Rhætikon
(Kt. Graubünden). S. den Art. Rætikon.
(Kt. Graubünden). S. den Art. Rætikon.
(Kt. Graubünden). Kreis des Bezirkes Im Boden. Umfasst die am linken Ufer des Hinterrhein liegenden Gemeinden Rhäzüns und Bonaduz und die Gemeinde Ems am rechten Ufer des vereinigten Rhein. Grenzt im N. mit dem Vorderrhein und dem vereinigten Rhein an den Kreis Trins, im O. an die Stadt Chur und die Kreise Churwalden und Domleschg, im S. an den Kreis Domleschg und im W. mit dem S.-N. ziehenden Heinzenberg an den Kreis Ilanz. Bildet zusammen mit dem Kreis Trins den Bezirk Imboden.
Wird seiner ganzen Länge nach von dem nach N. fliessenden Hinterrhein und von Reichenau an von dem nach O. sich wendenden vereinigten Rhein durchzogen. In gleicher Richtung halten sich die die Gemeinden des Kreises unter sich verbindende Untere Strasse und die Linie Chur-Thusis (-Engadin) der Rätischen Bahn. Da alle drei Gemeinden in der Rheinebene («im Boden») liegen, ist das Klima ein sehr mildes; doch wird die Fruchtbarkeit der Gegend durch den trockenen, sandigen Boden stark herabgesetzt. 2885 Ew., wovon 2809 Katholiken und 76 Reformierte; 2254 Ew. sprechen romanisch, 505 deutsch, 121 italienisch und 5 eine andere Sprache. 379 Häuser und 630 Haushaltungen.
Haupterwerbszweig der Bewohner ist die Landwirtschaft, besonders Wiesenbau, Viehzucht und Alpwirtschaft. Etwas Holzhandel. Sehr viele Einwohner der Gemeinde Ems suchen ihr Brot als Gasthofangestellte. Rhäzüns war bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts österreichischer Besitz und kam erst im Frieden von Lunéville als Ersatz für den Verlust des Veltlin an Graubünden. Diese Tatsache erklärt, warum Rhäzüns und Bonaduz zum überwiegenden Teil katholisch sind.
romanisch Razen oder Razin (Kt. Graubünden, Bez. Im Boden, Kreis Rhäzüns). 648 m. Gem. und Pfarrdorf, am linken Ufer des Hinterrhein und 3 km s. Reichenau. Station der Albulabahn (Chur-Thusis-Engadin). Postablage. 64 Häuser, 495 kathol. Ew. meist romanischer Zunge. Landwirtschaft. Am zum Teil durch Feuer zerstört (27 Gebäude in Asche gelegt). Etwa 400 m östl. vom Dorf steht auf einem gegen den Rhein jäh abfallenden Felsen das Schloss Rhäzüns, der Sitz der ehemaligen gleichnamigen Herrschaft.
Der erste urkundliche Bericht über die Veste Rhäzüns stammt aus einer undatierten, aber nach der gewöhnlichen Annahme 960 gefertigten Urkunde über Tauschverhandlungen zwischen Otto I. und Bischof Hartbert zu Chur, infolge welcher Rhäzüns aus dem Besitze Ottos in den des Bischofs kam. Fast zweifellos bestand hier schon in römischer Zeit ein die über den Rhein führende Brücke schützendes Kastell. Ende des 11. oder Anfangs des 12. Jahrhunderts gab es bereits Herren von Rhäzüns, Verwandte derer von Vaz.
Die von Rhäzüns waren ein mächtiges und angesehenes Geschlecht, besonders seit Heinrich III. (um die Mitte des 13. Jahrhunderts), dem Erbauer des ältesten noch bestehenden Teiles der Burg. Anfangs des 14. Jahrhunderts wurden die Herren von Rhäzüns zum Unterschied von andern, bürgerlichen Geschlechtern gleichen Namens Brun (Baron, romanisch Barun) von Rhäzüns genannt. Heinrich IV. war Anführer in der Fehde des Abtes von Disentis (1333-1339) gegen die Urner. 1352 schlugen Walther und Donat von Rhäzüns mit den Lugnezern den Grafen Rudolf von Montfort-Feldkirch und die Grafen von Werdenberg und mehrten dadurch ihren Besitz wesentlich.
Brun Ulrich der Mächtige (gestorben 1415) vergrösserte die Macht des Hauses durch Verträge und Käufe. Die Herrschaft umfasste damals die heutigen Gemeinden Rhäzüns, Bonaduz, Ems und Felsberg. 1424 schwuren Hans, Heinrich und Ulrich (der Junge) von Rhäzüns zu Truns mit. Jörg von Rhäzüns aber trat 1450 dem schwarzen Bund bei und wurde 1452, nachdem die Burgen Ortenstein und Alt und Neu Sins gebrochen waren, gefangen und sollte verurteilt und enthauptet werden. Die Klugheit seines Dieners rettete ihm aber das Leben, sodass er begnadigt wurde, worauf er dem Bunde abschwur und 1458 als der letzte seines Geschlechtes starb.
Die Herrschaft ging über auf seinen Schwiegersohn Graf Jörg von Jörgenberg, nach dessen Tod die Grafen von Zollern das Erbe antraten. Nachdem die Herrschaft 1490 durch Kauf für kurze Zeit in den Besitz von Konradin von Marmels übergegangen war, vertauschte sie Graf Eitelfritz von Zollern 1497 an die Herrschaft Haigerloch in Schwaben. Den Zollern folgten die Habsburger, dann 1805 die Wittelsbacher, und 1809 wurde Rhäzüns zu Frankreich geschlagen, bis es endlich 1815 endgiltig Graubünden verblieb. Seit vielen Jahren ist das Schloss Rhäzüns Eigentum der Familie Vieli, die es noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts bewohnte. 960: Castellum Rhaezunnes;
1139: Ruzunne;
um 1150: Ruzunne, Ruzunnes;
1160: Ruzunus;
1350: Rutzüns, Rusuns.
Kommt nach Prof. J. C. Muoth vom romanischen rusa = Fischkorb. Fund von römischen Münzen.
Der Name dieses Flusses, eines der grössten der europäischen Ströme, dessen Gebiet auch der grösste Teil der Schweiz angehört, stammt aus dem keltischen ren = das Fliessende, der Fluss. Das gallische rênos (ohne h, da das keltische kein gehauchtes r hat) ist durch das Suffix no von der zu rê gesteigerten Wurzel ri gebildet, die im Sanskrit gehen, fliessen, auch brausen heisst. Rênos heisst also nichts anderes als Fluss. Die Deutschen nannten den Strom Hrîn, später Rîn, die Römer Rhenus, eigentümlicherweise mit h (wie auch bei Rhodanus, Rhone), während sie sonst keltische Namen ohne (das griechische) h schrieben. Bacmeister erklärt denn auch die Schreibweise Rhein mit h als «Gelehrtenzopf». Die Italiener schreiben Reno, die Franzosen Rhin, die Niederländer Rijn, die Engländer Rhine. In Graubünden werden ausser Vorder- und Hinterrhein noch verschiedene ihrer Zuflüsse als Rhein oder Rhin bezeichnet und nach den Thälern unterschieden, so Medelser-, Somvixer-, Vriner-, Valser Rhein etc. Auch Deutschland hat seine Rhin, so bei Kassel und in Brandenburg.
Der ganze Lauf des Rheins wird allgemein in Ober-, Mittel- und Niederrhein eingeteilt. Der Oberrhein reicht von den Quellen bis Basel, der Mittelrhein von Basel bis Bingen, der Niederrhein von Bingen bis zur Nordsee. Die Länge der gesamten Stromlinie wird auf 1320 km, das Stromgebiet auf 224400 km2 berechnet (nach Justus Perthes' Taschenatlas 1904). Wir beschäftigen uns hier nur mit dem Oberrhein als dem eigentlich schweizerischen Teil des Stromes und geben zunächst einige Zahlen, welche seine Grössenverhältnisse (Flusslängen und Flussgebiete) im Vergleich zu einigen andern Gewässern der Schweiz veranschaulichen mögen (die Längen nach gefl. Mitteilungen des Eidgen. hydrometr. Bureau in Bern, die Flussgebiete nach ältern und allerdings noch revisionsbedürftigen Angaben). ¶
(ohne die ausländischen Gebiete) | Länge km | Flussgebiet km2 |
---|---|---|
Rhein bis zur Grenze bei Basel | 375 | 27867 |
Rhone bis Chancy | 252 | 6790 |
Tessin bis Langensee | 88 | 3375 |
Inn bis zur Grenze | 91 | 1717 |
Rambach im Münsterthal | 16 | - |
Rhein bis Aaremündung | 311 | 8680 |
Aare ^[berichtigt] | 284 | 17614 |
Reuss | 154 | 3411 |
Linth-Limmat | 135 | 2414 |
Saane | 126 | 1882 |
Orbe-Zihl | 126 | 3104 |
Thur | 122 | 1783 |
Es fallen also rund ⅔ der Schweiz auf das Rheingebiet. In letzterem überwiegt aber die Aare so sehr, dass ihr Gebiet über 2/5, das Rheingebiet ohne die Aare nur etwa ¼ der Schweiz umfasst. Auch wenn man den ausserschweizerischen Anteil des Rheingebietes mitrechnet, erreicht dieses letztere bis Waldshut nicht völlig 15000 km2, bleibt also immer noch beträchtlich hinter dem Aaregebiet zurück. Dagegen ist die Aare nach den obigen Zahlen etwas kürzer als der Rhein oberhalb der Vereinigungsstelle.
Bisher war man freilich gegenteiliger Meinung, da die Aare zu 280, der Rhein bis Waldshut zu 274 km Länge angenommen wurde. Ueber die mittlere Wasserführung der beiden Flüsse können leider noch keine zuverlässigen Zahlen angegeben werden. Als Minimum gibt das «Eidgen. hydrometrische Bureau» für den Rhein (bei Waldshut) 110 m3, für die Aare 150 m3 per Sekunde an. Die Maxima scheinen annähernd das 20fache dieser Minima zu betragen, denn bei Basel beträgt die minimale Wasserführung des Rheins (ohne Wiese) 280 m3, die maximale dagegen 5355 m3 per Sekunde (vor der Juragewässerkorrektion).
Die Grenzen des Rheingebietes sieht man am besten auf guten Karten nach, doch sollen sie auch hier in ihren Hauptzügen verfolgt und dabei einzelne ihrer interessanteren Stellen und Strecken besonders hervorgehoben werden. Nachdem die Wasserscheide bei dem elsässischen Dörfchen Lucelle (13 km östl. Pruntrut) von NO. her die Schweiz betreten hat, quert sie zwischen Asuel und Bourrignon den Mont Terri und zieht dann nach SW. und WSW. über den schmalen Höhenrücken, der die Sorne (Zufluss der Birs) vom Doubs trennt, etwa bis Montfaucon.
Dann folgt bis in die Gegend von Les Verrières-Sainte Croix-Jougne nicht mehr eine bestimmte Grenzlinie, sondern eine breitere Grenzzone, der die grossenteils abflusslosen Hochflächen der Freiberge (Franches Montagnes) und der sog. Montagnes des Kantons Neuenburg (La Chaux de Fonds, La Sagne, Chaux du Milieu, La Brévine) angehören. Südl. sind diese Hochflächen begrenzt durch die Ketten der Berge von Courtelary-St. Immer, der Tête de Ran-La Tourne und des Crêt de Travers-Les Cernets.
Dann zieht die Wasserscheide auf französischem Gebiet südl. und südwestl. und ungefähr parallel der Landesgrenze zum Mont d'Or bei Jougne und weiter über die Kette des Mont Risoux, macht dann, wieder auf französischem Boden, eine Schlinge um den Lac des Rousses, kehrt über Noirmont und Mont Tendre nach NO. zurück, um dann über La Sarraz, Oulens und Morrens im ganzen in südöstl. Richtung und mitten durch die Waadt das Bergland des Mont Jorat zu erreichen, von dem der Talent, die Mentue und die Broye nordwärts zum Rhein abfliessen, während mehrere kleinere Bäche südl. in den Genfersee fallen.
Eigenartig ist die Wasserscheide bei La Sarraz. Zwei Juragewässer, Nozon und Venoge, konvergieren gegen diesen Ort, als wollten sie sich hier vereinigen. Dann aber wenden sie sich plötzlich voneinander ab, der Nozon nördl. zur Orbe, die Venoge südl. zum Genfersee. Ein künstlich abgezweigter Mühlenkanal geht vom Nozon über La Sarraz in die Venoge. Grössere Bedeutung hatte einst der die Orbe mit der Venoge verbindende, heute aber eingegangene Canal d'Entreroche, der das Rheingebiet mit dem Rhonegebiet verband und für kleinere Transportschiffe fahrbar war. Es ist dies wohl der älteste Wasser-Kunstbau der Schweiz.
Vom Jorat geht die Wasserscheide südöstl. zur Tour de Gourze bei Cully (nur 2,2 km vom Genfersee), dann mit einigen Krümmungen östl. und nordöstl. zum Mont Pèlerin, Niremont (bei Châtel Saint Denis) und zur Tremettaz (am Moléson), dann südl. über die Dent de Lys, Cape de Moine und Rochers de Naye bis zur Tour de Mayen und von da im Bogen nördl. und östl. um das Thal von Les Ormonts zum Oldenhorn. Von da weg verläuft die Wasserscheide über den Hauptkamm der Berneralpen bis zur Grimsel, dann in grossem Bogen um den Rhonegletscher (Gerstenhörner, Tierälplistock, Weiss Nollen, Schneestock, Dammastock, Galenstock etc.) zum Furkapass, weiter über den Hauptkamm der Gotthardgruppe (Muttenhörner, Wyttenwasserstock, Piz Lucendro, Gotthardpass, Pizzo Centrale, Giubing) zum Piz Borel und mit südl. Ausbiegung über die N.-Wand des Val Piora (Taneda, Pizzo und Passo del Uomo) zum Lukmanier.
Von da bis zum Septimer macht sie mancherlei Krümmungen über Scopi, Piz Medel und Piz Gaglianera, La Greina, Piz Terri, Rheinwaldhorn, Bernhardin, Pizzo Curciusa, Tambohorn, Splügen, Surettahorn, Piz Timun, Mündung des Val di Lei und O.-Kamm desselben, Cima di Lago, Piz Gallegione, Passo della Duana, Gletscherhorn und Piz della Forcellina. Vom Septimer verläuft sie über Piz Julier, Piz Kesch, Piz Vadret, Flüela-Schwarzhorn, Piz Linard und Piz Buin ziemlich geradlinig, wird aber doch durch einige Seitenthäler des Engadin zu kleineren Ausbiegungen nach N. gezwungen, so durch das Val Beyer bis zum Piz d'Err und durch das Val Sulsanna bis Piz Forun, Sertigpass und Scalettapass. Es zeigt sich in solchen Krümmungen der Kampf der erodierenden Gewässer, die, von N. und S. in den Gebirgskörper einschneidend, die Wasserscheide immer weiter zurück verlegen und so alle ihre oft recht sonderbaren Verbiegungen verursachen.
Eine bemerkenswerte Stelle im bündnerischen Teil der Wasserscheide ist der Porchabellagletscher am Piz Kesch, dessen Schmelzwasser teils zum Rhein, teils zum Inn, also zur Nordsee und zum Schwarzen Meer abfliessen, was in ähnlicher Weise bei keinem andern Gletscher der Schweiz stattfindet. Am Piz Lunghino beim Septimer berühren sich die Stromgebiete des Rheins, des Po und der Donau, ähnlich wie schon vorher am Wyttenwasserstock diejenigen des Rheins, des Po und der Rhone.
Der ausserschweizerische Teil der Wasserscheide des Oberrheins sei nur durch Angabe einiger Hauptpunkte angedeutet. Sie zieht vom Piz Buin über das Zeinisjoch zum Arlberg, dann um den obersten Teil des Lechthales herum über die Rote Wand zum Widderstein, westl. vom Iller ungefähr nach N. etwa bis Leutkirch und von da über Waldsee, Saulgau, Pfullendorf, Stockach und zwischen Brege und Wutach durch zum Feldberg im Schwarzwald, endlich westl. der Wiese hinunter gegen Basel und n. des Birsigthals und des obern Lützelthals, doch nicht genau mit der Landesgrenze zusammenfallend, nach Lucelle, unserm Ausgangspunkt, zurück.
An dem so umschlossenen Gebiet des Rheins sind ausser dem deutschen und österreichischen Anteil und dem italienischen Val di Lei alle Kantone der Schweiz, ausgenommen Genf, beteiligt; Wallis und Tessin allerdings mit nur sehr kleinen Flächen, jenes am Sanetsch- und am Gemmipass, dieses am Gotthardpass und im Val Cadlimo westl. vom Lukmanier. Von der Waadt fällt schon etwa die Hälfte, von Graubünden mehr als die Hälfte (60%) ins Gebiet des Rheins, während ihm die Kantone Freiburg, Neuenburg und Bern (über 90%) fast ganz, alle übrigen Kantone ganz angehören.
Von den drei geographischen Hauptlandschaften der Schweiz gehören dem Rheingebiet die Alpen etwa zur Hälfte, das Mittelland und der Jura fast ganz an (von den zwei letzteren nur ein kleines Gebiet am Genfersee und ein schmaler Streifen an der französischen Grenze [Gebiet des Doubs] ausgenommen). Scheinen nun auch die Flussgebiete und deren Grenzen in der Gegenwart kaum irgend welche Veränderungen zu erleiden, so wissen wir doch, dass solche im Laufe der geologischen Zeiten stattgefunden haben. Im Art. Graubünden dieses Lexikons (Band II, S. 413) wurde z. B. erwähnt, dass die Thäler Medels, Somvix, Vals und Safien einst wohl weiter nach S. reichten als jetzt, sodass Val Scaradra und Val Carasina im Tessin, sowie Teile des Misox und Val San Giacomo (südl. vom Splügen) einst zum Rheingebiet gehörten, bis sie von den rascher erodierenden ¶