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die Valle d'Orsè (von hier Passo di Confinale 2620 m), die Val die Gole (Passo di Canciano, 2550 m, nach Lanzada und Malenco) und das Val Murascio; auf der linken Thalseite finden wir hier keine Verzweigungen von Bedeutung. Von Meschino am Puschlaversee bis zur Schweizergrenze senkt sich das Thal wieder um 440 m und endigt bei Madonna di Tirano (450 m) im Veltlin. Während auch hier die linksseitigen Nebenthäler nur klein sind, kommt von rechts die lange Valle Sajento vom Pizzo Combolo (2902 m) her.
Vom Bernina bis Meschino finden wir auf beiden Thalseiten Glimmer- und Talkschiefer, von Meschino bis nach Campocologno Granit (der oberhalb Plaz's an einigen Orten gebrochen wird) und von Campocologno abwärts wiederum Glimmer- und Talkschiefer. Ein Kalkband (Lias und Trias) durchquert das Thal ungefähr in der Richtung Cancianogletscher-Le Prese-Forcola di Braga. Es beginnt am Cancianogletscher, verläuft eine kurze Strecke horizontal, sinkt dann plötzlich, am Anfang langsam, nachher rascher ab und taucht bei Le Prese unter. Auf der linken Thalseite ist es erst an der Forcola di Braga sichtbar. Bei Sassalbo erweitert es sich zu einem relativ mächtigen Kalkmassiv. Hier finden wir den Kalk öfters zu Marmor umgewandelt.
Wie der Name Val Minur (Minenthal) auf der nördl. Seite, so weist auch hier auf der S.-Flanke des Berninapasses der Name Argentera auf die Silberbergwerke hin, von denen Urkunden des 12. und 13. Jahrhunderts reden und aus deren Metall einst Münzen geprägt worden sein sollen. Prof. Theobald befürwortete eine Wiederaufnahme des Betriebes, doch brachte ein Versuch nicht den gewünschten Erfolg. Die Gipsfelsen bei der Quelle des Puschlaverbaches bezeichnete Theobald als «einen der schönsten Gipsberge». Ausserdem besitzt das Thal noch an nutzbaren Mineralien Lavezstein und Asbest. Zur Ausbeutung des letztern hat eine kürzlich gegründete schweizer. Gesellschaft von der Gemeinde Puschlav die Konzession erworben.
Das gegen SSO. ziehende Thal gliedert sich in drei Stufen. Die grosse Höhendifferenz zwischen oberm und unterm Thalabschnitt bedingt auch die beträchtlichen Unterschiede in den meteorologischen Verhältnissen. Während die mittlere Jahrestemperatur auf dem Berninapass (Hospiz) tiefer als 0° sinkt, steht sie auf der untersten Stufe des Thales auf 10°. In Le Prese (970 m) betrug 1902 das Jahresmittel +7,2° bei einem Minimum von -8,9° und einem Maximum von +27° C. Die drei Thalstufen werden durch den Charakter ihrer Vegetation scharf voneinander geschieden.
Die oberste Stufe hat nur Alpweiden, die meist ⅔ des Jahres unter Schnee liegen; aber schon beim Ort Puschlav treten an Stelle der Tannenwälder die Laubholzbäume. Ausser Korn, Hanf, Gartengemüsen und Kartoffeln zeitigt die Ebene beim Dorf Puschlav bereits Pflaumen, Aepfel und Birnen, und dem erstaunten Wanderer kann es begegnen, dass er Alpenrosen und südliche Pflanzen fast bei einander findet, wie dies in den südl. Alpenthälern überhaupt der Fall ist. Auf der untersten Thalstufe hat die Vegetation schon ganz insubrischen Charakter; hier gedeihen Kastanie, Nussbaum, Maulbeerbaum und auf den Aeckern wird neben Mais und Buchweizen häufig Tabak angebaut. Zu unterst gedeiht auch die Weinrebe.
Von Pflanzenarten, die für den Botaniker von ganz besonderem Interesse sind, führen wir hier nur einige der seltensten an: Arabis Halleri (bei Le Prese), Cardamine asarifolia (Tobel von Sansana), Carex fimbriata (Cancianopass), Molopospermum cicutarium (bei Caneo), Peucedanum austriacum var. raiblense (bei Le Prese), Sesleria sphaerocephala (auf dem Sassalbo), Achillea tanacetifolia und Chenopodium botrys (bei Brusio). Prachtvolle Moose und Flechten. Nähere Angaben gibt Brügger ist dem unten genannten Buch von Leonhardi.
Fauna.
Die Seen sind sehr fischreich. Der Puschlaversee hat ausser Forellen auch Aale, denen aber leider noch viele Fischottern nachstellen. Eine Eigentümlichkeit des Puschlav ist die von Fatio Mus poschiavinus benannte Ratte, die sich hauptsächlich von Tabak nährt und in der Nähe der Zigarrenfabriken aufhält. Im untern Thal Zikaden und zahllose Eidechsen (darunter die grosse grüne Lacerta viridis). Reiche Insektenfauna. Das Wild ist nicht mehr sehr zahlreich. Bären und Wölfe sind heute verschwunden. 1634 wurden zwei Hirtenknaben in Cavaglia von Wölfen zerrissen. Den letzten Bären schoss man hier vor 50 Jahren. Manche Ortsnamen erinnern noch an das Vorkommen des Bären.
Die Bevölkerung ist italienischen Stammes und italienischer Zunge, zeigt aber doch manche Unterschiede vom Oberitaliener, die in der Gebirgsnatur und der politischen Entwicklung des Thales begründet sind. Der Puschlaver ist intelligent, tatkräftig und sparsam, daneben auch genügsam und höflich, einfach in Hauseinrichtung und Lebensweise. Bettler trifft man keine. Ein hervorstechender Zug ist die Anhänglichkeit an die Heimat, in die der Auswanderer stets wieder zurückzukehren strebt.
Die industrielle Tätigkeit ist im Ganzen wenig bedeutend. Zu nennen ist die Tabakindustrie in Brusio, die aber neuerdings eher im Rückgang begriffen ist. Im Ort Puschlav und in Le Prese Fremdenindustrie. Von den reformierten Familien wandern etwa 50% der männlichen Angehörigen aus, früher hauptsächlich nach Spanien als Zuckerbäcker und Cafetiers. Die Auswanderung der Katholiken ist weniger intensiv. Urkundliche Formen für den Namen des Thales sind 824: Posclavium; 1010: Posclavi; 1201: Posclavio.
Aehnlich wie Chiavenna bildete auch Puschlav den Schlüssel zu einem Bergpass, um den im Mittelalter zwischen dem Bischof von Chur und den Herzogen von Mailand viel gekämpft wurde. In seinem Wappen führt Puschlav zwei sich kreuzende Schlüssel, weshalb der Name wohl mit clavis = Schlüssel zusammenhängen dürfte. Nachdem die Reformation auch in Puschlav Eingang gefunden, blühte hier reges wissenschaftliches Leben, und eine berühmte Druckerei versorgte auch die Protestanten Oberitaliens mit reformatorischen Büchern. 1620 fanden bei Anlass des Veltliner Protestantenmordes auch Puschlaver den Tod. Ein neuer Mordanschlag der kathol. Partei auf die Protestanten erfolgte 1623. Aus dem Puschlav stammen der Professor in Siena Gaudenzi Saganino (1595-1649), die Rechtslehrer an der Universität Ingolstadt Domenico Bassi und de Lassio, der Churer Bischof Francesco Rampa und der schweizerische Bundesrichter Gaudenzio Olgiati.
Bibliographie:
Leonhardi G. Das Poschiavino Thal [mit floristischen Notizen von Chr. Brügger]. Leipzig 1859; Killias E., Das Thal von Poschiavo und die Kuranstalt von Le Prese (Europ. Wanderbilder. 155). Zürich 1889; ¶
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Marchioli D. Storia della Valle di Poschiavo. Sondrio 1886; Camenisch, C. Urkundliches über die Engadiner Bergstrassen (im Engadin Express. Jahrgang I. Samaden); Theobald, G., Geolog. Beschreibung der südöstl. Gebirge von Graubünden (Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz. 3). Bern 1867.