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Tiefenstock, Rhonestock, Dammastock (mit 3633 m der höchste dieser Gipfel), Schneestock, Eggstock, Weissnollen, Limmistock, Thierälplistock, Hintere Gelmerhörner, Gerstenhörner. Der Punkt der Vereinigung dieses Thälchens mit demjenigen des Muttbaches liegt am Fuss der die Saaswand mit der Furkawand verbindenden Felsen in 1792 m, so dass also der Höhenunterschied zwischen dem Eggstock (3558 m) und diesem Punkt 1766 m beträgt und das Gletscherbett ein mittleres Gefälle von 17% hat. Als der Gletscher seinen höchsten Stand hatte, reichte er weit über diese Vereinigungsstelle hinaus und konnte bis 11,8 km lang werden, wobei dann sein unterster Abschnitt in einen nur um 2% fallenden Thalboden zu liegen kam, so dass das Gesamtgefälle merklich, d. h. auf 15% herabgemindert wurde.
Alle in diesem Artikel gegebenen Zahlenwerte sind von Ingenieur L. Held, dem jetzigen Direktor der eidgenössischen topographischen Landesanstalt, entweder direkt übermittelt oder dann geprüft worden.
Die Fläche des Rhonegletschers misst 22 ±1,2 km2 und schwankt je nach dem grössten oder kleinsten Stand des Gletschers zwischen folgenden Werten (in Hektaren):
Die Breite schwankt zwischen 3,7 km im breitesten Abschnitt des Firns und 0,5 km im engsten Teil des Eisfalles. Der oberste Abschnitt des Firns an den Gehängen der Hochgipfel, wo die Böschung des Schnees die Grenze der Stabilität erreicht, hat ein sehr starkes Gefäll, z. B. am Hang des Galenstocks 127%; im mittleren Abschnitt des Firnes sinkt das Gefäll auf 7%, steigt dann im obern Teil des Gletschers (oberhalb des Eisfalles) wieder auf 11% und im Eisfall selbst stellenweise im Mittel auf 46%, kann aber hier 100 und mehr erreichen und da und dort senkrecht abfallen.
Den auffallendsten Zug im Leben eines Gletschers bildet die periodische Aenderung seiner Grösse. Das abwechselnde Vorstossen und Zurückgehen, das sich im Laufe eines Jahrhunderts zwei- bis dreimal zu wiederholen pflegt, ist ein Phänomen, das durch die von ihm bedingte mächtige Volumenänderung des Gletschers grossartig und durch die lange Dauer der einzelnen Perioden zugleich erhaben erscheint. Direkte oder indirekte Beobachtungen über diese Schwankungen besitzen wir für den Rhonegletscher erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts.
Zeichnungen von Besson aus 1777, Albanis de Beaumont aus 1787 und Konrad Escher aus 1794 zeigen uns den Gletscher nahe seinem Maximum, das dann 1818 wirklich erreicht wurde. Damals lagerte der Gletscher die Moränen ab, die 150 m oberhalb der Brücke von Gletsch liegen. Von 1820 bis 1850 zeigte der immer noch sehr lange Gletscher Schwankungen untergeordneter Natur und erreichte 1855 sein zweites Maximum im 19. Jahrhundert (Ablagerung der Moränen 275 m oberhalb der Brücke von Gletsch). Dann ist der Gletscher, stets genau beobachtet und kontroliert, 1856 bis 1904 fortwährend zurückgegangen und zwar derart, dass seine Stirn jetzt um 1520 m hinter dem Stand von 1818 liegt. Der grösste Gletscherstand lässt sich an Ort und Stelle und auf der Karte an den abgelagerten End- und Seitenmoränen vollkommen erkennen. 120 m vor der Endmoräne von 1818 und 30 m oberhalb der Brücke von Gletsch liegt ein Moränenwall aus unbekannter Zeit.
Beim jetzigen Minimalstand ist die Eisoberfläche des Gletschers oberhalb des Hotels Belvédère am linken Ufer 50 m, am Fuss der Furkawand 130 m und am rechten und linken Rand der einstigen sog. Muschel (Coquille) unterhalb des Eisfalles 150 m tief unter die Seitenmoränen zurückgesunken. Nach den Schätzungen von Ing. Gosset ist der Gletscher von 1856-1880 an Länge um 850 m, an Fläche um 1 Million m2 und an Volumen um 175 Millionen m3 geschwunden.
Der Rhonegletscher ist ein grosser Thalgletscher, der einheitlich gebaut ist und in seinem jetzigen Minimalstand nur ein einfaches Nährgebiet aufweist. Einzig der ¶
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spornartig vorspringende Thälistock (auf der Siegfriedkarte irrtümlich Tellstock genannt) trennt den Grossen Thälifirn vom Kleinen Thälifirn. Die am Punkt der Vereinigung dieser beiden Firnfelder beginnende Mittelmoräne verliert sich in der am Fuss der Gerstenhörner und oberhalb der Saaswand liegenden sog. Moränenbucht, einer chaotischen Anhäufung von Felsblöcken, die in verworrenstem Durcheinander abgelagert sind. Die an den Flanken der Gelmer- und Gerstenhörner hängenden kleinen Eisfelder stehen beim jetzigen Minimalstadium mit dem Hauptgletscher nicht mehr in Verbindung und nähren daher das vom Thälifirn ausgehende und noch vor seiner Ankunft in der Moränenbucht durch Ablation verschwindende Eisband ebenfalls nicht mehr.
Wie sich diese Verhältnisse beim Vorstossen und Maximalstand des Gletschers gestalten würden, wissen wir nicht. Der Grosse Firn wird von den Ausläufern des Galenstocks nur wenig gegliedert, aber doch genug, um die Entstehung einer Moräne zu ermöglichen die am Fuss des Galengrates oberhalb des Belvédère am linken Ufer strandet. Nach den Zeichnungen von Besson 1777 und Zeller 1852 scheint es, als ob der kleine Gletscher w. vom Furkahorn und Galengrat sich während einer Vorstossperiode mit dem Hauptgletscher vereinigen würde; betrachtet man aber die Zeichnung von Konrad Escher 1794, so steigen einem darüber wieder Zweifel auf.
Auf der erwähnten Ablenkung der Mittelmoränen gegen die Ufer hin beruht die relative Reinheit des eigentlichen Körpers des Rhonegletschers. Unterhalb des Eisfalles finden sich (wenigstens bei Minimalstand) keine Steine mehr, und auch die Muschel wird blos durch äolischen Staub verunreinigt, der auf ihrer Oberfläche sich zu braunen Schmutzbändern anordnet. Doch erscheinen mitten in der Muschel im Drittel gegen das rechte Ufer hin horizontal geschichtete Sand- und Kieslagen, die wahrscheinlich vom Boden einer einst im obern Gletscherabschnitt befindlichen Gletschermühle herstammen und infolge von Ueberschiebung ausgebreitet worden und an die Eisoberfläche gelangt sind.
Bemerkenswert rein ist das Eis des Endstückes des Gletschers, und am ganzen Stirnrand der Muschel zeigt sich keine Spur von Untermoränen. Die um 1880 in die Gletscherstirn rechts vom Austritt des Gletscherbaches und während der letzten 20 Jahre links davon eingehauenen künstlichen Grotten gehen durch das klarste Eis und haben fast nirgends einen Gesteinsbrocken angetroffen. Ich kenne von keinem andern Gletscher her ein so prachtvolles, tiefes und starkes Blau wie es die sog. Azurgrotte des Rhonegletschers oder die unter dem Gletscher ausgeschmolzenen Höhlen bieten, in die ich seinerzeit ohne zu grosse Gefahr hineinkriechen konnte.
Berühmt ist der Rhonegletscher durch seinen prachtvollen Eisfall, in dem das Eis über die Felsenschwelle zwischen der Saaswand und dem Belvédère an der Furkawand hinunterstürzt. Mit seiner Höhe von etwa 450 m ist er etwa 10mal höher als der Niagarafall und 20mal höher als der Rheinfall bei Schaffhausen. Das Eis steigt hier in mächtigen Treppenstufen ab, die eine über die andere stürzen und der Reihe nach zu elegant geformten und äusserst vielgestaltigen Blättern, Nadeln und Pyramiden zerreissen.
Beim Minimalstand des Gletschers misst die höchste Vertikalstufe des Falles 32 m Höhe. Einen so imposanten Eisfall weisen nur wenige andere Gletscher auf, keiner aber zeigt ihn dem bewundernden Blick der Naturfreunde unter so günstigen und bequemen Zugangsbedingungen. Die grosse Furkastrasse zieht sich auf Kilometer vor und am Fuss des Falles hin, nähert sich ihm dann beim Anstieg an der Furkawand mit jeder Schlinge immer mehr und lässt uns endlich beim Belvédère das Schauspiel in seiner ganzen Grossartigkeit geniessen.
Wenn ich meine nun auf 35 Jahre zurückgehenden eigenen Erinnerungen mit den seit 140 Jahren vom Rhonegletscher gemachten Zeichnungen vergleiche, glaube ich sagen zu können, dass der Eisfall beim Minimalstand des Gletschers schöner und wilder zerrissen ist als beim Maximalstand, da die Muschel noch bis etwa zur Hälfte der Eiskaskade hinaufreichte. Ein in ⅔ der Höhe und im rechtsseitigen Viertel des Falles am erfolgter Einsturz des Eises, der wie durch ein Fenster hindurch den über die Felsenschwelle schäumenden Gletscherbach sehen liess, hat gezeigt, wie wenig mächtig hier während einer Rückzugsperiode die Dicke des Eises ist, d. h. blos 5-10 m. Die abstürzenden Eisblöcke regelieren am Fuss des Falles wieder zu einem neuen, einheitlichen Gletscherfeld, einer konvex aufgewölbten, mächtigen Eismasse mit radial ausstrahlenden Gletscherspalten. Diese nach ihrer Aehnlichkeit mit einer Jakobsmuschel so genannte «Muschel» ist beim Minimalstand des Gletschers zu kurz und nicht scharf geformt und wird dann richtiger mit einer Löwenpfote verglichen, zeigt ¶