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von diesen Kalk- und Schieferfelsen nicht mehr viel übrig gelassen, sodass die Thalwände zu beiden Seiten fast ausschliesslich aus krystallinen Gesteinen (Gneis, Glimmerschiefer etc.) bestehen, in die zahllose seitliche Wildbäche mit grosser Gleichmässigkeit ihre tiefen Tobel hineingeschnitten haben. In dieser bis Niederwald noch gut erkennbaren Mulde muss die Flusserosion leichtes Spiel gehabt haben, da die Thalsohle hier auf je einen Meter nur um 0,0044 Meter fällt und mit Alluvionen überführt ist.
Von Niederwald an hat der Fluss die zwischen die krystallinen Thalwände eingelagerten Kalke und Schiefer vollständig weggespühlt, so dass er jetzt auf der krystallinen Felsunterlage fliesst, die widerstandsfähiger ist und daher das Gefälle verstärkt. Bis Mörel beträgt auf eine Länge von 14 km der Höhenunterschied 477 m, d. h. 0,034 m auf je einen Meter Länge. Bei Mörel ändert sich die Beschaffenheit der linksseitigen Thalwand, indem hier das Gotthardmassiv in die Tiefe taucht und mit einer spitzen Zunge endigt.
Auf diese Art treten nun die das Massiv im SO. von Airolo her über den Nufenenpass begleitenden Glanzschiefer an das Rhonethal hinan und bilden sowohl dessen S.-Gehänge als auch einen Teil der Sohle selbst. Daher weisen nun die beidseitigen Thalflanken recht verschiedenen Charakter auf: im N. haben wir schroffe, steil abbrechende und von engen Schluchten durchschnittene Felsen, im S. dagegen abgerundete und gleichmässig geböschte Rücken, in die sich zahlreiche reich verzweigte Wildbachtobel eingeschnitten haben.
Hinter den sanftern Formen der Glanzschieferzone ragen die kühnen Gestalten der krystallinen Hochalpen auf, die in ihren Formen wieder dem Aarmassiv entsprechen. Die Zone der Glanzschiefer wird gegen W. immer schmäler und verliert sich in der Gegend von Turtman zwischen einer breiten Triaszone, deren Schichten nach S. einfallen und eingelagerte Fetzen der Kohlenformation mit Anthrazitlagern umschliessen. Ueber dem Ganzen liegt ein ungeheurer Komplex von krystallinen Schiefern, die eine grosse liegende Falte zu bilden scheinen.
Fast an der gleichen Stelle taucht auch das krystalline Aarmassiv, das bisher die N.-Flanke des Thales gebildet hat, unter die Sedimentdecke der Hohen Kalkalpen (Wildstrubel-Wildhorn) ein, so dass auf dieser Seite nun die Trias-, Jura- und Kreideschichten als Thalrand erscheinen. Diesen Charakter behält das Thal bis nach Saxon bei, wo die Kalksedimente teilweise über das Thal auf das S.-Gehänge hinübergreifen und wo unter ihnen das krystalline Massiv des Mont Blanc in die Höhe taucht. Lokal zeigen sich hier auch neuerdings Felsarten von der Fazies der Glanzschiefer.
Von dem an der Grenze zwischen dem Massiv des Mont Blanc und dem der Aiguilles Rouges liegenden Rhoneknie bei Martinach an schneidet sich das Rhonethal mehr als 2500 m tief unter den benachbarten Gipfeln quer durch das Massiv der Aiguilles Rouges hindurch, das von der ganzen, gefalteten und gegen N. untertauchenden Sedimentdecke der Kette Dents de Morcles-Dents du Midi überlagert wird. Dann quert es die Falten der Präalpen (s. die Art. Chablaisgruppe und Saanen- und Simmengruppe) und endlich mit dem Genfersee die Schichten der Molasse.
Die Thalsohle ist von Mörel an abwärts mit Alluvionen bedeckt, die immer breiter und natürlich auch dicker werden. Diese Alluvialebene ist von Leuk bis Martinach fast nirgends unter 2 km breit. So schneidet sich also die Rhone von Mörel an nicht mehr ein, sondern schwemmt im Gegenteil an, da sie weder die aus ihrem eigenen Oberlauf kommenden Geschiebe noch diejenigen, die ihr ihre Nebenflüsse in Menge herbeiführen, bis zum Genfersee hinunter zu verfrachten vermag.
Und dies trotz der umfangreichen Dammbauten und anderen Korrektionsarbeiten, die die Geschwindigkeit des Wasserabflusses zu erhöhen bestimmt sind. Gegenüber der Mündung eines jeden seitlichen Wildbaches weicht die Rhone infolge der gewaltigen Schuttanhäufungen derselben mit einer konvexen Kurve aus; stellenweise wird sie sogar bis auf den Felsboden der jenseitigen Thalwand zurückgeworfen. So lange diese Schuttkegel der Wildbäche in kurzer Entfernung aufeinander folgen und an Umfang nicht stark voneinander verschieden sind, wird auch das Längsprofil des Thales nicht stark gestört, so dass der Fluss ohne nennenswerte Gefällsbrüche sich mit zahlreichen Schlingen durch diese Hindernisse hinwindet. So ändert z. B. der Schuttkegel der Borgne oberhalb Sitten das mittlere Gefälle der Rhone nicht erheblich, obwohl er diese zwingt, einen Bogen von 2,2 km Radius zu ¶
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beschreiben. Dagegen bilden aber zwei dieser seitlichen Schuttkegel wirkliche Thalschwellen, die das Rhonebett in abnormalem Mass erhöht haben. Es ist dies zunächst der Schuttkegel des Illgrabens, eines verhältnismässig nur wenig starken Wildbaches, der aber in kurzer Zeit eine ungeheure Masse von Geschieben ins Thal hinausgeführt und dort zwischen Susten (Station Leuk-Susten) und Siders eine über 80 m hohe Barre (Pfinwald) angeschwemmt hat. Auffallend ist die Tatsache, dass der grosse prähistorische Bergsturz von Siders das Thalprofil nicht merklich zu stören vermochte, sondern höchstens den Fuss der Schwelle des Pfinwaldes erhöht und so deren Steilabfall nach unten etwas gemildert hat.
Die zweite Querbarre ist vom Wildbach von Saint Barthélemy aufgebaut worden, über dessen ins Thal hinaus geworfenen Schuttkegel (Bois Noir) die an die Felswand der N.-Seite gedrängte Rhone mit einem Gefäll von etwa 30 m abfliesst. Dieser Fall wird jetzt vom Wasser- und Elektrizitätswerk des Bois Noir ausgenutzt, um die Stadt Lausanne mit Licht und Kraft zu versorgen. Unterhalb Saint Maurice nähern sich die beidseitigen Felsflanken stark, so dass die Rhone auf etwa 100 m Länge durch eine enge Schlucht braust, um dann die am Genfersee endigende, 4-5 km breite Alluvialebene zu durchziehen. Es ist wahrscheinlich, dass der Fluss während einer gewissen Zeit seinen Weg um den Hügel von Chiètres herum durch die Senke Lavey-Le Châtel-Bex und, weiter unten, ö. an dem wie eine Insel mitten aus den Alluvionen aufragenden Felsen von Saint Triphon vorbei durch die Senke von Ollon genommen hat.
Die Schlucht von Saint Maurice setzt sich vielleicht noch weit in die Tiefe fort und scheint wenigstens auf keinen Fall eine Felsenschwelle zu sein. Sollte dies doch zutreffen, so müsste man die ehemalige Vereinigungsstelle des Bodens der Wanne von Saint Maurice mit der Rhoneebene in der Senke von Châtel suchen. Oberhalb Saint Maurice, wo der ebene Thalboden 1200 m breit ist, kann man die Dicke der Alluvionen auf etwa 200 m schätzen, und in dieser Tiefe unter dem heutigen Rhonespiegel muss die Felsunterlage des Engpasses liegen, den der Fluss zur Zeit der Vertiefung des Thales durchfloss und der jetzt durch die abgelagerten Geschiebe aufgefüllt ist.
Die Aufschüttung der Rhoneebene bis zum Genfersee ist eine Folge des Einsinkens des Alpenkörpers, dem der Genfersee und alle andern grossen Alpenrandseen ihre Entstehung verdanken. Dieses Rücksinken muss im Innern des Gebirges an 1000 m, am N.-Rand mindesten; 500 m und am S.-Rand wahrscheinlich mehr als 1000 m betragen haben und hat das untere Thal der Rhone von Genf an aufwärts in einen See umgewandelt, der sicherlich grösser war als der heutige Leman. Die Frage, bis wohin dieser See vor der immer noch vor sich gehenden Zuschüttung gereicht habe, ist sehr schwierig zu beantworten.
Wenn wir bei Sitten (490 m), wo der Thalboden blos 1 km breit ist, eine 120 m mächtige Decke von Alluvionen annehmen, muss der Genfersee beim gleichen Niveau, in dem sein Spiegel heute liegt, bis in diese Gegend hinauf sich fortgesetzt haben. Die Dicke der Alluvionen entspricht dem Gefäll, das der Fluss beim Hinausschieben seiner Mündung in den See, d. h. bei dessen allmähliger Zuschüttung, nach und nach sich geschaffen hat. Sollte der See nach unserer Annahme fjordartig bis gegen Sitten hinaufgereicht haben, so wären bis heute von seiner einstigen Länge 78,5 km verlandet. So lange man aber mit Hilfe von Bohrungen die Gestalt der Felsunterlage unter der Geschiebedecke nicht bestimmt hat, kann man wegen des Fehlens von genauen Angaben die Lage des einstigen obern Endes des Genfersees nicht befriedigend fixieren.
Doch ist es auf jeden Fall wahrscheinlich, dass dieses Ende merklich hinter dem Engpass von Saint Maurice gelegen haben muss. Ohne die Gefällsbrüche in der Thalsohle könnte man die ganze Frage vielleicht lösen. Wir haben schon gezeigt, dass sich solche Gefällsbrüche im aufgeschütteten Abschnitt des Thales an den Schutthaufen des Bois Noir und des Pfinwaldes (Bois de Finges) und weiter oben an zwei Felsenschwellen finden, deren eine vor dem Thalboden von Gletsch, auf dem der Rhonegletscher endigt, liegt. Die zwischen diesen Schwellen liegenden Thalstücke haben ein Gefäll von 2,36 m, 2,08 m, 2,23 m und 4,4 m auf je einen km Länge. Vergl. das beigegebene Längsprofil.
Die Ursachen, die wir zur Erklärung der Bildung des Rhonethales und der Alpenthäler im Allgemeinen als wirksam anerkannt haben - Auswaschen durch fliessendes Wasser vor der Eiszeit, dann Rücksinken des Alpenkörpers und infolge davon Umwandlung des untersten Thalstückes in einen See und merkliche Verminderung des Gefälles in dem nicht ertrunkenen Stück -, lassen uns unter anderm auch verstehen, dass bei dem verminderten Gefäll der Thalboden zwischen den beiden Felsenschwellen von Niederwald und Oberwald mit Geschiebe überführt worden ist.
Dieser Ansicht steht nun eine andere schroff gegenüber, die die Entstehung der Thäler und der Seebecken ohne Einsinken ausschliesslich der aushobelnden Tätigkeit des Gletschereises zuschreibt. Unserer Ansicht nach muss aber das Thal als enge Rinne unterhalb der seinen Boden heute bedeckenden Alluvionen schon vor der Bedeckung durch die eiszeitlichen Gletscher gegraben gewesen sein. Dann hat der grosse eiszeitliche Rhonegletscher die Wände abgeschliffen, die Rauhheiten abgerundet, die Felsenschwellen erniedrigt und ganz besonders das Thal erweitert. Die über eine Stufe hoch oben über der Sohle des Hauptthales einmündenden Seitenthäler zeigen, dass diese noch zu einer Zeit von Gletschern bedeckt waren, da im Hauptthal kein Eis mehr lag. Die diese Stufen oder Felsschwellen durchschneidenden engen und tiefen Schluchten, die wie mit einer Säge eingeschnitten erscheinen, sind das Werk der nach dem Rückzug der Gletscher einsetzenden Erosion ¶