kräftig gebaut, ausdauernd bei den härtesten Arbeiten, unverzagt im schwersten Unglück.»
(F. O. Wolf). Das Gebiet der Gemeinde
Schweizerisch-Saint Gingolph zieht sich vom rechten Ufer der
Morge längs dem
Genfersee
bis 400 m vor das Dorf
Le Bouveret hin und reicht im S. bis zum Gipfel des
Grammont (2175 m) hinauf, dessen
Hänge mit prachtvollen Waldungen bestanden sind. Tiefer unten finden wir Kastanienhaine, die der grossen Seestrasse angenehmen
Schatten spenden, und offene Lichtungen, auf denen zahlreiche Bauernhäuser und mehrere
Villen stehen.
Sogar ein grosses und luxuriöses Hotel hat sich hier angesiedelt. Die höhern Waldungen liefern den
Sägen und Bootbauereien
von Saint Gingolph treffliches
Holz. Die Schiffswerften des
Ortes sind die besteingerichteten am ganzen
See und bauen bis zu den grössten und schwersten Lastschiffen. Am Seeufer stehen Flysch und rote Molasse an, die oft
von Moränen und Bergsturzschutt überdeckt sind. Höher oben folgen in verkehrter Schichtenlagerung: Trias (Rauhwacke, dolomitische
Kalke, Gips), Rät, die ganze Jurareihe vom Lias bis zum Malm und endlich Kreide. Diese Gesteine bauen
die Bergstöcke des
Grammont und der Borée diesseits und jenseits der
Morge auf. Das Dorf Saint Gingolph selbst steht auf
dem von der
Morge angeschwemmten Wildbachschuttkegel.
Saint Gingolph hatte in früheren Zeiten zwei Herrenhäuser. Das ältere, auf Savoyerboden stehend und
heute in eine Papierfabrik umgewandelt, gehörte dem Abt von
Abondance, der zugleich
Herr von Saint Gingolph war. In ihm pflegten
die Kapuziner, die von Franz von
Sales zur Ausrottung der Reformation im Unterwallis ausgesandt worden waren, so lange zu
übernachten, bis sie ohne Leibesgefahr im Lande verkehren konnten. Das zweite Herrenhaus, das die Jahreszahl 1588 trägt
und auf Schweizerboden steht, ist nach dem Vertrag von 1569 erbaut oder umgebaut worden, durch welchen die Grenze dieses
von den Wallisern eroberten Gebietes von der
Dranse von Thonon zum rechten Ufer der
Morge zurückverlegt wurde. 1151: S. Gengulfus;
1204: villula Sannt Gingulphi.
Der h. Gingulph war einer der Märtyrer der thebäischen Legion. Saint Gingolph ist die Wiege des Geschlechtes de
Rivaz, dem
eine Reihe von hervorragenden Männern angehört hat: Peter Joseph de
Rivaz (1711-1772), Historiker, Ingenieur, Naturforscher
und Mathematiker, Verfasser der Recherches historiquessur lamaison deSavoie und anderer gelehrter Werke;
Karl Emmanuel de
Rivaz (geb. in Saint Gingolph 1753), Ritter vom königlichen Orden Karl's III. und der Ehrenlegion, Abgeordneter
zum gesetzgebenden
Rat unter der französischen
Herrschaft und zweimal Obervogt der Republik Wallis;
der General Emmanuel de
Rivaz;
der Staatsrat und Maschineningenieur Isaak de
Rivaz († 1829), der 1804 als erster das Automobil erfunden
haben soll;
der Geschichtschreiber und
Sittener Chorherr Anna Joseph de
Rivaz;
Charles de
Rivaz, der während der zweiten Hälfte
des 19.
Jahrhunderts mehrfach
Walliser Staatsrat war.
Stammt aus dem 15. Jahrhundert und wurde 1705 neu erbaut und dem St. Hubertus,
dem Schutzheiligen der Jäger und ersten
Bischof von Lüttich († 3. November 727), und der h. Ursula geweiht.
Zugleich wurden von
der Kirchgemeinde
Bassecourt zum Unterhalt der
Kapelle 120 Pfund ausgeworfen.
Sie enthält 3 Altäre und
ist ein Wallfahrtsziel. In der Nähe hat man Bronzebeile und andere Altertümer aufgefunden, die jetzt im Schulhaus zu
Delsberg
aufbewahrt werden.
Spuren von Schmiedewerkstätten aus der ersten Eisenzeit.
Nach neueren Daten (die obigen beziehen sich auf die eidgenöss. Zählung von 1900) zählt die Gemeinde: 820
Häuser und 7995 Ew. (wovon 6842 Reformierte und 1117 Katholiken).] Reformierte, römisch-katholische und christkatholische
Kirchgemeinde.
Die Gemeinde reicht vom
N.-Hang des
Chasseral quer über das Thal und über den
Sonnenberg bis zum
Plateau der
Freiberge hinauf.
Das Dorf selbst steht nicht in der Thalsohle und an der
Schüss selbst, sondern etwa 50 m höher auf der
ersten Terrasse des
Sonnenberges. Da es infolge dieser eigenartigen Lage sich in die Breite nur wenig zu entwickeln vermochte,
hat es sich rasch in der Längsrichtung (W.-O.) vergrössert. Es ist das schönste und grösste Dorf des
Berner Jura.
Seine Hauptstrassen verlaufen von WSW. nach ONO. und werden senkrecht geschnitten von N.-S. ziehenden
Quergassen, die steil geböscht und zum Teil sogar eigentliche Treppen sind. Man sieht viele hohe und mit roten Ziegeln gedeckte
neue
Häuser, die an die grossen Mietskasernen von
La Chaux de Fonds erinnern. Die Hauptstrasse,
Rue Francillon, hat stolze
Bauten und glänzende Verkaufsmagazine. Die schönsten Privathäuser und
Villen stehen n. über dem Dorf
am sonnigen
S.-Hang des
Sonnenberges. Der Friedhof liegt beim
Quartier LePont und mehr als 1 km ssw. vom Dorf am rechten Ufer
der
Schüss. Da
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mehr
St. Immer eine verhältnismässig junge Siedelung ist, fehlen - abgesehen von dem ehrwürdigen Turm der Königin Bertha, der
zu einer längst zerstörten Kirche gehörte, und von der mit schönen Glasmalereien ^[Ergänzung: und einer prachtvollen
Orgel] geschmückten reformierten Pfarrkirche - alte Baudenkmäler fast ganz. Andere bemerkenswerte Bauten sind die katholische
Pfarrkirche, deren Glockenturm noch nicht völlig aufgebaut ist,^[Berichtigung: in Bälde vollendet sein wird.] das Gemeinde-Elektrizitätswerk,
die Turnhalle, der Bezirksspital, ^[Ergänzung: die Reitbahn und die Schulhäuser].
Die architektonisch interessantesten Typen des alten St. Immer sind das reformierte Pfarrhaus und einige ältliche Häuser,
die den Turm der Königin Bertha halb verdecken. Neben ausgezeichneten Primarschulen hat das Dorf je eine
Knaben- und eine Mädchensekundarschule, eine Uhrenmacher- und Mechanikerschule, eine Schule für kunstgewerbliches Zeichnen,
eine vom schweizerischen kaufmännischen Verein finanziell unterstützte Handelsschule, eine Kleinkinderschule (Fröbelschule),
eine Haushaltungsschule und einen Kinderhort. In der sehr zierlichen Turnhalle finden sich einige gute Gemälde von Louis
Wallingre.
Das Primarschulhaus beherbergt ein von Dr. S. Schwab und G. Agassiz gegründetes, kleines naturhistorisches Museum mit Münzkabinet,
das nahezu sämtliche Vertreter der Wirbeltierfauna des Jura und die Fossiliensammlung von Ed. Pagnard enthält. Bezirksspital
und 2 Altersasyle (je für Männer und für Frauen), ^[Ergänzung: die in nächster Zeit in einem sehr
schönen und geräumigen Neubau vereinigt sein werden]. Eidgenöss. Kontrolamt für Gold- und Silberwaren.
Zwei Bankgeschäfte. Drei Buchdruckereien und eine Zeitung. St. Immer ist der bedeutendste Mittelpunkt der Uhrenindustrie im
Berner Jura. Eines Weltrufes erfreut sich namentlich die von Ernst Francillon ^[1832] gegründete Uhrenfabrik «Les
Longines», die ^[1866 und 1889 vergrössert wurde und] 600-1000 Arbeiter beschäftigt. ^[Etwa
zehn weitere Uhrenfabriken beschäftigen je 50-300 Arbeiter.] Mechanische Werkstätten. Zwei Bierbrauereien. Landwirtschaft
und Viehzucht werden nur in der Thalsohle und auf den hohen Bergweiden betrieben.
Der N.-Hang des Chasseral ^[und die steilen Abbrüche des Sonnenberges] liefern ausgezeichnete Bausteine. Licht und Kraft bezieht
das industriereiche Gemeinwesen vom Elektrizitätswerk La Goule ^[am Doubs]. Ein etwas ö. vom Dorf stehendes
Elektrizitätswerk mit Dampfbetrieb, das 1500 PS erzeugen kann, wird nur dann in Betrieb gesetzt, wenn das Werk von La Goule
dem Bedarf nicht zu entsprechen vermag. Die Quelle La Raissette bei Cormoret versorgt das grosse Dorf mit
ausgezeichnetem und in reichlicher Fülle verwendbarem Wasser: Druckwasserversorgung mit zwei Reservoiren an der Flanke des
Sonnenberges.
St. Immer bietet auch Gelegenheit zu lohnenden Spaziergängen und grösseren Ausflügen: auf den Chasseral über La Baillive
und La Perrotte (2½-3 Stunden) oder auch - anstrengender - auf dem neuen Fussweg durch die Combe Grède;
Oestl. vom Dorf liegt am Fuss des Sonnenberges beim Champ Meusel
die interessante Endmoräne eines quaternären
jurassischen Lokalgletschers. ^[Ergänzung: Der Sonnenberg
hat sich in jüngster Zeit zu einem bereits gut besuchten und allgemein geschätzten Luftkurort entwickelt, der drei gut
geführte Gasthöfe (darunter ein Temperenzhôtel) aufweist.]
Die Bewohner von St. Immer haben sich zu aller Zeit durch ihre Intelligenz und Arbeitsfreudigkeit ausgezeichnet. Da in
einer Gegend mit so rauhem Klima der Betrieb der Landwirtschaft den Leuten kein genügendes Auskommen bot, wandten sich die
Männer der industriellen Tätigkeit zu, während die Frauen und Mädchen prachtvolle Spitzen anfertigten, die bis ins Ausland
sehr gesucht waren und heute nur noch in einigen alten Familien und in wenigen Museen bewundert werden
können.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde im Thal die Uhrenindustrie eingeführt, die den Bewohnern bald einen bisher nicht bekannten
Wohlstand brachte. Heute ist St. Immer ein ebenso rühriger und mit den nämlichen Bequemlichkeiten des Lebens ausgerüsteter
Ort wie irgend eine grössere Stadt. Wie der Bewohner des Thales von La Chaux de Fonds arbeitet auch der
des St. Immerthales an den Wochentagen streng und ausdauernd, während er es liebt, die freien Abende dem Vereinsleben zu
widmen und an schönen Sonntagen mit seiner Familie die Umgebungen seines Wohnortes zu durchstreifen.
Das Hauptziel aller Ausflüge bildet seit 1905^[Berichtigung: 1903] der Sonnenberg, auf dem jetzt auch
Mitte Juli das alljährliche Jugendfest gefeiert wird. ^[Ergänzung: Die von Saint Imier heraufführende Drahtseilbahn ist 650 m
lang.] Die Zahl der die verschiedensten Zwecke verfolgenden Vereine und Gesellschaften ist eine ausserordentlich grosse:
landwirtschaftliche u. milchwirtschaftliche Genossenschaft, Wirteverein, Schalenmacherverein, Syndikat der Graveure und Guillocheure
und andere berufliche Vereinigungen der Uhrenmacher, Kaufmännischer Verein;
verschiedene Konsumvereine, gemeinnützige Vereinigungen
und Anstalten, Verschönerungsverein, Bildungsverein (Société d'Émulation), Alters-, Kranken und Sterbekassen (Neuenburger-
und Waadtländerverein), Temperenzvereine;
französische und deutsche Gesangvereine, Musikvereine, Turnvereine, Schützengesellschaft,
Orchesterverein;
Unionsklub (Cercle de l'Union), Alpenklub, Philatelistenklub, Veloklub;
Artillerieverein und Militärgesellschaft;
Katholikenverein, Italienerverein u. a. m.
Der Ursprung von St. Immer ist noch in Dunkel gehüllt. Sicher ist blos, dass das Thal schon ziemlich frühzeitig
besiedelt war. Der Ueberlieferung nach soll das Dorf vom h. Immer aus Lugnez bei Pruntrut gestiftet worden sein, der nach seiner
Rückkehr von einer Palästinareise das Waldthal Suzinga (Thal der Suze oder Schüss) urbar zu machen begann.
Geburts- und Todesjahr des Heiligen sind nicht bekannt. Die ersten Häuser um die Zelle des h. Einsiedlers siedelten sich wahrscheinlich
im 7. Jahrhundert an. Auf seinem Grab entstand dann bald ein Kloster mit Kirche, dessen Mönche ohne Schwierigkeit in den Besitz
des noch nicht dem Anbau erschlossenen Thales kamen. 884 wurde das St. Immerthal von Karl dem Dicken der
Abtei Moutier-Grandval gegeben. Das Kloster in St. Immer wandelte sich (wie man glaubt im Jahr 933 mit
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