Um diese Zeit bildete das Pfarrhaus den ersten und lange einzigen Gasthof zur Beherbergung von Fremden und Kurgästen. 1875 entstand
das Kurhaus, worauf der
Ort dank seinem vorzüglichen Klima sich immer mehr zu einer der beliebtesten Sommerfrischen und Kurorte
des
Oberlandes entwickelte. Eine ganze Reihe von zum Teil für den Winterbetrieb eingerichteten Pensionen
bietet heute 1500 Kurgästen bequem Raum. Einen neuen Aufschwung nahm der Kurort durch die Anfangs der 80er Jahre erfolgte
Vollendung der Strasse
Interlaken-Merligen und die 1883 eröffnete Drahtseilbahn
Beatenbucht-Beatenberg.
Diese 1700 m lange Bahnlinie überwindet von der Seestation (566 m) bis zur Bergstation (1123 m) einen Höhenunterschied
von 557 m, hat eine durchschnittliche Steigung von 34,5% (Minimum 28%, Maximum 40%) und eine Fahrzeit von 15 Minuten. Im
Winter ist der Betrieb eingestellt. Trotz der Zunahme des Fremdenverkehrs auf
St. Beatenberg hat die dortige Bevölkerung
sich ihre Eigenart noch wohl zu bewahren gewusst. Die fleissige, wenn auch mühselige Bewirtschaftung
der am steilen Berghang liegenden Grundstücke, sowie die Viehzucht, welche im Sommer einen Teil der Bewohner auf den höher
gelegenen Alpweiden beschäftigt, sind heute noch die Haupterwerbszweige der Leute von
St. Beatenberg. Diese, ein kräftiger
Schlag, verbinden den oberländischen Typus mit demjenigen des
Emmenthales. Die Frauen tragen zu ihrer
allerdings immer seltener werdenden Landestracht noch heute die im übrigen
Oberland fast verschwundene Spitzenhaube. Bemerkenswert
ist die auffallend geringe Sterblichkeit der Bewohner, ein sicherer Beweis für die gesunde Lage des
Ortes. Vergl. Dummermuth,
G.
St. Beatenbergund seine Drahtseilbahn.Bern
und
Biel 1890.
am obern Ende des
Thunersees an der Stelle gelegen, wo die von
St. Beatenberg herabkommende Strasse das Seeufer verlässt,
um ins
Bödeli einzutreten. 500 m w. davon entspringt über der Strasse eine starke Quelle, der sog.
GelbeBrunnen, die aus
einer
Höhle am
Burgfeld (über
St. Beatenberg) herkommen muss und deren
Wasser als Heilmittel gegen Hautkrankheiten
angewendet wurde.
Beatushœhle(Kt. Bern,
Amtsbez. Interlaken,
Gem.
St. Beatenberg). 687 m. Doppelhöhle, am Fuss der senkrecht abstürzenden
Balmfluh
und 120 m über dem rechten Ufer des
Thunersees, von der 60 m tiefer gelegenen Strasse
Interlaken-Merligen
her in 5 Minuten zu erreichen; 3 km ö. der Dampfschiffstation
Beatenbucht und 5 km w. vom Bahnhof
Interlaken. Obwohl der Zugang
durch
Wald verdeckt ist, lässt sich doch die Lage der
Höhle vom
See und vom jenseitigen Ufer aus durch den in den
See sich
stürzendenWasserfall des ihr entströmenden Beatenbaches und durch das etwas unterhalb gelegene Schlösschen
Leerau deutlich erkennen.
Die grössere der beiden
Höhlen ist ein tunnelartiger
Stollen, der am Eingang etwa 10 m hoch und 5 m breit ist und aus dem
der wasserreiche Beatenbach in mehreren Adern hervorrauscht, um sich nach kurzem malerischen
Lauf den
Wald hinunter über eine senkrechte Felswand in den
See zu stürzen. 1904 hat man diese
Höhle durch eine bequeme, sichere und
elektrisch beleuchtete Weganlage zugänglich gemacht, wodurch sie mit ihren
Schluchten,
Kesseln, Erosionsgängen, Gletschermühlen
und abenteuerlichen Tropfsteingebilden zu einer Sehenswürdigkeit ersten Ranges geworden ist.
Die ganze Anlage wurde von einer Aktiengesellschaft mit Sitz in
Interlaken erstellt, die die
Höhle noch
tiefer hinein zu erschliessen gedenkt. Rechts von dieser
Höhle und 4 m höher als sie liegt die kleinere
Höhle, auch die
«trockene» genannt, die 8 m tief, 10 m breit und 2-2,5 m hoch ist und deren
hintere Hälfte von der vorderen durch eine mauerartige Felswand getrennt wird. Von der
Höhle aus bietet
sich ein schöner Blick auf den
Niesen. Bei der Bachgrotte sind noch Reste von zwei starken
Bogen sichtbar, die einst den Bach
überspannten. In der kleineren
Höhle wurde am ein in denFelsen gehauenes
Grab mit menschlichen
Skelettresten entdeckt.
Etwa 70 m unterhalb der
Grotte sind noch Mauerreste einer 1530 zerstörten Pilgerherberge vorhanden. Diese Mauerspuren bei
und in der
Höhle sind die
letzten Ueberreste des berühmten Heiligtums, das diesen
Ort während des Mittelalters zu einem
vielbesuchten Wallfahrtsort machte. Nach der Legende soll die trockene
Höhle der Aufenthaltsort des h.
Beatus gewesen sein, der einen hier hausenden Drachen vertrieb und sich dann mit einem Gefährten an dieser Stelle niederliess.
Beatus, ein britannischer Edelmann, soll durch Barnabas, den Begleiter des Paulus, getauft und als Glaubensbote nach Helvetien
gesandt worden sein. Er starb nach der Legende 112 und soll dann in der von ihm bewohnten
Höhle begraben
worden sein. Wenn auch diese Ueberlieferung vor der geschichtlichen Prüfung nicht stand hält, so ist doch als sicher anzunehmen,
dass einst an dieser Stätte, wenn auch erst in späterer Zeit, ein heiliger Mann lebte, wirkte und starb und
dass von hier aus die Christianisierung der Gegend begonnen wurde.
Zum erstenmal erscheint die Kirche zu St. Beat im Jahr 1231. Sie umfasste nur den mittlern Teil der gegenwärtigen Kirchgemeinde,
indem die westl.
Weiler nach
Sigriswil und die ostwärts gelegenen nach
Goldswil gehörten. 1263 vergabte Walther von
Eschenbach
das halbe Patronatsrecht dem Kloster
Interlaken. Schon im 14. Jahrhundert war die Kirche bei der Beatenhöhle
ein vielbesuchter Wallfahrtsort, und 1439 fand von
Bern aus ein vom
Rat veranstalteter Bittgang zur Abwendung der Pest dahin
statt. 1511 besuchte und beschrieb der Barfüsser Agricola das Gotteshaus, das sich an die
Höhle anlehnte, wie
dies noch jetzt die Mauerreste erkennen lassen.
Die Reformation machte dem Heiligtum und der Wallfahrt dorthin ein Ende. Am befahl der
Rat, die
Höhle zuzumauern,
und am wurde der Abbruch der Kirche angeordnet, an deren Stelle man 1540 die Kirche auf
St. Beatenberg erbaute.
Trotz des Verbotes wurde aber immer noch im geheimen nach dieser Stätte gewallfahrtet, obwohl die Gebeine des Heiligen schon 1528 weggenommen
und in
Interlaken bestattet worden waren. Immerhin gelang es, einen Teil der Reliquien in die Urschweiz und nach Luzern
zu überführen.
Die
Mauer, welche die
Höhle verschloss, wurde immer wieder durchgebrochen, und noch bis zu Ende des 18 Jahrhunderts
erhielt der
Ort Besuch aus der nahen Urschweiz. Als das
Berner Oberland seit Ende des 18. Jahrhunderts um seiner landschaftlichen
Schönheiten wegen immer mehr von Fremden aufgesucht wurde, erhielt auch das durch seine alten Erinnerungen wie durch seine
romantische Umgebung ausgezeichnete ehemalige Heiligtum neuerdings starken Besuch. In dieser Zeit wurde
es auch mehrfach abgebildet, so von Kaspar Wolf (1725-1798) und von Gabriel Lory dem jüngern (1780-1846). Da durch die Erschliessung
der
Höhle die Frequenz bedeutend zugenommen hat, erstellte man 1905 unten am Seeufer einen Landeplatz für die Dampfschiffe;
zugleich plant man den Bau einer Drahtseilbahn von da zur
Höhle hinauf. Die St. Beatushöhle öffnet
sich wenig über dem Neocom an der Basis des Urgon. Es bildet somit das schwer durchlässige Neocom den Boden der
Höhle,
die von den unterirdischen
Wassern im Urgonkalk ausgewaschen worden ist. Vergl. Stammler, Dr. Derh. Beatus,seineHöhleund seinGrab. Bern
1904.
Bernhard(Grosser), französisch Coldu Grand Saint Bernard (Kt. Wallis,
Bez. Entremont).
2472 m. Bedeutender Passübergang
der
WalliserHochalpen zwischen der Gruppe des
Grand Combin und dem
Mont Blanc Massiv; führt zwischen dem Mont
Mort (2866 m)
und der
Chenalette (2439 m) hindurch und verbindet
Martinach durch die
Vallée d'Entremont und das italienische
Val du Grand Saint Bernard mit Aosta. Der lange Zeit bestehende Saumpfad ist in neuerer Zeit durch eine etappenweise
fertiggestellte Fahrstrasse ersetzt worden, die auf der
WalliserSeite die Passhöhe 1893 erreicht hat, während sie auf der
italienischen
Seite dem Wagenverkehr erst 1905 eröffnet worden ist. Die Strasse ist von
Martinach bis
zur Passhöhe 48 km und von da bis Aosta 33 km lang. Auf der Passhöhe steht das wohlbekannte
Hospiz, ein Kloster, dessen
Geschichte mit der des Passes überhaupt innig verknüpft ist. Die ganze Anlage besteht aus drei Gebäulichkeiten:
dem Hauptbau, einem 1898 vollendeten Nebenbau und dem 1786 erstellten sog. Hôtel de
Saint Louis. Das aus dem 16. Jahrhundert
stammende
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und mit dem Nebenbau durch einen gedeckten Gang verbundene Hauptgebäude enthält die Wohnräume der Mönche, die für die
armen und die vermöglichen Durchreisenden bestimmten Esssäle und Schlafzimmer, die Bibliothek und die Klosterkirche. Die
Bibliothek enthält nahezu 13000 Bände, ein Münzkabinet, entomologische und mineralogische Sammlungen, sowie keltische
und römische Altertümer, so besonders die auf dem Plan de Jupiter gefundenen Gegenstände. In der 1678 neu
erbauten und 1686 geweihten Kirche befinden sich Fresken, geschnitzte Chorstühle von grossem Wert, eine Orgel und das aus
weissem Marmor bestehende Denkmal zu Ehren des in der Schlacht bei Marengo am gefallenen französischen
Generals Desaix. Am Eingang zum grossen Esssaal sieht man das von der Republik Wallis
1804 zu Ehren Napoleons I. errichtete Denkmal,
eine Platte aus schwarzem Marmor, die folgende Inschrift trägt: Napoleoni Primo Francorum Imperatori, semper optimo, ReipublicaeValesianae Restauratori, semper Augusto, Aegyptiaco, bis Italico, semper invicto, In monte Joviset Semproniisemper memorando Respublica Valesiae grata. 11 Decembris Anno MDCCCIV. Im Hauptgebäude ist ferner das 1835 eingerichtete
Post- und Telegraphenbureau untergebracht, dem man 1886 auch noch eine mit der Cantine de Proz verbundene Telephonsprechstation
angefügt hat.
Der Postdienst mit Martinach wird im Sommer durch einen wöchentlich 1-3 mal verkehrenden Postwagenkurs
und im Winter wöchentlich dreimal durch einen Postboten («pédon» genannt)
besorgt. Neben den drei eben genannten Hauptgebäuden stehen auf der Passhöhe des Grossen St. Bernhard noch die gegenwärtig
für die Touristen geschlossene Morgue oder Leichenhalle, wo die hier lange Zeit der Verwesung widerstehenden Körper der
am Weg verunglückten und von ihren Familien nicht reklamierten Wanderer aufbewahrt werden, und ein kleiner
Gasthof für die Fuhrleute, der von den Einwohnern der Gemeinde Bourg Saint Pierre zur Erleichterung des Warentransportes
als Sust errichtet worden und vom Hospiz vollständig unabhängig ist.
Nahe dem Hospiz liegt auf der s. Abdachung des Passes ein einsamer kleiner See (2446 m), der 320 m lang, 200 m
breit und im Maximum 12 m tief ist. Gegen das untere Ende dieses Lacus Penus der Peutingerschen Tafel geht an der «La Fontaine Couverte»
genannten Stelle die Landesgrenze gegen Italien durch, die einst durch zwei Steinsäulen markiert war, während hier heute
zwei Grenzsteine stehen, die die Jahreszahlen 1600 und 1755, sowie auf der einen Seite das Wappen Savoyens und auf der andern
Seite
die sieben Sterne der einstigen Republik Wallis
und den Krummstab und das Schwert des Bischofes von Sitten tragen.
Neben dem See befindet sich der sog. Plan de Jupiter, eine kleine Ebene, auf der zur Römerzeit ein Schutzhaus
oder Hospizium und ein Tempel standen. Diese Stelle ist seit 1760 durch die Mönche auf dem Grossen St. Bernhard und durch
Archäologen, in neuester Zeit auch mit finanzieller Beihilfe der italienischen Regierung, gründlich nach Altertümern durchsucht
worden. Hier stehen auch ein von den Brüdern Lenti aus Aosta 1816 errichtetes grosses Steinkreuz mit
der Inschrift Deo optimo maximo und eine hohe Bronzestatue auf steinernem Sockel, die den h. Bernhard mit dem Drachen darstellt
und 1905 eingeweiht worden ist.
Etwas tiefer unten geht die Strasse durch einen künstlich erweiterten Engpass, der ursprünglich auf
eine Länge von 60 m blos 3,6 m breit war. Von der von den Römern über den Berg gebauten alten Strasse sind an manchen
Stellen noch wohl erhaltene Reste sichtbar. Das von Papst Leo IX. anlässlich seines Ueberganges über den Grossen St. Bernhard 1049 erwähnte
ostiolumMontisJovis oder die Zollstätte auf dem Jupiterberg, die in der Geschichte des Passweges vielfach
eine bedeutende Rolle gespielt hat, stand wahrscheinlich auf dem Plan de Jupiter.
Eine besondere Erwähnung verdienen auch die prächtigen Hunde, die das Kloster auf dem Grossen St. Bernhard seit langer
Zeit züchtet. Man darf als ziemlich sicher annehmen, dass diese Hunderasse schon seit den ältesten
Zeiten in allen gebirgigen Gegenden der Schweiz(Wallis,
Waadt,
Bern,
Freiburg,
Ostschweiz) verbreitet war und ganz besonders in den verschiedenen Berghospizien
und Schutzhäusern gezüchtet worden ist, wo die intelligenten Tiere sich vielfach als wirkliche Helfer in der Not bewährten.
Durch fortgesetzte Anpassung und Vererbung haben sich dann im Laufe der Zeit die in den Hospizien gezüchteten
Vertreter dieser Rasse zu den von ihnen verlangten Dienst- und Hilfeleistungen immer geeigneter erwiesen. Die bekannte Erzählung,
dass der letzte männliche Vertreter der Rasse vor einigen Jahren gestorben sei und dass die jetzigen Hunde auf dem Grossen
St. Bernhard blos noch die Ergebnisse einer Kreuzung seien, entbehrt jeder sachlichen Begründung. Die
Hunde werden hier oben schon seit zwei oder drei Jahrhunderten benutzt und von den Mönchen zu den ihnen obliegenden Verrichtungen
sorgfältig erzogen und abgerichtet. Die Ueberlieferung will, dass die Rasse des heute über die ganze Welt verbreiteten
St. Bernhardshundes aus der
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