Felsterrasse gelegene, langgestreckte Pfarrdorf St. Beatenberg (1150 m). Ueber dieser Terrasse und gegen sie zum Teil in
steilen
Wänden abbrechend erheben sich die bis auf die
Höhe des
Grates ansteigenden Alpweiden. In geologischer Beziehung besteht
der
Beatenberg aus den Schichten der die Grenze zwischen
Jura und Kreide bildenden Berrias. Darüber lagern
deckenförmig eozäne Bildungen (Nummulitenkalk), die sämtliche Gipfel und
Kämme aufbauen. Vereinzelte Flyschfetzen finden
sich bei
Sundlauenen. Am Seeufer wird vorzüglicher Baustein gebrochen. An der untern Grenze der Nummulitenformation zeigt
sich ein schwaches
Lager von Steinkohlen, das am
Niederhorn seit dem 18. Jahrhundert ausgebeutet wurde. Man transportierte
die
Kohlen vermittels Schlitten nach der
Beatenbucht und beförderte sie von da zu Schiff weiter. Von 1841 an
übernahm der Staat Bern
die Ausbeutung und schloss einen Lieferungsvertrag mit der Gasanstalt Bern,
doch musste wegen der mit der Einführung
der Eisenbahnen aufgekommenen Konkurrenz ausländischer Steinkohlen das Bergwerk 1856 aufgehoben werden.
Die Glazialzeit hat am
Beatenberg ebenfalls ihre Spuren hinterlassen und zwar in Gestalt zahlreicher erratischer
Blöcke. Eine deutlich erkennbare Moräne trägt die Kirche von
Beatenberg und die Dorfschaft
Spirenwald. Die Vegetation des
Beatenberges ist eine sehr reiche und mannigfaltige. Unten
am See gedeihen Edelkastanie, Feigenbaum, Weinstock und Pfirsiche
neben
Alpenrosen, die vereinzelt bis hierher absteigen. Auf der Terrasse des Dorfes
Beatenberg finden sich
trotz der schon beträchtlichen Höhenlage noch Apfel- und Birnbaum. Besonders reich ist der Bestand an schönen Ahornbäumen.
Ueber Einzelheiten der Flora vergl. den Art.
Emmengruppe.
Beatenberg(Kt. Bern,
Amtsbez. Interlaken).
1150 m. Gem. und Pfarrdorf, am
SO.-Hang des gleichnamigen
Berges in sonniger
Lage hoch über dem
Thunersee und dem
Bödeli. Das Dorf im engeren Sinn besteht aus einer fast 5 km langen Häuserzeile zu
beiden
Seiten des tief eingeschnittenen
Sundgrabens. Am w. Ende befindet sich die Endstation der Drahtseilbahn St.
Beatenbucht-St.
Beatenberg. 180
Häuser, 1082 reform. Ew. Kirchgemeinde. Postbureau, Telegraph, Telephon. Viele Pensionen,
Gasthöfe, Verkaufsläden. Meteorologische Station. Je eine katholische und eine englische
Kapelle. Alp- und Landwirtschaft,
Viehzucht. Fremdenindustrie. Das Wollenspinnen, eine in früherer Zeit allgemein übliche Hausindustrie, ist fast ganz eingegangen.
Etwas Seidenweberei und Holzschnitzerei. Eine Wasserleitung sammelt das
Wasser auf der Burgfeldalp und führt
es durch das Rischerenthälchen nach der Höhenstrasse und der Station der Drahtseilbahn. Hydrantennetz. Die im Windschatten
des
Berges liegende und nach S. exponierte Ortschaft erfreut sich eines milden und angenehmen Klimas, das weder durch
N.-Winde
noch durch den Föhn ungünstig beeinflusst wird.
Die mittlere Jahrestemperatur beträgt
6,1° C. Im Frühjahr
verschwindet der
Schnee dank der sonnigen Lage ziemlich rasch. Der Winter weist zahlreiche helle und sonnenreiche Tage auf
und bildet hier oben eine sehr angenehme Jahreszeit. Mit
Interlaken ist
Beatenberg durch eine 11 km lange Fahrstrasse verbunden.
Im Sommer starker Fremdenverkehr. Die Gemeinde besteht aus mehreren Bezirken: 1.
Schmocken; bildet den
w. Teil des Dorfes mit der Station der Drahtseilbahn, dem Kurhaus (dem ältesten Gasthof des
Ortes) und vielen andern grösseren
und kleineren Pensionen, deren Bauart von derjenigen der dunkelbraunen und mit
Steinen beschwerten Schindeldächern gedeckten
Wohnhäuser seltsam absticht. Am östl. Ende von
Schmocken stehen unweit der katholischen
Kapelle das Pfarrhaus
und die reformierte Pfarrkirche, ein einfacher aber in das Landschaftsbild sich glücklich einfügender Bau aus dem 16. Jahrhundert,
in dessen Innerem sich ein alter
Taufstein und eine an den h. Beatus erinnernde Inschrift finden. 2.
Spirenwald, von der Kirche
auf der sich verbreiternden Terrasse bis zum
Sundgraben reichend; ebenfalls mit einer ganzen Reihe von
Gasthöfen und mit der englischen
Kapelle. 3. Jenseits des
Sundgrabens bildet der Bezirk
Waldegg mit seiner Gasthofkolonie den
äussersten nach O. vorgeschobenen Teil des Dorfes.
Von hier senkt sich die Strasse zum
Bödeli hinunter. Gegen den
See zu liegen endlich noch die einsamen
WeilerHohlen,
Ruchenbühl und
Sundlauenen. Die Hauptverkehrsader ist die fast 5 km lange Höhenstrasse, die sich von der Station fast eben
bis zum ö. Dorfende zieht und in steter Abwechslung eine prächtige Aussicht auf den
See, das
Bödeli und die
Alpen gewährt,
die sich von der Wildstrubelgruppe bis zum
Schreckhorn undSchwarzhorn erstreckt und deren Mittel- und
Glanzpunkt die Gruppe
Jungfrau,
Mönch und
Eiger bildet.
Ober- und unterhalb der Höhenstrasse hat man zahlreiche Spazierwege mit Ruhebänken angelegt. Farbige Markierungen weisen
den Weg nach den nähern und weiteren Ausflugszielen. Zu jenen gehören der sog.
Waldbrand (25 Minuten) am Rand des Absturzes
gegen das
Justisthal, das
Känzeli oberhalb
Spirenwald (1½ Stunden), Amisbühl (1336 m; mit Sommerfrische
und prächtiger Aussicht) oberhalb
Waldegg (1 Stunde). Von Bergtouren sind zu erwähnen die leichten Besteigungen des
Niederhorns,
Burgfeldstand und
Gemmenalphorns (je 3 Stunden).
Mit Bezug auf die älteste Geschichte des
Ortes verweisen wir auf den Art.
Sankt Beatushœhle. Die Gemeinde
St. Beatenberg gehörte bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zu den entlegensten des Kantons. Die einzigen Verbindungen
mit der Aussenwelt boten die steilen Fusswege nach
Merligen und nach dem
Neuhaus hinunter. Schon hatte sich das
Bödeli zu einem
Fremdenzentrum ersten Ranges entwickelt, als
Beatenberg noch ein von Fremden nur sehr selten besuchter
Ort war. Dieser wurde dem Verkehr erst durch die 1865 beendigte Erstellung einer Fahrstrasse nach
Interlaken erschlossen.
¶
mehr
Um diese Zeit bildete das Pfarrhaus den ersten und lange einzigen Gasthof zur Beherbergung von Fremden und Kurgästen. 1875 entstand
das Kurhaus, worauf der Ort dank seinem vorzüglichen Klima sich immer mehr zu einer der beliebtesten Sommerfrischen und Kurorte
des Oberlandes entwickelte. Eine ganze Reihe von zum Teil für den Winterbetrieb eingerichteten Pensionen
bietet heute 1500 Kurgästen bequem Raum. Einen neuen Aufschwung nahm der Kurort durch die Anfangs der 80er Jahre erfolgte
Vollendung der Strasse Interlaken-Merligen und die 1883 eröffnete Drahtseilbahn Beatenbucht-Beatenberg.
Diese 1700 m lange Bahnlinie überwindet von der Seestation (566 m) bis zur Bergstation (1123 m) einen Höhenunterschied
von 557 m, hat eine durchschnittliche Steigung von 34,5% (Minimum 28%, Maximum 40%) und eine Fahrzeit von 15 Minuten. Im
Winter ist der Betrieb eingestellt. Trotz der Zunahme des Fremdenverkehrs auf St. Beatenberg hat die dortige Bevölkerung
sich ihre Eigenart noch wohl zu bewahren gewusst. Die fleissige, wenn auch mühselige Bewirtschaftung
der am steilen Berghang liegenden Grundstücke, sowie die Viehzucht, welche im Sommer einen Teil der Bewohner auf den höher
gelegenen Alpweiden beschäftigt, sind heute noch die Haupterwerbszweige der Leute von St. Beatenberg. Diese, ein kräftiger
Schlag, verbinden den oberländischen Typus mit demjenigen des Emmenthales. Die Frauen tragen zu ihrer
allerdings immer seltener werdenden Landestracht noch heute die im übrigen Oberland fast verschwundene Spitzenhaube. Bemerkenswert
ist die auffallend geringe Sterblichkeit der Bewohner, ein sicherer Beweis für die gesunde Lage des Ortes. Vergl. Dummermuth,
G. St. Beatenbergund seine Drahtseilbahn.Bern
und Biel 1890.