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Kaufmännisehen Verein eingerichtet und veranstaltet; 3. eine Handelsakademie zur Ausbildung von Handelslehrern und von höhern Beamten im Handels-, Bank-, Versicherungs- und Verwaltungswesen; 4. eine Verkehrsschule zur Ausbildung von künftigen Post-, Telegraphen-, Telephon-, Zoll- und Eisenbahnangestellten und -beamten. Diese Fachschulen sind unter den Auspizien und mit finanzieller Unterstützung des Kaufmännischen Direktoriums und der Bürgergemeinde ins Leben gerufen worden und erhalten auch kantonale und eidgenössische Subventionen. Rein privaten Charakter trägt dagegen das grosse und eines ausgezeichneten Rufes sich erfreuende internationale Erziehungsinstitut von Dr. Schmidt am Rosenberg, das 300 Schüler (meist Pensionäre) zählt und diese entweder auf den Uebertritt an Universität und Polytechnikum oder auf die Handelslaufbahn vorbereitet. Neben diesen zahlreichen Schul- und Bildungsanstalten fehlen in St. Gallen auch Museen und Bibliotheken nicht. In einem am Stadtpark stehenden eleganten Bau ist das Kunstmuseum untergebracht, das eine schätzenswerte Sammlung von etwa 250 Oelgemälden, Aquarellen und Zeichnungen schweizerischer und ausländischer Künstler enthält. Von St. Gallen sind u. a. vertreten J. J. Billwiller, Gottl. Bion, Jos. Geisser, Karl Arn. Gonzenbach, G. Gsell, Andr. R. Högger, Elisabeth Kelly, J. L. Rüdisühli, Luise Schlatter, Othmar Wetter, H. Ed. Berlepsch, Hedwig Kunkler, J. D. W. Hartmann. Ferner besitzt das Museum eine schöne Kupferstichsammlung, die ihm von den Erben des Karl Arn. Gonzenbach übergeben worden ist. Im gleichen Stockwerk ist auch noch das historische Museum untergebracht, das Waffen, Glasgemälde, alte Möbel und Trachten, schöne Truhen, interessante Schmucksachen, Reliefdarstellungen der ehemaligen Abtei und von St. Galler Burgen, Töpferwaren, Fahnen etc. enthält. Einige der ausgestellten Objekte stammen aus der Kriegsbeute der Burgunderkriege, und ein sehr seltenes Stück ist ein erst kürzlich erworbener prachtvoller gotischer Ofen. Das Erdgeschoss des Museumsgebäudes ist dem bedeutenden naturhistorischen Museum eingeräumt, dessen Sammlungen sehr gut geordnet sind. Es besitzt eine äusserst reichhaltige Kollektion der einheimischen Tiere, insbesondere der Säugetiere und Vögel. Von hohem Wert ist namentlich die Vogelsammlung des bekannten Ornithologen Dr. C. Stölker, die ebenfalls hier untergebracht und wohl die vollständigste Sammlung sämtlicher Schweizervögel ist. Diese Sammlungen leiden sehr unter der Raumnot, weshalb sie in naher Zukunft in ein neues Gebäude, für das ein Bauplatz bereits gesichert ist, übergeführt werden sollen. Vor wenigen Jahren hat die geographisch-kommerzielle Gesellschaft auch ein ethnographisches Museum gegründet, das schon einen beträchtlichen Umfang besitzt und sich durch Schenkungen und Ankauf beständig erweitert. Die nämliche Gesellschaft hält ferner eine reichhaltige Fachbibliothek zur Verfügung ihrer Mitglieder. Eine besondere Sehenswürdigkeit ist das Gewerbemuseum, das eine in ihrer Art einzig dastehende und sehr wertvolle Sammlung von Stickereien aller Länder und Zeiten (zum Teil Eigentum des St. Galler Geschäftsherrn Iklé) enthält und mit dem eine Bibliothek verbunden ist, die eine reiche Auswahl von Zeichnungsvorlagen zum Gebrauch für die Schüler der Stickereifachschule zur Verfügung hält. Von den beiden grossen öffentlichen Bibliotheken ist die ältere die Stiftsbibliothek, die bis in die Zeit der Gründung des Klosters hinaufreicht. Sie enthält zwar nur die bescheidene Zahl von etwa 30000 Bänden, ist aber hervorragend reich an Wiegendrucken (etwa 1500) und wertvollen Handschriften (über 1700) aus dem Mittelalter und bis ins 6. Jahrhundert zurück. Die zierlichen Texte und die reiche Illustration und Verzierung zeugen von dem grossen Fleiss und der Kunstfertigkeit der ehemaligen St. Galler Benediktinermönche. Von den aus der Zeit vor dem 10. Jahrhundert stammenden ältesten und wertvollsten Manuskripten nennen wir hier den Notker'schen Psalter, das Evangelium longum, das Psalterium aureum und den Casus monasterii S. Galli des durch Scheffel verherrlichten Mönches Ekkehard; aus dem 13. Jahrhundert stammt eine ebenfalls wertvolle Handschrift der Nibelungen. Die Stadtbibliothek oder Vadiana ist dadurch entstanden, dass der gelehrte Bürgermeister und Reformator Joachim von Watt oder Vadianus († 1551) seiner Vaterstadt seine Privatbibliothek vermachte, die aus etwa 2000 Bänden vorwiegend historischen und theologischen Inhaltes (durchweg in schönen und seither sehr selten gewordenen Ausgaben; etwa 400 Wiegendrucke) bestand. Die Bibliothek hat sich namentlich im 19. Jahrhundert rasch vergrössert und zählt heute an die 80000 Druckbände und 500 Handschriften. Unter diesen sind besonders bemerkenswert die Werke Vadians (meist historischen und geographischen Inhaltes), seine umfangreiche Korrespondenz mit einer grossen Zahl der berühmtesten Humanisten seiner Zeit, die Schriften seines Mitarbeiters Johannes Kessler, sowie zahlreiche Arbeiten und Abhandlungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert über St. Galler- und Schweizergeschichte überhaupt (so z. B. die Originalien verschiedener historischer Schriften über Bündnergeschichte von Bartholomäus Anhorn dem Vater). Unter den Drucksachen ist als bibliographische Seltenheit das Volksbuch von «Bruder Klaus» des Luzerners Hans Salat vom Jahr 1537 hervorzuheben, von dem ein zweites Exemplar nicht bekannt ist. Die heute in der Kantonsschule untergebrachte Vadiana wird ihre Räume an die Handelsakademie abtreten und bald in ein eigenes Gebäude übersiedeln, das gegenwärtig im Bau begriffen ist. Auch der Staat besitzt eine im Regierungsgebäude befindliche reichhaltige Bibliothek.
Es erscheinen in St. Gallen drei politische Tageszeitungen (je eine der freisinnigen, der katholisch-konservativen und der sozialdemokratischen Partei) und zwölf Wochen-, Halbmonats- oder Monatsschriften. Die gelehrten Gesellschaften (Historischer Verein, Gesellschaft für Naturwissenschaften, Aerztegesellschaft, Geographisch-kommerzielle Gesellschaft etc.) veröffentlichen Jahrbücher. Zwei Lesegesellschaften mit Lesezirkel (Museumsgesellschaft und Büschgesellschaft) und ein öffentlicher Lesesaal.
Gemeinnützige und wohltätige Anstalten und Gesellschaften.
An erster Stelle ist hier der Kantonsspital zu nennen, der inmitten einer ausgedehnten Gartenanlage steht und aus zwei grossen Krankenhäusern für innere und für chirurgische Krankheiten, einer Augenklinik, der Frauenklinik, drei Isolierpavillons und zahlreichen Nebengebäuden besteht und 450 Krankenbetten enthält.
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Gegenüber befindet sich der auf innere Krankheiten sich beschränkende Bürgerspital mit 48 Krankenbetten und einem Pfrundhaus und Bürgerasyl als Annexanstalten. Die Bürgergemeinde unterhält ferner noch zwei Waisenhäuser, während die Taubstummenanstalt am Rosenberg der Gesellschaft für Taubstummenerziehung gehört, aber ebenfalls Gemeindeunterstützung geniesst. Den jungen Mädchen wird eine besondere Fürsorge gewidmet: ein Rettungshaus, ein Heim für alleinstehende Mädchen, je ein katholisches (Mariaheim) und ein reformiertes Asyl (Marthaheim) für vorübergehend Arbeitslose. Katholische Anstalten sind das Lehrlingsheim und das Gesellenhaus, wo Lehrlinge und Arbeiter ihre freie Zeit in Gesellschaft zubringen können, während die reformierten Arbeiter die nämlichen Vorteile und Annehmlichkeiten im Vereinshaus finden. Drei Kinderhorte nehmen kleine Kinder auf, deren Eltern tagsüber von zu Hause abwesend sind. Drei Kleinkinderschulen nach Fröbel'schem System, wovon zwei von der Gemeinde und eine von einem Verein unterhalten werden. Zwei katholische Institute halten Wärter bezw. Wärterinnen zur Verfügung der Kranken. Eine Abteilung des Pflegerinneninstitutes befasst sich speziell mit der Pflege von Wöchnerinnen. Drei Volksküchen bieten gesunde und billige Nahrung. Das Schülerhaus nimmt von auswärts kommende Schüler der in St. Gallen bestehenden Schulanstalten in Pension, während ein ähnliches Pensionat für katholische Schüler im Stift besteht. Das neue städtische Arbeitsamt vermittelt Stellenlosen Arbeit und hat die früher überall in der Stadt zerstreuten Plazierungsbureaux ersetzt. Von den vier in der Stadt bestehenden Badanstalten geben zwei, die Rätia und Aquasana, Gelegenheit zu Sonnenbädern, während den Liebhabern des Schwimmens im Sommer die Weier bei Dreilinden auf dem Freudenberg zur Verfügung stehen. Von gemeinnützigen Einrichtungen ist noch zu nennen das vom Verkehrsverein von St. Gallen und Umgebung unterhaltene offizielle Verkehrsbureau, das von der Einwohnergemeinde (2000 Fr.), der Bürgergemeinde (600 Fr.), dem Kaufmännischen Direktorium (600 Fr.) und den Schweizerischen Bundesbahnen (800 Fr.), sowie von Geschäftshäusern, Banken etc. (etwa 3500 Fr.) subventioniert wird, unentgeltlich alle wünschbare Auskunft erteilt und durch seine intelligente Reklame Handel und Industrie von St. Gallen grosse Dienste leistet.
In einem frühern Abschnitt über Geselliges Leben haben wir bereits gezeigt, dass St. Gallen eine grosse Anzahl von von Vereinen unterhaltenen Alters-, Kranken- und Sterbekassen besitzt. Auch der für die Armenpflege bestimmten Fonds der Bürgergemeinde haben wir schon Erwähnung getan. Neben diesen Stiftungen und Instituten bestehen nun in St. Gallen noch einige weitere: Altherrstiftung (30000 Fr.) zur Aeufnung des Spitalfonds; Scheitlinstiftung (50000 Fr.), deren Zinsen zunächst zum Kapital geschlagen werden, bis dieses auf 100000 Fr. angewachsen ist, und dann je zur Hälfte in die Kasse der Arbeitskommission fallen und an bedürftige Kranke verteilt werden sollen; das Legat Zwicker (25000 Fr.), ebenfalls zu Gunsten bedürftiger Kranker; Halderstiftung (364000 Fr.) zum Unterhalt einer Anzahl Greise im Pfrundhaus; Broderstiftung, von deren ursprünglich 70000 Fr. betragendem Kapital 20000 Fr. für die Erstellung des Broderbrunnens auf dem Lindenplatz verwendet worden sind, während die bleibenden 50000 Fr. der Armenunterstützung dienen. Vom Zentralverein der Stickereiindustriellen, der seinen Sitz in St. Gallen hat, sich aber über das ganze Stickereigebiet ausdehnt, ist 1894 ein Fonds zur Gründung und zum Unterhalt von Stickereifachschulen gestiftet worden, der vom Bund, den Kantonen St. Gallen, Appenzell, Thurgau und Zürich, sowie von Gemeinden, Korporationen und Privaten Subventionen erhält.
Zu erwähnen bleiben endlich noch die verschiedenen Fonds der katholischen Verwaltung, deren Erträgnisse neben der Stadt St. Gallen auch noch dem ganzen Bistum zu Gute kommen. Der allgemeine Fonds, der über ein Kapital von 661858 Fr. verfügt, bestreitet die Kosten der Verwaltung, der Neubauten, des Unterhaltes von bestehenden Gebäuden etc. und unterstützt die Spezialfonds, wenn diese ihren Verpflichtungen nicht nachzukommen vermögen. Am 31. Dezember 1904 hatten die Spezialfonds folgenden Vermögensbestand:
Fr. | |
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Schulfonds | 978621 |
Bibliotheksfonds | 90030 |
Kirchenhilfsfonds | 113439 |
Fonds zur Erziehung von jungen Mädchen | 34326 |
Bistumsfonds | 391222 |
Kultusfonds für den Dom | 403068 |
Seminarfonds | 156494 |
Fonds für das Erholungshaus Thurhof | 188867 |
Hilfsfonds für Weltgeistliche | 286485 |
Baufonds für eine neue kathol. Kirche in St. Gallen | 558553 |
Aus der Verwendung des Zinsertrages dieser Kapitalien wollen wir nur einige wenige Zahlen (für 1904) herausheben: katholische Realschule und Pensionat Fr. 59927 Ausgaben und Fr. 23043 Einnahmen; Stiftsbibliothek Fr. 1642 (für Ankauf und Einband von Büchern); Priesterseminar St. Georgen Fr. 14370 Ausgaben; Unterstützungen an verschiedene Kirchgemeinden im Kanton Fr. 4400; Unterstützungen an bedürftige oder kranke Weltgeistliche Fr. 5863; Erholungshaus Thurhof Fr. 33634 Ausgaben Kosten für den Unterhalt und die kirchlichen Funktionen am Dom (Messgewänder, Kerzen, Musik, Organisten, Kirchendiener etc.) Fr. 17224, Pfründen der 5 Domherren Fr. 15500, Besoldungen der 6 Vikare Fr. 8200, Ausgaben für die bischöfliche Hofhaltung Fr. 12000.
Geschichtliche Entwicklung.
Nachdem sich die vom irländischen Glaubensboten Gallus um 614 am Ufer der Steinach erbaute Zelle nach und nach zu einem Kloster ausgewachsen hatte, dessen ausgedehnter Landbesitz der Urbarisierung harrte, zogen das persönliche Interesse und das in jenen unsicheren Zeiten sich fühlbar machende Bedürfnis nach Schutz vor Uebergriffen eine ganze Anzahl von Ansiedlern (Landarbeiter, Viehknechte, Handwerker, Angestellte etc.) an, die sich in der Nähe der Abtei niederliessen. Die neue Ansiedlung blieb lange Zeit wenig bedeutend, doch gab die von Bischof Salomon von Konstanz 898 erbaute St. Magnuskirche auf dem Irenhügel die Richtung, in der sich nun allmählig die Stadt ausdehnte. Die nach dem Einfall der Hunnen im 10. Jahrhundert errichtete erste Stadtmauer schloss zwar den Irenhügel mit St. Magnus noch aus, doch wurde dieser 1422 in eine bis zum Rosenberg hinüberreichende zweite Befestigung mit eingeschlossen. 1288 entstand der Heiliggeistspital und das St. Katharinenkloster und etwas später der Linsebühlspital. Um sich mit mehr Musse der Verwaltung ihrer ausgedehnten Besitzungen widmen zu können, zogen sich die Mönche vom Pfarrdienst der jungen Stadt zurück, indem sie zugleich die St. Laurenzenkirche (1225 zum erstenmal genannt) und mehrere Kapellen (St. Peter, St. Fiden, St. Leonhard, St. Georgen) erbauten, die sie von Weltgeistlichen bedienen liessen. Obwohl durch dieses Vorgehen die die Stadt mit dem Kloster verknüpfenden Bande gelockert wurden, standen die Bewohner nach wie vor unter der immer strenger werdenden weltlichen Herrschaft der zu grosser Macht gelangten Abtei. Es zeigte sich daher in der Stadt schon frühzeitig das Bestreben, sich durch Erlangung von grösseren Rechten und durch