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Zernez-Glurns 50 km. Das ganze Jahr täglich je ein Postwagenkurs Zernez-Münster und umgekehrt (6-7 Stunden). Fussgänger brauchen von Zernez bis zum Ofenwirtshaus Il Fuorn (1804 m; 15,3 km Aufstieg) 3½ Stunden (Abkürzung auf einem guten Fussweg von der Ova d'Spin über Champlöng), vom Wirtshaus zur Passhöhe (8,35 km Aufstieg) 2 Stunden, von da bis Santa Maria (12 km Abstieg) 2½ Stunden und bis Mals oder Glurns noch weitere 3 Stunden. Der Pass verbindet das Engadin mit dem Münsterthal und damit das ganze Inn- und Berninagebiet mit dem Etsch- und Ortlergebiet (Meran, Trafoi, Sulden). Zu dem ziemlich bedeutenden Warenverkehr über den Pass kommt im Sommer noch ein starker Personenverkehr, der besonders seit der Eröffnung der Umbrailstrasse (Santa Maria-Stilfserjoch) und der Albulabahn mächtig zugenommen hat.
Dagegen wird der Pass nach dem Bau und dem gegenseitigen Anschluss der geplanten Bahnen durch das Engadin und den Vintschgau an Bedeutung erheblich verlieren. Er ist der niedrigste der Engadinerpässe (der noch tiefer liegende Maloja, der kein Gebirge überschreitet, ausgenommen). Der Wald steigt an ihm höher hinauf als an andern Pässen von gleicher Höhenlage, so dass man ihn einen Waldpass nennen könnte. Die Strasse tritt bald hinter Zernez in Wald ein, den sie, einzelne kleinere Lichtungen abgerechnet, erst bei Cierfs im Münsterthal wieder verlässt.
Diese Waldungen gehören zu den ausgedehntesten der Schweiz und bestehen zumeist aus Fichten und einer in der Schweiz sonst wenig verbreiteten, hier aber grosse Flächen bedeckenden Abart der Bergföhre (Pinus montana var. uncinata), sowie aus Arven und Lärchen. Diese mächtigen Fichtenbestände geben dem Ofenpass einen ganz besondern Charakter. Der Wald steigt hier bis gegen 2300 m, während vereinzelte Bäume noch höher gehen. Das Gebiet des Ofenberges bildet floristisch ein Grenz- und Uebergangsgebiet zwischen den alpinen Formen des Westens und denen des Ostens.
Die Wälder sind reich an jagdbarem Wild, wenn auch der hier einst mit Vorliebe sich aufhaltende Bär jetzt selten geworden ist. Trotz allem Interesse ist der Uebergang über den Ofenpass ziemlich lang und etwas einförmig, so besonders im Val del Fuorn (Ofenthal), in das man 1,5 km oberhalb Zernez durch die alte Thalsperre La Serra eintritt. Nun folgt ein endloser Wald, der von riesigen Kalk- und Dolomitbergen mit mächtigen Felswänden und kühnen Gipfelformen überragt wird.
Die Strasse wird hie und da durch ein seitlich einmündendes Tobel zu einem Umweg (z. B. im Val Laschadura) gezwungen und erreicht mit ziemlich regelmässiger Steigung den Champsech (1883 m), von wo sie ins enge Seitentobel der Ova d'Spin hinabsteigt, um dann mit weitem Bogen um den breiten Waldrücken Crastatscha herumzuführen, den Ofenbach (Ova da Fuorn) zweimal zu überschreiten und das am N.-Ufer des Baches stehende Ofenwirtshaus Il Fuorn (1804 m; Poststation) zu erreichen. Es ist dies ein bescheidener Gasthof von bewährtem gutem Ruf, von dem frühere Reiseberichte manche Jagdgeschichten und Abenteuer mit Holzknechten zu erzählen wussten. In zwei Stunden kommt man von hier aus zur Passhöhe, wo sich der Blick auf das ganze liebliche Münsterthal hinaus bis Santa Maria und bis auf den Ortler öffnet.
Die nun absteigende Strasse tritt bei Cierfs in den Thalboden des Münsterthales ein, das sich von da an stufenförmig bis zur Landesgrenze senkt. Von Cierfs rollt unser Postwagen durch Fuldera, Valcava, Santa Maria nach Münster, dann über die Grenze nach Glurns im Vintschgau (Abzweigung nach Mals) und noch weiter bis Schluderns, wo uns endlich die tirolische Post aufnimmt. Die wichtigste Anschlussstrasse an die des Ofenpasses ist die Umbrail- oder Wormserjochroute (2505 m), die von Santa Maria nach S. abzweigt, das Val Muranza durchzieht und auf die Stilfserjochstrasse (Stelvio) ausmündet.
Die Kombination Umbrail-Ofenpass ist heute der am meisten benutzte Verkehrszug zwischen dem Gebiet des Ortler und dem des Bernina, während andere, einst wichtige Uebergänge ins Livignothal und Veltlin an Bedeutung stark gesunken sind. Von der Brücke in 1710 m s. vom Ofenwirtshaus führt ein Passweg durch das Thal des Spöl und eine grossartige Schlucht nach Livigno. Von Santa Maria aus kann man ferner durch Val Vau und über die Passsenke Dössradond (2240 m) direkt ins Thal der Münsteralpen-Val Mora-San Giacomo di Fraele gelangen.
Vom Ofenpass her kommt man von der Alp Buffalora über den Giufplan (2354 m) durch das Thal der Münsteralpen nach Santa Maria einerseits und durch Val del Gallo und über San Giacomo di Fraele (1947 m) nach Bormio andererseits. Der Ofenpass wurde früher wohl auch Buffalorapass genannt, weil er über diese Alp zieht, die durch ihre ehemaligen Eisen- und Bleierzgruben bekannt geworden ist. Von den hier arbeitenden Oefen hat der Ofenberg (roman. Il Fuorn = Ofen) seinen Namen erhalten.
Uebrigens bestehen beim Wirtshaus Il Fuorn heute noch Kalkbrennereien. Mit Seitenthälern des Unter Engadin verbindet den Ofenpass eine Reihe von nur wenig benutzten Uebergängen, so mit dem Val Sampuoir die Stragliavita (2700 m), mit Val Plavna die Furcletta della Val del Botsch (2678 m) und mit dem Scarlthal di Fontauna da Scharl (2402 m). Der Ofenpass bildet eine Senke in einem vorzüglich aus triasischen Kalken und Dolomiten bestehenden Gebirgsgebiet, dessen tektonischer Aufbau ausserordentlich verwickelt ist.
Bibliographie.
Steiger J. M. Die schweizer. Alpenpässe; illustr. Posthandbuch. 2. Aufl. Bern 1893; Theobald G. Naturbilder aus den rät. Alpen. 3. Aufl. von Chrn. Tarnuzzer. Chur 1893; Gilli, G. Das Strassennetz des Kant. Graubünden (im Jahresbericht der Naturforsch. Ges. Graub. 1898); Münsterthal, das bündner. Samaden 1903.