mehr
Choëx aus. Die Abtei steht direkt unter dem Vatikan in Rom.
Die im Laufe der Zeit gar oft durch Menschenhand oder Naturgewalten zerstörten Klostergebäude stammen in ihrer jetzigen Gestalt erst aus den Jahren 1707-1713, mit Ausnahme allerdings des nördlichen Flügels (heute Archiv und Bibliothek), den der furchtbare Brand von 1693 verschont hatte. Nachdem die durch Bischof Theodor I. im 4. Jahrhundert erbaute erste Kirche durch herabstürzende Felstrümmer verschüttet worden war, ersetzte man sie 1611 durch einen auf einem andern Platz stehenden Neubau, der dann der eben erwähnten Feuersbrunst ebenfalls zum Opfer fiel.
Die heutige Kirche ist ein edler, dreischiffiger Bau und enthält neben Granitsäulen, die noch von den frühern Kirchen herstammen, besonders prachtvoll geschnitzte Chorstühle, einen reichen Hochaltar, die Reliquien der h. Legion und den berühmten Kirchenschatz mit seinen Kunstwerken von hohem Altertum und grösstem Kunstwert. Die kostbarsten der hier gezeigten Gegenstände sind: eine 50 cm hohe Reiterstatue aus Silber, die den h. Mauricius darstellt und 1577 von Herzog Emmanuel Philibert von Savoyen geschenkt worden ist;
eine aus dem 12. Jahrhundert stammende Büste aus Silber, die den Kopf des h. Candid umschliesst;
eine von Karl dem Grossen geschenkte goldene Kanne, mit kunstreichen Emails und prachtvollen Saphiren geschmückt, ein Meisterwerk arabischer Kunst;
ein aus einem einzigen Achatstein geschnittenes Gefäss mit kunstreichen heidnischen Figuren, ebenfalls Geschenk Karls des Grossen;
ferner goldene und silberne Reliquienkästchen, silberne Schalen u. a. m. Der ehemals auch als Wacht- und Verteidigungsturm dienende Glockenturm der Abteikirche ist das schönste vollständig erhaltene Denkmal romanischer Baukunst in der Schweiz. Er bildet zusammen mit den Katakomben und einer über diesen stehenden und aus dem 15. Jahrhundert stammenden Kapelle den einzig wirklich alten Teil der Kirche und beherbergt in seinem ersten und zweiten Stockwerk ein archäologisches Museum.
Seit 1896 hat man unter der Leitung des Chorherrn P. Bourban, des Stiftsarchivars, in der «Cour du Martolet» Nachgrabungen unternommen, die immer noch fortgesetzt werden und zahlreiche interessante Ergebnisse gezeitigt haben. Es ist jetzt erwiesen, dass hier im Laufe der Jahrhunderte nacheinander mehrere Kirchen gestanden haben, die der Reihe nach von Menschenhand, durch Feuer oder durch herabstürzende Felsmassen zerstört worden sein müssen, und unter deren Resten man Altertümer aus der Römer-, Merowinger- und Karolingerzeit aufgefunden hat. 1897 brachte Chorherr Bourban eine ganze Gruppe von Grabmälern ans Tageslicht.
Das eine barg die Leiche des h. Vultch arius, der Reihe nach Abt von Saint Maurice, Bischof von Sitten und Erzbischof von Vienne im Dauphiné, der zu Ende des 8. Jahrhunderts in Agaunum gestorben ist. Ein anderer dieser Sarkophage ist aus einem einzigen Block von Jurakalk gehauen, der vom Neuenburgersee hierher transportiert worden sein muss; er enthielt ursprünglich die Leiche der edlen Römerin Nitonia Avitiana, die dann aber später entfernt und durch die Ueberreste anderer Personen ersetzt worden sein müssen, da es sich gezeigt hat, dass der Sarg nicht an seinem ursprünglichen Platz stand und dass auch sein Deckel nicht mehr der ursprünglich eingefügte ist. Dieser mit Inschriften bedeckte Steinsarg ist 2,15 m lang, 90 cm breit und 16 cm dick. Später fand man links davon und in gleicher Höhe (d. h. etwa 1,15 m unter dem Boden und unter zwei aufeinander folgenden alten Steinpflastern) noch einen Zementsarg mit Skelett aus dem 7. oder 8. Jahrhundert.
Wappen der Abtei: Roth an einem doppelten Kreuz mit drei Querarmen aus Silber. Saint Maurice ist die Wiege von verschiedenen alten Walliser Patriziergeschlechtern. Wir nennen: die de Quartéry, deren einer Angehöriger, Ritter Anton, Freund des Genfer Bischofes Franz von Sales war und sehr vieles zur Ausrottung der Reformation im Wallis beitrug;
die Bérodi, deren Glied Kaspar Bérodi wertvolle handschriftliche Aufzeichnungen über die Walliser Geschichte im 17. Jahrhundert hinterlassen hat;
die de Cocatrix, die sich als Geistliche und Militärs auszeichneten;
die de Bons, hauptsächlich bekannt durch ihren Vertreter Charles Louis de Bons, einen verdienten Dichter, Schriftsteller, Journalisten und Staatsmann.
Andere, aus dem Oberwallis stammende Geschlechter, wie die Stockalper, de Werra, de Preux u. a. haben sich in Saint Maurice niedergelassen, weil sie einst im Unterwallis eine Reihe von öffentlichen Aemtern innehatten. Aus Saint Maurice stammen auch die drei Brüder Barman: Joseph, eidgenössischer Gesandter in Paris bis 1857, Maurice, die Seele der liberalen Partei im Wallis während des Bürgerzwistes von 1839 bis 1817;
Louis, Oberst und eidgenössischer Kommissär in Genf während des Aufruhrs 1864, später Nationalrat.
Bibliographie:
Wolf, F. O. Von Saint Maurice bis zum Genfersee. (Europ. Wanderbilder. 149 und 150.) Zürich 1889;
Gross, Eug. Le Pèlerin à Saint Maurice.
Fribourg 1834;
Bourban, P. A travers les fouilles de Saint Maurice (im Anzeiger für schweiz. Altertumskunde. 1905/06);
Michel, Jules, et P. Bourban.
Documents. [Ueber die Ausgrabungen]. Fribourg 1901; Aubert, Ed. Le trésor de l'Abbaye de Saint Maurice d'Agaune. Paris 1872; Rameau, Abbé. Histoire de Saint Sigismond. Genève 1877; Briguet, S. Vallesia Christiana. Sitten 1744.