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und nach Arzier. 1905 eröffnete Normalbahn über
Crassier nach
Divonne, wo sie an die französische Linie über Gex und
Collonges
nach
Bellegarde anschliesst. Elektrische Strassenbahn nach Arzier und
Saint Cergue projektiert. Postbureau
, Telegraph, Telephon.
Gemeinde, mit
La Métairie: 519
Häuser, 4882 zur grossen Mehrzahl reform. Ew. (254 Gemeindebürger, 2184 übrige Waadtländer, 1311 übrige
Schweizer und 1133 Landesfremde); Stadt allein: 382
Häuser, 4016 Ew. 1481 zählte man 160 Herdstätten, d. h. etwa 800 Ew.;
1581: 1065, 1803: 2116, 1860: 2926 Ew. Das Budget von Nyon sieht pro Jahr 225000 Fr. Ausgaben vor, wovon 65000 Fr. auf das Schulwesen entfallen.
Die Stadt steigt vom See aus einen kleinen Höhenrücken hinan, bietet mit ihren zahlreichen Terrassen, Gärten, gotischen Türmchen und altertümlichen Bauten vom See her einen reizenden Anblick und gestattet selbst wieder eine prachtvolle Aussicht auf den Genfersee und seine Ufer. Nyon zerfällt in die am Hang und auf dem Rücken des Höhenzuges stehende eigentliche Altstadt mit dem Aussenquartier Feur Portes (Fuoris Portas = ausserhalb der Mauern) und in das am Seestrand sich hinziehende Quartier La Rive.
Die schöne Lage und die reizende Umgebung machen Nyon zu einem beliebten und bevorzugten Aufenthaltsort für Fremde, was seinerzeit auch Voltaire zu dem Entschluss veranlasste, sich hier niederzulassen, wozu dann allerdings der Rat zu Bern die Erlaubnis versagte. Der Ort stand schon vor dem Bau der Eisenbahnen in regem Verkehr mit Genf, wohin alljährlich für 150000 Fr. buchenes Brennholz geliefert wurde. Einen neuen Aufschwung gab sodann dem Warenverkehr die Eröffnung der Strasse von Saint Cergue, die damals den kürzesten Weg vom zentralen und nördl. Frankreich nach dem Genfersee bildete.
Diesem ehemals bedeutenden Warenaustausch haben die Eisenbahnen zwar zum Teil ein Ende gemacht, dafür aber die Einführung mehrerer neuer Industrien begünstigt. Nyon ist übrigens von jeher ein gewerbreicher Ort gewesen, dem ein von den Bernern von der Asse abgeleiteter und damals deren zwei Getreidemühlen treibender Kanal eine verhältnismässig bedeutende Kraftquelle bot. Das älteste industrielle Etablissement der Stadt ist die 1781 vom Deutschen Müller und dem Franzosen Dortu gegründete Porzellanfabrik, die sowohl Waren im Stile derjenigen von Sèvres wie Nippsachen im sog. etruskischen Stil herstellte, aber trotz der Schönheit ihrer von Liebhabern heute sehr gesuchten Artikel sich nicht halten konnte und 1813 endgiltig einging.
Ein 1878 auf diesem selben kunstgewerblichen Gebiet unternommener neuer Versuch hatte ebenfalls keinen Erfolg, so dass Nyon jetzt nur noch gewöhnliche Steingutwaren liefert. Zahlreiche andere Betriebe: Fabriken von Kämmen, Glasziegeln, Feilen, Schrauben, Zündhölzchen, Teigwaren, chemischen und pharmazeutischen Produkten, Pastillen und Leckerli, Schokolade, eine Kupfergiesserei, eine Gasmotoren- und Automobilfabrik, eine Gerberei, grosse Schreinereien.
Zwei Buchdruckereien mit je einer Zeitung. Primarschule mit 11 Klassen, Gymnasium und Industrieschule, höhere Töchterschule. In unmittelbarer Nähe der Stadt verschiedene Mädchenpensionnate. Ein 1877 gestiftetes Krankenhaus; private Nervenheilanstalt La Métairie. Asyl für arme Mädchen reformierten Glaubens. Zahlreiche Vereine und Gesellschaften: Armenverein (Société de bienfaisance), der Nahrungsmittel, Kleider etc. verteilt;
Œuvre du Vieux zur Versorgung der Armen mit Kleidungsstücken;
Krippe;
Alters-, Kranken- und Sterbekasse (Société de secours mutuels), je eine Sektion der «Fraternité», des Schutzaufsichtsvereins für entlassene Sträflinge und der «Solidarité», die sich der armen und verlassenen Kinder annimmt;
französischer Hilfsverein (Société française);
Gesellschaft der «Fourmis» (Anfertigung von Handarbeiten für Arme) etc. Je eine reformierte und katholische Kirchgemeinde.
Unter den Sehenswürdigkeiten von Nyon ist in erster Linie das Schloss mit seinen malerischen Türmen zu erwähnen, das von den Bernern in etwas gemischtem Stil erbaut oder reparirt worden ist, den städtischen Behörden und dem Bezirksgericht als Sitz dient und auch das städtische Museum enthält. In diesem letztern findet man Gegenstände aus der Pfahlbauzeit und eine sehr interessante Sammlung von römischen Altertümern. Von der Schlossterrasse erfreut man sich einer prachtvollen Aussicht. Am Fuss der vom Schloss zur Rue de Rive herabsteigenden Treppe steht ein aus mächtigen Bruchsteinen erbauter quadratischer Turm, der an seiner gegen den See gekehrten Mauer ein altes Standbild trägt und deshalb vom Volk den Namen der Tour de César erhalten hat. Er dient schon lange Zeit als Mietshaus und war ursprünglich vielleicht ein Wachtturm und eine Schutzstätte.
Die 1474 erbaute Pfarrkirche, Temple National geheissen, ist ohne besonderen architektonischen Charakter, zeichnet sich aber dadurch aus, dass zum Bau ihrer Mauern Trümmer von alten römischen Bauten mit heute noch sichtbaren eleganten Verzierungen zur Verwendung gekommen sind. Mehrere der bemerkenswertesten dieser Stücke sind später ausgebrochen und im Museum untergebracht worden. Den 1801 eingestürzten Glockenturm hat man bisher nicht wieder aufgebaut.
Die Gruft dient jetzt als städtisches Archiv. Die an der Place Saint Jean stehende einstige Pfarrkirche zu St. Johannes wurde von der eine Rückkehr der Bewohner zum katholischen Glauben befürchtenden Berner Regierung um die Mitte des 17. Jahrhunderts erbaut. Unter den Plätzen und Spazierwegen zeichnet sich die hochgelegene Promenade des Maronniers (früher eigenartig Promenade du Banc des Angles geheissen) bei der Porte de Notre Dame aus, da sie eine umfassende Bundsicht auf den ganzen See, das von Dörfern übersäte Gegenufer, die Savoyer Alpen mit dem Mont Blanc, die Waadtländer und Freiburger Alpen bis zum Moléson und den Jura bis zum Mont Crédo gewährt.
Die von schönen Bäumen beschattete Place Perd Temps war früher der Exerzierplatz und dient jetzt zur Abhaltung von Volksfester, sowie der Jahr- und Viehmärkte. Beim Quai ein grosser Brunnen mit dem Standbild eines mit Lanze und Schild bewehrten Ritters, der im Volksmund Maître Jacques heisst und einen ehemaligen städtischen Münzmeister (maistre des monnoyes) darstellen soll. Eine Nachbildung dieses interessanten Brunnens war 1896 im Schweizerdorf an der Genfer Landesausstellung zu sehen.
Man hat in der Bucht von Nyon rechts von der Mündung der Promenthouse einen Pfahlbau aus der Steinzeit und n. der Stadt einen solchen aus der Bronzezeit aufgedeckt, in welch' letzterem ums Jahr 1870 ein Haufen von nahe an 300 bronzenen Ringen gefunden wurde, die einst offenbar an einem seither verfaulten Strick aufgereiht gewesen waren. Später war Nyon unter dem Namen Noviodunum eine der von den Helvetiern bei ihrem Auszug verbrannten 12 festen Städte (oppida), was durch Funde von Münzen aus vorrömischer Zeit bezeugt wird. Nach seinem Sieg über die Helvetier gründete Julius Caesar an dieser Stelle zwischen 46 und 44 v. Chr. die Civitas ¶
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Julia Equestris, die mit ausgedienten Reiterveteranen besiedelt wurde und die Strasse am Seeufer zu schützen bestimmt war. (Dieser Ansicht widerspricht allerdings Theodor Mommsen, nach dem der Ort erst 27 v. Chr. durch Augustus angelegt worden sein soll). Diese Römersiedelung war der Sitz der Behörden der ganzen Kolonie zwischen der Aubonne und Genf einerseits und dem See und Jura andererseits; sie hatte ihr Forum, ihre Tempel und Säulenhallen, war mit Mauern umgeben und befand sich an der gleichen Stelle, an der das heutige Nyon steht.
Sie soll damals nach Maillefer zum mindesten 5000 Ew. gezählt haben. Ursprünglich keiner der römischen Provinzen zugeteilt, kam dann diese Reiterkolonie zu Ende des 4. Jahrhunderts an die Provinz Sequanien mit ihrer Hauptstadt Vesontio (Besançon). Das Christentum fand frühzeitig Eingang, und es scheint, dass nach der Einnahme von Besançon durch Attila der dortige Erzbischof seinen Sitz nach Nyon verlegte, das dann auch nach der Rückkehr von dessen Nachfolgern nach Besançon Sitz eines Bischofes verblieb, bis sich dieser infolge des Einfalles der Barbaren und der beständig kriegerischen Zeiten nach Belley flüchten musste. (Vergl. die Mémoires pour servir à l'histoire de la Franche Comté. II, S. 169).
Von da an ist die Geschichte von Nyon für die Dauer von mehreren Jahrhunderten dunkel. Es scheint, dass der Ort zu verschiedenen Malen zerstört und wieder aufgebaut worden ist und dass man die Reste von Bauten und Mauern nach dem damals blühenden Genf transportierte, um sie dort als Baumaterialien zu verwenden. Wenigstens lassen sich die in Genf vorhandenen zahlreichen Inschriften, die auf Nyon Bezug haben, am besten durch diese Annahme erklären. Das Gebiet der einstigen Colonia Equestris kam zu Beginn des 6. Jahrhunderts an das Burgunderreich, dann an die Merowinger und nachher an die Karolinger, die es der grossen Grafschaft Genf zuteilten.
Zur Zeit des letzten Burgunderreiches wurde es zur eigenen Grafschaft, dem sog. Comté des Équestres, mit der Hauptstadt Nyon. Diese muss aber für lange Zeit ein wenig bedeutender, blosser Flecken geblieben sein und wird seit der Römerzeit erst wieder in einer Urkunde von 1122 erwähnt, wo sie als zum Erzbistum Besançon gehörig aufgezählt und Nividunum genannt wird, welchen Namen sie während des ganzen Mittelalters beibehielt. Bei welcher Gelegenheit die Erzbischöfe von Besançon zu Herren von Nyon geworden sind, ist nicht bekannt. Da diese Herrschaft zu entfernt lag, um von Besançon aus direkt regiert werden zu können, gaben sie die Erzbischöfe zu Beginn des 12. Jahrhunderts dem Haus Cossonay-Prangins zu Lehen, dem sie bis zu Ende des 13. Jahrhunderts verblieb, um dann an die Grafen von Savoyen zu kommen.
Graf Amé V. und sein Bruder Ludwig I. Herr der Waadt, nahmen 1293 Besitz von Nyon und bestätigten dem Ort seine überkommenen Freiheiten und Rechte, worauf ihm noch im selben Jahr Amé V. die gleichen Rechte verlieh, wie sie Moudon besass. So wurde Nyon zu einer der 4 «bonnes villes» des Pays de Vaud. Nachdem Amé V. dann seinem Bruder Ludwig alle von ihnen gemeinsam eroberten Ländereien des Hauses Prangins abgetreten, errichtete der neue Herr in Nyon eine Münzstätte und gründete in der Unterstadt ein Minoriterkloster des Ordens vom h. Franziskus. Zu dieser Zeit war blos die am rechten Ufer der Asse stehende obere Stadt mit einem Mauerring umgeben, während das Quartier der Rive eine von der Strasse Lausanne-Genf durchzogene offene Vorstadt bildete.
Als die Genf zu Hilfe eilende Berner Armee 1536 sich der Stadt Nyon näherte, steckte die aus italienischen Söldnern bestehende Garnison das Franziskanerkloster in Brand und brachte sich dann selbst in Sicherheit. Nach der Eroberung der Waadt durch Bern ward Nyon Hauptort einer bedeutenden Landvogtei und behielt einen guten Teil seiner Rechte und Freiheiten bei, so dass Handel und Verkehr blühten und die Bevölkerung an Zahl stetig zunahm. Ums Jahr 1574 erbaute dann die Regierung an Stelle der alten savoyischen Burg ein neues - das jetzige - Schloss, das durch nachträgliche Umbauten einigermassen verunstaltet worden ist.
Als der Einmarsch der französischen Truppen bevorstand, erlangte Nyon im Januar 1798 von Bern die Erlaubnis zur Rückberufung seiner im Pays de Gex an der äussersten W.-Grenze stehenden drei Kompagnien, wofür es den Bernern seinen Beistand gegen die Franzosen versprach. Bald aber griffen höhere Mächte ein: Landvogt von Rodt verliess Nyon, überall tauchte die grüne Kokarde auf, und General Gaudin aus Nyon erhielt den Befehl über eine grössere Truppenmacht. Seit der Selbständigkeit der Waadt hat sich Nyon bedeutend weiter entwickelt, wie die von uns schon mitgeteilten Bevölkerungsziffern zeigen. Heute greift die Stadt immer mehr gegen N. auf das jenseits der Bahnlinie gelegene Plateau über. Der Kreis Nyon umfasst die Gemeinden Nyon und Prangins und zählt 5636 Ew.
Von aus Nyon stammenden bedeutenden Männern sind zu nennen: der General in holländischen Diensten David Louis d'Aubonne (1711-1786), der Chirurg François David Cabanis (1727-1794), der Theologieprofessor in Montauban Benjamin Sigismond Frossard (1754-1830), sein als General in österreichischen Diensten stehender Bruder Marc Étienne Gabriel Frossard (1757-1815) und dessen Sohn Charles de Frossard (1805-1862), ebenfalls österreichischer General; der Botaniker Jacques Gay (1786-1864), der holländische Offizier und nachherige Waadtländer Staatsmann André Urbain de la Fléchère (1758-1825), der Chirurg Étienne Bénédict Puthod († 1699), der Theolog und Dichter Étienne Salomon Reybaz (1737-1804), der Offizier in sardinischen Diensten Jean Georges Bénédict Rochemondet (1728-1791);
Reverdil (1732-1808), der zuerst Erzieher des nachmaligen Königs Christian VII. von Dänemark war und nachher als dänischer Staatsrat vieles zur Aufhebung der Leibeigenschaft beitrug;
César Soulier (1765-1830), Bürgermeister von Nyon und eines der rührigsten Mitglieder der Waadtländer Regierung;
Pfarrer Jean Gaudin (1766-1833), Verfasser der Flore helvétique;
der Theologe Jean Guillaume de la Fléchère (1729-1785) und der Komponist Niedermeyer (1802-1861), dessen Denkmal am Quai von Nyon steht. In Nyon ist ferner der Schriftsteller Eduard Rod geboren, der die kleine Stadt in seinen Roches Blanches und andern Romanen geschildert hat, hat der Historiker Louis Vulliemin lange Zeit gelebt und liegt der Dichter Juste Olivier begraben.
Bibliographie.
Gingins-La Sarraz, F. de. Histoire de la Cité et du Canton des Équestres (in den Mémoires et Documents publ. p. la Soc. d'histoire de la Suisse Romande. 20, 1865); Maillefer, P. Histoire du Canton de Vaud. Lausanne 1903; Testuz, Aug. Nyon und seine Umgebungen. (Europ. Wanderbilder. 12). Zürich 1880; Nyon à travers les siècles; guide. Genève 1901. Ueber die Geschichte der Porzellanfabrik zu Nyon erteilt vollständige Auskunft: Molin, A. de. Histoire documentaire de la Manufacture de porcelaine de Nyon. Lausanne 1904.
[Aug. Reymond].