Der Niesen, schon 1357 urkundlich als Yesen bezeichnet, ist mit dem gegenüberliegenden
Stockhorn 1557 oder 1558 von Benedikt
Marti (Aretius) aus Bern
zum erstenmal bestiegen worden, dessen interessante Beschreibung dieser
Tour Konrad
Gessner in Zürich
1560 unter dem Titel Stocchornii et Nessi in Bernatium Helvetiorum Ditione montium et nascentium in eis stirpiumbrevis descriptio veröffentlicht hat. Darin findet sich über den Namen des
Berges folgender Passus: Qui proxime montem habitantnominant eum denStalden, praesertim lacus occiduum quo ab Erlenbachio scanditur, alii quibus remotiuscognitus est den Niesen ab ellebori albi [Helleborus, deutsch Niesswurz], cuius magna est in eo copia, nomine.
Non desunt tarnen qui putent nominandum den Jesen, et finde articulo cum nomine coalescente pro Jesen Niesen dici coeptum.
^[Latein:] Marti gibt ferner eine Liste von 22 Pflanzenarten, die er auf dem Berg gefunden. 1606 erschien
in Bern
ein vom Pfarrer Hans Rudolf Räbmann in
Thun verfasstes merkwürdiges Gedicht Ein neuw Poetisch Gastmahl und GesprächzweierBergen, dess Niesens undStockhorns. Diese Veröffentlichungen zeigen uns, dass der Berg damals schon oft besucht worden
ist. Vergl. Coolidge, W.
A. B. JosiasSimleret les origines de l'alpinisme jusqu'en 1600. Grenoble 1904;
Studer, G. Das Panorama vonBern.
Bern
1850.
Der Niesen ist aus Flysch aufgebaut, der hier entweder als dickbankiger und grobkörniger Sandstein (sog. Niesensandstein)
oder als feinkörniger und oft sehr harter Sandstein mit Glimmerblättchen oder auch als Kalktonschiefer
erscheint, welch' letzterer zum Teil gebrochen wird. Der Niesensandstein besteht aus einem Gemenge von Granit, Gneis, Glimmerschiefer
und sedimentären Gesteinsbrocken (Kalke, Dolomite etc.). Die Schichten sind stark gefaltet und zerknittert.
Die Kette kann an zahlreichen
Stellen ohne Schwierigkeiten überschritten werden. Als eigentliche Pässe fallen aber neben
dem
Hahnenmoos blos in Betracht die
Fermelkrinde oder
Furggikrinde (etwa 2350 m), der
Otterngrat (2282 m), Subegggrat (2340 m)
und der Eggschatthüttepass (1934 m; zwischen dem
Fromberghorn und dem
Niesen). Die Kette ist nicht vergletschert
und trägt auch keine das ganze Jahr über liegen bleibende Schneefelder. Die beidseitigen Gehänge sind mit Alpweiden bestanden
und ihrer Steilheit wegen für das Vieh oft schwer zugänglich.
Die Niesenkette besteht fast ausschliesslich aus Flysch; blos Twirienhorn, Hohmad und Schwarzberg sind triasische Kalkdolomitblöcke,
die aber ebenfalls auf einer Flyschunterlage stehen. Der an andern Orten so leicht verwitternde und abgerundete Kuppen mit
sanften Gehängen bildende Flysch besteht hier aus einem harten und grobkörnigen Sandstein mit sedimentären
und granitischen Geröllen (Niesensandstein), der in mächtigen Bänken auftritt und mit Kalktonschiefern (mit fossilen Einschlüssen
wie Fukoiden und Helminthoiden) wechsellagert.
Diese Schiefer werden an einigen Stellen (z. B. bei Frutigen) abgebaut. Dem harten und der Verwitterung lange trotzenden
Sandstein verdankt die Niesenkette ihre bedeutende Höhe, die diejenige der Voralpen über dem Simmen- und Saanethal beträchtlich
übertrifft. Der tektonische Bau ist ziemlich verwickelt, da die Flyschschichten mannigfach gefaltet und zerknittert erscheinen.
Unter der Bezeichnung der Niesenzone versteht man das ganze Gebiet vom Thunersee bis zu den Ormonts, das vorwiegend
aus dem charakteristischen Niesensandstein aufgebaut ist, daneben auch noch bunte Konglomerate aufweist und überall die
benachbarten Kalkketten der Voralpen an Höhe überragt.
Die beste Uebersicht über die gesamte Niesenkette geben im S. das Elsighorn oder der Bonderspitz und im N. die Stockhorngruppe.
Prachtvoll ist auch die Ansicht des Niesen selbst vom Thunersee aus. Die Gegend um die Kette ist schon
frühzeitig besiedelt worden, wie z. B. die bemerkenswerten Funde von Gegenständen aus der Bronzezeit an der Zinsmadegg
(über Frutigen) gezeigt haben. Die meisten Alpweiden sind schon im Mittelalter befahren worden, so im 14. Jahrhundert die
Bruschgeren-, Gurbs-, Kilei-, Hohmad-, Mächlistall-, Lavey- und Niesenalp.