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Umgebung 124 Rädertierchen. Gering ist die Zahl der Egel; meine Zählung der Borstenwürmer weist 120 hieher gehörende Arten auf, von denen die Landformen mit 64 nur wenig zahlreicher sind als die Wasserbewohner. Die Gesamtzahl der Würmer kann also ganz wohl auf 300 veranschlagt werden.
Die Rund- und Schnurwürmer, letztere besonders häufig vorkommend, sind noch nicht bearbeitet. Du Plessis beschreibt aus den Kantonen Waadt und Genf 34 Arten von Strudelwürmern; auch hier ist die wirkliche Zahl offenbar wiederum erheblich grösser und dürfte sich mit Einschluss der schmarotzenden Plattwürmer ganz wohl auf 100 belaufen.
Waren schon bis hieher sehr viele und beträchtliche Lücken in unserer Kenntnis der Fauna unseres Landes zu verzeichnen, so steht es auch mit der Welt der Einzelligen nicht besser, die allerdings gegenüber den Vielzelligen mit vielleicht einigen Hundert nicht mehr ins Gewicht fallen. Nur die einzige Notiz sei noch beigefügt, dass Roux im Genfersee 76 Infusorien beobachtete.
Noch wäre diese Betrachtung in der Weise zu vervollständigen, dass der Unterschied an Tierarten zwischen nördl. und südl. Gebieten, zwischen Wasser und Land hervorgehoben würde. Aus jenem Element wäre zur Sprache zu bringen wiederum die Bach-, Fluss-, Tümpel-, Teich- und Seenfauna, in letzterer endlich diejenige der verschiedenen Regionen und Unterschiede nach der Umgebung und Lage der Gewässer, ob sie eintrocknen oder nicht. Die Tierwelt der trockenen Gebiete liesse sich besprechen nach dem verschiedenen Feuchtigkeitsgehalt des Bodens, der Bepflanzung, der Bodenart u. s. w. Abgesehen davon, dass für eine derartige Darstellung vielfach noch die nötigen Vorarbeiten mangeln, müsste sie notwendig zu einer Besprechung und Aufzählung einzelner Tierformen führen, wie sie sich mit Rücksicht auf den Raum und den Zweck des vorliegenden Werkes von vornherein verbietet.
[Dr. K. Bretscher.]
Wirtschaftliche Verhältnisse.
Wie die klimatischen, so sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mittellandes meist günstiger als diejenigen von Alpen und Jura. Das Mittelland ist zugleich der selbständigste und der stärkste Teil, was sich aus folgendem Vergleich der Flächen- und Einwohnerzahlen ergibt:
Fläche. | Einwohner. | Ew. auf 1 km2. | |
---|---|---|---|
Jura | 11,4% | 19% | 121 |
Mittelland | 29,5% | 59% | 146 |
Alpen | 59,1% | 22% | 27 |
Auf 29,5% der Fläche trifft man also 59% der Bevölkerung der Schweiz, das heisst: das Mittelland ist fast 5½ mal so dicht bewohnt wie die Alpen. Die Ursache liegt natürlich in der Höhenlage; zwischen 200 und 500 m Höhe wohnen nämlich 49% der Bevölkerung der Schweiz.
Von den verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben fällt der Weinbau fast ganz in das Gebiet des Mittellandes. Ausnahmen bilden hauptsächlich Neuenburg, Wallis und Tessin. Vom gesamten Rebenareal der Schweiz entfallen auf das Mittelland etwa 58%, von dem jährlichen Ertrag aber 73%. In noch höherem Grade ist der Getreidebau auf das Mittelland konzentriert; da sind es namentlich die regenärmern Striche, die auch heute noch Getreide in grösserem Mass anpflanzen: Waadt, nördl. Freiburg, Berner Mittelland, Oberaargau, Aargau, nördl. Zürich. Dabei lässt sich ganz deutlich eine Abnahme des Getreidebaus vom Genfersee gegen den Bodensee konstatieren, welche der Zunahme des Regens in dieser Richtung entspricht.
Gerade umgekehrt verhält es sich mit dem Wiesenbau. Je regenreicher das Gebiet ist, desto mehr herrschen die Wiesen vor. In St. Gallen und Appenzell nehmen dieselben 9/10 der landwirtschaftlich benutzten Fläche ein. Ganz parallel damit geht die Obstkultur. Am intensivsten findet sich diese in Thurgau, St. Gallen und Zürich; je weiter nach W., desto kleiner ist die Bedeutung, welche das Obst in der Wirtschaft hat. Von den sogenannten Industriepflanzen spielt der Tabak eine ziemliche Rolle in Waadt, Freiburg und Aargau; dagegen ist der Anbau von Flachs und Hanf stark zurückgegangen. Am meisten findet man davon noch in Bern.
Auch in der Viehzucht leistet gerade das Mittelland Bedeutendes. Die Viehzählung von 1896 hat darüber Folgendes erheben:
Rindvieh | Stück per 1 km2 | Stück per 100 Ew. | |
---|---|---|---|
Jura | 13,3% | 38.1 | 31.6 |
Mittelland | 56,3% | 62.3 | 42.7 |
Alpen | 30,4% | 16.7 | 61.7 |
Schweiz: | 100% | 42.7 | 44.7 |
Auf 29,5% der Fläche hält man also im Mittelland 56,3% des gesamten Rindviehes. Oder es trifft da auf 1 km2 fast doppelt so viel Rinder wie im Jura, fast 4 mal so viel wie in den Alpen. Die Ursache davon ist natürlich die grössere Produktivität des Bodens im Mittelland, wo weniger Oedland vorhanden ist als im Jura und in den Alpen. Aus der letzten Kolonne ergibt sich, dass die Viehzucht im Mittelland in Bezug auf den gesamten Erwerb relativ eine grössere Rolle spielt als im Jura. Dagegen ist sie hier weniger die Hauptbeschäftigung als in den Alpen. Der letzte Unterschied erklärt sich durch die gewerbliche Tätigkeit im Mittellande.
In der Industrie nämlich dominiert wieder das Mittelland. Der Jura hat einzig die Uhren- und Musikdosenindustrie aufzuweisen, und ins Alpengebiet hinein erstrecken sich nur einzelne Ausläufer wie die Glarner Baumwollenindustrie. Sonst fällt sämtliche Industrie ins Gebiet des Mittellandes. Ueber Arten, Entstehung und Bedeutung der einzelnen Industrien siehe den Artikel Schweiz.
Verkehrswege.
Das Mittelland ist ein uralter natürlicher Durchgangsweg vom Genfersee zum Bodensee, von Südfrankreich nach Süddeutschland. Auf diesem Wege entwickelten sich schon in vorhistorischer Zeit Handelsbeziehungen. In der gleichen Richtung legten die Römer ihre grosse Heerstrasse an von Genf über Avenches, Solothurn, Windisch, Kloten, Winterthur und Pfin nach Arbon. Ausser der grossen Längslinie konstruierten aber ebenfalls schon die Römer Querstrassen: Pontarlier-Lausanne-St. Bernhard; Basel-Vindonissa-Zürich-Chur; Arbon-Chur.
Das Mittelalter und die Neuzeit haben aus diesen wenigen Strassen ein ungemein dichtes Strassennetz geschaffen, das allerdings jetzt, im Zeitalter der Eisenbahnen, fast nur noch dem lokalen Verkehr dient. Die Eisenbahnen dagegen schmiegen sich, wie die Römerstrassen, vielfach ¶
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den grossen natürlichen Linien des Terrains an. So lässt sich deutlich die grosse Längsbahn Genfersee-Bodensee erkennen. Meistens ist sie doppelt vorhanden, indem die eine Linie dem Fuss des Jura folgt (Genf-Lausanne-Neuenburg-Biel-Solothurn-Aarau-Zürich-Romanshorn), während die andere meistens der Grenze von Mittelland und Alpen entlang geht (Lausanne-Freiburg-Bern-Luzern-Rapperswil-Riken [im Bau]-St. Gallen-Rorschach). Den Molassethälern, die nach NNW. verlaufen, entsprechen eine grosse Anzahl von Querbahnen, wie z. B. Lausanne-Vallorbe, Thun-Biel, Luzern-Olten, Goldau-Aarau, Goldau-Zürich, Rapperswil-Zürich, Ebnat-Wil-Frauenfeld.
Allerdings ist infolge des Privatbahnsystems die Anlage der Bahnen nicht immer nach den natürlichen Linien erfolgt; so ist z. B. ja gerade die wichtige Teilstrecke Rapperswil-Wattwil (Rikenbahn) erst jetzt im Bau begriffen. Ferner üben grosse Zentren wie Zürich eine Art Anziehung aus, so dass von ihnen die Eisenbahnlinien, z. T. unbekümmert um die Thäler, sternförmig auslaufen.
Siedelungen.
In der Uebersicht über die Orographie ist schon gezeigt worden, dass unter den bäuerlichen Siedelungen die Systeme der Einzelhöfe und der geschlossenen Dörfer, je nach dem Terrain, einander ablösen. In stark zerschnittenen Gelände, wo bedeutende Niveaudifferenzen zu überwinden sind, wohnt der Bauer einzeln mitten in seinem Besitz: Napfgebiet, Zürcher Oberland, Toggenburg, Appenzell. Wo dagegen das Gelände flacher ist, treffen wir die geschlossenen Dörfer: Waadt, Freiburg, Berner Mittelland, Oberaargau, Aargau, nördl. Teil von Zürich etc.
Was die Gründung der Niederlassungen anbetrifft, so reichen manche in die römische und vorrömische Zeit zurück: Geneva, Aventicum, Solodurum, Vindonissa, Turicum etc. Die Ursachen für die Entstehung der grössern Siedelungen (Städte) sind sehr mannigfaltige gewesen. Aus militärischen Rücksichten sind entstanden: Burgdorf, Bern, Freiburg etc. Wo ein Wechsel in der Art des Warentransportes stattfand, also am Anfang oder Ende der Schiffahrt, bildeten sich Niederlassungen wie Genf, Thun, Luzern, Zürich, Schaffhausen etc. Manchmal knüpft sich die Entstehung eines Ortes an einen Flussübergang, eine Brücke, z. B. Brugg, Solothurn, Eglisau, Kaiserstuhl etc. Wo mehrere Verkehrslinien sich treffen, da musste wieder die Entwicklung einer Siedelung besonders begünstigt werden. Dahin gehören: Freiburg, Bern, Solothurn, Olten, Aarau, Zürich, Winterthur u. a.
Wie man sieht, haben oft mehrere Faktoren zusammengewirkt, um einen Ort gross zu machen. In der Neuzeit kommt zu diesen natürlichen Umständen noch hinzu der Einfluss der Eisenbahnen und der modernen Grossindustrie. So sind denn Orte wie Olten, Baden, Winterthur stark gewachsen, während andere, ebenso alte und einst ebenso bedeutende wie Kaiserstuhl, Zurzach, Eglisau stationär geblieben sind oder abgenommen haben. Dadurch hat sich der historische Unterschied zwischen «Stadt» und «Dorf» vielfach verwischt und geradezu umgekehrt.
Denn «Dörfer» wie Langenthal, Uster, Wädenswil, Horgen sind jetzt grösser als «Städte» wie Erlach, Laupen, Grüningen. Durch das ganze Mittelland zeigt sich wie in allen Kulturländern die Verschiebung der Bevölkerung nach den Industriezentren, der "Zug nach der Stadt». Die grossen Orte wachsen rasch an, die Landgemeinden gehen eher zurück. Naturgemäss tritt das im Alpen- und Juragebiet nur in geringem Mass auf; deswegen finden wir denn auch von den 18 Gemeinden der Schweiz, welche mehr als 10000 Ew. zählen, nur eine (Chur) in den Alpen, nur zwei (La Chaux de Fonds und Le Locle) im Jura. Die übrigen liegen entweder gerade an der Grenze des Mittellandes (Neuenburg, Biel, Luzern) oder ganz darin.
[Dr. Aug. Aeppli.]