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Wald, nach dem Schalkelhof (etwa 1½ Stunden). Von Martinsbruck kann man auch die grosse schöne Landstrasse benutzen, die über Nauders und Hochfinstermünz nach Landeck führt. Von Hochfinstermünz führt ein steiler Waldweg hinunter nach Altfinstermünz unten am Inn, wo man etwa ¼ Stunde oberhalb dem Schalkelhof den Ovellapfad erreicht. Bei diesem Hof überschreitet man den Schergenbach (988 m) und steigt auf steilem, holperigem Zickzackweg durch dichten Wald empor, um dann den von Pfunds im Innthal kommenden Karrweg und auf diesem das auf hoher Terrasse liegende österreichische Dörfchen Noggels (1400 m) zu erreichen.
Von da fällt der, auch ohnedies vielfach auf- und absteigende Weg wieder fast 100 m bis an den Schergenbach (1317 m) und führt dann, bald links, bald rechts dieses Baches und immer in enger Waldschlucht hinauf zur Spissermühle (1514 m), einer kleinen Häusergruppe mit Mühle, Wirtschaft und österreichischer Zollstation (1¾ Stunden von Noggels oder 2¾ Stunden vom Schalkelhof). Hier betritt man nun erst das eigentliche Samnaunthal und erreicht in einer weitern halben Stunde das erste und grösste Dörfchen desselben, Campatsch (1717 m). Wie man sieht, ist der bisher beschriebene Weg, wenn er auch dem Freund erhabener Gebirgs- und Waldnatur noch so viel Reize bietet, doch für den gewöhnlichen Verkehr ein sehr mühsamer, ein steiler, vielfach auf- und absteigender, steiniger Fuss- und Karrweg. Auch dass er grösstenteils über österreichisches Gebiet führt, ist für die Samnauner, die so nur über fremdes Gebiet mit der übrigen Schweiz verkehren können, misslich, wenn auch der genannte Weg neutralisiert ist. Der Wunsch der Samnauner, eine bessere und von Oesterreich unabhängige Verbindung mit dem Gesamtvaterland zu erhalten, erscheint darum sehr begreiflich.
Wirklich geht nun ein längst projektiertes Strässchen, das von Campatsch auf der rechten Seite des Schergenbaches nach dem Schalkelhof und von da durch die Ovellaschlucht (links vom Inn) ganz auf Schweizergebiet nach Martinsbruck führen wird, der Verwirklichung entgegen. Aber die Anlage und Sicherung dieses Strässchens um den Fuss des Mondinstockes herum ist wegen der vielen Steinschläge, Rüfen und Lawinen eine schwierige und kostspielige Sache, die nur mit Hülfe des Kantons und des Bundes ausgeführt werden kann. Am hat der Nationalrat den Bau dieser Strasse gutgeheissen und beschlossen, an die Gesamtkosten von 988000 Fr. einen maximalen Bundesbeitrag von 80% oder 798400 Fr. zu leisten.
Was sonst noch an Zugängen zum Samnaun vorhanden ist, das sind nur hohe, meist pfadlose und beschwerliche Gebirgspässe, die natürlich blos im Sommer benutzt werden können. Der beste davon ist noch das Samnaunerjoch oder die Fuorcla Zeblas (2545 m), die ins Fimberthal hinüberführt. Aber von da ist es dann noch ein gar weiter Weg über Ischgl im Paznaun und dann über das Zeinisjoch (1852 m) ins Montafun und ins st. gallische Rheinthal, und der ganze Weg führt ebenfalls durch österreichisches Gebiet.
Von den für den Touristen etwa in Betracht kommenden Pässen mögen noch genannt werden: der Cuolmen d'Alp (2799 m) und der Cuolmen Salet (2808 und 2830 m) aus dem Val Sampuoir zwischen Muttler und Piz Mondin nach Schleins im Unter Engadin, die Fuorcla da Maisas (2852 m) und Fuorcla Chamins (2820 m) aus dem obersten Samnaun durch die gleichnamigen Thäler ins Val Sinestra und nach Remüs, der Cuolm d'Alp Bella (2698 m) von Campatsch am Gribellakopf vorbei nach Kappel im Paznaun.
Samnaun im engern Sinn umfasst nur den obern Teil des Schergenbachgebietes, von der Spissermühle an aufwärts, samt den hieher gehörenden Seitenthälern, vor allen Sampuoir und Maisas. Die letztern sind unbewohnt, blosse Alp- und Weidegebiete, nur in Sampuoir auch noch mit Wald. Das Hauptthal selber aber ist eines der anmutigsten Hochthäler der Alpen. Durch den Thalgrund mit seinen saftiggrünen Wiesen, kleinen bunten Kornfeldern und den fünf hübschen Dörfchen schlängelt sich der murmelnde Bach und von den Hängen schäumen überall Milchbäche zu Thal.
Die steilern Wände der rechten Thalseite sind bis auf 2100 m und darüber mit dunklen Fichten- und hellgrünen Lärchenwäldern besetzt, während auf der linken Seite Wiesen und Weiden herrschen, alles überragt von kühnen Felshörnern und einzelnen Eisspitzen. Auf einer Längserstreckung von nur 4 km folgen sich 5 Dörfchen, das unterste, Campatsch, in 1717 m, das oberste, Samnaun, in 1846 m Meereshöhe. Dazwischen liegen noch Laret, Plan und Raveisch, alle auf der linken, sonnigen Thalseite, nur Samnaun teils zwischen Schergen- und Maisasbach, teils rechts von beiden auf flachem Wiesenplan.
Alle 5 Dörfchen zählen zusammen nur 357 Einwohner und bilden eine einzige politische Kirchgemeinde katholischer Konfession. Hauptort ist Campatsch mit Schule und Kirche für das ganze Thal. Die Kirche mit ihrem schlanken Turm ist eine Zierde des Thales. Sie enthält einen reich verzierten, geschnitzten Hochaltar und drei schöne Gemälde von Deschwanden. Den Kirchhof schmücken eine Reihe schöner Grabdenkmäler aus schwarzem und weissem Marmor. Bis ins 19. Jahrhundert war Samnaun romanisch, wie denn auch die Namen der Dörfer, Güter, Berge, Alpen und auch der Familien fast alle romanisch sind.
Jetzt spricht alles nur noch deutsch, einen ächten Tirolerdialekt. Der Sprachwechsel scheint sich sehr rasch vollzogen zu haben. Ein tirolischer Lehrer, der ums Jahr 1815 angestellt wurde, soll viel zu diesem Wechsel beigetragen haben. Viehzucht und Alpwirtschaft sind natürlich die Hauptbeschäftigungen der Samnauner. Das Heuen von der Thalsohle bis hoch hinauf an den Abhängen nimmt wie im Engadin viele Wochen in Anspruch. Eine schwierige und mühsame Arbeit ist der Transport des Bergheus ins Thal, was meist im Winter auf Schlitten geschieht und starke, in dieser Arbeit geübte Männer erfordert. Bis zu diesem Transport bleibt das Heu im Freien, auf grosse kegelförmige Haufen unter provisorischem Dach zusammengetragen. Der Viehstand ist sehr beträchtlich und gut gehalten (nach der Zählung von 1901 etwa 12 Pferde, 30 Stück Rindvieh, darunter über 100 Kühe, 100 Schweine, 530 Schafe und Ziegen). Der Ackerbau ist für die Höhenlage des Thales ganz ansehnlich; Roggen, Gerste, Gemüse, Kartoffeln gedeihen ¶
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trefflich, so gut wie in den besten Lagen des mehrere hundert Meter tiefer liegenden Unter Engadin, eine Folge der Lufttrockenheit und starken Sonnenstrahlung. Die Samnauner werden als ein gewecktes, arbeitsames und ordnungsliebendes Völklein geschildert, was man schon an ihren gemauerten schmucken, in- und auswendig sauber gehaltenen Häusern erkennt. Mit der einfachen Lebensweise verbindet sich treuherziges, gerades, offenes Wesen. Die wenigen Fremden, die ins Thal kommen, werden auch durch das freundliche Entgegenkommen und die geistige Regsamkeit dieser von aller Welt so sehr abgesonderten Bergbewohner angenehm berührt, der Schweizer insbesondere durch deren gut schweizerische und freiheitliche Gesinnung. Geschichtlich gehörte das Samnaun zum Gotteshausbund. Es hatte im Krieg von 1499 und unter dem Einfall der Oesterreicher 1621 vieles zu leiden.