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und mit dem Nebenbau durch einen gedeckten Gang verbundene Hauptgebäude enthält die Wohnräume der Mönche, die für die armen und die vermöglichen Durchreisenden bestimmten Esssäle und Schlafzimmer, die Bibliothek und die Klosterkirche. Die Bibliothek enthält nahezu 13000 Bände, ein Münzkabinet, entomologische und mineralogische Sammlungen, sowie keltische und römische Altertümer, so besonders die auf dem Plan de Jupiter gefundenen Gegenstände. In der 1678 neu erbauten und 1686 geweihten Kirche befinden sich Fresken, geschnitzte Chorstühle von grossem Wert, eine Orgel und das aus weissem Marmor bestehende Denkmal zu Ehren des in der Schlacht bei Marengo am gefallenen französischen Generals Desaix. Am Eingang zum grossen Esssaal sieht man das von der Republik Wallis 1804 zu Ehren Napoleons I. errichtete Denkmal, eine Platte aus schwarzem Marmor, die folgende Inschrift trägt: Napoleoni Primo Francorum Imperatori, semper optimo, Reipublicae Valesianae Restauratori, semper Augusto, Aegyptiaco, bis Italico, semper invicto, In monte Jovis et Sempronii semper memorando Respublica Valesiae grata. 11 Decembris Anno MDCCCIV. Im Hauptgebäude ist ferner das 1835 eingerichtete Post- und Telegraphenbureau untergebracht, dem man 1886 auch noch eine mit der Cantine de Proz verbundene Telephonsprechstation angefügt hat.
Der Postdienst mit Martinach wird im Sommer durch einen wöchentlich 1-3 mal verkehrenden Postwagenkurs und im Winter wöchentlich dreimal durch einen Postboten («pédon» genannt) besorgt. Neben den drei eben genannten Hauptgebäuden stehen auf der Passhöhe des Grossen St. Bernhard noch die gegenwärtig für die Touristen geschlossene Morgue oder Leichenhalle, wo die hier lange Zeit der Verwesung widerstehenden Körper der am Weg verunglückten und von ihren Familien nicht reklamierten Wanderer aufbewahrt werden, und ein kleiner Gasthof für die Fuhrleute, der von den Einwohnern der Gemeinde Bourg Saint Pierre zur Erleichterung des Warentransportes als Sust errichtet worden und vom Hospiz vollständig unabhängig ist.
Nahe dem Hospiz liegt auf der s. Abdachung des Passes ein einsamer kleiner See (2446 m), der 320 m lang, 200 m breit und im Maximum 12 m tief ist. Gegen das untere Ende dieses Lacus Penus der Peutingerschen Tafel geht an der «La Fontaine Couverte» genannten Stelle die Landesgrenze gegen Italien durch, die einst durch zwei Steinsäulen markiert war, während hier heute zwei Grenzsteine stehen, die die Jahreszahlen 1600 und 1755, sowie auf der einen Seite das Wappen Savoyens und auf der andern Seite die sieben Sterne der einstigen Republik Wallis und den Krummstab und das Schwert des Bischofes von Sitten tragen.
Neben dem See befindet sich der sog. Plan de Jupiter, eine kleine Ebene, auf der zur Römerzeit ein Schutzhaus oder Hospizium und ein Tempel standen. Diese Stelle ist seit 1760 durch die Mönche auf dem Grossen St. Bernhard und durch Archäologen, in neuester Zeit auch mit finanzieller Beihilfe der italienischen Regierung, gründlich nach Altertümern durchsucht worden. Hier stehen auch ein von den Brüdern Lenti aus Aosta 1816 errichtetes grosses Steinkreuz mit der Inschrift Deo optimo maximo und eine hohe Bronzestatue auf steinernem Sockel, die den h. Bernhard mit dem Drachen darstellt und 1905 eingeweiht worden ist.
Etwas tiefer unten geht die Strasse durch einen künstlich erweiterten Engpass, der ursprünglich auf eine Länge von 60 m blos 3,6 m breit war. Von der von den Römern über den Berg gebauten alten Strasse sind an manchen Stellen noch wohl erhaltene Reste sichtbar. Das von Papst Leo IX. anlässlich seines Ueberganges über den Grossen St. Bernhard 1049 erwähnte ostiolum Montis Jovis oder die Zollstätte auf dem Jupiterberg, die in der Geschichte des Passweges vielfach eine bedeutende Rolle gespielt hat, stand wahrscheinlich auf dem Plan de Jupiter.
Eine besondere Erwähnung verdienen auch die prächtigen Hunde, die das Kloster auf dem Grossen St. Bernhard seit langer Zeit züchtet. Man darf als ziemlich sicher annehmen, dass diese Hunderasse schon seit den ältesten Zeiten in allen gebirgigen Gegenden der Schweiz (Wallis, Waadt, Bern, Freiburg, Ostschweiz) verbreitet war und ganz besonders in den verschiedenen Berghospizien und Schutzhäusern gezüchtet worden ist, wo die intelligenten Tiere sich vielfach als wirkliche Helfer in der Not bewährten.
Durch fortgesetzte Anpassung und Vererbung haben sich dann im Laufe der Zeit die in den Hospizien gezüchteten Vertreter dieser Rasse zu den von ihnen verlangten Dienst- und Hilfeleistungen immer geeigneter erwiesen. Die bekannte Erzählung, dass der letzte männliche Vertreter der Rasse vor einigen Jahren gestorben sei und dass die jetzigen Hunde auf dem Grossen St. Bernhard blos noch die Ergebnisse einer Kreuzung seien, entbehrt jeder sachlichen Begründung. Die Hunde werden hier oben schon seit zwei oder drei Jahrhunderten benutzt und von den Mönchen zu den ihnen obliegenden Verrichtungen sorgfältig erzogen und abgerichtet. Die Ueberlieferung will, dass die Rasse des heute über die ganze Welt verbreiteten St. Bernhardshundes aus der ¶
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Kreuzung einer weiblichen dänischen Dogge mit einem pyrenäischen Mastiff hervorgegangen sei. Zu bemerken ist, dass die ihrem natürlichen Milieu entrückten Hunde dieser Rasse oft zu Grunde gehen oder aber zum mindesten nach und nach die auszeichnenden Eigenschaften ihrer Art verlieren. Von jeher bestand die Aufgabe dieser nützlichen Helfer auf dem Grossen St. Bernhard darin, dass im Winter jeden Tag je ein Paar (und zwar ein älterer Hund mit einem jüngeren zusammen) in Begleitung eines Mönches oder eines Knechtes sowohl gegen die italienische Seite des Passes als auch in der Richtung der Cantine de Proz ausgesandt wurde, um nach verirrten oder erschöpften Reisenden zu suchen.
Heute machen sie sich nur dann auf den Weg, wenn telephonisch angezeigt worden ist, dass Reisende die italienische oder die schweizerische Cantine passiert haben und von da auf dem Weg über den Pass sind. Die Tiere finden auch bei tiefem Schnee stets die richtige Spur und leiten Mönche, Knechte und Reisende auf den einzig möglichen Weg. Die jungen Hunde machen ihre Lehre in Begleitung der Knechte und kommen ziemlich rasch dazu, ihre Aufgabe zu verstehen und sie befriedigend zu lösen. Obwohl die telephonische Verbindung des Hospizes mit den Schutzhäusern an beiden Abdachungen des Passes heute die Anzahl der Unfälle ziemlich vermindert hat, sind doch die Hunde im Winter immer noch unentbehrlich. Nähere Auskunft erteilt das vom St. Bernhardsklub in München 1894 herausgegebene Bernhardiner-Stammbuch.
Ueber die innere Organisation des Klosters und die Berufstätigkeit seiner Ordensleute gibt uns F. O. Wolf (nach Mitteilungen des Domherrn Bourgeois, Prior auf dem Grossen St. Bernhard) folgende Auskunft: Das Hospizium auf dem Grossen St. Bernhard, wie auch die Schwesteranstalt auf dem Simplon werden von den Chorherren (heute etwa 50), welche die Regel des h. Augustinus befolgen, verwaltet; sie stehen unter einem Propst, welcher das Recht hat, Stab und Inful zu tragen und der gewöhnlich in Martinach residiert.
Die unmittelbare Leitung des Innern aber ist einem Prior anvertraut, welcher im Kloster selbst wohnt. Die übrigen Würdenträger der Kongregation sind der «Infirmier», dem die Krankenpflege obliegt, und der «Clavendier» und «Éléemosinaire», welch' beide die Reisenden zu empfangen und zu verpflegen haben. Der Novizenmeister (père-maître) und die Professoren widmen sich der Bildung und Erziehung der neu eintretenden Brüder. Nur kräftige Jünglinge, welche jedoch die niedern Gymnasialstudien vollendet haben müssen, werden als Novizen aufgenommen; die philosophischen und theologischen Studien werden im Kloster gemacht.
Nach 10-15, höchst selten nach 20 Jahren Aufenthalt auf dem rauhen, unwirtlichen Berge werden die noch rüstigen Klostergeistlichen (die meisten erliegen sehr jung den nachteiligen Einflüssen des Klimas) zur Verwaltung einiger Pfarreien im Wallis, welche Beneficium des Klosters sind, verwendet; die Kränklichen und Altersschwachen beziehen das Zufluchtshaus, welches der Orden im milderen Martinach besitzt. Die Ausübung einer nie ermüdenden Gastfreundschaft gegen Jedermann, ohne Unterschied der Nationalität, des Standes, noch des Glaubens, ist die Lebensaufgabe der Bernhardinermönche.
Jedes Jahr zählt man 20000-22000 Reisende, die den Pass überschreiten und im Kloster vollständig kostenlos verpflegt werden. Das Hospizium ist in erster Linie für die armen Reisenden gestiftet, und da die Einkünfte des Klosters heute nur noch sehr beschränkte sind, ist es Ehrensache der Vergnügungsreisenden, mindestens den ungefähren Gasthofpreis des Genossenen in den Armenstock zu legen. Während des Winters, der hier oben beinahe neun lange Monate währt, steigen jeden Tag zwei Knechte, «Marronniers» genannt, mit den klugen Hunden bis zu den nächstgelegenen Zufluchtshäusern hinunter.
Auf der Walliser Seite beträgt die Entfernung dahin eine Stunde und auf dem italienischen Abhang 40 Minuten. Bei frischem Schneefall und stürmischem Wetter aber braucht man, abgesehen von der Lawinengefahr, unendlich mehr Zeit hiezu, und alsdann werden die Marronniers von den Klostergeistlichen begleitet. Nicht selten findet man auf dem Wege Reisende mit erfrorenen Gliedern. Diese Bedauernswürdigen werden immer im Kloster bis zu ihrer völligen Wiederherstellung gepflegt; nur solche, an denen Amputationen vorgenommen werden müssen, transportiert man in den Spital nach Aosta. Sollten die Armen hier oben ihren Leiden erliegen, so werden sie gleich denen, welche auf der Reise vom Tod überrascht werden, in der Morgue nach katholischem Ritus beigesetzt.
Das Gebiet des Grossen St. Bernhard hat eine reiche Flora. Es ist seit beinahe einem Jahrhundert fleissig erforscht worden, denn die Chorherren vom St. Bernhard beschäftigen sich seit Murith's Zeiten mit dem Studium der verschiedenen Naturwissenschaften, vorzüglich aber mit Botanik, und standen fortwährend in geistigem Verkehr mit den berühmtesten Fachgelehrten. Neben den allgemein verbreiteten alpinen Arten finden wir hier oben auch noch eine Reihe von Seltenheiten, von denen wir folgende besonders namhaft machen: Barbaraea intermedia, Hugueninia tanacetifolia, Sagina glabra, Meum athamanticum, Chaerophyllum hirsutum var. elegans;
zahlreiche seltene Habichtskräuter, wie Hieracium tendinum, H. subrubens, H. glaciellum, H. Faurei, H. hybridum, H. pyrrhantes, H. corymbuliferum, H. Smithii, H. fuliginatum, H. Murithianum, H. graniticum, H. ochroleucum, H. doronicifolium, H. brassicoides etc.;
viele Alchimillen und manche Arten von Läusekraut, (besonders am italienischen Hang des Passes), wie Pedi- ¶