1895. - Rüegg, Heinrich. Die Wirkungen der Gotthardbahn. Leipzig 1891.
[Dr. Ed. Imhof.]