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Reste von Moränen finden sich auch auf der gegenüberliegenden Thalseite (am Rossbühl, am Hang der Solitude etc.). Die miozäne Nagelfluh ist in den tiefen Wildbachschluchten (Urnäsch, Sitter, Mühlenen etc.) angeschnitten und blossgelegt und erscheint an der S.-Flanke der Isoklinalhügel (Freudenberg, Bernegg) in der Gestalt von senkrechten und oft sogar überhängenden Felswänden, während sie an der N.-Flanke stark geneigte Hänge bildet. Da und dort (besonders am Kubel) sticht auch der Sandstein unter der Pflanzendecke hervor und bildet an den Stellen, wo er mit Mergelschichten wechsellagert, vorspringende Rippen und Gesimse, unter und über denen der der Verwitterung weniger Widerstand leistende Mergel stärker erodiert morden ist.
Ein kleiner Wildbach, die mit mehreren Quellarmen im Steineggwald entspringende Steinach, durchfliesst den Wenigerweier, den Rütiweier und die Ortschaft St. Georgen, bildet die malerische Schlucht «in den Mühlenen», treibt Fabrikanlagen und geht als gedeckter Kanal unter St. Gallen durch, wo sie den ebenfalls zugedeckten Irenbach erhält. Stadt und Vororte bedecken die ganze Thalsohle und reichen mit ihrem regelmässig angelegten, prächtigen Villenkranz und den schönen Gartenanlagen bis an die Bergflanken hinauf. Im NO., NW. und zum Teil auch im S. schliessen sich der Stadt unmittelbar an die städtisch gebauten Vororte und Quartiere St. Fiden, Buchenthal, Heiligkreuz, Langgasse, Vonwil, Lachen, Schönenwegen und St. Georgen. Das Ganze bildet zusammen ein imposantes Häusermeer, das von den umliegenden Anhöhen her gesehen einen überraschenden Anblick bietet.
Schade ist nur, dass der Stadt ein grösserer Flusslauf oder ein See fehlen, doch entfaltet sich schon in den an den Höhen aufsteigenden Stadtteilen ein sehr schönes Panorama der Bodenseelandschaft und der Appenzellerberge. Die erstgenannten Vorstädte mit St. Georgen gehören zum Bezirk und zur Gemeinde Tablat, die übrigen zur Gemeinde Straubenzell im Bezirk Gossau. Bezirk und Gemeinde St. Gallen haben ein Areal von 377,35 ha; darin liegt der zum Bezirk Tablat gehörende Stiftseinfang (die ehemalige Abtei St. Gallen mit ihren Höfen und Bauten) mit einem Umfang von 750 m und einer Fläche von 3,07 ha. Die Stadtgemeinde grenzt nach N., O. und S. auf eine Länge von 5616 m an Gemeinde und Bezirk Tablat und im SW. und W. auf eine Länge von 2620 m an die Gemeinde Straubenzell und den Bezirk Gossau. Nimmt man das ganze Ortschaftsbild zusammen, so steht es demjenigen von Lausanne kaum nach. Im Gebiete der Stadt finden wir an den obern Abhängen der beiden Höhenzüge auch noch üppiges Wiesen- und Obstbaumgelände, das aber wohl bald ebenfalls überbaut sein wird.
Stadtentwicklung und Bauten.
Der baulichen Erweiterung der Stadt in neuerer Zeit fielen die alten Mauern und Türme zum Opfer, und an die Stelle der Stadtgräben traten Gärten und eine rings um die innere Stadt führende Strasse. Im letzten Jahrzehnt hat die Ueberbauung der beiden Berghänge grosse Fortschritte gemacht und speziell der sonnige und in einen Obstbaumwald gehüllte Rosenberg hat sich nach einem zweckmässigen Bauplan zum prächtigen Villenquartier entwickelt. Während die hauten der letzten Periode den modernen Anschauungen gerecht zu werden suchen und ein buntes, abwechslungsvolles Bild darbieten, sieht man in der Altstadt noch manch' ansehnliches Bürgerhaus aus früherer Zeit, oft mit reich geschnitztem und künstlerisch bemerkenswertem Erker geziert: Zollikofer'sches Familienhaus zur Waage (jetzt ersetzt durch das Konsumvereinshaus), Vadianshaus (in der Hinterlaube) mit Inschrift, Haus Gallusstrasse 22, zum Pelikan (Schmidgasse 15), zum Kamel (Marktplatz 22), zum Schwan (Kugelgasse 8 und 10) u. a. Die bauliche Entwicklung hat bereits eine derartige Ausdehnung genommen, dass die Stadt mit den beiden Aussengemeinden im O. und W., Tablat und Straubenzell, ein völlig zusammenhängendes Ganzes bildet; dies ist auch in geschäftlicher Beziehung der Fall, und es weist das Hochthal an der Steinach heute eine Gesamtbevölkerung von 60000 Ew. auf. Da Stadt und Kloster ein geographisches Ganzes bilden, geboren sie auch bei der topographischen Beschreibung zusammen.
Die vormalige Klosterkirche der Abtei und heutige bischöfliche Kathedrale ist durch den italienischen Architekten Bagnato 1756-1767 im Rokokostil neu aufgeführt worden und bildet mit ihren zwei Türmen unstreitig das sehenswerteste Gebäude St. Gallens und wohl eines der schönsten Gotteshäuser der Schweiz überhaupt. Sie enthält prachtvolle Freskogemälde von Moretto, ein wunderschönes Gemälde über dem Hauptchor (die Anbetung des Jesuskindes darstellend), kunstvoll geschnitzte Chor- und Beichtstühle, ein monumentales Chorgitter aus ¶
Historischer Plan von Sankt-Gallen
Lief. 168.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 7° 10’ O; 47° 25’ N; 1:15000]
Gebiet des Klosters St. Gallen seit dem IX. Jahrh.
█ St. Gallen im X. Jahrh.
▓ St. Gallen vom X. Jahrh. -1545
▒ St. Gallen vom 1545-1830
▒ St. Gallen vom 1830-1863
░ St. Gallen vom 1863-1905
▬ Befestigung im X. Jahrh.
▬ Befestigung im XV. Jahrh.
S. = Schule
H. = Hotel
K. = Kirche
MCE. BOREL & CIE.
V. Attinger. sc.
HISTORISCHER PLAN VON SANKT-GALLEN ¶
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Schmiedeeisen, eine treffliche Orgel, einen namentlich an Goldschmiedearbeiten reichen Kirchenschatz etc. Eine Hauptzierde bilden auch die Reliefarbeiten in Stuck des Bildhauers Wenzinger. Sie ist bis jetzt die einzige katholische Pfarrkirche der Stadt, wird aber in Bälde durch eine im W. der Stadt im Bau begriffene zweite Kirche entlastet werden. An die Kathedrale ist angebaut die Residenz des Bischofes und das Gebäude mit den Wohnungen der Domherren und der Dompfarrgeistlichkeit.
Daran schliessen sich die früheren Klosterbauten, worin jetzt die altberühmte Stiftsbibliothek (mit prachtvollem Saal in Rokokostil), das Pensionat der Studierenden katholischer Konfession, die kathol. Kantonsrealschule, die höhere Töchterschule und der katholische Administrationsrat (d. h. die Verwaltung der ehemaligen Stiftsgüter) untergebracht sind. An diese ehemaligen Stiftsgebäude und ihre inneren Höfe reiht sich der grosse äussere Klosterhof an, der vom Regierungsgebäude, dem ehemaligen Zeughaus, dem frühern katholischen Primarschulhaus und der geschmackvoll gebauten kathol. Kinderkapelle (mit schönem Altarbild von Deschwanden) umschlossen wird. Oestl. vom Regierungsgebäude befindet sich das Karlstor (s. den Art Abtei St. Gallen) mit einem prachtvollen Bildhauerkunstwerk und dem alten Archivturm.
Der grosse öffentliche Platz zwischen Kathedrale und Regierungsgebäude wird gegen den Stadtbezirk durch Ketten abgegrenzt. In dem grossartigen Regierungsgebäude, dem ehemaligen Sitz der fürstäbtischen Staatsverwaltung, ist neben dem schön restaurierten Grossratssaal sehenswert das Schöll'sche Relief der Kantone St. Gallen und Appenzell und befinden sich ausser den Sitzungssälen des Grossen Rates, des Regierungsrates und des Kantonsgerichtes noch die Bureaux der obersten Verwaltungsbehörden, sowie das Staatsarchiv, das Stiftsarchiv (gemeinsames Eigentum des Staates und der katholischen Korporation) und das Archiv des aufgehobenen Klosters Pfäfers. Alle die Bauten und Plätze des zur politischen Gemeinde Tablat gehörenden Stiftseinfanges werden unter dem Namen der Pfalz (s. diesen Art.) zusammengefasst.
Im eigentlichen Stadtgebiet ist als Sehenswürdigkeit in erster Linie zu nennen die w. der Pfalz stehende reformierte Hauptkirche zu St. Laurenzen, ein gotischer Bau, der nach dem grundlegenden Plan des genialen Architekten J. G. Müller von Wil 1850-1854 restauriert wurde und 1856 seine Orgel erhielt. Die zweite reformierte Stadtkirche, die alte St. Magnuskirche, stammt aus dem 9. Jahrhundert und ist in den Jahren 1833-1839 restauriert worden (vergl. Pestalozzi, Pfarrer. Die St. Magnuskirche in St. Gallen während 1000 Jahren: 898-1898). Dem reformierten Gottesdienst dienen ferner noch zwei neue, ausserhalb der eigentlichen Stadt stehende Gotteshäuser, die St. Leonhardskirche und die Kirche im Linsebühlquartier, jene im frühgotischen und diese im italienischen Renaissancestil gehalten.
Im Innern der Stadt wurde durch den Abbruch des alten Rathauses, des Schlachthauses und des Gasthauses zum Bären, unter welch' letzterem die sog. Libetbänke (d. h. die Verkaufshalle für den früher berühmten Leinwandhandel) waren, Raum gewonnen zur Vergrösserung des Marktplatzes und zur Schaffung einer hübschen Anlage mit Ruhebänken. Hier steht die meteorologische Säule und ist 1904 dem Bürgermeister Watt (Vadianus) ein Denkmal, eine kraftvolle Schöpfung des Bildhauers Richard Kissling, errichtet worden.
Den Marktplatz umrahmen der altrenommierte Gasthof zum Hecht, das Theater, das ansehnliche Zunfthaus zum Notveststein (heute durch ein Bankhaus ersetzt), die Postfiliale der innern Stadt (mit städtischem Polizeiamt) und das stattliche Gebäude der Museums- (Lese-) Gesellschaft (mit schöner Auswahl von Zeitschriften und reicher Bibliothek). Andere monumentale Neubauten im Innern der Stadt finden sich in der Multergasse, Neugasse, Speisergasse etc. Ein altehrwürdiges Gebäude ist die alte Post, seit 1868 Stadthaus (Sitz der Ortsbürgerverwaltung), wo auch die ethnographischen und kartographischen Sammlungen der ostschweizerischen geographisch-kommerziellen Gesellschaft aufbewahrt werden.
Sehenswert ist der Kreuzgang des ehemaligen St. Katharinenklosters, der sich an die dem französischen reformierten Gottesdienst eingeräumte Kirche gleichen Namens anlehnt. Ein hübsches Gebäude aus der Uebergangszeit ist das ehemalige Karrer'sche Haus, das jetzt das Kaufmännische Direktorium der Stadt St. Gallen beherbergt. Ebenfalls aus der neueren Uebergangszeit stammt der schmucke Bau der «Bank in St. Gallen». Ein grossartiges Restaurationswerk der Neuzeit in der Altstadt St. Gallen bildet die Ueberwölbung und Eindeckung der Steinach vom Austritt aus ihrer romantischen Felsenschlucht bis zu ihrem Uebertritt auf den Bezirk Tablat und die Umwandlung des ehemaligen winkeligen Stadtviertels Lämmlisbrunnen in ein offenes und gesundes Quartier mit hübschen Neubauten.
Die neuen Quartiere der Stadt unterscheiden sich von der Altstadt auf den ersten Blick durch ihre regelmässigen Strassenzüge und sind mit ihren zahlreichen öffentlichen Bauten das Werk der letzten vier Dezennien. Die Bauentwicklung im W.- und NO.-Quartier greift ein halbes Jahrhundert zurück. An die drei hübschen neuen Häuserreihen vor dem Lindenplatz schloss sich bald nach Eröffnung der Bahnlinie das Simon'sche Quartier an, ¶