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zunimmt, bis es bei Attinghausen etwa 2,5 km breit geworden ist, welche Breite es nun bis zum See beibehält. Dieser Geschiebeboden nimmt von oben nach unten an Gefäll ab. Von 6‰ bei Amstäg sinkt dieses auf 3‰ im Kanal von Attinghausen. Die Thalwände steigen oft unvermittelt in steilen felsigen Gehängen aus dem Schuttboden auf, und anderswo haben Runsen und Seitenbäche ihre Schuttkegel auf die Anschwemmungen der Reuss gesetzt (Runsen an beiden Gehängen bei Erstfeld, Schuttkegel des Schächenbaches etc.). Auf dem Thalboden liegen überall zerstreut die Häuschen und Stadel der Thalbewohner, während sich die grössern Anhäufungen menschlicher Siedelungen an die Eingänge der Seitenthäler gestellt haben: Amstäg am Austritt des Kerstelenbaches aus dem Maderanerthal, Silenen, Erstfeld an der Mündung des Faulenbaches, Attinghausen auf dem Schuttkegel des Kummenbaches;
Schattdorf, Bürglen und Altorf auf dem Schuttkegel des Schächenbaches, Flüelen am Fuss des Gruonberges und Seedorf auf der andern Thalseite.
Das Einzugsgebiet der Reuss bis zum Urnersee umfasst 832 km2, wovon 296 auf Felsen und Schutt, 113 auf Gletscher und Firn, 1 auf Seen, 71 auf Wald und 351 km2 auf übrige Gebiete entfallen; etwa 50% sind unproduktiv; 241 km2 liegen über 2400 m hoch, 500 km2 von 1200-2400 m. Der Höhenunterschied zwischen Andermatt und dem Urnersee beträgt nahe an 1000 m. Jährliche Wasserfuhr etwa 750 Millionen m3. Anfangs Dezember bis Ende April Niederwasser von 0,75-1 m Tiefe, oft mit vollständiger Konstanz während Monaten.
Hochwasser vom Juli bis September. Grösstes nach der Reusskorrektion beobachtetes Hochwasser im September 1868 (mit 430 m3 Wasserfuhr pro Sekunde), wobei das Querprofil an der Brücke von Seedorf (135 m2) sich noch als etwas zu klein erwies. Minimum der Wasserfuhr auf 7,8 m3 in der Sekunde geschätzt. Kiesfuhr per Jahr etwa 150000 m3 und Schlammfuhr etwa 50000 m3. 1851-1878 bildeten sich 52500 m2 Deltaland. Abtrag des Sammelgebietes 1 m in 5500 Jahren. 1851-1861 Bau des Kanales von Attinghausen bis zur Mündung in den See.
Die Reuss und ihre Zuflüsse befinden sich noch zum guten Teil im Naturzustand (wenig Verbauungen), weshalb die angeführten Daten für die wissenschaftliche Kenntnis der Flusstätigkeit einen hervorragenden Wert haben. Das Reussthal ist in der Geologie klassisch geworden, weil es eines der ersten Beispiele war, das zur Erkenntnis der Thalbildung durch Erosion (Flusstätigkeit) führte. Vergl. Rütimeyer, Ludw. Ueber Thal- und Seebildung. Basel 1869; Heim, Alb. Erosion im Gebiete der Reuss. (Jahrbuch des S. A. C. 1878/79); Heim, Alb. Mechanismus der Gebirgsbildung.
Basel 1878; Heim, Alb. Nachtrag zur Erosion im Reussgebiet (in der Vierteljahrsschrift der naturforsch. Gesellschaft. Zürich 1900). Besonders schön sind hier Ausbildung und Auftreten von Terrassen und Thalstufen zu beobachten. Das Profil zeigt 5 übereinander liegende Thalböden, die durch periodische relative Senkung der Erosionsbasis (Mündung) entstanden sind. Thalaufwärts trifft man Terrassen und Thalstufen, die mit denen des Profils korrespondieren und also einst mit ihnen einem und demselben Thalboden angehörten. So gehören z. B. zur Terrasse 2 die untersten Terrassen in der Reussschlucht von Amstäg bis Wassen, auf denen vor Hochwasser gesichert Gurtnellen und Wassen stehen und die Gotthardstrasse liegt, und die Thalstufe im Maderanerthal bis an den Fuss des Lungenstutz;
zu 3 die Thalstufe von Unterschächen, die Terrasse von Göschenen und die anschliessende Thalstufe im Göschenenthal;
zu 4 die Thalstufe des Ursernthales und die Terrasse von Golzerenalp im Maderanertal;
zu 5 die Thalstufe der Passhöhen von Gotthard und Oberalp und die 15 km lange Terrasse von der Furkahöhe dem ganzen Hang der Spitzberge entlang bis zur Rossmettlenalp.
b. Subalpine Reuss.
In den Voralpen hat sich vom einstigen Reusslauf nur noch sein Thal erhalten, nämlich die Ebene von Schwyz, das Thal des Lowerzersees und des Zugersees und das der Lorze bis zu ihrer Mündung in die Reuss. Aus diesem Stammthal wurde die Reuss hinausgedrängt durch die letzte Hebung der Rigi-Rossbergnagelfluh, welche Bewegung den Grund legte zu dem bekannten Amphitheater von Arth, d. h. jenen Nagelfluhschichten, die in weiten Halbkreisen vom Rigi zum Rossberg hinüberziehen und wie gewaltige Treppenstufen den Hintergrund der Ebene von Arth bilden.
Diese Hebung ging so weit, dass in der Gegend von Goldau das anstehende Gestein etwa 100 m hoch über dem Zugersee angetroffen wird. So entstand hier eine Thalwasserscheide, wodurch die Reuss rückläufiges Gefälle bekam. Sie fand dann einen Ausweg durch verschiedene Thäler von frühern Zuflüssen bis in die Gegend von Luzern. In dem rückläufigen Thalstück Goldau-Brunnen wurde durch eingeschwemmten Muotakies der Lowerzersee aufgestaut, und als endlich die Senkung des ganzen Alpenkörpers eintrat, entstand im ¶
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ehemaligen Reussthal der Zugersee und im neugebildeten Reussthal der Vierwaldstättersee. (Vergl. auch den Art. Vierwaldstættersee). Beim Austritt aus dem See hat die Reuss ein Flussgebiet von 2257 km2, wovon 516 Fels und Schutt, 404 Firn und Gletscher, 131 Seen, 128 Wald und 1075 km2 übriges Gebiet. Das unproduktive Gebiet umfasst immer noch etwa 50%. Wasserfuhr im Minimum 15 m3 pro Sekunde, im Maximum 410 m3 pro Sekunde (Juni 1877). Beim Stadttheater Luzern hat der Wasserspiegel eine Breite von etwa 90 m. 1902 erreichte hier die Reuss beim höchsten Stand 5,6 m und heim tiefsten Stand 4,7 m Tiefe, d. h. also Ausgleichung des Wasserstandes durch das Reservoir des Vierwaldstättersees. Diese ausgleichende Wirkung des Sees wird heute durch ein künstliches System von Schleusen nahe dem Ausfluss der Reuss noch vervollständigt.
c. Mittellandreuss.
1. Die Reuss in der gehobenen Molasse. Von Luzern bis zur Mündung der Kleinen Emme fliesst die Reuss durch ein Querthal senkrecht zum Streichen der Schichten, während sonst in dieser Gegend zwischen Küssnachter- und Zugersee und Lorze- und Reussthal alles dem Streichen der Schichten folgt und Berg, Thal, See, Wald und Sumpf Züge von SW. nach NO. bilden. Von Luzern bis zur Furche des Rotsees (Eisenbahnbrücke der Zug-Luzernlinie) durchbricht die Reuss marine Molasse (Sandsteinbrüche bei Luzern, Löwendenkmal, Gletschergarten) und von da an bis zur Kleinen Emme obere Süsswassermolasse. Das ganze Querthal liegt im nördl. Schenkel der ersten Antiklinale der Molasse. Dieses Flussstück ist 3 km lang und hat ein Gefälle von 1‰. Mit diesem kleinen Gefäll kommt die Reuss aus, weil sie hier nur das Geröll des Krienbaches zu transportieren hat, den sie in Luzern aufnimmt.
2. Die Reuss auf Alluvium. Bei Emmenbrücke ändert sich der Charakter des Thales auf einen Schlag vollständig. An Stelle des engen Querthales in anstehendem Fels tritt ein breites Längsthal mit ebenem, aus Kies gebildeten Thalboden. Die Reuss verliert ihre Richtung und nimmt diejenige ihres Zuflusses, der Kleinen Emme, an. Beide vereint fliessen nun nach NO. in einem auf der Grenzzone zwischen waagrechter und dislozierter Molasse entstandenen Thal bis in die Gegend von Gislikon, von wo an die Reuss wieder in ihr ursprüngliches Stammthal einlenkt.
Nun behält sie bis zur Aare nnw. Richtung bei und bezieht bei Maschwanden die Lorze als Tribut aus dem verlorenen Thalstück Zugersee-Goldau. Von der Emmemündung an durchfliesst sie eine langgestreckte Alluvialebene, die sich bis nach Hermetswil-Unter Lunkhofen erstreckt, 32 km lang ist, ein durchschnittliches Gefäll von 1,8‰ und eine mittlere Breite von 1,5-2 km hat und vorzugsweise aus Emmenkies besteht. Mit der Ablagerung ihrer Geschiebemassen nimmt das Gefäll der Reuss ab; am obern Ende der Alluvialebene, wo kopfgrosse Gerölle den Boden bilden helfen, ist ein Gefäll von 2,4‰ entstanden, das dann bis zum untern Ende allmählig bis auf 0,9‰ sinkt. In diesen seinen Ablagerungen hat der Fluss eine Länge von 36,75 km. Diese Ebene trägt noch heute den Charakter eines Ueberschwemmungslandes Verzweigungen bei Lunkhofen, Altwasser bei Rottenswil, verschleppte Mündung von Seitenbächen (Rotbach von Rotenburg), weitgedehnte Sümpfe im untern Teil (besonders von Maschwanden an), grosse Waldflächen im obern kiesigen Teil (Perlen etc.). Am Rand der Ebene stehen 25 vor Ueberschwemmung gesicherte grössere Ansiedelungen, in der Reussebene selber dagegen nur eine (Emmen).
Blos 4 Brücken (Gislikon, Sins, Obfelden, Ottenbach) leiten Strassenzüge quer durch das Thal, sonst halten sich diese vom Fluss fern am Fuss der Gehänge. Etwa 12 Fähren verbinden die zwei Ufer miteinander. Die Gehänge dieses Reussthalstückes bestehen im obern Teil des Thales aus oberer Süsswassermolasse und im untern aus Gletscherablagerungen (Diluvium). Die zusammenhängende Bedeckung mit diesen beginnt am westl. Ufer bei Sins, am östl. etwas unterhalb der Lorzemündung. Ausser den schon genannten Zuflüssen erhält die Reuss auf dieser Strecke noch bei Unter Lunkhofen von rechts die Jonen.
3. Die Reuss auf Diluvium. Unterhalb Lunkhofen endigt der regelmässige Thalboden, und die Reuss tritt in eine Hügellandschaft ein, die ihren Ursprung der letzten Eiszeit verdankt. Als damals die Gletscher am höchsten standen, stationierte das Ende des Reussgletschers bei Mellingen und lagerte dort die Endmoräne ab, die unterhalb des Dorfes die Hügelkette quer durch das Thal bildet und der Bahnlinie Baden-Lenzburg als natürlicher Viadukt über das Reussthal dient. Ueber diese Moräne flossen die Schmelzwasser des Gletschers und überschütteten die Gegend davor mit ihrem Geröll. So entstand die weite Ebene des Birrfeldes und die Terrassenfläche, auf welcher das aargauische Birmensdorf steht. Als dann der Gletscher sich zurückzog, schnitt sich der geschiebeärmere ¶