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man endlich beschloss, ihn auf dem obersten Gipfel des Pilatus auszusetzen und damit unschädlich zu machen. Kaum aber befand er sich dort, als schreckliche Wind- und Wetterstürme vom Berg herabbrausten und die ganze umliegende Landschaft verheerten. Da traf es sich glücklicherweise, dass ein Student aus Salamanca des Weges kam, den Geist beschwor und mit ihm einen Vergleich schloss, wonach der Geist einwilligte, sich in den See auf der Bründlenalp zurückzuziehen und sich dort ruhig zu verhalten, unter der Bedingung jedoch, dass er jedes Jahr am Charfreitag sich mit allen Abzeichen seiner einstigen Würde als Proconsul schmücken dürfe und dass diejenigen, die ihn an diesem Tage belauschen würden, noch im Laufe desselben Jahres sterben müssten.
Von da an hatte das Land Ruhe, und nur dann, wann Steine oder andere Gegenstände in den See geworfen oder das Wasser sonstwie getrübt wurde, hüllte sich der Berg in Nebel und Wolken und brach das Ungewitter in seiner ganzen Schrecklichkeit von Neuem los. Der Rat der Stadt Luzern war von der Wahrheit dieser Ueberlieferung derart überzeugt, dass er in einer Reihe von Mandaten (so z. B. 1496, 1564, 1578 und 1582) einen Besuch des Sees ohne Bewilligung mit schweren Strafen bedrohte und die Priester schwören liess, dass sie Niemanden auf den Berg geleiten würden. 1307 wurden z. B. sechs Geistliche in Luzern ins Gefängnis geworfen, weil sie es gewagt hatten, sich ohne obrigkeitliche Erlaubnis dem gefürchteten See zu nahen. Im August 1518 besuchte Joachim von Watt oder Vadian (1454-1551) aus St. Gallen den See in Begleitung des Luzerner Chorherrn Johann Zimmermann und vier anderer Personen unter der Führung eines Schäfers, der die ganze Gesellschaft flehentlich bat, sich so ruhig zu verhalten, wie wenn sie sich in einem Heiligtum befände.
Vom See aus bestiegen dann unsere Touristen noch den Gnepfstein (d. h. Wackelstein, nach einem auf dem Gipfel befindlichen mächtigen Felsblock, der zu schwanken beginnt, sobald man auf ihn hinauf klettern will). Da ein Chorherr an der Partie teilnahm, ist es klar, dass der Rat die Erlaubnis zu dieser Exkursion erteilt hatte, obwohl Vadian dies nicht ausdrücklich bemerkt. Die gleiche Besteigung wurde noch im selben Jahr vom Herzog Ulrich von Württemberg und dann 1555 von Konrad Gessner in Begleitung des Luzerner Ratsweibels wiederholt.
Auf dem Gipfel fand Gessner verschiedene Namen und Wappen in die Felsen eingemeisselt, was zeigt, dass der Berg schon früher hie und da von uns nicht mehr bekannten Personen erklommen worden sein musste. Immerhin hatte aber eine sog. Pilatusbesteigung zu jener Zeit weder den Esel noch das Tomlishorn, sondern stets nur den Gnepfstein zum Ziel. 1585 begab sich der Luzerner Priester Johann Müller in zahlreicher Gesellschaft zum See hinauf, warf Steine in das Wasser und liess seine Begleiter in den Schlamm hineinwaten und ihn mit den Füssen aufwühlen - und alles dies, ohne dass der See aufbrandete oder sich ein Unwetter über dem Berg zusammenzog! Damit hatte die unheimliche Legende ihren endgiltigen Todesstoss erhalten, und schon 1594 liess der Rat zu Luzern den See entleeren und zu einem blossen Sumpf umgestalten, wo nur noch zur Zeit der Schneeschmelze sich etwas stagnierendes Wasser ansammelte. 1680 finden wir dann in J. J. Wagner's Historia naturalis Helvetiae curiosa über diesen einstigen See folgende Bemerkung: Nomen laculi, nedum lacus, vix meretur, sed lacunae potius atque paludis.
^[Latein:] Heute ist er für gewöhnlich ganz ausgetrocknet, doch kann man sein einstiges Bett (¾ Stunden von den Hütten der Bründlenalp noch) sehr deutlich erkennen. Sobald dem Bergstock sein Schrecken genommen war, wurde er dann von zahlreichen Naturfreunden nach allen Richtungen hin durchforscht und bestiegen. Schon lange bevor der Name Pilatus für ihn gebräuchlich wurde, war er unter der Bezeichnung Frakmont oder Frakmünt bekannt. Josias Simler spricht in seinem 1574 veröffentlichten Commentarius de Alpibus von dem «Fracmont, der gewöhnlich Pilatus geheissen werde».
Den Namen Frakmünt tragen heute noch zwei Alpweiden am Berg, deren eine am Hang gegen Alpnach und deren andere am Hang gegen Hergiswil liegt. Die Ableitung Pilatus = pileatus (mit einem Hut bedeckt, behutet) ist eine blosse etymologische Spielerei, die auch in dem schon von Cappeller in seiner Pilati montis Historia 1767 erwähnten Sprichwort Si Pilatus pileatus Aër erit defaecatus zum Ausdruck kommt. Heute pflegt man diesen Spruch in folgender Form zu fassen: «Hat der Pilatus einen Hut, so wird das Wetter gut; hat er einen Degen, dann gibt es Regen.» In der Beschreibung seiner Besteigung des Pilatus (d. h. des Gnepfsteins) erwähnt Konrad Gessner u. a. auch einer Höhle am Widderfeld, die er Mondmilchloch nennt und die diesen Namen heute noch trägt.
Der N.-Eingang dieser 1894 gründlich erforschten, etwa 120 m langen Höhle ist durch einen Felsen geschützt, der die Gestalt eines Mannes hat und deshalb St. Dominik oder kurzweg Domini geheissen wird, wonach das Volk die ganze Höhle auch das Dominiksloch zu nennen pflegt. Es knüpfen sich an sie verschiedene Volkssagen (vergleiche darüber das Jahrbuch des S. A. C. Band 30, S. 421-424).
[E. de La Harpe.]
Geologie.
Der geologische Aufbau der Gruppe des Pilatus ist ausserordentlich verwickelt. Die mit dem Kamm der Schrattenfluh in Verbindung stehende Kette besteht aus Neocom (Valangien, Hauterivien und Urgon) und Tertiär (Nummulitenkalk und Flysch). Das widerstandsfähige Urgon bildet die scharfen Gräte und die kahlen Felsabstürze, die für diese Gebirgsgruppe so charakteristisch sind. Die im untern Abschnitt bewaldeten, weiter oben mit Gebüsch, Alpenrosen etc. bewachsenen Gehänge bestehen dagegen aus den mehr mergeligen Bänken des Hauterivien und z. T. auch des Valangien.
Auf dem eocänen Nummulitenkalk und Flysch endlich breiten sich die den Gebirgsstock umsäumenden Alpweiden aus. Alle diese verschiedenen Gesteinsarten bilden im w. Abschnitt ein einziges nach N. übergelegtes grosses Gewölbe, das z. B. am Wängengrat und Gnepfstein (oder Mittaggüpfi) aufgeschlossen ist. Etwas ö. von diesem letztgenannten Gipfel taucht aus dem Nummulitenkalk und Flysch eine neue Neocomfalte auf, der das Widderfeld und Tomlishorn angehören. Eine dritte Falte endlich findet sich über dem Thal der Kleinen Schlieren und bildet das Matthorn und Krummhorn. Zwischen ¶
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Krumm-Korn und dem Gewölbe des Tomlishorns schieben sich in der Gipfelregion noch zwei weitere Falten ein, die mit den drei Hauptgewölben so eigenartig verschmelzen, dass die Tektonik des Gebirgsstockes als beinahe unglaublich erscheint. Die verschiedenen Falten sind derart aufeinander gelegt, als ob die älteste Kreideschicht, das Valangien, zusammen mit den darüber folgenden jüngern Schichten ganz unabhängig von ihrem Liegenden, dem obern Jura, gefaltet worden wäre. Diese ganze Serie von übereinander gepackten Falten erscheint endlich als auf den Flysch und das Miocän des Entlebuch hinaufgeschoben. Auf Pilatus Kulm steht eine an fossiler Ausbeute ergibige Schicht von Rhodanien an.
[Dr H. Schardt.]
Bibliographie.
Runge, H. Pilatus und St. Dominik. (Mitteil. d. antiquar. Gesellsch. in Zürich. 12, 4). Zür. 1859; Hardmeyer, J. Die Pilatusbahn. (Europ. Wanderbilder. 153/154). Zürich 1889; Kaufmann, F. J. Geolog. Beschreibung des Pilatus. (Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz. 5). Bern 1867; Coolidge, W. A. B. Josias Simler et les origines de l'alpinisme jusqu'en 1600. Grenoble 1904; Capellerius, Maur. Ant. Pilati montis historia. Basileae 1767; Brandstetter, Jos. Leop. Die Namen Eilstein und Pilatus. Luzern 1893; Schwegler, X. und J. Panorama vom Pilatus, auf dem Esel aufgenommen. Luzern; Imfeld, X. Alpenpanorama vom Pilatus (Tomlishorn). Luzern. Vergl. auch die reichhaltige bibliographische Liste in A. Wäber's Landes- und Reisebeschreibungen. (Bibliographie der schweiz. Landeskunde. 3). Bern 1899.