Nachdem die Gemeinde
Hohentrins sich 1616 von der
Herrschaft losgekauft hatte, bestand diese, die von nun an
Herrschaft Reichenau
hiess, nur noch aus der Gemeinde
Tamins. 1739 erhielt der letzte
Schauensteiner von Kaiser Karl VI. das Münzrecht. Er vermachte
die
Herrschaft seinem Schwestersohn J. A. von Buol, der in der Folge seinem Namen noch den von
Schauenstein
beifügte. Infolge der politischen Wirren, welche seit Ausbruch der französischen Revolution den Freistaat der drei
Bünde
beunruhigten, verkaufte Freiherr Joh.
Ant. von
Buol-Schauenstein 1792 die
Herrschaft an Simeon von Bavier, A. Vieli und J. B.
von
Tscharner.
Letzterer verlegte seine bis anhin in
Jenins untergebrachte Erziehungsanstalt in die Räume des
Schlosses
zu Reichenau. An dieser Anstalt wirkte vom November 1793 bis Ende Juni 1794 als Lehrer des Französischen und der Mathematik
unter dem Namen Chabot der flüchtige junge Herzog von Chartres, nachmals Herzog von Orléans und 1830-1848 König Ludwig
Philipp von Frankreich. 1796 übernahm Heinrich Zschokke die in ihrem Ansehen sehr gesunkene Anstalt
und verhalf ihr für kurze Zeit zu neuer Blüte.
Die fortwährenden politischen Unruhen waren jedoch einem andauernden Gedeihen der Anstalt sehr hinderlich, so dass sie 1798 Schüler
und Lehrer verliessen. 1799 brannte die über den vereinigten
Rhein führendeBrücke ab. Durch die Revolution
war
Tamins von der
Herrschaft frei und Reichenau selbst der Gemeinde
Tamins eingefügt worden. Während der Mediationszeit war
Reichenau der Sitz einer Bergwerksgesellschaft. 1817 riss das Hochwasser die
Brücke über den vereinigten
Rhein weg und wurde
eine neue Bogenhängewerkbrücke geschlagen.
Durch Kauf kam Reichenau hierauf in den Besitz von U. v. Planta
(Samaden), der sowohl das
Schloss als den
Garten wesentlich verschönerte. Es ist heute noch im Besitz dieser Familie. Reichenau behielt seine Bedeutung als Zollstätte
bis zur Ablösung der Zölle durch die Eidgenossenschaft bei. Besondere Bedeutung erlangte es durch seine Lage an der Vereinigung
beider
Rheine und an der Gabelung der Strasse und der Eisenbahn nach dem Vorder- und Hinterrheinthal.
Vergl. Muoth, J. C. Aemterbücher des BistumsChur.
Chur 1898; Planta P. C. Die currätischenHerrschaftenin der Feudalzeit.Bern
1881; Kind, Chr.
SchlossReichenau.Chur 1883.
(Kt. Bern,
Amtsbez. Frutigen).
1800-712
m.
Wildbach; entspringt am
N.-Hang des
Engel in 1800 m und mündet nach 5 km langem
Lauf in Reichenbach, welches
Dorf auf seinem grossen Schuttkegel steht, von rechts in die
Kander. Führt meist
nur wenig
Wasser, schwillt aber nach starken Regengüssen zum verheerenden
Strom an und hat schon zu wiederholten Malen verbaut
werden müssen.
Der obere Reichenbachfall ist durch
Höhe und Wassermasse einer der mächtigsten
Wasserfälle der
Alpen, aber auch der untere
verdient Beachtung und ist während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gemälden und Stichen
oft abgebildet worden.
Zur Erleichterung des Besuches der Reichenbachfälle hat man bequeme Fusswege und eine elektrische
Drahtseilbahn erstellt.
Diese letztere beginnt am Hôtel
Reichenbachbad, setzt mit einer kühnen
Brücke über den mittleren
Fall und erreicht in einer Viertelstunde den obern Fall. Sie wird durch die Wasserkraft des Flusses selbst
getrieben, ist 700 m lang, hat eine mittlere Steigung von 34% und eine maximale Steigung von 60%. Im Sommer werden die Fälle
des Nachts durch elektrische Scheinwerfer beleuchtet.
(Kt. und Amtsbez. Bern,
Gem.
Zollikofen). 513 m. Gruppe von 9 idyllisch gelegenen
Häusern, ^[Ergänzung: am rechten
Ufer der
Aare, an der Aussenseite der nördlichsten Biegung der grossen Schlinge.] linken Ufer derAarein der von dieser 5 kmn.Berngebildeten grossen Schlinge. 75 reform. Ew. Kirchgemeinde
Bremgarten. Eine grosse Bierbrauerei. Telephon. Sehr beliebtes
Ausflugsziel der Bewohner der Bundesstadt. ^[Ergänzung: Besucher von Bern
her werden mittels einer
Fähre
hinübergeführt.] Die in einer Molasseschlucht fliessende
Aare verbreitert sich bei Reichenbach und gestattete hier die Anlage
einer Schifflände. Wird von
Bern aus durch die Engiwaldallee, auf der Strasse über die Tiefenaubrücke oder auch durch den
Bremgartenwald und über
Neubrücke und
Bremgarten erreicht. Schönes und romantisches
Schloss mit reichhaltigem
Archiv und zwei bemerkenswerten
Sälen, von denen der sog. Rittersaal mit Freskomalereien geziert ist. Es gehörte zuerst
den Edeln von
Bremgarten und dann den
Herren von
Erlach. Hier
¶
mehr
starb 1360 in sehr hohem Alter der Sieger von Laupen Rudolf von Erlach (die Geschichte seiner Ermordung durch seinen Schwiegersohn
ist eine Fabel). Später kam das Schloss an das Patriziergeschlecht von Fischer, und 1743 war es das Absteigequartier des
englischen Gesandten John Burnaby. Ein aus 1669 stammendes Gemälde des Malers Kauw stellt die Schlossterrasse
mit zwei, seither verschwundenen, wertvollen Statuen vor. Das Wappen zeigt einen sich schnellenden Fisch in goldenem Feld.
Nahe dem Schloss der sog. Heidenstein, ein grosser erratischer Block.
Dorf: 37 Häuser, 261 Ew. Die Kirchgemeinde Reichenbach zählt blos 2061 Ew., da Schwendi
und Wengi zur Pfarrei Frutigen gehören.
Ackerbau und Viehzucht. Holzhandel. Fremdenindustrie. Schöne
Aussicht ins Kanderthal. Ausgangspunkt für den Besuch des Kienthales, das an Beliebtheit stetig gewinnt. Drei grosse Viehmärkte
im Herbst. Etwas unterhalb Reichenbach setzt die Thalstrasse mit einer gedeckten Holzbrücke über die Kander. Das Dorf hat
noch eine Anzahl von alten Holzhäusern, unter denen namentlich das sog. Stuckihaus Beachtung verdient.
An seinem N.-Ende steht in einer kleinen Bodensenke die aus dem 16. Jahrhundert stammende Pfarrkirche.
Malerische Dorfgasse. Reichenbach wird erst seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts urkundlich genannt, da die ältesten
Siedelungen der häufigen Ueberschwemmungen wegen nicht in der Thalsohle, sondern an den Gehängen am Ausgang
des Engel- und Kienthales angelegt worden sind. Vor der Reformation Filiale von Aeschi, seit 1546 eigene Kirchgemeinde. Im Laufe
des 19. Jahrhunderts wanderten eine Anzahl Bewohner von Reichenbach mit ihren Familien nach Russland aus, wo die meisten
als Käser Anstellung fanden.