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Schönheit ist aber besonders die Aussicht, deren Glanzpunkt bei hellem Wetter der majestätische, eisgepanzerte Stock des Monte Rosa bildet. Der liebenswürdige Reiseschriftsteller J. Hardmeyer schildert uns diese Aussicht vom Monte San Salvatore wie folgt: «Wir übersehen den See mit seinen abenteuerlichen Ausbuchtungen, in seiner merkwürdigen Verschränkung mit dem Gebirge, wir sehen die Dörfer und Weiler, die Villen und Kapellen in den Gründen und auf den Höhen, der Langensee blickt herüber, und über die Vorberge erheben der Monte Rosa und seine Trabanten ihre Kuppen und Hörner; eine lange, lange Reihe von Bergen zieht sich dort am Horizonte hin, deren Häupter ewigen Schnee tragen. Gegen Süden schweift der Blick den wilden Hängen des Generoso entlang, ins offene Land der Lombardei hinaus, und bei günstigen atmosphärischen Verhältnissen bis zum fernen Apennin. Es gibt weiter reichende Bergaussichten, lieblichere wohl selten. Die bescheidene Höhe des Salvatore verwischt die Einzelheiten der Vordergründe nicht, und darin besteht der hauptsächlichste Reiz dieser Aussicht. Wir fühlen uns hier oben keineswegs im einsamen Bereich der Adler und der Lämmergeier, denn aus dem nahen Lugano herauf tönt das Geräusch menschlicher Tätigkeit, Wagengerassel, Glockengeläute; auf dem Damm, der bei Melide den See überbrückt, unterscheiden wir die Fussgänger und die Wagen und auf den Dampfbooten, welche den blauen See durchfurchen, die Gruppen der Passagiere und die wehende Fahne.» Der Stock des Monte San Salvatore bildet als Ganzes eine Mulde von weissem Triasdolomit, der nur an der Basis geschichtet ist, sich sonst aber als massiges Gestein auftürmt. Er gehört nach den in ihm gefundenen Fossilien zur mittleren oder obern Trias (Muschelkalk-Keuper). An der Basis liegt eine Schicht von buntem Sandstein, ein Konglomerat mit Porphyrtrümmern, das von grauen und roten Sandsteinen begleitet und als Verrucano gedeutet wird, obwohl die Fazies eher triadisch zu sein scheint. Das n. Lugano bei Manno anstehende Karbon fehlt im Salvatore, indem dessen bunter Sandstein direkt auf Gesteinen liegt, die älter sind als das Karbon, nämlich im N., wo sich die Diskordanz sehr deutlich erkennen lässt, auf krystallinen Schiefern und im S. auf Porphyriten. Sehr stark entwickelt sind rund um den Salvatore die glazialen Ablagerungen. Auf den krystallinen Schiefern liegen zunächst horizontal geschichtete tonige Sandsteine, die vorglazial und unzweifelhaft pliozänen Alters sind. Darüber folgt dann der eigentliche Glazial- oder Moränenschutt und zwar in zwei, durch eine Schicht interglazialer Seekreide voneinander getrennten Lagen. Die tiefere Moränenschicht ist 30 m mächtig, lehmig, dunkel gefärbt und mit geschrammten Geschieben von schwarzem Kalkstein durchsetzt. Die sandig-kreidige Seekreide enthält Pflanzenreste und zahlreiche Schalen von Süsswassermuscheln. Die obere Moränenschicht, 70 und mehr m mächtig, ist reicher an kleineren Geschieben und grössern Blöcken als die tiefere Schicht und enthält zahlreiche Trümmer krystallinischer Gesteine (Gneis etc.). Die Natur dieser Trümmer lässt uns erkennen, dass der Glazialschutt um den Salvatore nicht von einem das Tessinthal herabsteigenden Gletscher hergeführt worden ist, sondern von einem solchen, der von O. her aus dem Thal von Porlezza kam, sich eine zeitlang zurückzog (Bildung der Seekreide) und nachher wieder von neuem vorgestossen hat.
Sehr reich und reichhaltig ist die Flora des Berges, da sich hier der mediterrane Florentypus mit demjenigen des n. Europa begegnet und vermischt. Auf den Glimmerschiefern und den Glazialablagerungen stehen prachtvolle Kastanienbäume, Weinreben, Getreidefelder und üppige Wiesen. Am S.-Hang des Berges gedeiht der Oelbaum (ehemaliger Oelbaumwald bis nach Melide herunter), und auf den Dolomitfelsen finden wir eine ganze Sammlung von südl. Baumarten und Sträuchern: Ostrya italica (Hopfenbuche), Celtis australica (Zürgelbaum), Ficus carica (Feigenbaum; vollständig wild!), Quercus lanuginosa (flaumige Eiche), Fraxinus ornus (Manna-Esche), Cytisus laburnum (Goldregen); Cotinus coggygria (Perückenbaum), Ilex aquifolium (Stechpalme), Ruscus aculeatus (Mäusedorn), Colutea arborescens (Blasenstrauch), Coronilla emerus (strauchige Kronwicke). Andere nennenswerte Pflanzen sind: Chrysanthemum corymbosum, Scabiosa graminifolia, Fumana procumbens, Helianthemum apenninum und H. alpestre, Erica carnea, Corydalis lutea u. v. a., ferner die in der kleinen Ebene von San Carlo wachsende Viola salvatoriana und, als Vertreter der alpinen Flora: Vaccinium vitis idaea, Arnica montana, Gentiana vulgaris, Arabis alpina. Die eigentliche Charakterpflanze des San Salvatore ist aber der liebliche flaumige Kellerhals (Daphne cneorum), von den Luganesen kurzweg il for del monte, d. h. die Blume unseres Berges genannt, der am N.-Hang massenhaft gedeiht und im Mai auf dem Luganeser Marktplatz in grossen Sträussen verkauft wird. Diese Blume ist mit ihren glänzenden grünen Blättern, ihren kleinen karminroten Blüten und dem feinen Wohlgeruch einer der lieblichsten Vertreter der südalpinen Flora. Ausserdem findet man am San Salvatore auch noch die Mehrzahl der für den Monte Generoso (s. diesen Art.) charakteristischen Pflanzenarten. Zwei Fusswege führen auf den Gipfel des Berges: der eine zweigt beim Weiler Pazzallo von der Poststrasse Lugano-Carona ab und steigt am NO.-Hang im Zickzack durch schattigen Wald hinauf, während der andere von Carona ausgeht und weit rauher, ermüdender und überhaupt weniger angenehm ist. Seit April 1890 ist der Gipfel auch durch eine Drahtseilbahn zugänglicher gemacht worden. Diese geht von Paradiso aus, steigt bis zur Zentralstation Pazzallo in gerader Linie hinauf, beschreibt dann einen weiten Bogen und wird zu oberst wieder geradlinig; sie ist 1644 m lang und hebt sich um 603 m empor. Von 17% beim Abgang von Paradiso steigert sich die Steigung der Bahn bis 38% bei der Station Pazzallo, um dann schliesslich an der Endstation 60 zu betragen. Sehr solide Bahnanlage: doppelte Zahnradschiene System Abt; das Drahtseil geht über ein
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Räderwerk, das durch einen Elektromotor von 50 PS in Bewegung gesetzt wird, während für den Fall einer Störung im elektrischen Betrieb noch eine ebenso starke Dampfmaschine zur Verfügung steht; vollkommen sichere Bremsvorrichtungen. Die Bahn ist von der Firma Bucher und Durrer in Kägiswil (Obwalden) erstellt worden. Bei der Endstation (885 m) steht mitten in einem Buchenhain ein Gasthof mit Restaurant. Sieben Minuten höher befindet sich auf dem Gipfelpunkt ein altes Kirchlein des Erlösers mit ehemaliger Einsiedelei, die zuerst dem Stift Lugano gehörten und dann an die Bruderschaft von Santa Marta in Lugano übergingen, die das Gotteshaus 1703-1704 nach dem Plan eines Ingenieurs Valmaggini restaurieren liess. Die Einsiedelei wurde 1681 erbaut und bis 1847 von einem Einsiedler, zuletzt von Tommaso Bacchi aus Intra, bewohnt. Heute werden dem Wanderer in diesem kleinen Berghaus bescheidene Erfrischungen gereicht. Alljährlich wallfahrtet das Volk am Himmelfahrtsfest und am zweiten Pfingsttag zum Kirchlein auf dem Salvatore.
Bibliographie;
Hardmeyer, J. Lugano (Europ. Wanderbilder. 114-116). Zürich 1886; Lavizzari, Luigi. Escursioni nel cant. Ticino. Lugano 1859; Stoppani. Sul dolomia del Monte San Salvatore (in den Atti Soc. ital. sc. nat. 1859); Stabile. Fossiles des environs du Lac de Lugano (in den Verhandlungen der Schweiz. naturforsch. Gesellsch. 1861); Taramelli, T. Il cant. Ticino meridionale ... (Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz. 17). Bern 1880; Calloni. Observations florist. et phytogéograph. sur le Tessin méridional (im Bull. Soc. botan. Genève 1889); Taramelli, T. Carta geolog. della regione dei tre Laghi. 1902.